11 COMPUTER

11.1 Der PC in zehn Jahren


Vorbemerkung: Diese Arbeit erschien im Informatik Spektrum 27, 1 (Januar 2004) des Springer Verlags in Heidelberg. Ich danke dem Verlag für die Genehmigung des Nachdrucks!


Kurzfassung

In diesem Artikel argumentiere ich, dass PCs, wie wir sie heute kennen, in zehn Jahren nicht mehr existieren werden, sondern ihre Funktionen voll in weiterentwickelte Handys integriert sein werden. Als ständige Begleiter werden diese das Leben der Menschen in einem unerhörten Ausmaß verändern. Ich erläutere zunächst oberflächlich technische Aspekte (wobei einige kaum überraschen werden), gehe dann aber ausführlicher auf die zum Teil durchaus überraschenden Auswirkungen dieser dann jederzeit verfügbaren technologischen Wunder ein.

Ich möchte vorweg ausdrücklich betonen, dass ich durchaus nicht alle möglichen und wahrscheinlichen Anwendungen positiv sehe, sondern dass auch große Gefahren damit verbunden sind. Erstens, indem solche PC14 (wie ich sie nenne) die Menschen sehr von sich abhängig machen können (was in [10] sehr deutlich beschrieben wird), zweitens, da damit das Ausmaß der Überwachung noch weit über den Orwell’schen großen Bruder hinausgehen könnte (siehe [11]) und da drittens die beschriebene Technologie unser Denken und unser Gehirn stark beeinflussen kann, so wie die Schrift uns (schon Plato warnte davor) die Erinnerungsfähigkeit weitgehend weggenommen hat und die Taschenrechner das Gefühl für Zahlen. Mit anderen Worten, ich beschreibe nicht mit Begeisterung eine vor uns liegende Welt, sondern ich beschreibe, was auf uns zukommt, wenn keine massive Gegenbewegung entsteht. Von einer solchen kann ich nur wenig erkennen. Ich überlasse die Bewertung der Vor- und Nachteile des PC14 den Lesern und meinen Romanen in der gerade entstehenden XPERTEN-Reihe, siehe [12].


1. Einleitung

Laptops werden immer mächtiger und leichter; Palmtops gehören vermehrt zum guten Ton; beide sind mit einem Zusatzgerät als Handy verwendbar, GPS kann genauso wie eine einfache Videokamera integriert werden. Umgekehrt gibt es schon recht preiswerte WWW-taugliche multimediale Handys, mit denen man Fotos, ja sogar Videoclips aufnehmen und verschicken kann.

Dieser Trend ist bei weitem nicht am Ende. Das Handy der Zukunft wird ein mächtiger Computer sein, der die Funktionen des Telefonierens kombiniert mit jenen eines Fotoapparates und einer Videokamera, der als vollwertiger Computer verwendbar ist, der über ein GPS-System und weitere Sensoren verfügt (z. B., um die Position des Kopfes des Benutzers zu ermitteln, inklusive Blickrichtung und Kopfneigung). Dieser winzige PC des Jahres 2014, im Folgenden kurz PC14, wird auch als elektronische Identifikation anstelle eines Personalausweises, Reisepasses und Führerscheins eingesetzt werden, wird anstelle von Kreditkarten zum Zahlen, als Schlüssel für Türen oder Safes ausgelegt sein und wird viele andere Steuerfunktionen übernehmen, wie weiter unten erläutert wird. Der PC14 wird überdies dauernd mit einem Netzwerk in Verbindung stehen: sei es über einen »Hotspot« mit einem lokalen Netz oder direkt mit dem Internet der Zukunft über breitbandige drahtlose Netze. Diese werden Vergebührungsmodelle anbieten, die eine dauernde Netzverbindung erlauben und das Übertragen beliebiger Datenmengen ohne Zusatzkosten. Dass als Versuchsballon in den USA inzwischen eine monatlich pauschalierte UMTS-Subskription ohne Volumenbeschränkung (= schnellste gegenwärtig einigermaßen breit verfügbare drahtlose Technologie) zum Preis von US-$ 29,90 angeboten wird, zeigt, wohin der Weg geht.

Wichtig zu verstehen ist, was dieser Computer der Zukunft NICHT haben wird: Er wird keine Harddisk haben, keinen Schirm, keine Tastatur und keinen Akku, wie wir sie heute kennen. Die Harddisk wird ersetzt werden durch einen Speicher ohne bewegliche Teile mit mehreren Terabyte Speichervermögen (erste Versionen davon verwenden wir schon heute in Digitalkameras). Und wenn Harddisk, Schirm und Tastatur fehlen, dann wird der Stromverbrauch auf rund 1/3 verringert, sodass neue Methoden (z. B. kleine Brennstoffzellen) einen mehr oder minder reibungslosen Dauerbetrieb erlauben werden.

Tatsächlich ist die Situation, was den Energiebedarf von Prozessoren anbelangt, relativ komplex. Nicht nur erhöht sich bei Beibehaltung gegenwärtiger Technologie der Energiebedarf mit höherer Verarbeitungsgeschwindigkeit des Prozessors (was einen Teil der Stromeinsparung durch den Wegfall der Harddisk und den behaupteten Wegfall von Schirm und Tastatur wettmachen könnte), auch der Energiebedarf ist von den gerade laufenden Applikationen abhängig. In einer Untersuchung etwa des tragbaren Xybernauts benötigt dieser je nach den laufenden Prozessen zwischen 5 und 9 Watt. Weiter verkompliziert wird die Tatsache dadurch, dass die drahtlose Verbindung mit einem wie immer gearteten Netz beachtliche Energie benötigt. Allerdings wird der lokale Speicher des PC14 so groß sein, dass nicht mit kontinuierlichen Netzzugriffen gerechnet werden muss. Insgesamt wird sich jedenfalls die Betriebsdauer des PC14 ohne externe Stromzufuhr auf die Größenordnung von mehreren Tagen erhöhen, auch wenn sensationelle Entwicklungen wie Chips auf Diamantenbasis (wie in WIRED unlängst berichtet) nicht (so schnell) zum Tragen kommen werden, die durch ihre 200-mal größere Wärmeleitfähigkeit einige Probleme gegenwärtiger Chiptechnologie sehr verringern würden.

Damit stellt sich nur die Frage: Wie kann man etwas sehen und wie etwas eingeben, wenn es keinen Schirm und keine Tastatur gibt?

Wenden wir uns zunächst der Schirmtechnologie zu. Es gibt hier eine Reihe von Methoden, die Schirme, wie wir sie heute kennen, überflüssig machen werden: von faltbaren, rollbaren, knitterbaren Schirmen (die in die Kleidung eingebaut werden könnten) über Projektoren, die auf jede (auch unebene und farbige) Fläche einwandfreie Bilder projizieren, bis hin zu den Versionen der »digital ink«. Eher noch weiter in der Zukunft anzusiedeln sind Holografieprojektoren oder Brillen, in die Bilder eingespielt werden können, bzw. Brillen mit Spiegelchen, die direkt durch die Pupillen auf die Retina der Augen projizieren.

Welche von diesen Technologien sich durchsetzen wird, ist kaum vorhersehbar, aber es ist auch letztendlich gleichgültig. Sicher ist, dass wir stets mehr oder minder gewichtslose hochqualitative Schirme bei uns haben werden.

Was die Tastatur anbelangt, so wird sie einerseits durch Spracheingabe ersetzt werden (auch unhörbar gesprochene Texte über z. B. ein Kehlkopfmikrofon), es wird eine Reihe von unorthodoxen Eingabegeräten geben (etwa könnten Kopfbewegungen als Eingabesignale verwendet werden), vor allem aber wird man über die Verarbeitung der Bilder, die durch die schon erwähnte Videokamera geliefert werden, verschiedenste Gesten in Eingabesignale umsetzen können. Tatsächlich ist damit auch so etwas wie eine »virtuelle Tastatur« möglich. Es wird auf dem Schirm (wie immer der aussieht) eine Tastatur (in einem Teil des Schirms) eingeblendet. Mit den Fingern berührt man die Tasten und diese Berührungen werden von Kamera und Bildverarbeitung entsprechend interpretiert. Da das »taktile Feedback« fehlt, das Gefühl wirklich zu tippen, wird dieses zum Beispiel durch akustische Rückmeldungen ersetzt (verschiedenen Tasten entsprechen verschieden hohe Töne, manchen, wie der Delete-, Enter- oder Umschalttaste sogar ganz spezifische Geräusche).

2brille.tif

Die genaue Erklärung zur Kommunikationsbrille: in XPERTEN: Der Paradoppelgänger



2. Ein mögliches Modell

Von den vielen möglichen technischen Varianten bespreche ich im Nachstehenden eine von mir »erfundene«, die ich auch in Vorträgen und anderen Publikationen schon mehrmals verwendet habe, nicht, weil der PC14 wirklich genau so aussehen muss, sondern weil viele Erklärungen dadurch besonders einfach werden. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ganz andere Varianten genauso wahrscheinlich sind. Es kommt nur letztlich nicht darauf an, weil jede andere Variante eine ähnliche Funktionalität zur Verfügung stellen würde. Und wenn wir uns in Abschnitt 3 mit den Anwendungen des PC14 beschäftigen, dann kommt es nur auf diese Funktionalität an, nicht, wie sie verwirklicht wird.

Eine mögliche Variante des PC14 könnte zum Beispiel so wie in der vorherstehenden Abbildung aussehen, wobei die »Brillenvariante« angenommen wird. Der eigentliche Computer (1) ist nicht viel größer als eine Kreditkarte, aber etwas dicker, er hat alle Handy- und Computerfunktionen, die beschrieben wurden, und steht mit der Brille und dem Halsband einerseits und einem Netz und damit auch mit dem Internet der Zukunft andererseits drahtlos in Verbindung. Er liefert bei (2) an den Seiten der Brillen nur für den Benutzer hörbar Stereoton ab, blendet über kleine Spiegelchen in der Brille (auf Wunsch auch 3-D) Text und visuelle Multimediaprodukte ein, indem die Informationen zum Beispiel durch die Pupillen direkt auf die Retina projiziert werden.

(4) ist eine kleine Kamera, über die Benutzer sehen können (zum Beispiel im Infrarotmodus in der Nacht, mit Zoomfunktion wie mit einem Feldstecher oder im Makromodus wie mit Lupe), deren Bilder aber auch vom Computer über Bildverarbeitungsprogramme verwendet werden können. Die Kamera hat auch einen Kompass, d. h., der PC14 weiß über GPS, wo man sich befindet und auch in welche Richtung und mit welcher Kopfneigung man blickt. (6) ist ein Kehlkopfmikrofon, das gesprochene Worte (nach einiger Übung auch solche, die mit geschlossenem Mund gesprochen werden) aufnehmen kann, sei es zum Telefonieren oder zur Auswertung durch den Computer. Hier ist auch ein kleiner Lautsprecher eingebaut, damit fallweise andere Menschen mithören können, selbst wenn sie gerade keine PC14-Brille tragen. (3) ist eine Spange, die unter den Gehirnaktivitäten einige wenige erkennen kann, etwa jene, die entstehen, wenn man an eine Bewegung einer Hand oder eines Beines denkt. Schließlich hat (3) noch einige andere Sensoren, zum Beispiel, um die Bewegung des Kopfes feststellen zu können, aber eventuell auch, um Puls, Körpertemperatur oder Umweltparameter zu messen.


Nichts, was ich beschrieben habe, ist heute nicht machbar, aber die einzelnen Funktionen sind heute noch in keinem Gerät in Miniaturausführung integriert. Dass dies jedoch möglich ist, steht außer Zweifel und wird in verschiedenster Form von vielen Menschen vorhergesagt, ja kommt selbst in Romanen wie [1] vor und ist die Basis von Forschungsprojekten wie [2], wobei in beiden Fällen das gewaltige Spektrum der Einsatzmöglichkeiten in keiner Weise behandelt wird. Das wird skizzenhaft im nächsten Abschnitt erstmals versucht.


3. Anwendungen

3.1 Der PC14 verändert die Bedienung von Computern

Die Eingabe von Informationen über Tastatur und Mausklicks wird ersetzt durch Spracherkennung, durch Gestenerkennung, durch andere, heute noch ungewöhnliche Methoden, wobei die »virtuelle Tastatur« (siehe unten) eine davon ist.

Die Gestenerkennung ist ein mächtiges Werkzeug. Nicht nur wird man in Zukunft nicht mehr »ja« oder »nein« anklicken, sondern zum Beispiel nicken oder den Kopf schütteln. Statt mit einem Mauskursor auf eine bestimmte Stelle hinzuzeigen, zeigt man mit dem Finger auf die richtige Stelle am Schirm und nickt dann. Oder man verwendet Eye-Tracing-Verfahren, die feststellen, wo man gerade hinsieht, wie sie heute schon in manchen Anwendungen zum Einsatz kommen. Um die Augenbewegungen zu verfolgen, eignet sich natürlich das Brillenmodell in Abbildung 1 besonders gut, weil durch einen einfachen Zusatz die Stellung der Pupille genau erkannt werden kann. Es wird aber auch andere Eingabemöglichkeiten geben. Etwa den zweiteiligen Ring am Finger, bei dem durch Drehen der einen Hälfte ein Zeichen ausgewählt wird (es wird am Schirm angezeigt) und ein leichter Druck dieses aktiviert. Solche Ringe gibt es im Prototyp, sie sind etwa so einfach zu benutzen wie die Tastatur eines Handy, nur kann man sie bedienen, ohne dass Außenstehende etwas davon merken. Natürlich gibt es auch berührungssensitive Schirme, Tastaturen aus Stoff usw.

Die »Brillenvariante« des PC14 wie in der Abbildung auf Seite 202, könnte mit geeigneter Software sogar alle Gesten, die zum Beispiel in der Gehörlosensprache verwendet werden, durch die Kamera gleichfalls als Eingabe verwerten. Da diese sehr zahlreich und komplex sind (bis zu 5.000 solche gibt es etwa in der offiziellen englischen Version), gehe ich davon aus, dass sich ein ganz neuer Satz von einfachen Gesten ausprägen wird, der für Eingabezwecke verwendet werden kann.

