6 KURIOSES

6.1 Dürfen Tierschützer

Brathendl essen?


Es überrascht mich immer wieder, welch starke Emotionen es auslöst, wenn ein streunender Hund oder Kater (der offenbar jemandem zu sehr auf die Nerven ging) durch Gift oder sonst irgendwie getötet wird. Der Täter wird in lokalen Medien manchmal fast als Mörder bezeichnet. Falls man ihn ausforscht, erwartet ihn vielleicht eine Strafe, jedenfalls aber eine zumindest moralische Lynchjustiz.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin nicht dafür, dass man alle Katzen oder Hunde umbringt. (Ob allerdings größere Haustiere in Städten etwas zu suchen haben, halte ich für zweifelhaft, wie ich im Beitrag 9.1: »Haustiere in Städten?« erläutere.) Ich würde mich aber moralisch durchaus im Recht fühlen, wenn ich eine Katze oder einen Hund, die mich oder meine Familie in meinem Garten belästigen, gewaltsam verjagte, ja im Wiederholungsfall auch tötete. Kein Verständnis habe ich freilich für unnotwendige Tierquälerei.

Wenig Verständnis habe ich andererseits auch für übertriebene Tierschützer, die den Tod eines Hundes, einer Katze, eines Rehs etc. wie eine kleinere Katastrophe behandeln, dabei aber genüsslich ein Brathendl, ein Schnitzel oder ein anderes Fleischgericht verzehren.

Die da zu Grunde liegende doppelte Moral ist mir suspekt. Es gibt doch nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir glauben, dass höher entwickelte Tiere wie Hunde, Katzen, Hühner, Schweine, Rinder usw. ein ähnliches Schmerzempfinden haben wie Menschen. Dann ist das Töten eines solchen Tieres Mord, das Essen eines Brathendls nicht sehr verschieden vom Kannibalismus. Oder wir glauben, dass sich Tiere vom Menschen insofern grundlegend unterscheiden, als Tiere Schmerz und Todesangst nicht bewusst erleben, entsprechende Verhaltensweisen also instinktiv und »unbewusst« ablaufen. Dann ist das Töten eines Tieres nicht sehr verschieden vom Umsägen eines Baumes und daher moralisch vertretbar.

Tierschützer, die dauernd von den Schmerzen der Tiere, von der Todesangst der Tiere, von unzumutbarer Behandlung von Tieren usw. reden, müssten meiner Ansicht nach Vegetarier sein. Ernährungstechnisch und medizinisch wäre übrigens eine rein vegetarische Ernährung eher ein Vorteil. Statt Pflanzen über den Umweg Tier (das von Pflanzen lebt) als Nahrungsmittel zu verwenden, könnte man zum Beispiel Sojabohnen – die sich bekanntlich sehr flexibel zubereiten lassen – direkt als Nahrung einsetzen und damit pro Hektar Land mehr als doppelt so viele Menschen ernähren!

Um meine Argumente noch deutlicher zu machen, verkleide ich sie in eine kurze utopische Geschichte:

Im Jahre 3056 landen auf der Erde Raumschiffe von einem anderen Planetensystem mit intelligenten Lebewesen, die auf Grund ihrer technischen Überlegenheit innerhalb kürzester Zeit die Kontrolle der gesamten Welt übernehmen. Diese Lebewesen haben zufälligerweise das Aussehen von etwas groß gewachsenen Hühnern. Sie stellen mit Entsetzen fest, dass die meisten Erdbewohner seit Jahrhunderten Hühner und andere Tiere töten, um sie zu essen, ja sogar systematisch zu diesem Zweck züchten. Ein großes Gerichtsverfahren gegen alle Fleisch fressenden Erdbewohner (so heißen sie in der Anklageschrift) wird eröffnet. Der Hauptpunkt ist klar: »Die Angeklagten haben ohne drückende Not verschiedenste Tiere getötet, obwohl aus allen Unterlagen wie Zeitungen, Büchern, Filmen usw. klar erkennbar ist, dass es den Angeklagten bewusst war, dass diese Tiere Gefühle, Schmerzen und Todesangst hatten genau wie Menschen. Nach galaktischen Gesetzen steht auf wiederholtem Mord an anderen gefühlsbehafteten Rassen Verbannung auf den Strafplaneten Xanier 4 auf Lebenszeit. Erschwerend sind im vorliegenden Fall die große Zahl der Morde und die Tatsache, dass die Ermordeten (man kann es kaum glauben) gekocht und verspeist wurden.«

Die Verteidigung der Menschen fällt dürftig aus. Viel mehr als: »Die anderen haben es auch getan …«, »Ich habe mir nichts dabei gedacht …«, »Das war schon immer so üblich …«, ist nicht zu hören. Auf den Hinweis des Anklägers, dass solche Aussagen auch bei vielen Prozessen der Vergangenheit, die Menschen gegen Menschen geführt haben, nie als Entlastungsargumente akzeptiert wurden, folgt ein betretenes Schweigen der Angeklagten. Der Prozess endet, wie er enden muss: Milliarden von Fleisch fressenden Menschen werden verurteilt und nach Xanier 4 deportiert. Etwas milder behandelt werden jene Menschen, die nur Embryos gegessen hatten (zum Beispiel in Form eines Frühstückseies) oder die nur Raub und Diebstahl an Tieren verübt hatten (durch Verwendung von Honig oder Milch). Nur reine Vegetarier kommen ungeschoren weg und werden als vollwertige Mitglieder in die galaktische Völkerfamilie aufgenommen …

Ich persönlich werde trotz obiger Geschichte auch in Zukunft Fleisch essen. Ich glaube, dass jeder Mensch, der einerseits Fleisch isst, andererseits Tieren wie Hunden, Katzen, Pferden … menschenähnliche Gefühle unterstellt, sich einmal überlegen muss, wie diese beiden Fakten auf einen Nenner zu bringen sind, wie man das Schlachten von Tieren für die Ernährung eigentlich rechtfertigen kann.

