15.
Die Holos zeigten nichts als Sterne und Nebel. Der Schotte hatte den Mechanismus einer Robot-Schwebekamera – einer Fotodrohne – offen vor sich und reparierte eine Verbindung. Auf einer Platte neben dem Werkzeug stand ein Glas sehr alter Whisky. McConell blickte prüfend auf die Stelle, die er nachgesehen hatte, dann schob er den Block aus Kondensatoren, Draht und Elektronenverzögerern wieder zurück. Er schaltete kurz und sah, dass das Gerät funktionierte. Er war allein in der Steuerkabine.
Nachdem er seine Arbeit beendet hatte, zündete er den Tabak in seiner Pfeife an und nahm einen tiefen Schluck aus dem Glas. Dann betrachtete er das stellare Panorama, das sich seinen Augen bot. Iron McConell war alt; fast achtzig Jahre. Aber seine Zellen würden erst nach weiteren zweihundertzwanzig Jahren ihre Spannkraft und Elastizität verlieren.
Er lächelte bei diesem Gedanken. Iron wusste, dass das Glück allein von der Ruhe seines Herzens abhing und hatte sein Leben danach ausgerichtet. Er hing weder an materiellen Gütern noch anderen Dingen. Nur Wissen, Erkenntnis und Handeln bestimmten sein Dasein. Die TUTMOSIS näherte sich mit rasender Fahrt ihrem Ziel. In drei Stunden würden die Wachen aufziehen und mit den hochempfindlichen Gitterröhren das All absuchen. Die Sonne, ihr erstes Ziel, wuchs von Stunde zu Stunde. Sie überstrahlte andere Lichtpunkte.
Er hörte, wie das Stahlschott aufglitt. Als er die leichten Schritte weicher Mokassins vernahm, wusste er, dass es Britt war. Er hatte sie fast erwartet.
»Iron?«
Er lächelte sie an. Sie stellte sich vor ihn hin.
»Ich habe eine wichtige Frage an dich, Iron. Du magst mich doch?«, sagte sie zögernd. McConell fasste sie am Handgelenk und zog sie zu sich auf die Stuhllehne. Die Drohne stieg auf, schwebte zur Seite und hielt die Position über einem Sessel.
»Natürlich. Hast du daran gezweifelt? Wenn ich etwas tun kann? Einen Scotch?«, sagte er.
»Nein«, meinte sie trocken, »du bist es nicht, der etwas tun sollte. Es ist jemand anderer.«
Der Techniker hüstelte verwirrt. Dann begriff er schlagartig.
»Närrische Vorsichtsmaßnahme des Imperiums!«, sagte er verdrossen und schlug mit der Faust auf das Paneel. Das Whiskyglas begann zu tanzen, die Pfeife fiel herunter. Britt fasste nach dem Glas, nahm einen Schluck und stellte es wieder zurück.
»Treffliche Marke«, meinte sie leichthin, älter als ich? Was sagst du da über Imperiumsbräuche?«
»Ich werde es dir erklären. Sie suchen für diese ereignisarmen Flüge stets eine Mannschaft aus, die ein Höchstmaß potentieller Ereignisse mit sich herumträgt. Warum, denkst du, hat man uns Assandoa Green, Britt Gordon und Shemnouk mitgegeben?«
»Ich weiß es nicht«, sagte sie hilflos.
»Aber ich«, entgegnete er sarkastisch. »Sie sollen den geübteren Mitgliedern das Leben zur Hölle machen. Sie bringen Aufregungen ins Schiff. Virtuelle Kräche und so. Man muss sich mit ihnen beschäftigen, und damit möchten die Herren verhindern, dass der Raumkoller ausbricht. Der hat einfach keine Zeit mehr, sich zu entwickeln. Das ist es!«
»Aber das ist doch nichts Besonderes?«, murmelte sie verblüfft.
»Ich vermute«, sagte der Schotte nachdenklich und sah sie an, »dass es romantischere und nettere Gelegenheiten gibt, bei denen sich eine junge Biologin in einen bewährten Raumschiffskapitän verlieben kann. Stimmt’s?«
»Stimmt!«, sagte sie langsam. »Was rätst du mir, Iron?«
»Wende alle deine Erfahrungen mit dem Liebeszauber deiner Berenicaewilden an und versuche, ihn zu überzeugen. Ich weiß allerdings, dass er nicht auf den Fangschuss wartet. Armer Baricad.«
Grinsend wandte sich Iron ab, als ihn Britt impulsiv auf die Wange küsste.