Die »virtuelle Tastatur« ist ein gutes Beispiel, was der skizzierte PC14 ermöglicht: Er projiziert auf Wunsch eine nur für den Benutzer sichtbare Tastatur, die vor dem Benutzer zu schweben scheint und auf der man nun tippen kann. Die Fingerpositionen werden durch die in der Brille eingebaute Kamera verfolgt und ausgewertet, sodass das Getippte vom PC14 erkannt werden kann.

Schließlich sind auch die abgetasteten Gehirnzustände als einfache Eingabesignale für »ja«, »nein«, »weiter« usw. verwendbar.

Aus Urheberrechtsgründen, aber auch aus Platzgründen muss hier auf die Wiedergabe der entsprechenden Geräte bzw. Prototypen verzichtet werden. Jeder Interessierte findet aber unter www.google.com mit Eingaben wie »Wearables«, »Schirmtechnologie«, »Eingabegeräte« usw. viel von dem Erwähnten und mehr. Einige typische URLs sind etwa www.mobilemag.com/content/,news.bbc.co.uk/2/hi/technology/3090392.stm,  www.mydejaview.com/.


3.2   Der PC14 verändert die Kommunikation und den Umgang mit Menschen und Informationen

Der PC14 hat, das darf nicht vergessen werden, auch die Funktion eines Handys. Nur braucht man zum Hören dieses nicht gegen das Ohr zu halten, man kann aber den Lautsprecher auf Wunsch verwenden, damit andere an der Konversation teilnehmen können. Da man mit geschlossenem Mund sprechen (= interpretierbare Geräusche machen) oder durch Gedanken einfachst buchstabieren kann (wie heute beim Senden von SMS), bedeutet dies, dass zwei Personen miteinander kommunizieren können, ohne dass Menschen um sie herum dies erkennen. Damit ist technisch eine Art Telepathie verwirklicht, wie schon in [3] erwähnt. Es ist eine der Absichten von [12] zu belegen, wie weitgehende, heute noch fast unvorstellbar klingende Aktivitäten durch Informationstechnologie simuliert werden können. Der PC14, der auch in [1] eine prominente Rolle spielt, ist dabei eine wesentliche Komponente. Während des Telefonierens können Bilder bzw. Videos übertragen werden, sei es vom Sprecher, von der Umgebung des Sprechers oder aufgezeichnetes Material. Umgekehrt kann die gesamte audio-visuelle Kommunikation für später aufgezeichnet werden.

Die eingebaute Kamera spielt dabei eine wesentliche Rolle: Sie kann natürlich auch aus der Brille herausgenommen werden, damit man problemlos das eigene Gesicht, eine Blume oder sonstige Aufnahmen senden bzw. archivieren kann. Wenn sie im Normalfall in der Brille ist, »sieht« sie genau das, was der Träger sieht. Das kann dazu verwendet werden, um alles, was sich um den (oder genauer vor dem) Träger der Brille akustisch oder visuell abspielt, aufzuzeichnen! Sofern man diesen Modus aktiviert, kann die Kamera also alles, was der Träger sieht und hört, aufnehmen und lokal oder auf einem Server über das Netz aufzeichnen, wobei die Filmsequenzen durch einen »Ort- Stempel« (d. h. die durch das GPS genau bestimmte Position) und einen »Zeit- Stempel« (d. h. Datum und Uhrzeit) später leicht gefunden werden kann. Die so erhaltenen Audio- und Videoinformationen wurden anderweitig [13] als das »Tagebuch der Sinne« bezeichnet. Man kann Jahre später durch Eingabe von Informationen wie »Zion National Park, Mitte Juli 2009« mit geeigneter Software alle Informationen abrufen, die man beim damaligen Besuch des Zion Parks in Utah, USA, aufgezeichnet hat! Es ist klar, dass bei einem vollständigen Tagebuch der Sinne sehr große Datenmengen anfallen, die pro Jahr bei 10 Terabyte liegen mögen. Damit ist das beschriebene »Tagebuch der Sinne« wohl im Jahr 2014 noch nicht wirklich realistisch, aber wie nahe wir daran schon heute herankommen, zeigen kommerzielle, bereits erhältliche Entwicklungen. Zum Bespiel wird unter dem amüsanten Namen »DejaView« im WWW eine Kamera angeboten, die »die Vergangenheit filmt«. Letzterer Ausdruck ist ein netter Marketing-Gag und doch trifft er in etwa zu: DejaView besteht aus einem kleinen (Handy-großen) Videorekorder, den man im Rucksack oder der Hosentasche trägt, und einem Kamerateil, der klein wie eine Webcam auf irgendeine Brille (oder den Hut oder den Mantelkragen) aufgesetzt wird und der mit dem Rekorderteil drahtlos verbunden ist. Die Kamera ist in Dauerbetrieb (!), zeichnet aber das Geschehen NICHT auf dem Videorekorder auf, sondern auf einem eingebauten Chip, in der ersten 2003 verfügbaren Version rollierend die letzten 30 Sekunden. Durch einen Knopfdruck werden die letzten 30 Sekunden dann nicht mehr überschrieben, sondern auf dem Videorekorder aufgezeichnet. In einem gewissen Sinn filmt man damit tatsächlich die Vergangenheit: Ich gehe im Wald spazieren und sehe einen Hirsch über den Weg springen. Mit normalen Kameras hätte ich keine Chance, dies aufzunehmen, denn bis ich die Kamera schussbereit habe, ist der Hirsch lange verschwunden. Mit DejaView nicht: Die Kamera hat ja genau das gesehen, was ich sah. Es genügt also, im Nachhinein den Aufnahmeknopf zu drücken und der über den Weg springende Hirsch (noch im Chip aufgezeichnet) wird auf den Rekorder übertragen. Die Anwendungen sind vielseitig: Ich sehe einen Unfall in einer Stadt, drücke nachher auf den Knopf und der Unfall wird sozusagen nachträglich gefilmt, für die Klärung der Schuldfrage vielleicht von kritischer Bedeutung.

Sobald DejaView-Kameras eine hinreichend große Auflösung haben und noch um einige technische Details (bessere Auflösung, Zoom, längere Aufzeichnungszeit?) erweitert sind, könnten sie meiner Ansicht nach ein großer Hit werden. Wie oft ärgern wir uns doch, dass die interessantesten Momente, die man erlebt, gerade jene sind, die nicht aufgezeichnet wurden!

Freilich, die damit verbundenen Gefahren jeder solchen Technologie für zum Beispiel unsere Privatsphäre sollen anhand dieses Beispiels einmal deutlich vor Augen geführt werden: Wenn jeder Mensch eine solche DejaView-Kamera trägt, dann werden auch alle Peinlichkeiten, die jedem von uns unterlaufen, alle Indiskretionen usw. aufgezeichnet. Das mag für die anderen Personen ja recht unterhaltsam sein (wie die Folgen »Mit versteckter Kamera« im Fernsehen), für die Betroffenen aber oft mehr als nur peinlich. Diese so entstehende andauernde Beobachtung (= Überwachung), die durch andere Geräte (Minidrohnen mit Kameras und Mikrofonen) noch sehr erhöht werden wird, stellt eine auf uns zukommende Bedrohung unseres Lebens dar, wie sie sehr dramatisch in [11] beschreiben wird.

Aber wie so viele Technologien haben auch der PC14 und seine Erweiterungen nicht nur erschreckend negative, sondern auch verblüffend positive Aspekte. So ist mit dem PC14 selbst die Kommunikation mit Anderssprachigen denkbar: Man »redet« in seiner Muttersprache mit geschlossenem Mund. Der PC14 übersetzt das Gesprochene und gibt es entweder über den Lautsprecher aus oder sendet es an die Brille des anderen. Es ist damit sowohl eine Konversation, bei der andere nichts hören, als auch eine direkte und für alle Umstehenden hörbare Unterhaltung zwischen zwei Menschen, die verschiedene Sprachen verwenden, denkbar! Das Heranziehen von dynamischen Symbolsprachen, siehe [2], ergibt noch zusätzliche Dimensionen, die im Beitrag 11.4: »MIRACLE« angerissen werden!

Der PC14 verändert auch Diskussionen zwischen Menschen: Was immer gesagt wird, kann durch eine für den Sprecher unsichtbare Computerrecherche in der lokalen Datenbank oder im zukünftigen Internet von den Zuhörern auf Richtigkeit überprüft werden. Wenn jemand leichtfertig (»über den Biertisch«) etwas behauptet, was eklatant falsch ist, kann ich dies sofort richtig stellen. Wir werden alle lernen müssen, bei kritischen Aussagen selbst vorher zu recherchieren, um uns nicht unnötig bloßzustellen. Da ich umgekehrt jederzeit Informationen abrufen kann, die ich dann in die Diskussion einfließen lasse, wobei ich die Information oder die Quellen zeige oder auch nicht, so wie es mir gerade angebracht erscheinen mag, glaube ich, dass sich dadurch unser zukünftiger Diskussionsstil gewaltig ändern wird.

Durch die ständige Verfügbarkeit von Informationen, lokal oder aus dem Internet, verändert sich unsere Einstellung zu Informationen: Freilich sind noch mächtige »Wissenswerkzeuge« zu entwickeln, damit Benutzer nicht von einer Informationslawine verschüttet werden, sondern das und nur das bekommen, was für sie wichtig ist [4].

Aber nicht nur der Umgang mit Informationen ändert sich durch Geräte wie den PC14, auch der Umgang von Menschen. Das fängt schon damit an, dass ich nicht mehr Visitkarten austausche, sondern (falls das mein Gegenüber und ich wünschen) umfangreiche Informationen über uns beide automatisch ausgetauscht werden, wobei die Kamera gleichzeitig mehrere Bilder von der anderen Person aufnimmt und abspeichert. Begegne ich dieser Person irgendwo irgendwann später, dann erinnert mich der PC14 (wenn ich diese Funktion aktiviert habe) auf Grund der Bilderkennungssoftware und des von der Kamera gelieferten Bildes, dass ich den anderen Menschen kenne, ja, wo ich ihn das letzte Mal getroffen habe, gibt Informationen zu ihm etc. Damit ist es dann auch endgültig vorbei mit dem letzten Stück der Privatsphäre prominenter Personen (selbst eine dunkle Brille und ein in die Stirn gezogener Hut werden von der Bilderkennung berücksichtigt). Umgekehrt wird das in den PC14 eingespielte Bild eines Verbrechers unendlich erfolgreicher sein als beliebige Fahndungsfotos. Und die Frau, die von einem Mann überfallen wurde und ihren PC14 auf »Video auf Server ablegen« eingeschaltet hatte, liefert gute Bilder des Kriminellen, selbst wenn sie getötet würde. Da dies der Angreifer aber weiß, wird er vielleicht den Überall unterlassen, der PC14 damit Verbrechen verhindern.

Es ist dieser Gedanke, der in [11] stärker aufgegriffen wird: Jeder Mensch, der eine Kamera in einem PC14 trägt, die Filme so verschlüsselt auf einem zentralen Server hinterlegt, dass nur er selbst darauf zugreifen kann, hat plötzlich für jede Zeit ein Alibi. Wird er beschuldigt, zum Zeitpunkt x irgendwo eingebrochen zu haben, so kann er dies auf Wunsch widerlegen, indem er einige Minuten des verschlüsselten Filmes in der zeitlichen Umgebung von x zwei dafür zugelassenen Richtern vorführt.


3.3   Der PC14 verändert das Leben

Es benötigt nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wie weit der PC14 in das Leben eingreifen wird. Durch die Erkennung von Gesichtern wird er mich erinnern, wer mir gegenübersteht, wenn mich mein schlechtes Personengedächtnis wieder einmal im Stich lässt, weil Informationen auf Visitkarten zusammen mit vielen anderen die auf Wunsch zwischen zwei Personen automatisch ausgetauscht wurden, genauso zur Verfügung stehen wie Fotos, die die Kamera des PC14 aufgenommen hat. Der PC14 wird zum perfekten Führer, nicht nur wie heutige Routenplaner in teureren Automodellen, sondern auch, wenn man ohne Auto unterwegs ist, weiß der UPC, wo man ist, was man sich gerade ansieht, und kann jederzeit Informationen dazu liefern. Er wird ein unentbehrlicher Assistent. Er erklärt mir, indem ich die Kamera auf Makromode schalte, die Unterseite eines Pilzes zeige und damit dessen Sporen durch Bilderkennung mit den Beschreibungen in einem Pilzlexikon verglichen werden, ob dieser Pilz essbar ist und wie er zubereitet werden soll. Er erklärt mir, welchen Berg ich sehe, wie hoch dieser ist und wo Routen hinaufführen, usw.

An dieser Stelle darf ich noch einmal auf die Ambivalenz des Wertes des PC14 hinweisen. Jeder, der nur mit einem Routenplaner unterwegs ist, weiß, dass er die Routen nie wirklich kennen lernt, verinnerlicht, weil er nur der wohl modulierten Stimme des Routenplaners folgt. Wenn ich alle Informationen über Pilze, Blumen, Berge, Häuser usw. jederzeit abrufen kann, werde ich mir dann noch irgendetwas merken? Oder werden Platos Bedenken: »Jeder, der Schreiben und Lesen lernt, in dessen Seele wird das Vergessen Einzug halten« (weil man sich alles sofort notiert, statt sein Gedächtnis genügend trainiert, um sich alles zu merken) noch massivere Auswirkungen zeigen: »Jeder der den PC14 verwendet, wird ein leeres Gehirn haben, und mit leerem Gehirn lässt sich über nichts mehr nachdenken und diskutieren«?

Wir werden mit dem PC14 statt mit Kreditkarte zahlen, er dient uns als moderne Version des Reisepasses, er öffnet Türen (für Räume, die wir betreten dürfen) und erlaubt uns die Bedienung von Geräten in der direkten Umgebung (Licht andrehen, Wasser aufdrehen ...), aber auch auf beliebig große Entfernung, wie die Regelung der Heizung am Weg zum Schi-Appartement.


Auch im medizinischen Bereich hilft der PC14 in unerhörtem Ausmaß. Habe ich zum Beispiel Halsschmerzen, rufe ich meinen Hausarzt an. Dieser verlangt von mir über die oben erwähnte Kamera ein Bild der Zunge, identifiziert die Art der Infektion und verordnet ein Medikament, das man bei der nächsten Apotheke (die der PC14 kennt) abholen kann. In anderen Fällen sorgen Sensoren, die Blutdruck, Körpertemperatur, Leitfähigkeit der Haut, Luftqualität, etc. messen und ständig an einen Medizinserver übertragen, für die Erkennung von kritischen Situationen, ja durch die potenzielle Erkennung von Korrelationen vielleicht für die Entdeckung der Ursache mancher Erkrankungen.