Wie sehr wir das offenbar in uns steckende schlechte Gewissen oft verdrängen, wird durch die Tatsache belegt, dass wir jene Tiere, die wir (zufällig) als die besten Freunde des Menschen betrachten (Katze, Hund, Pferd), weniger häufig verzehren als andere, mit denen wir seltener zu tun haben!



6.2 Natürlich essen


Immer mehr scheint sich die Ansicht durchzusetzen, dass man möglichst natürlich essen sollte. Das beginnt bei der Aufzucht von Tieren, die in ihrer natürlichen Umgebung, in der Natur und ohne künstliches Futter leben sollten, erstreckt sich über den Anbau von Gemüse, Getreide und Bäumen ohne Kunstdünger und unnatürliche Eingriffe, bezieht die Verwendung von Kräutern und Naturheilmitteln anstelle von Medikamenten der pharmazeutischen Industrie ein und gilt natürlich besonders für das, was wir als Nahrung essen sollten: weitgehend naturbelassen und unverfälscht. Auf einen einfachen Nenner gebracht ist die Zusammenfassung wohl: Alles Natürliche ist gesund, Eingriffe in naturgegebene Zustände sind tunlichst zu vermeiden.

Haben Sie als Leser bis hierher weitgehend zustimmend genickt? Ja? Dann tut es mir Leid, Ihnen sagen zu müssen, dass Sie meiner Meinung nach wie so viele andere einer Gehirnwäsche unterlegen sind: Jede einzelne der oben aufgestellten Aussagen ist falsch.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Selbstverständlich bin auch ich für gesundes Essen (nur heißt das nicht notwendigerweise natürliches Essen), selbstverständlich bin ich gegen Überdüngung von Böden, übermäßigen Medikamentenkonsum und für den Einsatz von oft jahrhundertelangen Erfahrungen im Umgang mit der Natur usw. Nur nenne ich das dann maßvolles, gesundes, ausgewogenes, wohlüberlegtes Essen bzw. Umgang mit Nahrungsmitteln; der Begriff »natürlich« trifft ein solches Verhalten nicht.

Im Folgenden gebe ich für alle zu Beginn dieses Beitrags angeführten Aussagen einige Beispiele, warum ich diese für falsch halte, zumindest in den überspitzten Formulierungen, die verwendet wurden.

Die Aussage »Alles Natürliche ist gesund« ist wohl am offensichtlichsten ein Unsinn. Schließlich sind zum Beispiel Tollkirschen und Satanspilze natürlich und schön, als besonders bekömmlich wird sie aber niemand einstufen. So delikat Bambussprossen in einem chinesischen Gericht schmecken, die Rinde einer Korkeiche (die genauso natürlich ist) stellt relativ hohe Anforderungen an unseren Kauapparat und ist nur auf wenigen Speisekarten zu finden. Aber selbst wenn man von so extremen Fällen absieht, dann sind auch natürliche Speisen wie etwa Hirn mit Ei, wenn man sie regelmäßig isst, schlichtweg lebensgefährlich, da sie die Arterienverkalkung (d. h. die Ablagerung von Cholesterin in Arterien) und damit die Wahrscheinlichkeit eines Hirnschlages oder Herzinfarktes dramatisch erhöhen, oder sind so natürliche Produkte wie Alkohol oder Opium doch auch nicht im Übermaß zu empfehlen. Die Feststellung »Eingriffe in naturgegebene Zustände sind tunlichst zu vermeiden« ist auf Grund des Wortes »tunlichst« so vage, dass man sie vielleicht noch halb akzeptieren kann. Dennoch, wenn ich als Imker meine Bienenstöcke in die Nähe blühender Bäume führe, dann ist dies ein sinnvoller Eingriff; wenn bei langer Trockenheit die Kühe auf der Weide kein Frischgras mehr finden, wird eine Zufütterung notwendig … und wenn das Wasser auf der Weide ausgeht, dann eine »künstliche« Wasserversorgung erst recht. Auch der Unterstand für Tiere bei Schlechtwetter, der Salzleckstein für Almvieh oder das Kalken eines Pfirsichbaumes, um zu frühes Austreiben zu verhindern, … All das sind Eingriffe in den natürlichen Zustand, die vernünftig sind. Die Natur ist weder gut noch böse; sie verhält sich vielmehr so, dass wir immer wieder korrigierend eingreifen müssen. Wozu hätten wir auch sonst ein Gehirn im Kopf? Wer die Natur an sich für gut hält, der scheint zu übersehen, dass es Kälte, Blitz, Hagel, Stürme, Trockenheit, Erdbeben, Vulkane usw. gibt, gegen die wir uns und unsere Nahrungsquellen natürlich schützen müssen.

