Epilog
CHRONIST: Oliver Salim Sevenaer XXXII.
GESCHICHTE DES II. IMPERIUMS
Robot-Handschriftlicher vorläufiger Schlussbericht (Auszug)
Oliver Sevenaer machte eine kurze Pause.
»Schreib, Tamione:«, sagte er leise, von der langen Zeitspanne und den Ereignissen dieses hermetischen Berichts selbst beeindruckt.
»Obwohl die Warnungen des Wissenschaftlers«, diktierte er weiter, »an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen, beachtete man Iron McConells Drohungen nur dreißig Jahre. Dann – es standen wieder wohl ausgerüstete Schiffsgeschwader vor den Planeten; die Grenzen waren durch Außenposten in einer dritten Galaxis erweitert worden – missachtete man die Abkommen. Ein Imperiumsschiff mit hundert Mann Besatzung brach den Frieden.
Es geschah folgendermaßen: Das Schiff sollte zusammen mit einem Darshak-Kugelschiff einen Planeten erforschen, der reiche Lager an Edelmetallen aufzuweisen schien. Die Darshak hatten das Glück, auf reiche Vorkommen zu stoßen – nach intergalaktischen Statuten gehörte der Fund jeweils dem Finder. Anstatt weiterzusuchen, überfiel der Kommandant des terranischen Schiffes die Fremden. Ein Roboter begann, furchtbare Hitze auszustrahlen. Das Schiff erwärmte sich binnen einer Minute jeweils um drei Grad. Nichts und niemand konnte gerettet werden. Der Angriff auf das Kugelschiff fand im Weltraum statt. In einer halben Stunde war es vorbei.
Innerhalb dieser Frist war die Temperatur im Schiff auf neunzig Grad gestiegen. Der Robot verging zusammen mit dem terranischen Schiff, das als weiß glühendes Wrack auf den Schirmen der Darshak zu sehen war. Das geschah vor dreißig Jahren. Seitdem ist Ruhe.
Aber das Imperium weiß, dass überall die Späher des alten Technikers ihre Augen haben. Iron McConell ist nirgends wieder aufgetaucht. Seine Leute kehrten zurück. Aber sie schwiegen über die Geschehen der wilden Jahre.«
Oliver Sevenaer sah, dass der unirdisch schöne weibliche Robot das Blatt vollgeschrieben zur Seite legte. Die Geschichte aus dem Zweiten Imperium näherte sich dem Ende, den letzten Zeilen.
»Aber eines Tages erhielt der Chronist Besuch«, ertönte plötzlich, raumfüllend, eine tiefe, unbekannte Stimme. Die Strahlen der Morgendämmerung, die sich durch eine tiefhängende Wolkendecke stahlen, erhellten den gläsernen Raum im Hochhaus. Neben dem Robot stand eine Gestalt. Oliver griff nach seiner Brille und setzte sie auf. Er erkannte den Gast.
Es war Iron McConell, alt, aber immer noch mächtig.
»Schreibe weiter, Tamione«, befahl der Besucher. »Bei näherem Zusehen erwies sich, dass es der verschwundene Techniker McConell war, der sich von der Richtigkeit dieser Imperiumsgeschichte überzeugen wollte, was die Schilderung seiner Person und der damit unlösbar verbundenen Vorgänge betraf. Er stellte mit Zufriedenheit fest, dass der Chronist, als einziger bisher, äußerste Objektivität wahrte.«
Tamione Fineletters hatte sich nicht umgedreht. Sie schrieb weiter, mit ihren schlanken, anbetungswerten Fingern. Der Techniker wandte sich an den Historiker.
»Das Imperium soll nie vergessen, dass ein Mächtiger über die Einhaltung des Friedens wacht. Selbst wenn er tot ist, wird eine Wache stehen bleiben.«
»Schreib es ihnen, bitte«, antwortete Sevenaer und klappte sein Brillenetui zu. Er sah aus müden Augen Iron erwartungsvoll an. Iron zögerte, dann stand er auf und nickte dem Chronisten zu.
»Nun denn ...«, sagte er überlegend. »Es scheint nach Effekthascherei auszusehen, wenn sich an dieser Stelle die Person einschaltet, von der in den letzten Kapiteln die Rede war. Der Mann hat nur wenig zu schreiben:
Ich freue mich, dass sowohl die Darshak als auch das Zweite Imperium bisher Frieden gehalten haben. Der Krieg ist der Feind aller Dinge, aller natürlichen Entwicklung. Haltet Frieden, und stoßt mit ENIGMA und neu gebauten Schiffen in die fernsten Räume des Alls vor. Mögen rechtzeitig Männer aufstehen, die Herr einer jeden Bedrohung werden können. Das ist meine Botschaft, Iron McConell!«
Oliver Sevenaer stand auf.
»Ich danke dir für deinen Besuch, Iron. Wo lebst du jetzt?«, fragte er leise.
»Überall und nirgends.« Iron gab dem lächelnden Robot die Feder zurück. »Ich bewege mich wie ein moderner Ahasver quer durch die Galaxien; dank der Hilfe meines Freundes Jorge kann ich es. Ich bin ruhelos – ein umherirrender, alter Mann.« Iron nickte dem Historiker zu. »Erst der Tod bringt Ruhe.« Dann verschwand er lächelnd, als habe er nie existiert.
Tamione Gadira Fineletters schaltete den Griffel ab und legte ihn nieder.