3.4 Der PC14 verändert das Lernen, die Arbeit und die Menschheit

Ausgeklügelte Unterrichtsprogramme, die auch die jederzeitige Kommunikation mit Tutoren oder Experten ermöglichen oder die über »Interaktive Dokumente« [5] oder »Interactive Knowledge Centers« [9] verfügen, erlauben den leichten und effizienten Wissenserwerb zu dem Zeitpunkt, zu dem er sinnvoll ist. Die ständige Verfügbarkeit von riesigen Informationsmengen macht große Teile des Faktenlernens in allen Bereichen unnotwendig, sei es Geschichte oder Geografie, Medizin oder Rechtswissenschaften. Selbst Aktivitäten wie Handschreiben (wird man das wirklich noch brauchen?) oder Fremdsprachenlernen (wie wichtig ist das, wenn es automatische Übersetzungsprogramme gibt?) könnten überflüssig werden. Nicht nur, WIE wir lernen, sondern vor allem WAS wir lernen müssen, wird sich daher dramatisch ändern [6]. Ähnlich wird die Arbeit in vielen Bereichen durch zunehmend mächtige Wissensmanagementsysteme verändert werden, [4], [9]. Der PC14 und das dahinter liegende Netz werden immer mehr zu einer Erweiterung des menschlichen Gehirns. Zudem werden die Menschen, so arbeitsteilig sie heute schon bei der Herstellung materieller Güter sind, durch zunehmende Arbeitsteiligkeit auch im Bereich Wissen immer mehr miteinander verzahnt (positive Sicht) bzw. voneinander abhängig (negative Sicht), [8], [10].


4. Literatur

[1] H. Maurer: Der Paradoppelgänger; Freya Verlag, Österreich (2003), siehe auch [12].

[2] D. Camhy, H. Maurer, R. Stubenrauch: Foundations of MIRACLE: Multimedia Information Repository, A Computer-supported Language Effort; J.UCS vol. 9, no. 4 (2003), 309–348

[3] H. Maurer: Parapsychologische Phänomene, Magie, Wunder … und Technologie; Informatik Spektrum, vol. 25, no. 3 (Juni 2002), 187–193, abgedruckt als nächster Beitrag

[4] H. Maurer: Wissensmanagement – Ein Schritt nach vorne oder nur ein neues Schlagwort? Informatik Spektrum vol. 27, no. 1 (Februar 2003), 1–8

[5] E. Heinrich, H. Maurer: Active Documents: Concept, Implementation and Applications; J.UCS vol. 6, no. 12 (2000), 1197–1202

[6] H. Maurer: Lernen ist Wissenstransfer und muss daher als Teil von Wissensmanagement gesehen werden; In: Tagungsband Education Quality Forum, Dortmund, November 2002, (Slawik, R. K., Kernes, M; Herausgeber), Waxmann, Münster (2003), 133–144

[7] H. Maurer, K. Tochtermann: On a New Powerful Model for Knowledge Management and its Applications, J.UCS vol. 8, no. 1 (2002), 85–96

[8] H. Maurer: Die Informatikwelt in 100 Jahren; Informatik Spektrum vol. 24, no. 2 (2001), 65–70, abgedruckt in diesem Buch als Beitrag 7.5

[9]www.hyperwave.de

[10] H. Maurer: XPERTEN: Das Paranetz; Freya Verlag (erscheint 2004)

[11] H. Maurer: XPERTEN: Die Paraüberwachung; Freya Verlag (in Vorbereitung)

[12]www.iicm.edu/XPERTEN

[13] J. Anhofer: Das elektronische Tagebuch der Sinne; Diplomarbeit TU Graz 2003


11.2 Wunder und Informatik:

Parapsychologische Phänomene, Magie, Wunder …

und Technologie


Vorbemerkung: Diese Arbeit erschien im Informatik Spektrum 25, 3 (Juni 2002) des Springer Verlags in Heidelberg als Dokumentation meiner Rede anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde in Karlsruhe. Wir danken dem Verlag für die Genehmigung des Nachdrucks!


Zusammenfassung

In dieser Arbeit werde ich zunächst einige übernatürliche Phänomene, über die in der Vergangenheit wie über Wunder berichtet wurde, auflisten. Ich werde dann zeigen, dass sich die angeführten Situationen heute durch Technologie mehr oder minder simulieren lassen. Daraus schließe ich, dass Dinge, die wir heute als Wunder ansehen würden, durch zukünftige Technologien ähnlich »entzaubert« werden. Um dies zu belegen, werde ich einige Beispiele anführen, bei denen erste Ansätze, wie man solche »Wunder« realisieren könnte, sichtbar sind.


1. Wundersame Phänomene und Geschichten

In diesem Abschnitt werde ich einige ungewöhnliche Situationen bzw. wundersame Phänomene ohne ersichtlichen Zusammenhang auflisten. Im zweiten Abschnitt werde ich sie dann aus einer technologischen Sicht genauer diskutieren, was zu einer wichtigen Folgerung führt. Also los!

Zeus, der höchste der Götter in der griechischen Mythologie, verfügte über viele besondere Eigenschaften. Seine vielleicht bekannteste und mächtigste war, dass er in der Lage war, Blitze gezielt auf Gegenstände und Personen zu schleudern, selbst wenn sich diese versuchten zu verstecken.

Plinius der Jüngere ist einigen aus dem Lateinunterricht noch bekannt durch seine detaillierte Beschreibung des Ausbruchs des Vesuvs im Jahre 79 n. Chr. (bei dem übrigens sein Onkel, Plinius der Ältere, ums Leben kam und die Städte Pompeji, Herculaneum und Stabiae unter der Vesuvasche begraben wurden). Während Plinius schlief, war einer seiner Assistenten mit der Beobachtung der Phänomene beauftragt, wobei dieser junge Mann über ein offenbar fast »fotografisches Gedächtnis« verfügte. Er konnte unglaubliche Details berichten. Personen mit einer solchen Fähigkeit wurden später Eidetiker genannt. Ein »echter« Eidetiker könnte zum Beispiel eine Druckseite ganz kurz ansehen und dann den Text lesen, als würde er ihn noch immer vor sich haben.

In den Psychologiebüchern der 1960er Jahre sind noch ausführliche Statistiken zu finden, welcher Prozentsatz von Personen in welchem Alter über eidetische Fähigkeiten verfügt. Spätere Versuche die Statistiken zu verifizieren endeten in einer großen Überraschung: Es war überhaupt kein »echter« Eidetiker mehr aufzufinden. In diesem Sinne äußert sich der große Brockhaus [1] auch recht vorsichtig zu diesem Phänomen: »Eidetiker ist eine von E. R. Jaensch (18831940) geprägte Bezeichnung für das Vorkommen ‚subjektiver Anschauungsbilder‘; ein Phänomen, das besonders bei Kindern und Jugendlichen auftreten soll. Eidetiker seien in der Lage, sich Objekte und Situationen derart anschaulich vorzustellen, als ob sie realen Wahrnehmungscharakter hätten: Dies nennt man Eidese. Heute wird allerdings die Existenz einer eidetischen Anlage als eines eigenständigen psychischen Phänomens bezweifelt.« Mit anderen Worten, entweder sind alle Eidetiker inzwischen ausgestorben oder jemand im Umfeld von Jaensch hat bewusst oder unbewusst Versuchsergebnisse falsch interpretiert!

In vielen Erzählungen und Religionen ist von Wunderheilern die Rede, die manchmal zu Tode Geweihte problemlos wieder gesunden lassen konnten. Einige dieser Wunderheiler konnten sogar offenbar in den Körper der Kranken direkt »hineinsehen«!

In der Sammlung der Märchen von »Tausendundeine Nacht« findet sich auch die Geschichte von »Ali Baba und die 40 Räuber«. Nach dem großen Brockhaus (der noch ein paar Mal bemüht werden wird): »Ali Baba belauscht 40 Räuber, die durch das Zauberwort ‚Sesam, öffne dich!‘ eine Felsentür öffnen. Er dringt in die Höhle ein und kehrt mit drei Esellasten Gold nach Hause zurück. Sein Bruder, dem er das Geheimnis mitteilt, wird von den Räubern getötet. Versteckt in Ölschläuchen lassen diese sich in Ali Babas Haus tragen, um auch ihn umzubringen, werden jedoch von der aufmerksamen Magd Morgiane entdeckt und unschädlich gemacht.«

Die tausend Fenster des Schlosses »Xanadu« (das durch das Gedicht »Kubla Khan« von Samuel Taylor bekannt wurde, aber schon in Marco Polos Reisen in einem schwächeren Sinn erwähnt wurde; wieder zitiere ich den großen Brockhaus) zeigen tausend verschiedene Teile der Welt. Kein Wunder, dass der Herrscher über Xanadu im Sinne von »Information ist Macht« eine bedeutende Person war! Aus alten Reiseberichten stammt auch die Geschichte von einem Meisterkoch, der ohne Feuer die herrlichsten Gerichte bereiten konnte.

In der Science-Fiction- und Fantasy-Welt wimmelt es von Gestalten mit übermenschlichen Fähigkeiten. Hier seien nur einige erwähnt, die für uns später von Bedeutung sein werden:

Es gibt Lebewesen die sehen im Dunkeln; andere können (wertvolle Metalle) orten; manche haben Augen, die wie ein Fernrohr oder Mikroskop funktionieren. Lebewesen, die zu Land und unter Wasser atmen können, finden sich bis hin zu den neuen Filmen (»Waterworld«); manche Lebewesen haben spezielle Sinnesorgane für die Wahrnehmung von radioaktiver Strahlung oder von elektro-magnetischen Feldern usw.


2. Wundersames aus der Sicht heutiger Technologie

In diesem Abschnitt werde ich die Punkte aus dem Abschnitt 1 der Reihe nach aus heutiger technologischer Sicht diskutieren.

Ob der Blitze schleudernde Zeus Minderwertigkeitskomplexe bekommen würde, wenn er heute Cruise Missiles oder unbemannte, aber potenziell sogar bewaffnete Kleinflugzeuge (wie die heutigen Drohnen CL 89 und CL 289 des deutschen Heeres) sehen würde? Vielleicht würde er sich weiter mit dem Verführen von Frauen trösten (ihm kann ja dem Mythos entsprechend keine Frau widerstehen). In dieser Hinsicht sind die Wissenschafter (zum Glück?) noch nicht ganz so weit, auch wenn man heute die Wirkung von Duftstoffen und anderen Aspekten auf Menschen immer mehr erforscht!

Sicher ist, dass Plinius lieber einen Assistenten mit Foto- oder Videokamera gehabt hätte als einen (fast) eidetischen! Anders formuliert: Jede Digitalkamera, bei der man sich sofort nachher das Bild ansehen kann, ist ein guter Ersatz für das eidetische Phänomen, d. h., jeder von uns ist heute (wenn er will) mehr oder minder ein Eidetiker!

Wie beeindruckt können wir noch von Wunderheilern sein, die etwa Pestkranke vor dem Tode retteten? Mit einer guten Dosis Antibiotika nun wahrlich keine Kunst mehr! Menschen, die durch Allergien in Lebensgefahr kommen, sind heute durch eine einzige Injektion rettbar und oft bilden sich die Symptome sichtbar rasch (manche in Minutenschnelle) zurück.

Der Biss einer hochgiftigen Schlange an einer schlimmen Stelle, einmal ein Todesurteil, ist heute bei rascher Verfügbarkeit des entsprechenden Serums leicht zu bekämpfen. Wenn Menschen, die in den Körper anderer hineinsehen können, Wunderheiler sind, dann haben wir heute durch Röntgen- und Ultraschalluntersuchungen, durch Computer- oder Kernspintomografie usw. unsere Ärzte alle zu Wunderheilern gemacht. Die Bedeutung der Informatik in diesem Bereich der bildgebenden Verfahren ist gewaltig. Wenn man sieht, wie computergesteuert aus Bildern eines zerschmetterten Knochens im Inneren eines Menschen ein dreidimensionales Modell erzeugt und dann durch zum Beispiel Stereolithografie in ein physisch angreifbares Objekt verwandelt wird, sodass das weitere Vorgehen vor einem operativen Eingriff genauestens überlegt werden kann, dann verlieren einige der klassischen Erzählungen sehr an Wunderkraft.

Der Räuberhauptmann aus »Tausendundeine Nacht« würde durch die sprachaktivierte Öffnung der Felsentür heute keine Informatiker mehr verblüffen; mehr verblüffen würde er diese, wenn damit Ali Baba auch das Tor öffnen könnte: Das Spracherkennungsmodul wäre doch (vorsichtshalber) sicher auf die Stimme des Räubers kalibriert!

Das Schloss Xanadu mit tausend Fenstern haben wir heute als WWW mit zig Tausenden Webcams. Hat das Ted Nelson geahnt, als er also fast prophetisch sein geplantes System »Xanadu« nannte? Wir bewundern einen Meisterkoch, der ohne Feuer arbeitet? Kaum, dazu verwenden wir inzwischen Mirkowellenherde …

PSI-begabte Menschen oder »Mutanten«, die im Dunkeln sehen, müssen heute mit Nachtsichtgeräten (die auch gleichzeitig wie Feldstecher eingesetzt werden können und auf Lichtverstärker- oder Infrarotbasis arbeiten) konkurrieren. Das Orten von Metallen mit kleinen Geräten wurde in den USA inzwischen zu einem Freizeitsport, aber man kann durch seismische Untersuchungen auch Wasser- oder Ölreserven finden, durch Satellitenbilder vielfältigsten Großphänomenen auf die Spur kommen usw. Die Augen wie ein Fernrohr oder Mikroskop zu verwenden wird durch tragbare Kameras, die ihre Bilder in Brillen einblenden, seit Jahren praktiziert, wobei Steve Mann, Toronto [2], durch seine vielen Selbstversuche fast weltberühmt wurde. Durch das Verwenden von mehr als zwei Kameras kann er nach allen Richtungen gleichzeitig sehen, durch Anbringen einer Kamera am Schuh »sieht« auf einmal sein Fuß (beim Klettern ein großer Vorteil) und da LCD-Chips auch in anderen Frequenzbereichen (als jenen des sichtbaren Lichtes) ansprechen, ist auch eine Sicht bei Nacht und Nebel auf einmal möglich. Arme beschränkte Mutanten!