»Gut«, sagte sie entschlossen, »ich werde meine Erfahrungen anwenden. Es sind nicht wenige.«
Iron stand auf, blickte auf die junge Frau, sah auf den leeren Schirm und öffnete das Schott.
»Wohin gehst du?«, fragte die junge Frau.
»Ich überlasse dir die Arena«, sagte er leise und sah auf seine Uhr. »In zehn Minuten zieht hier die erste Wache auf – es wird unser Kapitän sein.«
Iron ging in seine Kabine, sah noch eine Weile in ein technisches Handbuch über Robotik und legte sich hin. Er war müde.
Seit drei Stunden saßen sie hier. Britt hatte einen der schweren, nur in ENIGMAS Schwerkraftlinien zu bewegenden Sessel an die Seite Baricads gleiten lassen und schlief in der bequemsten Stellung, die sie kannte. Sie lag zusammengerollt auf der breiten Fläche. Louis hielt ihre Hand und beobachtete aufmerksam seine Instrumente. Die Detektoren horchten mit ihren Zellen den Raum ab. Jedes Funksignal, das gesendet wurde, konnte auch empfangen werden. Es war bei dieser Schaltung unmöglich, sofort in Kontakt zu treten, denn alle Frequenzen wurden gleichzeitig abgesucht. Die Geschwindigkeit, mit der Funkkontakt hergestellt wurde, war Sache des Wachhabenden. Louis Baricad hatte drei Dinge gleichzeitig zu bewachen:
Die optischen Geräte, die aus einem breiten Drittel der Wand über dem Instrumententisch einnehmenden Fensterholo bestanden. Die Funkapparate, die gleichzeitig jeden Bereich überdeckten. Die Detektorschirme der Gitterröhren. Louis sandte seine Blicke von einer Apparatur zur anderen. Hunderte Fahrten hatten seine Wachsamkeit geschärft.
Verblüfft über sein eigenes Verhalten betrachtete er das entspannte Gesicht Britts. Plötzlich – ein Geräusch. Louis ließ Britts Hand los. Die Altstimme des Avatars sagte leise:
»Achtung, o Lotse der Sternenbarke. Das Schiff fängt gewisse optische Reize auf, die sogleich vor deinem Falkenauge erscheinen.«
Über ihm, im raumbreiten Hologramm, erschien ein Punkt. Er raste, wie die optische Halluzination eines Feuerballs, der einen spinnwebdünnen Faden hinter sich herzog, quer durch das Holo, schien plötzlich anzuhalten und verschwand übergangslos. Genau an dieser Stelle klaffte scheinbar ein Loch im All. Plötzlich entstand der unsinnige Eindruck, als ob sich in der Schwärze dieses Alls ein noch dunkleres Loch öffnete, durch das man einen kurzen Augenblick lang das Licht ferner Galaxien sehen konnte. Verschwommen glühten die Ränder des runden Trichters – dann schloss sich die Form. Der flüchtige, lichtschnelle Eindruck war verschwunden.
Baricad hatte beobachten können, wie sich ein Schiff in den Hyperraum stürzte. Irgendwo im Schiff erklang verschwommen ein akustisches Signal. Später hallte ein ärgerliches Husten durch einen Lautsprecher.
»Iron?«, sagte Baricad leise, aber eindringlich.
»Was ist los? Ich schlafe«, kam es unwillig zurück. Kein Muskel in Baricads Gesicht verzog sich. Britt bewegte sich unruhig.
»Vor neun Sekunden warf sich drei Lichtsekunden seitlich der TUTMOSIS ein kleines Schiff in den Hyperraum. Die Energiestöße rissen die Struktur des dreidimensionalen Weltraums auf und brachten Zeiger zum Ausschlag«, sagte er nachlässig. Er wusste, welche Wirkung die Mitteilung auf Iron McConell haben würde.