Dass wir »Nahrung weitgehend naturbelassen und unverfälscht essen sollten«, ist eine Meinung, die einfach lächerlich ist. Selbstverständlich sollen wir Nährstoffe in der Nahrung nicht zerstören, indem wir zum Beispiel beim Gemüsekochen alle Vitamine vernichten, beim Getreidemahlen wichtige Teile des Getreidekorns wegwerfen, um Weißmehl zu erhalten, beim Raffinieren von Zucker wichtige Spurenstoffe entfernen, um nur einige Beispiele zu erwähnen. All das heißt aber noch lange nicht, dass wir Nahrungsmittel »naturbelassen« essen sollten. Jeder, der dies sagt, scheint zu vergessen, dass die wenigsten Menschen ihr Schnitzel roh essen, obwohl das »Verkohlen« von Fleisch (ich zitiere Tarzan aus dem ersten – sehr guten – Band der Tarzan-Reihe von Edgar Rice Burroughs) zu den sicherlich unnatürlichsten Dingen gehört, die man einem Nahrungsmittel antun kann! Ich halte auch rohen Hering in Sushi-Form für weniger schmackhaft und weniger bekömmlich als marinierten Fisch, nicht zuletzt, weil durch Kochen, Räuchern und Marinieren diverse Krankheitserreger (Salmonellen in Hühnern, Trichinen in Schweinen, Würmer in Fischen …) abgetötet werden. Die »unnatürliche« Zubereitung von Fleisch ist also nicht nur eine Frage des Geschmacks oder der Gewöhnung, sondern macht dieses auch gesünder.

Die Aufbereitung von Lebensmitteln für den menschlichen Genuss wird häufig dort als natürlich empfunden, wo sie schon lange so gemacht wird, und unnatürlich sonst. So betrachten Österreicher häufig zum Beispiel Erdnussbutter als »unnatürlichen Quatsch aus Nordamerika« – obwohl der Herstellungsprozess ähnlich wie bei Margarine verläuft, während im Grunde schon recht komplexe (und das heißt doch wohl künstliche?) Methoden, um Käse durch Fermentierung zu gewinnen, um Weintrauben über die Zwischenstufen Traubensaft und Wein in Essig zu vergären usw., als natürlich angesehen werden.

Warum eine Leberpastete in Dosen manchen Menschen natürlicher vorkommt als tief gefrorenes Gemüse, habe ich nie verstanden, genauso wenig wie die Auffassung, dass Frankfurter Würstchen (wenig Fleisch mit viel Fett und Weißmehl vollständig homogenisiert) »natürlicher« und »gesünder« seien als Hamburger von McDonald’s (mit weniger Fett und in denen die Struktur des faschierten Fleisches wenigstens noch ansatzmäßig zu erkennen ist).

Die Liste von Beispielen, dass wir Nahrung in den seltensten Fällen naturbelassen essen, lässt sich natürlich beliebig fortsetzen: Schließlich werden ja selbst Weizenkörner oder grüne Kaffeebohnen selten ohne entsprechende Verarbeitung konsumiert!

Die Bevorzugung von Kräutern und Naturheilmitteln gegenüber »künstlichen« Medikamenten mag in Einzelfällen insofern gerechtfertigt sein, als Heilkräuter seit vielleicht Tausenden von Jahren »getestet« worden sind, modernere Medikamente hingegen nicht (allerdings dafür sehr gründlich und in hohen Dosierungen). Man muss sich aber über vier Punkte vollständig klar sein:

Erstens können Dinge, die früher einmal gesund gewesen sind, dies auf Grund inzwischen geänderter Lebensbedingungen heute nicht mehr sein. Eine Regel wie »Salz und Brot macht Wangen rot« ist nicht nur grammatikalisch falsch, sondern wird heute sicher nicht mehr als gültig angesehen (zu viel Salz ist eher ungesund, rote Wangen mögen durchaus Zeichen von Bluthochdruck sein); oder »Butter und Schmalz – Gott erhalt’s« erscheint heute – in Abwesenheit harter körperlicher Arbeit – als eine Empfehlung, zu viele gesundheitsschädliche tierische Fette zu essen.

Zweitens, auch wenn ein pflanzliches Produkt von der Menschheit jahrhundertelang verwendet wurde, schließt das tödliche Nebenwirkungen nicht aus. Ein klassisches Beispiel ist der Pilz Hallimasch, der bis in die siebziger Jahre als delikater Speisepilz galt und auf Märkten angeboten wurde. Dann verschwand er plötzlich und klammheimlich von den Märkten und aus der Liste der Speisepilze. Man hatte festgestellt, dass der Hallimasch ein Gift enthält, das nur sehr langsam von der Leber abgebaut wird und das in größeren Mengen tödlich ist. Mit anderen Worten, man kann ohne jeden Schaden zu erleiden ab und zu Hallimasch essen (in den Pausen dazwischen wird das Gift wieder abgebaut); isst man aber oft knapp hintereinander Gerichte mit Hallimasch, kann dies tödlich sein! (Dieser Effekt wurde aus offensichtlichen Gründen sehr spät entdeckt: Wenn zum Beispiel sechs Leute an einem Tag Hallimasch essen und am nächsten Tag geht es fünf blendend, aber eine Person ist tot … Wer würde das dem Genuss des Hallimasch zuschreiben?)

Drittens, dort, wo man den Wirkstoff einer Pflanze genau identifiziert hat, ist die künstlich gewonnene Version genauso gut und besser dosierbar. »Künstliches« Vitamin C erfüllt durchaus dieselbe Funktion wie jenes im Zitronensaft (ohne durch die Zitronensäure die Magenschleimhäute zu belasten), künstliches Vitamin D ersetzt die hohe Vitamin-D-Konzentration in Lebertran vollwertigst usw.