Ich lebe als Mensch über Wasser. Aber ich atme auch unter Wasser, weil ich gerne SCUBA-Tauchen gehe. Um Radioaktivität aufzuspüren, verwendet man schon Jahrzehnte lang Geigerzähler, heute oft auch »integrierende« Zähler (die die Gesamtbelastung über lange Zeit festhalten); elektromagnetische Felder sind mit verschiedensten Methoden messbar und erkennbar. Zum Ärger oder zur Verblüffung vieler Personen mit Hörhilfen sprechen diese sogar auf manche solcher Frequenzen an! Insgesamt gibt es vieles, was früher wie ein Wunder oder eine parapsychische Begabung aussah, was heute leicht mit Technologie zu bewerkstelligen ist. Dies hat schon Arthur Clarke, der Science-Fiction-Schriftsteller, etwa so formuliert:

»Jede genügend weit entwickelte Technologie erscheint wie Zauberei für alle, die diese Technologie nicht kennen!«

Ja, sogar viel früher hat Edgar Allan Poe 1845 in der Geschichte »Die 1002-te Nacht« die Geschichten aus »Tausendundeiner Nacht« um eine weitere ergänzt, in der Scheherazade über Dinge erzählt, die zur Zeit ihrer Erzählung Wunder gewesen wären, im Jahr 1845 aber nicht mehr: etwa die Geschichte vom riesigen rauchenden Fisch mit so harter Haut, dass man ihm auch mit den schärfsten Speeren nichts anhaben kann. Damit waren natürlich Dampfschiffe gemeint.

Bevor ich auf die Konsequenzen der Tatsache eingehe, dass Wunder zu einer Zeit später technisch realisiert werden, ein Grundthema, das sich ja durch die XPERTEN-Reihe zieht, gebe ich im nächsten Abschnitt noch einige Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart.


3. Weitere Beispiele

Die Griechen besiegten die angreifenden Perser 490 v. Ch. bei Marathon. Ein junger Grieche lief die 42.195 Meter von Marathon nach Athen so schnell er konnte, um die erlösende Nachricht zu überbringen. Kaum war ihm das gelungen, brach er aus Erschöpfung tot zusammen. So geht die Geschichte, die uns noch heute den Marathonlauf beschert (ob sie den Tatsachen entspricht, ist unsicher). Sei, wie es sei: Der Tod des jungen Griechen wäre heute natürlich unnotwendig. Wozu gibt es Fahrzeuge oder noch besser Telekommunikation?

Eine rührende Geschichte von einem verliebten Prinzen und einer schönen, aber nicht so netten Prinzessin ist diese: Als der Prinz um ihre Hand anhält, stellt sie drei damals sehr schwer erfüllbare Bedingungen:

1. Er muss ihr eine Muschel aus jedem der sieben Weltmeere bringen.

2. Er muss ihr einen Schmetterling aus 30 verschiedenen Ländern zu Füßen legen.

3. Er muss das Lächeln einer schönen Frau einfangen.

Der Prinz bemüht sich jahrelang. Er erfüllt (1) und (2), er scheitert aber an (3). Und als er nur (1) und (2) vorlegt, lehnt die noch immer schöne und nicht so nette Prinzessin lächelnd ab.

Der arme Prinz! Hätte er nur eine Polaroid- oder Digitalkamera gehabt, hätte er nur die lächelnde Prinzessin aufnehmen müssen und hätte auch die dritte Bedingung erfüllt. Freilich, vielleicht war es besser so für ihn …

1874 fühlten sich die über Jahrhunderte verfolgten Hutteriten genötigt, in die USA und Kanada auszuwandern. Ihnen stand eine lange und nicht ungefährliche Reise bevor.

Heute würde ich ihnen Teleportation anbieten! Ich würde ihnen sagen: »Ich habe eine tolle Maschine. Die bringt euch alle zusammen samt Gepäck ganz sicher von Deutschland in die USA; es gibt nur einen Nachteil: Auch sie braucht ein bisschen Zeit: acht Stunden.«

Die Hutteriten hätten mich umarmt, das Flugzeug bewundert, und die acht Stunden bestimmt als Teleportation bezeichnet, wenn Ihnen damals dieses Wort bekannt gewesen wäre.

Wie schon vorher erwähnt, bietet der Bereich der Science-Fiction- und Fantasy-Literatur mit ihren »X-Menschen« und »Mutanten« einen unerschöpflichen Fundus für weitere Beispiele, was anstelle von übermenschlichen Begabungen durch Technik möglich ist oder möglich wird: Und fast alles hat irgendwo mit IT und KT zu tun.

Es gibt Mutanten, die sich sicher bewegen, obwohl sie blind sind. Obwohl das zum Beispiel Fledermäuse mit Ultraschall ja auch schaffen, ist es ärgerlich, dass es – obwohl sicher technisch möglich – noch immer für Menschen keine wirklich gute Lösung gibt. Superstarke Superhelden sind da schon eher technisch zu übertreffen: durch Roboterarme oder andere mechanische Ergänzungen.

Superschnelle Helden haben es schwer mit raschen Autos, Flugzeugen oder Raketen zu konkurrieren. Übermenschen, die immer wissen, wo sie sind, sind auch nicht besser ausgerüstet als jeder von uns mit einem GPS und Landkarten. Helden, die mit großen Menschenmengen reden können, benötigen heute keine Mutantenkräfte mehr, sondern nur ein Megafon, eine Radio- oder Fernsehstation. Mutanten, die riesige Zerstörungen anrichten können, verblassen im Vergleich zu Sprengstoff und hoch entwickelten Waffen. Schach- oder Mathematikgenies würden heute in den meisten Fällen von einem Computer geschlagen. Elektrische Stromstöße oder Schocks können nicht nur von parapsychologisch Begabten ausgeteilt werden, sondern auch von entsprechend ausgerüsteter Polizei. Die Superhelden, die beliebig Objekte kopieren können, müssen heute beginnen, mit Stereolithografie und Personal Fabricators (PF) zu konkurrieren [3]. Mit weit entfernten Personen kommunizieren, wie es vor 200 Jahren noch in Science-Fiction-Romanen als besondere Begabung stand, ist heute mit dem Telefon eine Selbstverständlichkeit. Und auf weite Distanzen zu lauschen ist technisch durch laser-basierende Mikrofone, mit denen man sogar in geschlossene Räume von außen hineinhören kann, technisch gelöst – nur wird es zum Glück nicht über den Ladentisch verkauft.


4. Ein Blick in die Zukunft

Obige Beispiele sollen dazu dienen, es plausibel zu machen, dass auch in Zukunft die Weiterentwicklung der Technologie Dinge, die heute als Wunder oder Sonderbegabung gelten würden, zu Selbstverständlichkeiten machen wird. Dies wird in diesem Abschnitt mit insgesamt sieben Visionen belegt.

Dazu ist es notwendig, kurz einen Blick auf eine mögliche Variante des Computers der Zukunft (des Jahres 2020) zu werfen.

Der wirklich ins Auge springende Teil dieses Computers ist die in der Abbildung gezeigte Brille. Der eigentliche Computer ist die kleine dünne Schachtel in der Jackentasche der Frau, die einen schnellen Prozessor, einen hundert Gigabyte großen Arbeitsspeicher, Speicherkarte (wie sie heute Digitalkameras haben) mit mehreren hundert Terrabyte Kapazität anstelle einer Harddisk hat, ein UMTS Mobiltelefon oder Ähnliches, ein GPS, eine gute Stromversorgung (durch Ausnutzung der Energie des Trägers oder mit entsprechenden Brennstoffzellen als Energiespender). Das alles ist drahtlos mit dem Ein-/Ausgabegerät des Computers der Abbildung verbunden: Bei den Ohren wird Stereoton abgeliefert, über die kleinen Prismen in den Brillengläsern wird eine 3-D-Szene für die Augen generiert, die Kamera in der Mitte der Brille dient als Foto- und Videokamera, aber auch zur Gestenerkennung als Eingabegerät, ist natürlich auch zur Erkennung von Objekten und Menschen usw. in der Lage und eine Richtungserkennung (Kompass genügt!) ist ebenfalls vorhanden. Dieser Computer der Zukunft verdient eine eigene längere Beschreibung, die an anderer Stelle gegeben werden wird, für uns genügt das bisher Gesagte mit einem Zusatz, der aus dem nächsten Beispiel ersichtlich wird.


Beispiel 1: Telepathie im Jahre 2020

Eine Person A in zum Beispiel Graz will mit einer Person B in zum Beispiel Karlsruhe kommunizieren. A denkt den Namen von B, denkt die Botschaft … und B (aber nur B) »hört« die Botschaft.

Mit anderen Worten, ich behaupte, dass Telepathie für alle Menschen in 20 Jahren eine Selbstverständlichkeit sein wird!

Um dies erläutern zu können, muss ich zunächst erklären, dass es eine Unzahl von Varianten von Telepathie gibt:

(a)A denkt intensiv eine Botschaft für B; B kann daher diese empfangen.

(b)A denkt irgendwas; B kann » zuhören«, außer A »blockt ab«.

(c)Wie (b), aber A kann nicht abblocken.

(d)B kann in A’s Gehirn lesen, auch etwas, das A gerade nicht denkt.

Für (a) bis (d) gibt es noch weitere Fallunterscheidungen, ob nämlich B speziell begabt (»Telepath«) sein muss oder ob das jeder Mensch kann und ob A auch »geeignet« (ein gutes »Medium«) sein muss oder ob das gleichgültig ist.

Während die Varianten (c) und (d) offenbar irrsinnige zwischenmenschliche Probleme auslösen und unsere Gesellschaft völlig verändern würden, gilt das für (a) und (b) zwar auch, aber in viel geringerem Ausmaß.

Meine These, dass alle Menschen telepathisch »senden« und »empfangen« können, bezieht sich auf die Variante (a): Personen werden mit anderen, wenn beide dies wollen, nur durch Gedanken kommunizieren können.

Tatsächlich ist die Technologie so weit, dass dies schon heute mehr oder minder möglich ist. Der entscheidende Punkt ist dabei, dass immer bessere Hirn-Computer Schnittstellen entwickelt werden [4]: Ohne jeden Eingriff, nur durch das Anlegen von Elektroden auf dem Kopf (auch durch die Haare hindurch) ist es möglich, zwischen verschiedenen Arten der Gehirnaktivität zu unterscheiden. Deshalb hört man heute immer wieder, dass man mit Gedanken einen Cursor bewegen kann und Ähnliches. Damit wird aber Telepathie problemlos möglich. Gehen wir der Einfachheit halber davon aus, dass in absehbarer Zukunft durch Elektroden (das ist durch die aufragenden Stifte am Ende der Brille in Abbildung 1 symbolisiert!) zirka 3040 Zustände des Gehirns erkennbar werden. Dann kann ein Sender A zunächst die »Adresse« des Empfängers B durch Denken an gewisse Dinge, die die verschiedenen Gehirnzustände auslösen, buchstabieren: Damit wird über das Handy die Verbindung zu B aufgebaut. Nun buchstabiert A die Botschaft: Diese wird vom Computer der Person B durch Sprachsynthese in eine hörbare Mitteilung umgewandelt und über den Audioteil der Brille B übermittelt. Nur B kann das hören, was A gedacht hat, und B kann beliebig weit weg sein.

Sicher geht das langfristig besser als mit dem »Buchstabieren«. Aber selbst dieses ist nicht komplizierter als das heutige Versenden von SMS. Die Variante (a) der Telepathie ist damit technisch vollständig gelöst!


Beispiel 2: Nochmals Ali Baba und die 40 Räuber

Wie schon früher erwähnt, könnte das Öffnen des Felstores heute mit entsprechender Motorik, die durch Spracherkennung aktiviert wird, jederzeit implementiert werden. Nach dem Beispiel 1 ist dies aber schon eine sehr konservative Lösung. Natürlich kann man durch die erwähnte Hirn-Computer-Schnittstelle beliebige Eingaben an einen Computer übermitteln, also auch Befehle zum Öffnen einer Türe, zum Anschalten des Lichtes, zur Ausführung eines beliebigen Programms mit beliebigen Parametern.

Damit werden nicht nur Mutanten, die durch Denken beliebige Lampen an- und abdrehen können, weit in den Schatten gestellt (»Illuminatoren«). Vielmehr kann es sein, dass telepathische Eingabe zusammen mit Gestenerkennung durch die Kamera in der Brille in Abbildung 1, mit Spracheingabe, mit einer Kamera, die die Umwelt beobachtet und analysiert (weit über Gestenerkennung hinausgehend!), mit dem Richtungserkenner, der in der Brille angedeutet ist, und mit einem GPS im Computer den gegenwärtigen Flaschenhals bei der Eingabe von Daten in Computer beseitigt!


Beispiel 3: Fernschauen statt Fernsehen

Jeder Mensch kann in Zukunft (fast) überallhin schauen! Dies geschieht nicht über fix installierte Hunderttausende Webcams (die wird es auch geben), sondern über Minikameras und Mikrofone, die in unbemannte Minidrohnen eingebaut sind und die durch Gedanken (was sonst nach Beispiel 1!) von Menschen beliebig gesteuert werden können. Ich gebe zu, die Vorstellung, dass mir dauernd jemand beim Fenster hereinschaut oder beim Grillen im Garten virtuell dabei ist, finde ich entsetzlich. Es wird aber technisch möglich sein. Wie wir uns gegen Auswüchse wehren, ist eine andere Frage!

Übrigens könnten die Drohnen sogar mit einem Hologramm-Projektor ausgestattet sein, der zum Beispiel das Ebenbild des Menschen erzeugt, der die Drohne kontrolliert. Dann haben wir endgültig virtuelles Beisammensein … und wenn die Drohne den Projektor abschaltet, aber Lautsprecher und Mikrofon eingeschaltet lässt, wird die Person unsichtbar. Sie hat sich (sozusagen) König Laurins Mantel übergestülpt, jenen sagenhaften Mantel, der unsichtbar macht!