»Was?«, explodierte Irons Stimme. »Es scheint, dass wir uns einer bewohnten Gegend nähern? Irgendwelche Signale?«
»Wenige«, sagte Louis leise. »Es waren Maschinenzeichen. Ich habe sie auf Band.«
»Einen kleinen Moment«, sagte Iron, nun ganz wach. »Ich bin in weniger als einer Minute bei dir. Wie geht es Britt?«
»Ach«, murmelte Baricad in das leise Lachen des Technikers hinein, »lass deine unwichtigen Bemerkungen. Sie schläft.«
Minuten später schwang das Schott auf. Iron kam in die Steuerkabine. Er setzte sich neben Louis, warf einen Blick auf die schlafende Frau und drückte die Anlauftaste des Computerterminals. Anschließend fragte er:
»Kann Assandoa die Signale entziffern?«
»Kaum. Es sind die ersten Zeichen einer unbekannten Kultur. Nichts über dieses Gebiet befindet sich in den Archiven, Shemnouk hat sich noch nicht geäußert. Außerdem sind die Zeichen nicht von Hand gesendet«, antwortete Baricad. In der gleichen Sekunde geschah es. Der riesige Techniker zuckte zusammen, aber während dieser Reaktionssekunde nahm er die zweite Erscheinung wahr. Die Tasten unter dem Schirm der Suchröhren knackten, als zwei Finger Irons das Bild festhielten. Wieder raste ein weißer Feuerball quer über den Schirm. Diesmal sah Baricad, dass er an einer anderen Stelle, aber in derselben Entfernung von der TUTMOSIS im Hyperraum verschwand. Brummend lief der Computer an und warf neunstellige Zahlengruppen aus. Über die virtuelle Sternkarte liefen Ziellinien. Natürlich machten sie winzige Fehler.
Aber in dieser Entfernung spielten selbst Millionen Kilometer keinerlei Rolle. Der Planet, von dem die Schiffe gestartet worden waren, musste sich in einem gewissen Raumkubus befinden. Die Sonne vor ihnen war Tau Kepler BD 20 08, das hatte Baricad schnell feststellen können. Aber sie wussten, ob von deren Planeten die Schiffe gestartet waren.
»Wird sich in spätestens vier Stunden zeigen«, meinte Iron tröstend. »Schließlich haben uns die Maschinen haargenau hierher gebracht. Sie werden uns auch sicher herunterbringen.«
Sie blickten einander zustimmend an. Iron stand auf und wandte sich zum Schott.
»Ich werde dafür sorgen«, versprach er, »dass die anderen sich hier zu einer gemütlichen Besprechung einfinden.«
»Ist gut«, sagte Louis. Britt wachte auf, sah verschlafen auf die Monitore, lauschte den Geräuschen der Steuergeräte und vernahm tief im Schiff die Bremsmotoren. Schließlich fuhr sie sich mit den Fingern durch das Haar und sah Baricad zärtlich an.
»Was ist los?«, fragte sie, »ich scheine tief geschlafen zu haben. Ist etwas geschehen?«
Er küsste sie, dann sagte er ihr, was sie entdeckt hatten.
»Und was folgt jetzt? Kontaktaufnahme?«, wollte sie wissen. Baricad zuckte die Schultern. Er wusste noch nicht, was kommen würde. Wenn jemand mehr als vage Vorstellungen hatte, so war es der kugelförmige Rostrovier.
Die geheimnisvolle Technik ENIGMAs hatte das Raumschiff hoch über der Ekliptik aus dem Hyperraum gesteuert und bremste den lichtschnellen Flug ab. Noch waren nicht alle Planeten des Systems geortet worden; die TUTMOSIS näherte sich der sonnennächsten Welt.
Shemnouk lag bewegungslos in seinem Sessel und starrte mit zwei seiner Augen auf die hellblaugraue Kugel, die sich ihnen entgegenschob. Die Männer hatten Leichtraumanzüge bereit gelegt, in der Reichweite eines jeden lagen die Raumhelme. Shemnouk konnte ohne Anzug im Raum existieren.
»Tau Kepler alpha? Oder Zwanzig Nullacht A?«, sagte Assandoa leise. Er versuchte, den Planeten unverwechselbare Namen zu geben.
»Angenommen.« Baricad nickte. »Schließlich müssen wir damit rechnen, andere Welten zu finden. Signale, Iron?«
Der Techniker hatte die Frequenz der aufgefangenen Impulse feststellen können. Seine Geräte lauschten in die Stille hinein, die den Planeten Alpha umgab. Linsensätze vergrößerten das Bild der Halbkugel, die auf das Schiff zuzustürzen schien. Eine rötlich schimmernde Perlenkette kam in Sicht und zog langsam über den Horizont herauf: Wolken, von den Strahlen der untergehenden Tau Kepler beleuchtet. ENIGMA schwenkte das Schiff in einen Orbit von Pol zu Pol. Iron schüttelte bedächtig den Kopf.