Viertens und vielleicht am entscheidendsten: Es gibt viele Probleme, denen man durch Heilpflanzen nicht oder nicht gut beikommt, die aber durch künstlich hergestellte Medikamente vollkommen gelöst werden können. Paradebeispiel dafür sind natürlich die Antibiotika, die gefährliche Krankheiten wie Pest und schwerste Entzündungen besiegen; oder Impfungen, die uns heute vor unzähligen Infektionskrankheiten schützen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Ohne moderne Medikamente wäre unsere Lebenserwartung entscheidend geringer!

Auch die Behauptung, dass man »beim Anbau von Gemüse, Getreide und Bäumen ohne Kunstdünger und unnatürliche Eingriffe« auskommen sollte, ist unhaltbar: Sie klingt nur so gut in den Ohren von vielen Menschen, weil man in der Vergangenheit oft tatsächlich überdüngt hat, Pestizide, die sich kaum mehr abbauen (DDT), in riesigen Mengen eingesetzt hat u. v. m. Der maßvolle Eingriff in die Natur, nicht der Rückschritt in die Steinzeit des Gemüse-, Getreide- oder Obstbaus ist die Antwort. Wer würde nicht Obstbäume entsprechend veredeln und trimmen oder Gemüsepflänzchen aus dem Saatbeet aussetzen (was für unnatürliche Vorgänge!). Und wenn eine Bodenfläche besonders sauer, lehmig, salzhaltig oder was auch immer ist, ist der maßvolle Einsatz entsprechender Chemikalien durchaus gerechtfertigt. Am deutlichsten wird das anhand eines konstruierten Beispiels klar. Betrachten wir doch ein saures Grundstück, das an einer Seite an Kalkfelsen angrenzt. Durch einfaches Zermahlen von etwas Kalkgestein und Aufstreuen dieses Kalkmehls wird das zuvor saure Grundstück PH-neutral und fruchtbar. Der Eingriff hat nur einen sonst lang dauernden Verwitterungsprozess des Kalkfelsens vorweggenommen. Er stellt gleichzeitig nichts anderes als eine Kunstdüngung dar …

Auch die allererste Behauptung in diesem Beitrag, dass »Tiere in ihrer natürlichen Umgebung, in der Natur und ohne künstliches Futter leben sollten«, ist nicht mehr als eine Floskel. Eine natürliche Umgebung für ein Haustier gibt es ja erstens gar nicht. Ein Rind würde sich ferner ziemlich bedanken, wenn man es im Winter nicht mit Heu versorgen würde (ein sehr künstlicher Vorgang!) oder wenn es im Freien stehen müsste. Wenn das Trockenfutter über längere Zeiten Vitaminmangel bei Tieren auslöst, ist ein Vitaminzusatz im Interesse der Tiere. Dass man gewisse Grenzen bei Tieren nicht überschreiten sollte (etwa Hormonbehandlung bei Tieren genauso wenig wie Doping bei Sportlern), ist selbstverständlich.

Zusammenfassend sind Aussagen über die Bedeutung des »natürlichen Essens« mit größter Vorsicht zu genießen. Erstens gibt es vieles in der Natur, was sicher ungesund bzw. nicht essbar ist; zweitens ist die Definition von »natürlich« vollständig unklar. Ist ein geschälter Apfel natürlich und sollte er daher ungeschält gegessen werden? Wenn nein, sollen wir auch die Orangen mit Schalen essen? Ist Schmelzkäse natürlicher als Löskaffee? Wenn ja, warum? Usw.

Insgesamt sehen Natur- und Biofreaks die Welt enorm schwarz-weiß: Natur (was immer das ist) ist gut, künstliche Erzeugnisse (was immer man darunter versteht) sind schlecht. Diese Haltung erinnert mich sehr an den Ehrenkodex in Rittersagen, an die moralische Welt der Westernhelden und an all die vielen anderen Situationen, wo extreme Standpunkte ohne maßvolle Zwischenlösung eingenommen werden.

So langweilig die Aussage ist, sie gilt auch hier, also beim Essen, bei der Herstellung von Nahrungsmitteln und bei der Aufzucht von Tieren und Pflanzen: Der richtige Weg liegt irgendwo zwischen den Extremen.



6.3 Obst in die Parks!


Öffentliche Parks haben sich historisch entwickelt als ein Versuch, Gartenanlagen (wie sie sonst nur einige wenige bei ihren Schlössern und Palästen zur Verfügung hatten) auch dem »Volk« zugänglich zu machen. Der Durchschnittsmensch durfte so – zwar bis in die sechziger Jahre noch mit vielen »Das Betreten des Rasens ist verboten«-Tafeln eingeengt – von einem ausgeklügelten Wegesystem aus wohlgepflegte Blumenbeete, Ziersträucher oder Parkbäume bestaunen.

Viel hat sich daran noch immer nicht geändert. Zwar darf man inzwischen die Rasenflächen benutzen, aber die Grundeinstellung, dass ein Park eine Mischung zwischen Schlosspark, botanischem Garten und Blumenausstellung sein muss, ist geblieben. Jede Pflanze, jeder Strauch, jeder Baum, der etwas Genießbares zu bieten hat, ist noch immer so verpönt wie seinerzeit, als irgendwelche Aristokraten durch die Abwesenheit jeder nützlichen Pflanze beweisen »mussten«, dass sie so etwas wie Fruchtbäume nun wirklich nicht nötig hatten.