Beispiel 4: Der Supergescheite

Mit einer Brille wie in Abbildung 1 gezeigt und mit der beschriebenen Funktion ist es leicht, bei einem Quiz oder bei einem Schachspiel zu gewinnen oder auch fast jede Prüfung zu bestehen. Man hat einerseits Verbindung mit unglaublichen Datenmengen lokal (ich sprach von Hunderten Terrabyte auf der Speicherkarte) und andererseits hat man ja auf die dann existierende Version des Internets Zugriff. Damit ist wohl fast jedes einigermaßen einfache Problem jederzeit lösbar. Voraussetzung dazu ist freilich ein gutes Wissensmanagement-System, wie in [5] erläutert und wie ja als zum Beispiel [6] weitgehend ausgereift verfügbar. So werden auch die Visionen in [7] von der zusammenwachsenden Gesellschaft immer realistischer und die Prognosen in [8] zum Teil vergleichsweise mild.


Beispiel 5: Teleportation

Als erster Schritt in diese Richtung kann schnelles Reisen, wie am Beispiel der Hutteriten erläutert, gesehen werden. Und hier sind die Grenzen noch keinesfalls erreicht.

Hat man beliebig viel Energie zur Verfügung und beschleunigt die Hälfte der Zeit mit 1 G (mit einfacher Erdbeschleunigung) und bremst man dann ebenso lange und stark ab, dann ist es eine Milchmädchenrechnung, dass man von jedem Punkt der Erde zu jedem Punkt der Erde maximal 40 Minuten benötigt, innerhalb von Europa nur 15 und von der Erde zum Mond nur 3,5 Stunden. Wenn man ganz weit in die Ferne schaut, mag das nicht das Ende sein. Immerhin hat der österreichische Physiker Zeilinger inzwischen ein Patent für Partikelteleportation auf der Basis der »entangled Quarks« eingereicht. Freilich ist es mehr als Spekulation anzunehmen, dass dieses Verfahren auf größere Objekte oder gar Lebewesen erweiterbar ist. Andererseits, wenn man Teleportation weniger eng auffasst und auch virtuelle Präsenz und virtuellen Transport zulässt, dann zeigt ja die Spekulation im Beispiel 3 und noch mehr im abschließenden Beispiel 7 (siehe unten), dass Teleportation in einem schwächeren Sinn auch möglich sein könnte.


Beispiel 6: Telekinese

Unter Telekinese versteht man die Bewegung von Objekten durch bloßes Denken. Dass so etwas möglich ist, ist bis heute nicht bewiesen, ist aber eine gängige Fähigkeit in der Science-Fiction-Literatur. Auch im neuesten Roman des Autors dieses Beitrags [9] spielt Telekinese eine sehr prominente Rolle.

Ist es denkbar, dass Telekinese eines Tages technologisch realisierbar ist? Die Antwort ist »ja«, wenn man zwei Voraussetzungen akzeptiert: Erstens, dass die Telepathie im Sinne des Beispiels 1 möglich sein wird (und davon sind hoffentlich inzwischen alle Leser überzeugt); zweitens, dass es wirklich einmal Drohnen im Mikro- oder Nanometerbereich geben wird, wie das Kurzweil [3] mit seinen »Nanobotschwärmen« bis 2049 vorhersagt. Offenbar kann man mit telepathisch kontrollierten Nanobotschwärmen Objekte – auch über große Entfernungen hinweg – nur durch Gedanken bewegen!



Beispiel 7: Das Aufbrechen des Raum-Zeit-Gefüges

Der Titel des letzten Beispiels scheint eine besonders weit hergeholte Vision zum Gegenstand zu haben. Tatsächlich ist dies aber nicht so.

Ich beginne mit einer »funktionalen« Erklärung ähnlich wie im Beispiel 1: Eine Person A zum Beispiel in Graz will mit einer Person B zum Beispiel in Karlsruhe kommunizieren, aber nicht mühsam durch mechanische Telepathie (wie im Beispiel 1), sondern durch möglichst enges virtuelles Zusammensein.

A verständigt sich irgendwie mit B und B stimmt einem Treffen zu. Beide bewegen nun vor ihrer Brille die Hände, indem sie ein Rechteck zeichnen: Damit reißen sie das »Raum-Zeit-Gefüge« auf, weil sie plötzlich durch das gezeigte Fenster die andere Person in deren natürlicher Umgebung sehen und mit ihr nun beliebig reden können.

Klingt weit hergeholt? Dabei ist diese Vision von allen (außer jener in Beispiel 4) die am einfachsten realisierbare. Durch die Handbewegung, die von der Kamera in der Brille von Abbildung 1 beobachtet wird, definieren die beiden Personen ein Fenster. In dieses Fenster werden über die Prismen in den Brillen von den Computern von A und B die Szenen eingespielt, die eine externe Kamera und ein externes Mikrofon aufnehmen, die auf die jeweils andere Person in deren Umgebung gerichtet ist. In den Büros sind solche externe Kameras und Mikrofone für virtuelle Treffen ohnehin Standardeinrichtungen (schon heutige PCs haben oft eine Kamera eingebaut) und in anderen Umgebungen wird das allmählich üblicher werden. Statt einer Kamera in der Brille hat man zum Beispiel stets eine zweite mit, die man ganz woanders positionieren kann.


5. Schluss

In den ersten Teilen dieser Arbeit habe ich versucht mit Beispielen klar zu machen, dass die fortschreitende Technologie vergangene »Wunder« in heutige Realität verwandelt hat. Daraus extrapoliere ich, dass viele heutige »Wunder« in Zukunft auch Realität werden. Mit sieben Beispielen habe ich versucht, dies im letzten Abschnitt anzudeuten. Gerade aber, weil es mir möglich ist dies anzudeuten, sind das schon fast keine »Wunder« mehr. So unglaublich dies klingen mag, werden sich daher auch die Beispiele 17 im vorangehenden Abschnitt als zu konservativ erweisen.


6. Literatur

[1] Der große Brockhaus: Eine Elektronische Enzyklopädie; Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim (2002)

[2] Steve Mann: Webseite. http://www.eecg.toronto.edu/~mann/

[3] Kurzweil, R.: Homo S@piens; Kiepenheuer & Witsch (1999)

[4] Pfurtscheller, G., Neuper, C., Guger, C., Harkam, W., Ramoser, H., Schlögl, A., Obermaier, B., Pregenzer, M.: Current Trends in Graz Brain-Computer Interface Research; IEEE Transactions Rehab. Engng. 8, 2 (2000), 216–219.

[5] Maurer, H., Tochtermann, K.: On a New Powerful Model for Knowledge Management and its Applications; J.UCS 8, 1 (2002), 85–96

[6] Hyperwave: The Power of Wisdom; http://www.hyperwave.de

[7] Maurer, H.: Die (Informatik) Welt in 100 Jahren; Informatik Spektrum 24, 2 (2001), 65–70, nachgedruckt in diesem Buch als Beitrag 7.5

[8] Maurer, H.: Prognosen und Thesen … nicht nur zum Schmunzeln; Informatik Spektrum 23, 1 (2000), 51–59, nachgedruckt im folgenden Beitrag

[9] Maurer, H.: XPERTEN: Der Telekinet; freya Verlag, (2002)

[10] Maurer, H.: XPERTEN: Der Para-Doppelgänger; freya Verlag, (2003)


Kommentar von Maurer:

Der Computer in der Abbildung 1 taucht auch in [10] auf, wo er genauer erklärt wird und wo er in der Handlung an einigen Stellen eine wesentliche Rolle spielt.


11.3 Sechzig Prognosen und Thesen … nicht nur zum Schmunzeln

Vorbemerkung: Dieser Beitrag erschien im Informatik Spektrum 23,1 (Januar 2000) des Springer Verlags, Heidelberg. Wir danken dem Verlag für die Genehmigung des Nachdrucks!


Vorwort

Der Beginn des Jahres mit der »magischen« Nummer 2000 hat schon viele Rückblicke, Analysen und Prognosen gesehen. Wenn im Folgenden Ähnliches geschieht, dann will dies gar nicht besonders tief schürfend sein, sondern zum Schmunzeln und Nachdenklichsein verleiten, obwohl dann doch im Abschnitt 3 kurz hinterfragt werden wird, was man eigentlich aus den angeführten Beispielen lernen kann.

Zunächst aber präsentiere ich in dieser Arbeit 60 (Gruppen von) Aussagen, die zu dem Zeitpunkt, zu dem sie gemacht wurden, Prognosen über zukünftige technische Entwicklungen waren. Einige von diesen haben sich inzwischen als eklatant falsch, andere als verblüffend richtig erwiesen, und wieder andere beziehen sich auf Zeiten jenseits 2000 und sind also noch »offen«. Die Sammlung von Aussagen zeigt vor allem, wie schwer Prognosen über die Zukunft sind, wie schwer sich oft auch die besten Wissenschafter von lieb gewonnenen Ideen trennen, selbst wenn schon alles gegen sie spricht. Sie zeigt aber auch – dort, wo sie die Zukunft betrifft – ein wie starker Wandel unserer Gesellschaft noch bevorsteht.


1. Thesen und Aussagen im Bereich

Informatik

Vor genau 60 Jahren, man schrieb das Jahr 1939, baute Zuse den berühmten »ersten Computer«, den »Zuse2«. Durch Fehleinschätzungen wichtiger deutscher Stellen wurde Zuses Arbeit weniger gefördert als später beginnende ähnliche in den USA und in England. Dennoch: Der Siegeszug der Computer begann damals und es ist amüsant, die frühen Prognosen ins Gedächtnis zu rufen.

These 1:

»Meines Erachtens gibt es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer.« (IBM- Präsident Thomas Watson, 1943)

These 2:

»Computer der Zukunft werden vielleicht einmal nicht mehr als 1,5 Tonnen wiegen.« (Popular Mechanics, 1949)

These 3:

»Es scheint, dass wir die Grenzen dessen erreicht haben, was mit Computer-Technologie möglich ist.« (John von Neumann, 1949)

These 4:

»I can assure you that data processing is a fad that won’t last out the year.« (Hauptherausgeber Business Books, Prentice Hall, 1957)

These 5:

»But what … is it good for?« (Mitarbeiter bei der Advanced Computing Division, IBM 1968, über den Micro-Chip)

These 6:

»Es gibt keinen Grund, warum Menschen zu Hause einen Computer haben sollten.« (Ken Olson, Gründer von Digital Equipment Corporation, 1977)

These 7:

»640.000 Bytes Speicherkapazität sollten jedem genügen.«

(Bill Gates, 1981)

Es ist interessant zu sehen, wie pessimistisch viele vor allem der früheren Aussagen über Computer waren. Freilich, es gibt auch Ausnahmen. So wurde schon 1958 prognostiziert, dass ein Computer 1967 den Schachweltmeister schlagen würde, dann wurde der Zeitpunkt auf 1977 verschoben und doch dauerte es noch einige Zeit, bis es so weit war. Das richtige »Gespür« hatte Kurzweil:

These 8:

»Ein Computer wird um 1998 den Schachweltmeister schlagen.« (Kurzweil, 1987)

Tatsächlich besiegte bekanntlich »Deep Blue« den Schachweltmeister Kasparow 1997.

These 9:

»Die Zukunft gehört dem wiederverwendbaren Papier.«

(Maurer, 1992)

In meinem damaligen Artikel in Electronic Publishing Review konnte ich noch keine definitive Technologie vorschlagen, doch die Idee war klar, und es tut mir heute Leid, dass ich sie nicht patentierte. Inzwischen ist die »electronic Ink«, die Papier nicht nur wiederbeschreibbar macht, sondern durch Integration von Schaltkreisen ein Eigenleben entwickeln kann, im Labor Wirklichkeit, und schon wird über die Verwendbarkeit des Materials in einer neuen Art von Buch spekuliert:

These 10:

»Wir werden in Zukunft ein Buch haben mit schön bedruckten Seiten und sogar bewegten Bildern, das sich auf Knopfdruck in ein anderes Buch verwandelt.« (Kurzweil, 1998)

Weil zum Beispiel der Buchrücken ein Terrabyte-Speicher enthält und electronic Ink verwendet wird.

These 11:

»Es gibt im Jahr 2000 Schreibmaschinen, in die man hineinspricht und nicht hineinschreibt und die so weit verbreitet sind, wie im Jahre 1985 Textverarbeitungssysteme.« (Maurer, 1985)

These 12:

»Es wird im Jahr 2000 Touristen geben, die im Ausland einen elektronischen Übersetzer mit Sprachein- und -ausgabe benutzen.« (Maurer, 1985)

These 13:

»Die Schrift wird im Jahre 2050 noch so viel Bedeutung haben wie im Jahre 1992 das Morsealphabet für die Kommunikation oder das manuelle Stricken für die Bekleidungsindustrie.« (Maurer, 1992)

Thesen 11 und 12 sind insofern für mich persönlich besonders interessant, als heute tatsächlich die Grundtechnologien dafür vorhanden sind, die Geräte nach These 11 sogar beschränkt eingesetzt werden, die Verbreitung von mir aber vor 15 Jahren doch falsch eingeschätzt wurde, womit ich eine weitere Wette, die ich damals »gegen« Wolffried Stucky aus Karlsruhe abschloss, verloren habe! Insgesamt habe ich in meinem Leben viele Prognosen abgegeben. Einige, wie These 9, sind eingetroffen oder auch wie die nächste:

These 14:

»In naher Zukunft wird jede Person eine eigene Telefonnummer und ein eigenes tragbares Telefon haben.« (Maurer, 1994)

Womit ich die Handy-Lawine vorausgesagt habe. Umgekehrt habe ich mich genauso oft verschätzt und Wetten verloren, wie zum Beispiel:

These 15:

»Ab 1990 wird niemand mehr Krawatten tragen.« (Maurer, 1962)

Und weil ich diese Wette (damals Student in Berkeley) verloren habe, trage ich seit 1990 nur mehr Ketten! Insgesamt halte ich es wohl mit Niels Bohr:

These 16:

»Vorhersagen sind immer schwierig – vor allem über die Zukunft.«

Die Omnipräsenz von Computern in mehr oder minder unsichtbaren Ausprägungen wird so schnell Realität, dass einige der »schwächeren« Vorhersagen schon nur noch ein Achselzucken bewirken.