»Nein«, sagte er, »noch nichts. Ich melde mich schon.«
Der Waffenmeister hockte an seinem Platz.
Rahard hatte seinen Raumanzug mittels einiger Schläuche an das Versorgungsnetz des Schiffes angeschlossen. Mit einem einzigen Ruck konnte er sie herausreißen, dann liefen die Mikromaschinen seines Anzugs an. Er war bereit. Über den Armverschlüssen seines leichten Anzugs trug er die Kampfhandschuhe. Seine Augen wanderten zwischen den Ringen des Zielfernrohrs und dem Holobild eines Weitwinkelobjektivs hin und her. Keine Einzelheit entging ihm. In die angespannte Stille hinein sprach Shemnouk seine Mutmaßungen aus:
»Irgendetwas lauert auf der Oberfläche des Planeten. Ich bin nicht sicher, was es ist. Die ungerichteten Ströme, die ich aufnehmen kann, sind zweigeteilt – es herrscht eine positive Einstellung voller Ordnung und eine fast gleich starke negative, die Zerstörung im Sinn hat. Was es ist, kann ich nicht sagen.«
Auf der dunklen Stirn Assandoas zeigten sich Schweißtröpfchen. Das Schiff hatte, von einem der Pole kommend, ein Viertel Alphas umrundet. Endlose Wälder oder Dschungel bedeckten die Landschaft. Baricad hatte die Hände um die manuelle Steuerung gelegt und ließ die Augen nicht von dem Hauptschirm.
»Halt!«, rief Iron scharf. Assandoas Bewegungen waren etwas sicherer geworden. Der Schweiß auf seiner Stirn war verschwunden. »Hier habt ihr etwas. Green! Du bist Spezialist für planetare Entwicklung. Kannst du damit etwas anfangen?«
Alle sahen, was er meinte. Baricad ließ das Schiff senkrecht hochsteigen. Iron, der die Bodenbeobachtung leitete, projizierte auf eine zweite Darstellungsebene eine Ausschnittvergrößerung. Sie zeigte das ausgefranste Oval einer Sandwüste, inmitten von Wäldern und von einem Gebirgszug abgegrenzt. Eine kreisförmige Anlage schob sich ins Bild. Also gab es doch intelligentes Leben auf Alpha ... ? Es musste sich um riesige Gebäude handeln.
Das Schiff befand sich in sieben Kilometern Höhe. Die Präzisionsgeräte holten die Bauten stechend scharf auf die Schirme; sie zeigten die Schatten über den sandigen Flächen. Blitzende Metallplatten warfen rötliche Reflexe über den Sand. Schienen und Verbindungsstraßen lagen gleißend zwischen Hallen. Assandoa starrte auf den Schirm über dem Kopf des Kapitäns.
»Bei den Bauwerken und angesichts der mathematischen Anordnung würde ich sagen, dass vieles keinem menschenähnlichen Verstand entsprungen ist. Es dürfte von Robotern oder ameisenhaft organisierten Geschöpfen gebaut worden sein. Aber es gehorchte einem sorgfältigen Bauplan. Nicht organisch gewachsen, sondern errechnet«, sagte der Afrikaner. Er schien sich zu freuen, dass ihm die Analyse geglückt war.
»Das ist auch meine Meinung«, erklärte der Rostrovier.
Von irgendwoher kamen Geräusche. Britt sah Baricad fragend an.
»Ich möchte keine Möglichkeit außer Acht lassen«, sagte der Kapitän zu ihr. »Es kann sein, dass wir angegriffen werden. Dann müssen wir fliehen; je schneller, desto mehr Chancen haben wir, zu überleben.«
»Sehr richtig!«, echote der Schotte. Die Menschen in der Steuerkabine und der Waffenmeister hinter seiner Zielvorrichtung waren angespannt. Schließlich war ihre Mission nicht zuletzt davon abhängig, dass sie nicht angegriffen wurden. Sie sahen gebannt auf die Umrisse der Wüstenstadt, die jetzt neun Kilometer unter ihnen lag.