Ich fordere: Schluss mit diesem historischen Relikt! Ich schlage vor: Pflanzen wir doch auch Beeren und Fruchtbäume in den Parks. Ich stelle als neuen Slogan vor: »Obst in die Parks!«

Warum sollen wir nicht neben den Rosskastanien auch Edelkastanien oder Walnussbäume in den öffentlichen Parks haben? Wer behauptet, ein blühender Kirsch- oder Apfelbaum sei weniger schön als eine blühende Zierkirsche? Und wer wagt zu widersprechen, dass ein Kirschbaum mit reifen roten Kirschen (die jeder gerne pflücken kann) doch sicher genauso attraktiv ist wie eine Trauerweide!

Wenn Rosenbeete mit endloser Hingabe gepflegt werden und Efeu kunstvoll auf Pergolas hochgezogen wird, warum sollen dann nicht auch Ribiselsträucher oder Steinbirnen gesetzt und Wein mit grünen und blauen Trauben oder Klettererdbeeren mit malerisch roten Beeren auf entsprechenden Lattenrosten hochgezogen werden?

Dort, wo heute Gärtner ihre Kunst durch das Aufziehen frostanfälliger Trompetenbäume, Magnolien oder noch exotischerer Gewächse unter Beweis stellen, könnten sie in Zukunft doch bitte auch ein bisschen ihrer Künste auf Marillen- oder Pfirsichbäume oder auf zum Beispiel überaus rasch wachsende Büsche wie Kiwis konzentrieren.

Selbst Beete mit Stiefmütterchen oder Astern im Herbst könnte man meiner Ansicht nach ohne großen Verlust teilweise durch zum Beispiel einladende Zucker- oder Wassermelonen ersetzen. Und selbst wenn Haselnussstauden eher dazu beitragen, dass sich mehr Eichkätzchen im Park ansiedeln, als dass Kinder viele Haselnüsse pflücken werden, ich bin noch immer für die Haselnusssträucher.

Kurzum: Brechen wir endlich das eigentümliche »Keine Frucht in einem öffentlichen Park«-Tabu, zumindest in einigen Parks, an einigen Stellen. Der Erfolg wird für sich selbst sprechen! Die erste Stadt, die in ihrem Prospekt erklärt, »in unseren Parks finden Sie zwischen Mai und September immer eine kleine essbare Überraschung«, wird damit mehr Leute als nur mich neugierig machen. Und da es uns heute gelingt, einigermaßen erfolgreich zu verhindern, dass die Rosen im Park dauernd gepflückt werden, wird es uns auch gelingen zu erreichen, dass Schilder mit zum Beispiel »Essen an Ort und Stelle: ja – mitnehmen: nein« oder »Diese Kirschen erst ab 20. 6. pflücken« (weil sie erst dann reif sind) beachtet werden. Den Schlossherren von Versailles oder Schönbrunn brachten Diener auf Wunsch jederzeit die schönsten Früchte essgerecht auf einem Silberteller. So gut geht es mir nicht: Ich hätte aber nichts dagegen, im Stadtpark beim Spaziergang zwischendurch eine Erdbeere, eine Nuss, einen Apfel zu finden. Und wenn dies so selten ist, wie ich bei Waldspaziergängen einen schönen Herrenpilz treffe: So wie über diesen werde ich mich auch über die Frucht freuen.

Wer lässt die ersten hundert Aufkleber »Obst in die Parks!« drucken? Ich hätte gerne einen.



6.4 Ich esse einen Big Mac

zwischen den Feiertagen!


Nach den vielen Festessen vor den Feiertagen (als Weihnachtsfeiern verkleidet) und den Gelagen mit Verwandten und Bekannten während der Feiertage (bei denen ich größere Mengen von Geschirr schmutzig gemacht habe bzw. anschließend habe abwaschen dürfen) freue ich mich schon richtig wieder auf einen kleinen Imbiss anstelle eines riesigen Abendessens.

Und zwar hole ich meiner Frau und mir und den beiden älteren Kindern je einen Big Mac von McDonald’s. Meine jüngste Tochter tanzt allerdings aus der Reihe; die hat lieber eine Großpackung von Chicken Nuggets (natürlich auch von McDonald’s). Während einige Leser nun verständnislos denken: »Warum nicht?«, sind andere Leser empört, dass ich es wagen kann, nicht nur über die »amerikanische Unsitte der Hamburger« zu reden, sondern ernsthaft zu erwägen solche zu essen … und dass ich noch dazu für eine der berühmt-berüchtigten Hamburgerketten sogar fast Werbung betreibe.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich verzehre natürlich nicht täglich einen Hamburger, nicht einmal wöchentlich. Aber eben ab und zu, genauso wie ich ab und zu bei einem Würstelstand mit Genuss eine Burenwurst esse oder ein Paar Würstel. (Übrigens vorzugsweise mit Kren – Sie auch?, wobei ich in Deutschland natürlich Meerrettich verlange, denn das slawische Wort für Wurzel (= Kren) verstünde man dort ja nicht.)

Es beunruhigt mich bei meiner insgesamt einigermaßen ausgewogenen, ja fettarmen Diät nicht, wenn ich ab und zu ein Würstchen esse (obwohl mir bewusst ist, dass dieses zu 70 % aus Fett und 20 % Mehl besteht), es beunruhigt mich noch weniger, wenn ich einen Big Mac esse, der mit seinem recht hoch qualitativen Rindfleisch (besser als das Fleisch in den faschierten Braten vieler Gasthäuser) und seinen Zutaten (Weißbrot, Tomate, Salat, Zwiebel …) diätmäßig gesehen gar nicht so schlecht abschneidet.