These 17:

»Ohne Computer wird man sich um 2010 nackter fühlen als ohne Kleidung«, (Maurer, 1989)

weil ein miniaturisierter Computer alle nur erdenklichen Funktionen übernommen haben wird.

These 18:

»Der Computer als gesondertes Einzelobjekt verschwindet. Things That Think werden ihn ersetzen.« (Gershenfeld u. a., 1990)

Die JINI-Technologie und andere steuern genau in diese Richtung: Da wird es den Kugelschreiber geben, der sich merkt, was er geschrieben hat, die Milchpackung, die sich als letzte im Kühlschrank erkennt und über das Internet automatisch weitere bestellt u. v. m.

These 19:

»Das Tragen von Hardware wird Mode.« (Gershenfeld, 1998)

Wer hat nicht die Jeansjacke mit eingenähten Schaltkreisen im Fernsehen gesehen, die Diamantbrosche (von Mike Hawley, die die Fa. Harry Winston um 500.000 US-$ anfertigte), die im Herzrhythmus rot aufblinkt, oder Steve Mann von der Universität Toronto mit seinen zwei Videokameras, die er statt Augen verwendet, und damit gleichzeitig nach vorne und hinten sehen kann!

These 20:

»3-D-Kopierer sind im Kommen.« (Maurer, 1994)

hat sich voll bewahrheitet. Nicht nur gibt es seit Jahren die Technik der Stereolithografie; 3-D-Drucker wurden 1998 erstmals am MIT vorgeführt.

These 21:

»Der PC wird in Zukunft durch einen PF (Personal Fabricator) ergänzt werden.« (Kurzweil, 1998)

Ein Gerät, das 3-D-Objekte ausgibt, ist heute schon kaum mehr als Science-Fiction einzustufen. Im Vergleich dazu sind Helme und Brillen, die 3-D-virtuelle Welten erzeugen, schon fast Dinge von gestern, der Cube, der eine 3-D-Hologrammszene erzeugt, ist schon nicht mehr letzter Schrei und Aussagen wie

These 22:

»Realistische, großflächige bewegte 3-D-Szenen sind bis 2041 verwirklicht.« (Maurer, 1989)

Das klingt fast konservativ. Interessanter ist dabei, ob so konservative Technologien wie Holografie (Maurer), neuartigere, aber noch nicht überzeugende Methoden wie Omniview (Texas Instrument) oder radikalere zum Einsatz kommen werden.

These 23:

»Mit Hilfe von Nanobotschwärmen werden visuelle, akustische und taktile Projektionen in der Realität vor 2049 geschaffen werden.« (Kurzweil, 1998)

Dass die Nanotechnik der Schlüssel nicht nur für die Zukunft der Robotik, sondern auch für die Medizin und die Zukunft der KI sein wird, glauben viele der berühmtesten Informatiker. Schließen wir diesen Teil über Computerprognosen noch mit weiteren kernigen Aussagen von Kurzweil (1998):

These 24:

»Im Jahre 2029 besitzt ein Computer um 1.000 US-$ die Rechenleistung von annähernd 1.000 menschlichen Gehirnen.«

These 25:

»Im Jahre 2099 verschmilzt das menschliche Denken mit der ursprünglich von der menschlichen Spezies erschaffenen Maschinenintelligenz … ‚Unsterblichkeit‘ wird ein sinnleerer Begriff … In folgenden Jahrtausenden manipulieren solche intelligente Wesen das Schicksals des Universums.«

Der fantastischen Vorstellung der These 25, dass irgendwie aus Menschen hervorgehende neue Intelligenzen nicht nur »planetary Engineering« betreiben werden (mit so Trivialitäten wie Wiesen auf dem Mond anzulegen Maurer, 1992 oder mit Eistrümmern aus der Oort’schen Wolke den Mars bewohnbar zu machen), sondern dass ein »galactic Engineering« einmal Wirklichkeit werden wird, mögen nicht alle folgen wollen. Dass irgendwann aber alles menschliche Wissen in solchen Supercomputern abgebildet werden kann, glauben schon seit den späten 1980er Jahren so bedeutende Wissenschaftler wie Marvin Minsky vom MIT oder Hans Moravec von der Carnegie Mellon Universität.

Realistischer, aber noch immer fantastisch genug sind da alle, die überzeugt sind, dass Computer vor 2030 den bekannten Turingtest bestehen werden oder anders formuliert:

These 26:

»Die Computer sind unsere Kinder. Wir sollen stolz darauf sein, dass unsere Kinder uns in absehbarer Zeit an Fähigkeiten und Intelligenz überholen werden.« (Chip Maguire, KTH Stockholm, 1995)

Damit das Ganze nicht zu ernst wird, hier einige amüsante Formulierungen zu obigem Thema:

These 27:

»Wenn wir Glück haben, werden uns die Roboter als Haustiere behalten.« (Marvin Minsky)

These 28:

»Biology is not destiny. It was never more than a tendency. It was just nature’s first quick and dirty way to compute with meat. Chips are destiny.« (Bart Kosko)

These 29:

»The danger for computers is not that they will eventually get as smart as men, but that we will meanwhile agree to meet them halfway.« (Bernard Aviskai)

These 30:

»Programming today is a race between software engineers striving to build bigger and better idiot-proof programs, and the Universe trying to produce bigger and better idiots. So far, the Universe is winning.« (Rick Cook)

These 31:

»Computers are useless. They can only give answers.« (Pablo Picasso)

Computer und Kommunikation sind untrennbar miteinander verbunden:

These 32:

»Das Telefon hat zu viele Mängel, als dass es ernsthaft als Kommunikationsmittel in Betracht kommen könnte.« (Manager der Western Union, 1876)

These 33:

»Radiowellen werden nie ernsthaft für Kommunikationszwecke einsetzbar sein.« (H. Hertz, Entdecker der Radiowellen, 1884)

These 34:

»Radiowellen können den Atlantik nicht überqueren.« (Poincaré, 1901)

Nach dem damaligen Stand der Wissenschaft war These 34 »offensichtlich«. Marconi – durchaus kein Forscher vom Kaliber eines Hertz oder Poincarés – schaffte es aber dann schon am 12. Dezember 1901, Funksignale von Cornwall, UK, nach St. John’s, Kanada, zu übertragen. Von der reflektierenden Heaviside Schicht wusste Marconi auch noch nichts, aber er wurde mit Recht durch diesen Versuch weltberühmt.

These 35:

»It is absurd and misleading to state that the human voice can be transmitted across the Atlantic.« (US District Attorney, 1913)

Mit obiger Aussage wurde Lee de Forest, in den USA manchmal als Erfinder des Radios angesehen, als Betrüger verurteilt, weil er versucht hatte, Geld für den Bau eines Telefontransatlantikkabels zu bekommen! Die Verurteilung hat de Forest sehr viel vorsichtiger werden lassen:

These 36:

»While theoretically and technically television may be feasible, commercially and financially I consider it an impossibility, a development of which we need waste little time dreaming.« (de Forest, 1926)

These 37:

»Television sets will be standard in everyone’s home by 1985.« (Popular Mechanics Magazine, 1950)

Einerseits ist dies eine durchaus visionäre Aussage (das erste tägliche Fernsehprogramm begann in Deutschland erst 1952 mit Sendungen des NWDR), andererseits wird in dem ganzen Artikel die Idee, dass es auch einmal Farbfernsehen geben wird, nie erwähnt, obwohl PAL schon 1966 entwickelt wurde!

These 38:

»Das Internet wird 1996 kollabieren.« (Robert Metcalfe, Erfinder des Ethernets, 1990)

These 39:

»There will be 100 million WWW Servers by 2002.« (Jacob Nielsen, SUN Chief Engineer, 1998)

These 40:

»There are three kinds of death in this world. There is heart death, there is brain death and there is being off the network.« (Guy Almes)

2. Thesen und Aussagen in anderen Bereichen

Zu den schillerndsten Einzelpersonen der Vergangenheit, was Erfindungen, Vorhersagen und wirtschaftliche Verwertung anbelangt, gehört Thomas Alva Edison (1847–1931). Ich will dies mit drei Beispielen belegen. Als Erfinder des Phonographen, des Vorläufers der Plattenspieler, sagte er dessen Erfolg und Einsatzmöglichkeiten mit großer Genauigkeit voraus. Nur in einem Punkt machte er eine grobe Fehleinschätzung:

These 41:

»… und vielleicht die wichtigste Eigenschaft des Phonographen wird es sein, dass man Musik auf Wunsch langsamer oder schneller abspielen kann.«

These 42:

»Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass Wechselstrom und Hochspannung je irgendeine Bedeutung haben werden.«

Diese Aussage hat mich jahrelang gequält, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass er nicht wusste, dass man Strom nur bei hoher Spannung weitgehend verlustfrei weiterleiten kann und andererseits Gleichstrom schwer transformierbar ist. Des Rätsels Lösung fand ich in einer Biografie des österreichischen Erfinders Nikola Tesla, der nur einige hundert Meter von Edison entfernt an Wechselstromanwendungen arbeitete: Edisons Aussage war nicht seine Überzeugung, sondern er wollte Tesla wirtschaftlich schädigen (was ihm übrigens erfolgreich gelang). Edison war also nicht nur ein genialer Erfinder (über 1.000 Patente), sondern auch ein harter Geschäftsmann. Andererseits war seine

These 43:

»Glühlampen werden einmal die Nacht erhellen« (Edison erfand 1879 die Kohledrahtglühlampe), nicht nur richtig, sondern diese Erfindung war so erstaunlich, dass sie von den berühmtesten Forschern Europas anfangs gar nicht geglaubt wurde. Preece (Schüler des berühmten Faraday) meinte: »Die elektronische Beleuchtung ist eine völlig idiotische Idee«, und noch Monate später sagte Wilhelm Siemens: »Diese sensationellen Nachrichten sind nutzlos für die Wissenschaft und schädlich für den wahren Fortschritt.«

Trotz der Erfolge einiger Wissenschafter gilt doch:

These 44:

»Von 100 Genies gehen 99 unentdeckt zugrunde.« (Rudolf Diesel)

Es ist eine traurige Pikanterie, dass dieser Ausspruch des in Paris geborenen Diesel (Patent auf den Dieselmotor 1892) aus der Zeit des großen, auch wirtschaftlichen Erfolges von Diesel stammt, der aber doch ein besserer Erfinder als Firmenbesitzer war: Er beging 1913 in England mittellos Selbstmord. Zu den unentdeckten Genies gehört sicherlich auch der badische Freiherr von Drais (1785–1851), der Erfinder des Laufrads (Vorläufer des Fahrrads), der 1818 noch als »liebenswerter Spinner« abgetan wurde, oder Philipp Reis, der 1861 das erste Telefon entwickelte (siehe These 32!), oder der Deutsche W. J. Bauer, der schon 1851 das erste U-Boot entwickelte, wobei ein SF-Autor wie H. G. Wells noch 50 Jahre später meinte:

These 45:

»I refuse to see any sort of submarine doing anything but suffocating its crew and floundering at sea.« (1901) Die Geschichte des Autos ist unendlich reich an Aussagen, die oft auch durch ihre Widersprüchlichkeit überraschen. Drei Jahre, nachdem Benz 1886 das Patent für ein Benzinauto (erstmals 1879 in Betrieb) erhielt, gab es noch Aussagen wie:

These 46:

»Diese Anwendung des Benzins auf den Straßenverkehr ist ebenso unbedeutend wie Dampf.« (van Muyden, 1889)

Auch Daimler, der 1886 sein erstes benzinbetriebenes Motorboot vorstellte, ging es nicht besser. Einer der größten deutschen Werftbesitzer meinte dazu: »Glauben Sie nicht, dass jemals ein Schiff mit so einem Motor die See befahren wird« (Handinen, 1886). Am Rande sei erwähnt, dass das erste benzinbetriebene Auto 1873 in Wien fuhr, der Marcus-Wagen, der aber nach 100 Meter Fahrt wegen seiner »belästigenden Wirkung« permanent verboten wurde. Das Auto hat unsere Welt revolutioniert. So ist es angebracht, mit einer Aussage Henry Fords und einigen Zitaten dieses Thema abzurunden.

These 47:

»Ich beabsichtige, ein Automobil für die Menge zu bauen. Es wird groß genug sein, um die Familie mitzunehmen, aber klein genug, dass ein einzelner Mann es lenken und versorgen kann. Es wird aus dem allerbesten Material gebaut, von den allerbesten Arbeitskräften gefertigt und nach den einfachsten Methoden, die die moderne Technik zu ersinnen vermag, konstruiert sein. Trotzdem wird der Preis so niedrig gehalten werden, dass jeder, der ein anständiges Gehalt verdient, sich ein Auto leisten kann, um mit seiner Familie den Segen der Erholung in Gottes freier, reiner Luft zu genießen.« (Henry Ford, 1909)

Die Entwicklung der Luftfahrt war nicht weniger von Fehlurteilen begleitet als jene des Autos:

These 48:

»Sie sprachen seit langem so viel von Flugmaschinen, dass man am Ende auf den Gedanken kommen könnte, sie glaubten an solche Torheiten.« (de Lalande, französischer Astronom, 1782)

Nur ein Jahr später führten die Brüder Montgolfier einen ersten bemannten Flug mit einem Heißluftballon durch! Schon 1852 baute Henri Giffard das erste dampfbetriebene Luftschiff. Aber in Deutschland kämpfte Zeppelin bis 1900 gegen enorme Widerstände, obwohl sich schon 1890 sein erster Zeppelin in die Lüfte erhob.

These 49:

»Flugmaschinen, die schwerer sind als Luft, sind nicht möglich.« (Lord Kelvin, 1895) Ob man Otto von Lilienthal (erste menschliche Gleitflüge 1891), die Gebrüder Wright (1903) oder den deutschen Auswanderer Weißkopf (1901?) als ersten Menschen sieht, der mit einem Gerät schwerer als Luft geflogen ist, sei dahingestellt. Fest steht, dass Kelvin einerseits rasch widerlegt wurde, andererseits das Flugzeug nur in seinen positiven Auswirkungen gesehen wurde.

These 50:

»Durch Flugmaschinen werden die Grenzen der Länder ihre Bedeutung verlieren … und sie werden uns daher den ewigen Frieden schaffen.« (Otto von Lilienthal, 1894)

These 51:

»Flugzeuge haben keinen militärischen Nutzen.« (Professor Marshal Foch, 1912) Leider war die Realität anders: Im letzten Jahr des Ersten Weltkrieges wurden bereits Bomben abgeworfen. Ähnlich stark wie der Traum zu fliegen ist bei manchen Menschen heute der Traum, den Weltraum zu erforschen und zu besiedeln: 1927 gründete Hermann Oberth den Verein für Raumschifffahrt. Dagegen spricht:

These 52:

»Interplanetarischer Verkehr ist sicher unmöglich.« (Auguste Piccard, 1937)

Trotz der V2-Raketen des Zweiten Weltkrieges schreibt jener Vannevar Bush, der mit seinem »Memex« den Grundstein für Hypertext legte, noch 1945, dass interkontinentale Raketen völlig unmöglich sind! Noch massiver:

These 53:

»Landing and moving around the moon offers so many serious problems that it may take 200 years to solve them.« (Science Digest, 1948)

Zwanzig Jahre später stand der erste Mensch auf dem Mond! 1992 schrieb ich das erste Mal über Wiesen auf dem Mond und interplanetarische Raumfahrt und wagte

These 54:

»Das erste Hotel am Mond wird vor 2030 eröffnet.« (Maurer, 1992)

Ja, Hotel. Denn die Finanzierung der Besiedelung unseres Sonnensystems wird durch den Tourismus geschehen. Und dafür gibt es konkrete Pläne: Meine These ist in guter Gesellschaft, wie ich noch mit zwei Zitaten belegen möchte: »Möglicherweise werden die meisten Menschen in Weltraumsiedlungen geboren sein und eines Tages könnten sie die irdische Bevölkerung zahlenmäßig weit übertreffen« (Al Globus). »Warum Weltraumsiedlungen bauen? Warum wächst Unkraut durch die Spalten der Bürgersteige? Warum kroch das Leben aus den Ozeanen heraus und kolonisierte das Land? Weil Lebewesen wachsen und sich ausbreiten wollen. Wir haben die Fähigkeit, im Weltraum zu leben … und deshalb werden wir das auch tun wenn auch nicht in diesem Fiskaljahr« (Al Globus). Ob Kurzweil wohl Recht hat, wenn er spekuliert:

These 55:

»Besucher aus dem Weltall werden mikroskopisch klein sein – ihre Raumschiffe in der Größe eines Sandkorns. Vielleicht … einer der Gründe, warum noch keine UFOs entdeckt wurden.« (Kurzweil, 1998)

Diese für sich allein stehende, sehr verblüffende Aussage wird im Lichte der These 25 verständlicher, in der die Verschmelzung menschlicher Intelligenz mit mikroskopischen mächtigen Computern vorhergesagt wird und für raumfahrende Wesen schon »sicher« stattgefunden hat.

Ich wende mich nun kurz noch einigen anderen Themen zu. Während Rutherford 1919 die erste Atomspaltung gelingt, schreibt er selbst zwanzig Jahre später noch:

These 56:

»An die Verwertung dieser Energie ist in keiner Weise zu denken.« (Rutherford, 1933; Winker, 1934; Admiral Leahy, 1945)

… ein Jahr vor dem Abwurf der ersten Atombomben. In Disneys »Tomorrowland« wird seit 1970 die Besiedelung der Böden der Ozeane und die weite Verbreitung der Atomenergie im Jahr 2000 gezeigt und es gab Zeiten, da war der Atomoptimismus so unbegründet und gewaltig, wie es heute der Atompessimismus ist.

These 57:

»It can be taken for granted that before 1980 ships, aircraft, locomotives and even automobiles will be automatically fueled.« (David Sarnoff, seinerzeitiger Vorstand von RCA, 1955)

Niemand ist vor Fehlurteilen sicher und die größten Entdeckungen werden oft jahrzehntelang nicht anerkannt! Der berühmte Physiker Sir Isaac Newton konnte sich Gravitation (d. h. eine Fernwirkung) ohne ein übertragendes Medium nicht vorstellen (und gegen alle »Vernunft« und meine Physikkenntnisse, ich mir auch nicht).

Zu seinen größten Irrtümern gehört jedoch die Ansicht, dass man sich zur Navigation von Schiffen nur auf astronomische Fakten stützen kann. Zur Erinnerung: Während der Breitengrad eines Ortes jederzeit durch die Höhe des Polarsterns bestimmbar ist, ist der Längengrad (dessen Nullwert ja willkürlich durch einen Punkt in Greenwich festgelegt ist) sehr viel schwerer zu bestimmen, es sei denn, man hat eine sehr genau gehende Uhr, mit der man die lokale Zeit mit der durch die Uhr »mitgenommene« Greenwich Zeit vergleichen kann. Auf Grund der Bewegung der Schiffe, der Feuchtigkeit, der Temperaturschwankungen (die zum Beispiel die Pendellänge verändern) gab es bis weit nach 1700 keine auch nur annähernd genau gehende Schiffsuhr. Nach wiederholten großen Schiffsunglücken auf Grund fehlerhafter Längenbestimmungen verabschiedete die englische Admiralität am 8.7.1714 den »Longitude Act«, nachdem Newton ausgesagt hatte:

These 58:

»Eine Uhr, die auf Schiffen pro Tag auf zirka 3 Sekunden genau geht, ist undenkbar.« (Newton, 1714)

Während man also (a) eine so genaue Uhr für verlässliche Längengradbestimmungen gebraucht hätte, (b) eine solche nach These 58 nie existieren würde, beschäftigte man sich mit anderen Methoden der Längengradbestimmung: Zum Beispiel wurden Tabellen für Mondes- und Sonnenfinsternisse, Mondbedeckung von Fixsternen, das Verschwinden der großen Jupitermonde hinter diesem Planeten, die Parallaxe zwischen Nordpol und magnetischem Nordpol usw. verwendet. Keine Methode war echt befriedigend. Der einfache Tischler John Harrison aus Mittelengland baute hingegen allen Schmähungen und Hindernissen zum Trotz eine superb genau funktionierende Uhr und erhielt nach langem Streit (alle Wissenschaftler waren gegen ihn) 1776 den im Longitude Act ausgesetzten Preis. Auch moderne Gurus machen Fehlprognosen:

These 59:

»Lange vor dem Jahr 2000 wird das gesamte antiquierte Gefüge aus Collegeabschlüssen ein Trümmerfeld sein.« (Alvin Toffler, 1987)

So sehr auch ich an die Auswirkungen neuer Unterrichtstechnologien glaube, siehe zum Beispiel http: //wbt.iicm.edu, so bin ich doch erstaunt, dass selbst im Bericht der Bertelsmannstiftung 1999 wieder überschäumender Optimismus zu entdecken ist. »Im Jahre 2005 studieren bereits 50 % aller Studenten nicht mehr an Universitäten.«

Zum Abschluss eine wahre These, deren Wahrheit fast ein halbes Jahrhundert angezweifelt wurde:

These 60:

»Die Kontinente sind durch das Auseinanderdriften eines Urkontinents entstanden.« (Wegener, 1912)

H. V. Ihering bezeichnete dies als »Fantasiegebilde, das wie eine Seifenblase vergehen muss« (1912). Max Semper nannte sie die »Fieberfantasie eines Kranken« (1914), R. T. Chamberlain sagte offen: »Wenn wir der Wegner’schen These folgen, müssen wir alles vergessen, was wir in den letzten 70 Jahren gelernt haben« (1926). Man sieht, es kann nicht sein, was nicht sein darf! Noch 1954 bzw. 1955 nannten V. V. Belussow bzw. F. Hagle Wegeners Theorie »etwas, das mit Wissenschaft nichts zu tun hat«. Wegener starb 1930 bei einer Expedition im Grönlandeis, bevor (durch Satellitenmessungen) seine Theorie gegen 1970 endgültig bewiesen wurde …


3. Was kann man daraus lernen?

Ich glaube, dass man es erstens mit Jacques Hebenstreit halten muss: »Jede Vorhersage über mehr als 20 Jahre ist reine Spekulation.« Zweitens, man darf globalen Aussagen wie etwa: »Die wichtigsten grundlegenden Gesetze und Tatsachen der Physik sind entdeckt … und daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie jemand durch neue Entdeckungen ergänzt, äußerst gering« (Albert Abraham Michelson, 1903), keinen großen Stellenwert zugestehen, sondern es mit Regge halten: »Man muss das Eigenrecht des Unwahrscheinlichen und seiner Verfechter respektieren.«

Leider gilt auch der Ausspruch von Max Planck: »Eine neue wissenschaftliche Wahrheit triumphiert nicht, indem sie ihre Gegner überzeugt, sondern weil ihre Gegner schließlich sterben.« Die Trägheit der Wissenschaftler, von lieb gewordenen Ideen Abschied zu nehmen, auch wenn sie immer unhaltbarer werden, ist erschreckend (siehe These 60).

Allerdings sind nicht nur Wissenschafter träge, sondern wohl fast alle Menschen. Und fast alle glauben alles, wenn sie es nur oft genug hören. Das »Neue Jahrtausend«-Phänomen gehört dazu: Im historischen Kalender kennt man als Jahr 1 das 1. Jahr nach Christi Geburt; damit ist Jahr 1000 das tausendste Jahr (und an seinem Ende beginnt das zweite Jahrtausend). Analog beginnt erst am Ende des Jahres 2000 das dritte Jahrtausend. Übrigens ist die Jahreszählung in unserem historischen Kalender recht eigentümlich: Es gibt das Jahr –1 (1 v. Chr.) und +1 (1 n. Chr.), aber kein Jahr 0! Die Astronomen freilich kennen ein Jahr 0, d. h. ein Jahr –500 bedeutet im historischen und astronomischen Kalender nicht dasselbe Jahr. Noch eine Kuriosität: Wann wurde Christus geboren? Im Jahre 1 vor Christi Geburt (dann lebte er also schon vor seiner Geburt) oder im Jahre 1 nach Christi Geburt (dann wurde er also nach seiner Geburt geboren)! Genug mit diesen Gedankenspielereien und noch einmal zurück zu Prognosen.

Wenn heute jemand behauptet (Kurzweil oder Maurer, aus ganz verschiedenen Gründen), »um unsterblich zu werden, muss man nur die nächsten hundert Jahre überleben«, dann darf man das zwar nur cum grano salis ernst nehmen, wie es Woody Allen macht, indem er sagt: »Manche Leute wollen durch ihre Arbeit oder durch Nachkommen Unsterblichkeit erlangen. Ich beabsichtige, dadurch unsterblich zu werden, dass ich nicht sterbe.« Allerdings sollte man auch den SF-Schriftsteller Arthur C. Clarke ernst nehmen, wenn er sagt: »Wenn ältere Wissenschaftler vorhersagen, dass etwas geschehen wird, dann trifft dies meistens ein. Wenn ältere Wissenschaftler vorhersagen, dass etwas nicht geschehen wird, dann irren sie sich meistens.«

Leider ist hier nicht genügend Platz, um die unzähligen unglaublichen Geschehnisse und Anekdoten in der Wissenschaft festzuhalten; dazu müssten ganze Bücher geschrieben werden: von den 250 Jahren, die die Erfindung der Dampfmaschine dauerte, bis zur Leugnung, dass die Meteoriten aus dem Weltall kommen (bis 1803!), von der Entdeckung der weiblichen Klitoris durch Amateo Colombo, der dafür fast auf dem Scheiterhaufen landete, bis zu den verblüffenden Erkenntnissen über den zweiten Mond der Erde, die die Öffentlichkeit nie zu Kenntnis nahm.

Ich schließe diesen Bericht mit vier Haikus und einem Gedicht.














Gedicht:

Lange Jahre sind vergangen

ich denk an Abschied

Gefangen in der Nacht

Haiku 1:

Hüpf über das Blatt

durch die Löwin

die in meiner Seele kauert

Haiku 3:

Das erstickende stickige

katholische Klassenzimmer,

wo ich nicht wahrhaftig sein kann

Haiku 2:

Träum jetzt und sing

schaff Mythen

form Edelsteine aus dem fallenden Schnee


Haiku 4:

Verrücktes Mondkind

hüte dich vor dem Sarg

trotz deinem Schicksal

denk ich an Liebe;

der Liebe Scherben

Die Scherben meiner Liebe

sind schal geworden.



Was diese Gedichte gemeinsam haben? Sie wurden alle nicht von einem Menschen, sondern von einem Programm von Ray Kurzweil geschrieben!


Vorbehalt

Ich hoffe, dass diese Zusammenstellung dem Leser so viel Spaß gemacht hat, wie mir die Recherchen, die ich zum Teil durchführen musste. Ich bitte um Verständnis für etwaige Fehler und die vielen Vereinfachungen, die ich machen musste. Wenn ich zum Beispiel unter These 44 vom »Selbstmord« Diesels schreibe, dann weiß ich, dass es auch eine Unfalltheorie gibt; These 32 klingt ganz anders, wenn man berücksichtigt, dass Western Union die größte Telegrafengesellschaft war, die das Telefon als Feind betrachten musste (eine Tatsache, auf die mich erst kürzlich Professor Görke aus Karlsruhe aufmerksam machte). Wenn ich W. S. Bauer 1851 als Erfinder des U-Bootes angebe, ist mir bewusst, dass schon fünfzig Jahre früher in den USA in diese Richtung experimentiert wurde und das erste wirklich brauchbare U-Boot wohl erst 1898 vom Iren J. P. Holland gebaut wurde. Jede große Idee hat meist viele Väter, oft gibt es Parallelentwicklungen, manche Zitate sind in der Gesamtumgebung weniger radikal, als wenn man sie verkürzt wiedergibt. Sollte sich aber irgendwo ein wirklicher Fehler eingeschlichen haben, dann bitte ich um einen Hinweis an hmaurer@iicm.edu.