Es beunruhigt mich sehr viel mehr, dass viele Leute, die mit Genuss eine Bretteljause verspeisen (mit Speck und »Verhackert« nun wahrlich kein besonders gesundes Essen), den Big Mac als Inbegriff des bösen »Fastfood«, als »Junkfood«, als Beginn des Endes unserer Gesundheit darstellen, dabei aber die fetten Schweinsbraten, die Schmalzbrote mit Grammeln (Grieben) und Salz, die Torten mit herrlich weißem Schlagobers (Sahne), die Tausenden Arten von »Zuckerln« und Schokoladen, die eierreichen Spezialpalatschinken (Pfannkuchen)  mit süßen Soßen jeder Färbung, die cremigen Eissorten usw. usw. ganz zu vergessen scheinen.

Ich bin über so viel Einseitigkeit aus zwei Gründen besorgt: Weil sie einerseits eine verblüffend unreflektierte und irrationale Amerikafeindlichkeit zeigt bzw. andererseits belegt, dass der Spruch: »Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht«, in der Version »Was wir nicht kennen, mögen wir nicht« auf viel zu viele von uns  zutrifft. Und diese Abneigung Neuerungen gegenüber wird uns allen noch teuer zu stehen kommen, fürchte ich.

Zurück von allgemeinen Spekulationen zum McDonald’s! Im offiziellen österreichischen Englischbuch der AHS (You and Me, Band 4, AHS-Ausgabe, Unit 10) stehen Fehlbehauptungen über McDonald’s, bei denen ich mich nur wundern kann, dass McDonald’s die österreichischen Schulbuchzulassungsbehörden noch nicht geklagt hat. Da wird zum Beispiel behauptet, dass jeder Hamburger, den man isst, zur Verringerung des Regenwaldes in Brasilien beiträgt, weil von dort das Rindfleisch kommt und immer mehr Urwald gerodet wird, um Weideland zu schaffen. Wo die Rinder für unser Gulasch, unsere Rindsrouladen etc. herkommen, ist vielleicht ungewiss; wo die Rinder für österreichische McDonald’s-Hamburger herkommen, ist aber sehr wohl bekannt: aus Österreich. In den Geschäftsbedingungen für Lieferanten von McDonald’s wird weltweit ausdrücklich lokaler Produktion der Vorrang gegeben. In Österreich gilt übrigens ein generelles Einfuhrverbot für Verarbeitungsrindfleisch; Sie dürfen also auch bei Ihrem Gulasch ruhig schlafen.

Das zitierte Englischbuch ist darum so interessant, weil es all die falschen Vorurteile gegen McDonald’s-ähnliche Betriebe enthält, die (jedenfalls beim Marktführer McDonald’s) schlichtweg nicht zutreffen!

Die McDonald’s-Kette hat besonders hohe Reinlichkeitsstandards; dieser positive Aspekt wird von Gegnern natürlich als »steril« abgewertet; aber steril heißt eben »keimfrei«. Und noch hat es bei keinem McDonald’s eine Salmonellenvergiftung gegeben … in »ausgezeichneten« Restaurants sehr wohl!

Die McDonald’s haben behindertenfreundliche Schrägauffahrten für Rollstuhlfahrer; die Hamburger sind sehr viel frischer als die belegten Brötchen, die man in vielen Schnellimbissstuben bekommt; McDonald’s unterhält eigene philanthropische Stiftungen (zum Beispiel das Ronald-McDonald-Haus, in dem die Eltern krebskranker Kinder in der Nähe der Spezialklinik wohnen können) usw. usw.

Warum ich so für McDonald’s schwärme? Ich finde die Bedienung freundlich und schnell, mir schmeckt das Essen (die Qualität ist recht gleichbleibend gut, egal wo und wann man hingeht), die Preise stimmen auch und der Rest ist gleichfalls okay (siehe oben).

Ich halte gut organisierte Ketten wie McDonald’s, die man ab und zu benutzt, für einen Gewinn und eine gesunde Konkurrenz für unsere Gaststätten und »Standeln« (bei denen man im Freien stehen muss, sich die Hände nicht waschen kann etc.), egal ob diese Ketten McDonald’s, Nordsee, Wimpy’s, Dairy Queen, Pizza Hut, A + W, Burger King, Kentucky Fried Chicken oder wie auch immer heißen …

Drum gehe ich also zwischen den Feiertagen zu McDonald’s. Ob ich Sie dort treffen werde?



6.5 Ich esse keinen Big Mac zwischen den Feiertagen


Als ich das erste Mal wagte den Beitrag 6.4: »Ich esse einen Big Mac zwischen den Feiertagen« zu veröffentlichen, stieß ich zum Teil auf vehemente Ablehnung. Dabei hatte ich nur festgestellt, dass die McDonald’s-Hamburger genauso als »Fastfood« zu betrachten seien wie Würstchen am Würstchenstand, fettärmer, insgesamt wohl in einer hygienischeren Weise zubereitet und serviert … und im Übrigen mir (und vielen anderen) ausgezeichnet schmecken, auch wenn ich mich nicht dauernd nur von Big Macs oder Varianten davon ernähren möchte.