5. Literatur

[Bür98] L. Bürgin: Irrtümer der Wissenschaft; Gondron (1998)

[DiT97] F. Di Trocchia: Newtons Koffer; Campus (1997)

[Ger99] N. Gershenfeld: Wenn die Dinge denken lernen; Econ (1999)

[Kur99] R. Kurzweil: Homo S@piens, Kiepenheuer & Witsch (1999)

[Mau82] H. Maurer, I. Sebestyen, J. Charles: Printing without paper?; Electronic Publishing Review, Vol. 2, No. 2 (1982), 151–159

[Mau89] H. Maurer: Sklaverei in Österreich? oder: Obst in die Parks!; Fric (1989)

[Mau92] H. Maurer: Gras auf dem Mond? oder: Frauen in alle Gremien!; Fric (1992)

Angelockt von Trübsinn, die Nacht

Auf diesem Blatt

Die Scherben meines Lebens

der Freude Anblick

[Mau95] H. Maurer: Der Tod als Hilfe? oder: Der Berg von hinten!; ÖVG (1995)

[Mor90] H. Moravec: Mind Children; Hoffmann & Campe (1990)

[Sob98] D. Sobel: Längengrad; btb (1998)

Kommentar von Maurer:

Die Bücher [Mau89], [Mau92] und [Mau95] sind vergriffen … Aber die besten Beiträge aus diesen Büchern sind es gerade, die den Hauptteil dieses Buches ausmachen.



11.4 MIRACLE


Ich habe im Beitrag 11.1 erläutert, dass es wahrscheinlich ist, dass wir in den reichen Teilen der Welt in absehbarer Zeit alle über einen winzigen leistungsfähigen Computerassistenten verfügen werden, über den wir alle Information konsumieren. Wenn diese Annahme stimmt, dann werden wir aber nicht nur alle Information, die wir heute über Druckmedien oder andere Medien bekommen, über diesen Assistenten PC14 (wie er im Beitrag 11.1: »Der PC in 10 Jahren« heißt) beziehen. Damit ändert sich nicht nur das WIE wir Informationen bekommen, sondern auch das WAS. Warum soll uns dann noch statische Schrift angeboten werden, wenn bewegte, zeitlich veränderliche Symbole vielleicht mehr ausdrücken können? Dass grafische Symbole sehr mächtig sind, das zeigen die weltweite Verbreitung von Symbolen für »Flughafen«, »Abflug«, »Ankunft«, die internationalen Verkehrszeichen usw. Die ersten Theorien von solchen Symbolen stammen übrigens vom Österreicher Otto Neurath aus den 1930er Jahren.

Kehren wir damit in die Zeit der Hieroglyphen zurück, in die Kultur chinesischer Schriftzeichen? Keinesfalls. Wir verwenden erstens Symbole, die leichter erinnerbar sind. (Ein Auge in der symbolischen Sprache BLISS ist ein Kreis mit einem Punk in der Mitte: Wenn man das einmal »gelernt« hat, vergisst man das nie mehr, ein Faktum auf das schon Neurath bei seinen Ikonografen hingewiesen hat; sie sind nicht an sich verständlich, aber einmal gelernt, kaum mehr zu vergessen!) Zweitens erlaubt die temporäre Änderung einen leicht verständlichen Bedeutungswandel. Das sich bewegende Symbol für das Hauptwort Auge bedeutet offensichtlich das Zeitwort »sehen«, das sich bewegende Ohr natürlich hören, das sich bewegende Symbol für Beine (je nach Geschwindigkeit der Bewegung) langsam gehen, gehen, rasch gehen, langsam laufen, laufen, schnell laufen oder laufen wie der Blitz ... und beliebig viele poetische Schattierungen dazwischen, die sprachlich gar nicht ausdrückbar sind. Wenn ein Herz »Liebe« bedeutet, dann wird ein sich verkleinerndes Herz »geringer werdende Liebe« bedeuten; wenn »Rot« warm bedeutet, dann wird eine Verschiebung zu Blassrot und dann Bläulich ein »Kälterwerden« symbolisieren; wenn »glatte« Grenzen eines Objektes »gesund bzw. in gutem Zustand« bedeuten, dann werden weniger glatt werdende Konturen einen Verfall, ein Krankwerden etc. ausdrücken.

Drittens, weil uns alle Informationen über einen PC14 übergeben werden, kann dieser oder können wir selbst für komplexere Symbolkette »Abkürzungen« (Makros) einführen, die auch geschachtelt sein können, deren »Auflösung« (Erklärung) aber problemlos durch einen Klick erfolgen kann.

Kurzum, die statischen Schriftzeichen werden mehr und mehr ergänzt (oder gar ersetzt werden) durch dynamische Symbole. Viele Sachverhalte werden damit leichter und potenziell auch sprachunabhängig (!) wiedergegeben. Schließlich verstehe ich in China hauptsächlich die Verkehrsschilder und die Zeichen zum Flughafen, obwohl ich null Chinesisch beherrsche.

Mit anderen Worten: Die gegenwärtige statische Schrift ist im Begriff abgelöst zu werden durch eine neue Art der Schrift, die nicht aus einzelnen Zeichen, sondern dynamischen Symbolen besteht, siehe www.jucs.org/jucs_9_4.

Die Schrift, die durch fehlende Technologie als einzige Archivierungsmethode für Ideen und Gefühle verfügbar war, wird durch diese neuere allmählich in den Hintergrund gedrängt werden. Besonders interessant (und bedenklich?) ist, dass die Verarbeitung von Schriftzeichen und Symbolen nachweislich in verschiedenen Gehirnteilen erfolgt, d. h., dass sich durch diese Änderung in unserem Hirn andere »Verbindungen« (Synapsen) entwickeln werden, als dies bisher geschah. Nur haben wir diese Änderung der Synapsen nachweislich bereits erlebt, durch den Übergang von einer stark textorientierten zu einer fernsehorientierten Kultur. Ob wir wollen oder nicht, bringt also technischer Fortschritt eine medizinisch verfolgbare Veränderung unserer Gehirnentwicklung mit sich. Ob wir das wollen oder nicht, ob dies gut ist oder nicht, weiß ich nicht; ich weiß aber, dass es bereits geschehen ist und wir mit Volldampf in diese Richtung weitermarschieren.



11.5 Hilfe, ich bin unsichtbar


Von König Laurins Mantel über H. G. Wells »The invisible man«, über Filme wie »Hilfe, ich bin unsichtbar« aus den 1950er Jahren bis hin zu Harry Potter, der mit seinem Mantel unsichtbar durch die Hallen von Hogwarts wandert, ist die Unsichtbarkeit ein uralter Traum, der nur in Science-Fiction-Büchern und Filmen Realität wurde. Bis jetzt!

Die ersten Ansätze in Richtung »Unsichtbarkeit« werden sichtbar (was für ein Wortspiel), wenn man weiß, dass die US Army über »active camouflaging« spricht und Forschungslabors dafür betreibt. Und wenn man den Mantel des Japaners Susumu Tachi von der Universität Tokio gesehen hat, dann wird es klar, dass früher oder später die Zeit der Unsichtbarkeit kommen wird.

Tiere wie Tintenfische passen sich in Farbe und Muster so dem Hintergrund an, dass man sie nicht mehr sehen kann. Ist es so unmöglich, etwas Ähnliches mit einem Material zu machen, das man in einen Mantel verarbeitet? Da stünde man also vor einer Wand, die zur Wand gerichteten Sensoren des Mantels geben die aufgenommene Farbinformation an die entsprechenden vorderen Punkte des Mantels ab. Leider ist uns da die Tierwelt, die Biologie weit voraus. Aber wie wäre es mit IT? Wie schaut es aus, wenn wir einen Mantel haben, der vorne Tausende Öffnungen von winzigen Glasfasern hat, die, um den Körper geleitet, um den Körper herumschauen lassen? Natürlich gibt es da noch einige »kleine« Probleme. Es funktioniert sicher nur einwandfrei, wenn man genau von vorne darauf sieht, nur wenn der Körper nach hinten keinen Schatten wirft und wenn man Lichtverstärker in den Glasfasern hat, weil sonst das Bild vorne (immerhin beansprucht ja auch die Wand der Glasfasern ihren Platz) zu gedämpft erscheint.

Der zurzeit realistischste Ansatz, jener von Susumu Tachi, ist ein anderer: Man verwendet einen Mantel, auf den man das Bild projiziert, das eine Kamera am Rücken der Person aufnimmt! Wie beeindruckend dieser Effekt ist, kann man mit etwas Mühe ausprobieren. Man hängt sich vorne einen geöffneten Laptop um, der also seinen Bildschirm zeigt, und hat am Rücken eine Videokamera, die vom Körper wegzeigt. Tatsächlich hat jemand, der vor einer so ausgerüsteten Person steht, den Eindruck, man könnte wie bei einem Fenster durch die Person hindurchsehen!

Natürlich gibt es auch hier unzählige Probleme: Da ist wieder das Problem der Lichtstärke von Computerschirmen, die an die Helligkeit des Tages nicht herankommen. Da ist das Problem, dass das Bild nur stimmt, wenn man von der richtigen Entfernung von vorne auf den Bildschirm blickt. So beeindruckend das beschriebene Experiment unter den richtigen Umständen ist, so sehr ist man damit von wirklicher Unsichtbarkeit entfernt. Um die Schwächen zu überbrücken, bräuchte man mehrere Kameras, die nach hinten aufnehmen; einen Supercomputer, der in Echtzeit daraus ein vollständiges Modell des Hintergrunds berechnet, und vorne bei jedem Punkt eine Projektionseinrichtung, die in alle möglichen Richtungen den richtigen Strahl aussendet. Das alles in einem gewaltigen Helligkeitsintervall! Überschlagsrechnungen ergeben: Man würde die Auflösung von mehreren 100.000 VGA-Schirmen, die Rechenkapazität von Hunderten superschnellen PCs brauchen und damit auch so ungefähr 10 Kilowatt Energie. Selbst wenn das Moore’sche Gesetz ungebrochen weitergeht, wird es einige Jahre (ca. 40) benötigen, um diese Größenordnungen in den Griff zu kriegen. Aber: Nur 40 Jahre!

Übrigens, hier ist ein netter Partyscherz: Hängen Sie sich einen eingeschalteten aufgeklappten Laptop-Computer so um, dass der Bildschirm vor Ihnen sichtbar hängt. Befestigen Sie am Rücken eine Videokamera, die nach hinten gerichtet ist und das Bild auf dem Bildschirm des Laptops anzeigt. Jeder, der (richtig positioniert) vor Ihnen steht, sieht durch Sie hindurch, weil er ja das Kamerabild sieht! (Ein bisschen Experimentieren ist notwendig, die Beleuchtung muss stimmen, auch muss der Betrachter direkt vor dem Schirm an der richtigen Stelle stehen und die Optik der Kamera muss entsprechend eingestellt sein.)

Obwohl es (siehe oben) immer bessere Hightech-Tarnanzüge geben wird, brauchen wir uns also vor Unsichtbaren noch nicht zu fürchten. Und wenn es sie dann gibt, dann rüsten wir uns mit einer Spritzpistole mit roter Farbe aus, spritzen auf den verdächtigen Ort und, siehe da, die Projektionslinsen werden rot verklebt und das Unsichtbare wird sichtbar.

Würde man meinen. Aber da gibt es eben auch noch andere Tricks, die in Richtung »Unsichtbarkeit« gehen und die gegen Farbspritzpistolen immun sind! Der »realistischste« funktioniert mit Hilfe von futuristischen Drohnen!

Drohnen, also unbemannte Aufklärungsflugzeuge, werden seit vielen Jahren militärisch verwendet. Sie sind fernsteuerbar, verfügen über eine hochauflösende Kamera, häufig über ein Laserrichtmikrofon (mit dem man selbst über große Distanzen sogar durch Fenster in Räume hineinlauschen kann) und sind im militärischen Bereich manchmal sogar bewaffnet, d. h., können (wie schon mehrmals geschehen) selbst sich bewegende Objekte beschießen. Für unsere Zwecke ist die Bewaffnung uninteressant. Was Drohnen futuristisch bedeutsam macht, ist die Tatsache, dass sie nicht nur als Beobachtungsgeräte verwendet werden (wie etwa in »XPERTEN: Die Parakämpfer«), sondern dass sie vielleicht einmal mit einem Holografieprojektor ausgerüstet werden können (wie etwa in »XPERTEN: Der Paradoppelgänger« erläutert), mit dem Dinge oder Menschen von den Drohnen in eine beliebige Umgebung projiziert werden können.

Heutige Drohnen sind noch recht klobig. In der XPERTEN-Reihe schrumpfen sie schon zur Größe von Kolibris, in der Fantasie des schon mehrmals erwähnten Ray Kurzweil aber sogar schon zur Insektengröße. Damit ist das folgende Szenario denkbar:

Überall auf der Welt sind solche mit Holografieprojektoren ausgerüstete Minidrohnen stationiert, so wie heute Mietautos.

Ein Freund von mir veranstaltet eine Gartenparty in Wien. Leider habe ich keine Zeit, persönlich von Graz nach Wien zu kommen. Ich miete mir daher eine Minidrohne in Wien. Ich lenke sie zum Garten meines Freundes, setze sie auf den Zweig eines Astes und der Holografieprojektor projiziert mich, wie ich bin, dreidimensional unter die Gästeschar. Ich kann mit dieser reden (über ein Richtmikrofon in der Drohne), höre sie, sehe sie in Graz, sie sehen mich. Es ist fast so, als wäre ich anwesend. (Stört es einige Leser, dass ich nicht auch den Gästen die Hand schütteln oder jemand auf die Schulter klopfen kann? Diese Leser müssen noch ein paar Jahre zulegen: Dann werden nach Kurzweil (siehe Beitrag 11.3: »60 Prognosen und Thesen«, These 23) Nanobotschwärme, die man auch angreifen kann und die auch angreifen können, anstelle von nicht-materiellen Holografieprojektionen verwendet werden). So also bin ich bei dem Fest meines Freundes virtuell anwesend. Und was hat das mit Unsichtbarkeit zu tun und mit den Romanen der XPERTEN-Reihe? Nun, der Aspekt der Unsichtbarkeit sollte klar sein: Ich brauche ja nur den Holografieprojektor ausschalten …, dann sehe und höre ich noch alles, kann auch noch reden, bin aber 100 % unsichtbar. Und mit der XPERTEN-Reihe? Wenn Sie diese Frage stellen, dann haben Sie offenbar noch nicht »XPERTEN: Der Paradoppelgänger” gelesen!