Immerhin, die Kritik (die sich letztlich gegen alles »Ausländische« wandte) hat mich so beeindruckt, dass ich heuer keinen Big Mac zwischen den Feiertagen essen werde. Ich werde vorbauen und rechtzeitig  ausreichend viele konsumieren.

Zwischen den Feiertagen stelle ich mir ein echt österreichisches Top-Menü zusammen. Wollen Sie mir helfen?

Ich beginne zur Einstimmung mit einem trockenen Sherry. Oops, das geht nicht …, der Sherry kommt aus Portugal. Na, macht nichts: Ein Gläschen Champagner tut es auch. Moment, das darf ich auch nicht, der Champagner kommt ja aus Frankreich. Na, lassen wir lieber den Aperitif, wir sollten ohnehin nicht so viel Alkohol trinken. Konzentrieren wir uns also auf eine schöne kalte Vorspeise. Wie wär’s mit getrüffelter Gänseleber mit Toast? Leider kommen die Trüffeln aus dem Elsass, das Toastbrotrezept aus England. Wie wär’s dann mit einem Shrimps-Cocktail? Zu dumm, dass Österreich nicht an die Nordsee grenzt, aus der die Shrimps kommen …

Aber im Winter sind vielleicht kalte Vorspeisen ohnehin keine gute Idee, planen wir doch lieber eine deftige Suppe, zum Beispiel Tomatenreis-Suppe? … Nur leider sind die Tomaten auch als Paradeiser kein ursprünglich österreichisches Gemüse (sondern stammen aus Amerika) und der Reis kommt aus südlicheren Gegenden. Dann eben ein kleiner warmer Imbiss: Spaghetti Bolognese oder Spaghetti Carbonara? Offensichtlich beides nicht, Spaghetti sind erst vor 40 Jahren langsam aus Italien in Österreich »eingewandert«!

Hand aufs Herz: Wir essen zu Weihnachten ohnehin immer zu viel. Lassen wir also die Vorspeisen aus und konzentrieren wir uns auf ein leichtes Hauptgericht. Was halten Sie von Scholle in Zitronensoße mit Bratkartoffeln und einem Gläschen leichten Frascati? Wie Sie sicher bemerkt haben, sind hier gleich vier »Nicht-Österreicher« dabei: die Scholle als Meeresfisch, die Zitronen als subtropische Früchte, die Kartoffeln aus Amerika und der Frascati aus Italien.

Dann eben keine Hauptspeise! Es würde uns ja auch ein gutes Tiramisu, ein gemischter Früchtesalat (mit Bananen, Mandarinen …), ein Trifle (jene englische Köstlichkeit), eine Creme Caramel etc. genügen …, nur österreichisch sind diese Speisen halt leider nicht. Selbst der Slibowitz und der Kaffee werden mir vergällt, wenn ich daran denke, wo sie herkommen.

Natürlich gibt es auch echt österreichische Menüs. Hier ist ein Vorschlag: Als Aperitif ein Gläschen Vogelbeerwein, zur Einstimmung eine Brennnesselsuppe mit kleinen Semmelknödelchen. Als Hauptspeise ein in Ton gegarter Herbstigel (Achtung: die Herbstigel sind wegen ihres Fettgehaltes schmackhafter; man sollte übrigens nur Schweinsigel verwenden); als Beilage empfehle ich gebackene Distelböden (»Jägerbrot«), die erstklassig zum Waldviertler Honigwein passen. Holunderkompott mit Haselnussgebäck und eine Schale Erdbeertee runden das Menü ab …

Und die Moral von der Geschicht? Schimpf über fremde Speisen nicht! Denn über kurz oder lang sind diese fremden Speisen so vertraut wie fast alles, was wir essen, obwohl sehr viel davon ganz und gar nicht »bodenständig« ist.


Anmerkung von Peter Lechner:

Recht so, Hermann, gib’s ihnen, den gusseisernen Bodenständigen! Ich leg noch eins drauf: Das Schnitzel, Klassiker und Leitfossil der Wiener Küche, ist auch ein Ausländer, der als »costoletta alla milanese« illegal eingewandert ist (Quelle: Das Grosse Sacher Kochbuch, S. 267ff).



6.6 Windelhosen für Kühe!


Die Verringerung der Ozonschicht hat in den letzten Jahren zu zunehmender Beunruhigung geführt. Prinz Charles formulierte die Besorgnis schon 1990 sehr dramatisch: Auch wenn wir Menschen uns gegen die bei fehlender Ozonschicht verstärkte UV-Strahlung durch breitkrempige Hüte und Sonnencreme mit Schutzfaktor 16 oder höher noch einigermaßen schützen werden können, besteht die Gefahr, dass Tier- und Pflanzenwelt weltweit weitgehend vernichtet wird. Die Verringerung der Ozonschicht wird heute hauptsächlich auf fluor-kohlenwasserstoffhältige Treibgase, auf Stickoxyde und auf Methangase zurückgeführt. Die Rolle der Methangase – wie sie bei der Zersetzung von Fäkalien auftreten – wurde bislang weit unterschätzt, obwohl zum Beispiel beim Zerfall einer durchschnittlichen Kuhfladia Alpina (im Volksmund kurz Kuhflade genannt) mehr als 380 l Methangas entstehen.

Mit Verwunderung wird manchmal vermerkt, dass gerade über Neuseeland das Ozonloch besonders groß geworden ist, obwohl doch in Neuseeland relativ wenig Menschen leben und daher nur bescheidene Mengen gefährlicher Gase durch die Industrie erzeugt werden. Allerdings wird dabei übersehen, dass pro Neuseeländer 100 Schafe und 21 Kühe für einen gewaltigen konzentrierten Methangasausstoß sorgen; und auch die über Mitteleuropa dünner werdende Ozonschicht wird angesichts der durch die verfehlte EG-Landwirtschaftspolitik unnötig hohen Milchproduktion plötzlich erklärbar.

Ich fordere daher langfristig eine Verringerung der Schaf- und Rinderhaltung, weltweit. Ein verstärkter Einsatz von Sojabohnen anstelle von Fleisch, von aus Amerika bekannten schmackhaften »Non-dairy-Creamers« anstelle von Milch und von Margarine anstelle von Butter ist sinnvoll und gesund.

Kurzfristig aber fordere ich die gesetzliche Verordnung von Windelhosen für Kühe und schlage vor, dass wir in Österreich als Musterland unverzüglich damit beginnen. Ich glaube, dass wir dadurch nur gewinnen können:

Durch die Verringerung des Methangasanfalls schonen wir die österreichische Ozonschicht.

Der Fremdenverkehr wird durch Slogans wie »Besucht die kuhfladenfreien österreichischen Almen« stark gewinnen.

Die Produktion der Windeln für Kühe (aus Altpapier, natürlich) wird dem österreichischen Export wertvolle Impulse geben.

Das Wechseln der Windeln wird zwar den Preis für Milch etwas erhöhen (nachdem dieser ohnehin schon sehr hoch ist, wird das kaum etwas ausmachen), gleichzeitig aber der ländlichen Arbeitslosigkeit entscheidend entgegenwirken.

Kurz gefasst: Jeder, dem die Umwelt und Österreich wirklich am Herzen liegen, sollte mit mir sofort und massiv für Windelhosen für Kühe eintreten! Entsprechende Aufkleber können von mir gratis angefordert werden.



6.7 Bunte Handtücher


Jedes Mal, wenn man zu zweit oder zu dritt ein Hotelzimmer benutzt, findet man im Badezimmer entsprechend viele Garnituren von Handtüchern; liebevoll aufgehängt, sauber und wohlduftend, richtig einladend; nur fast immer (je teurer das Hotel, umso sicherer) gleichen die Garnituren einander wie ein Ei dem anderen.

Weil ich nun zu den eigentümlichen und verzogenen Leuten gehöre, die sich ihr Gesicht nicht unbedingt gerade mit dem Handtuch trocknen wollen, das der geliebte Partner oder das geliebte Kind gerade vorher für vielleicht einen ganz anderen Körperteil verwendet hat, erfordert dies ungewöhnliche organisatorische Vorkehrungen: etwa indem Person A die Handtücher nur auf den vorgesehenen Stangen, Person B nur am Fensterkreuz aufhängt usw.

Warum die Hotellerie seit Jahrzehnten die Gäste auf diese Weise ärgert, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich plädiere jedenfalls hiermit für die Verwendung verschiedener Farben für verschiedene Garnituren. Um lange Sitzungen und Abstimmungen der Hotelfachleute zu vermeiden, schlage ich auch gleich konkrete Farben vor. Die erste Garnitur weiß, eine etwaige zweite lindgrün, eine etwaige dritte lichtrosa. Ich bin gerne bereit, noch über die Farbwahl zu diskutieren, über das Prinzip aber nicht. Es ist schlichtweg hygienischer, wenn für die Benützer eines Badezimmers von vornherein Handtüchergarnituren in verschiedener Farbe zur Verfügung gestellt werden. Ich hoffe, für diese epochale Neuerung eine entsprechende Medaille (mehrfarbig?) der Österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft zu erhalten.



6.8 Der Tod als Hilfe?


Da bin ich bei einem Freund auf Besuch. Ich bin hektisch wie immer, er ist gelassen. Auf einem Tisch steht eine alte römische Urne, ein schönes Stück. Ich schaue hinein; ein bisschen Asche ist drinnen. Ich sage ironisch: »Hier müsste wohl auch einmal eine Putzfrau her.« Mein Freund antwortet lächelnd: »Nein, in der Urne ist die Asche eines Römers, der vor mehr als 2000 Jahren gelebt hat.«

Schweigen. Und dann ich: »Und das – eine Art Friedhof – hast du in deinem Zimmer stehen und lebst die ganze Zeit damit?« Mein Freund: »Ja, immer wenn ich Probleme habe, schaue ich in die Urne und denke mir: Was sind das für Kleinigkeiten! In 2000 Jahren ist von mir (mit VIEL Glück) gerade noch so ein Häufchen Asche da.«

Mich hat dieses Erlebnis beeindruckt. Ich verstehe heute, warum die Lehrer der Habsburgerkinder den Auftrag hatten, jeden Tag mindestens einmal zu sagen: »Vergesst nicht, auch ihr seid sterblich!« (damit deren mögliche Überheblichkeit gedämpft würde). Und wenn es mir (oder dir) einmal schlecht geht, dann kann ich nur empfehlen: Fahr nach Eisenerz oder Hallstatt und lass dir vom Pfarrer den Karner (die Knochenkammer) aufsperren. Da liegen sorgfältig aus den Gräbern herausgeholt die Überreste (Knochen, Schädel …) von Menschen, manchmal fein säuberlich beschriftet. Unsere Vergänglichkeit wird uns damit sehr bewusst, unsere Probleme werden plötzlich fast lächerlich.