»Ich werde einen Funkspruch auf der gleichen Welle loslassen, auf der wir Signale empfingen.«
»In Ordnung«, sagte Baricad zu Iron, der bereits an den Knöpfen des Senders zu drehen begann. Ein Signalwandler ENIGMAs bereitete sich darauf vor, gesprochene Rede in Zeichen umzusetzen.
»Achtung! Hier Raumschiff TUTMOSIS. Wir kommen als Vertreter des Zweiten Imperiums und versuchen, mit den Bewohnern dieses Planeten in Kontakt zu treten. Bitte, sendet Bestätigung, wenn ihr die Zeichen dieses Schiffes empfangen habt.«
Iron, der die Worte gesprochen hatte, drückte Hebel hinunter. Die Botschaft wurde in allgemeinverständlichen Symbolen gesendet – in galaktischer Mathematik, dann in Galaxstandard, den die meisten Planetarier verstanden und sprachen, und schließlich in Terra Normal. Der Sender jagte die Meldungen hinunter auf den Planeten. Die Crew wartete. Eine Minute. Die zweite Minute – dann war dort unten die Hölle los.
»Gefahr!«, schrien McConell und Shemnouk gleichzeitig. Sie hatten die drohenden Geschütztürme gesehen, die sich im sandigen Boden öffneten wie die Verschlüsse einer Linse. Innerhalb einer Sekunde hatte ENIGMA einen Schirm aufgebaut, der das Schiff schützte. Aus dem Heck der TUTMOSIS brach Energie, riss die Luft zur Seite, und eine gewaltige Faust schien das Schiff zu packen. Es wurde in zwei Sekunden um einige Kilometer in die Höhe gerissen, gewann ständig an Fahrt, und die Lichtfinger, die aus den Bodenluken nach ihr griffen, verloren an Wirksamkeit. Sie prallten auf den absorbierenden Schirm der TUTMOSIS und wurden von dort den Maschinen als Energie zugeführt. Baricad spürte, wie sich seine Nerven wieder entspannten.
»Was war das? Sie greifen uns an?«, fragte Assandoa leise. Das Schiff raste von Alpha fort. Das Bild schrumpfte auf den Schirmen zusammen. Shemnouk sprach, seine Erregung nur mühsam unterdrückend:
»Wir sind, ich das feststellen konnte, über ein Zentrum geflogen. Dort regiert die Macht, die auf Eroberung und Kampf ausgerichtet ist. Es muss ein gewaltiges Hirn sein, dessen Ströme ich empfangen konnte.«
Shemnouk schwieg. Längst wussten die Menschen, welch unersetzlichen Begleiter sie an Bord hatten. Shemnouk konnte noch mehr, als sie ahnten – er registrierte Gedanken, die von Wesen ausgingen, die er nicht einmal sehen konnte.
»Kapitän«, kam die angespannte Stimme des Waffenmeisters über die Bordlautsprecher, »setz die Geschwindigkeit und die Höhe herauf. Ich sehe gerade, dass Anstalten getroffen werden, Raumschiffe zu starten. Vermutlich sollen sie uns verfolgen.«
So war es auch. Kaum waren sie einer Gefahr entronnen, da kam eine andere, nicht weniger tödliche, auf sie zu. Baricad rief den Avatar; Die TUTMOSIS raste durch die Reste der planetaren Lufthülle. Weiße Abgas-Wolken waren jetzt dort, wo noch vor Minuten die Riesenstadt sichtbar gewesen war. Sie wussten, was das bedeutete: Noch immer waren keine Signale aufgefangen worden. Was nun geschah, ging sehr schnell.
Als Baricad seine Augen wieder auf den Schirm richtete, bildeten sich über den weißen Wolken spitze Rauchkegel; die Düsengase aufsteigender Raumschiffe. Iron zählte laut.
»Dreißig Stück«, gab er bekannt.
»Wir haben keinerlei Möglichkeit, Sieger zu bleiben, wenn sie angreifen sollten«, rief Baricad aus. »Was tun wir?«
»Was?« Assandoa leckte seine trockenen Lippen und versuchte ein schwaches Lächeln. »Ich habe keine Angst, wenn du das meinen solltest.«
Die Augen des Kapitäns wurden hart.
»Ich weiß natürlich, was ich tun könnte. Wir stellen uns, versuchen, einige Schiffe zu vernichten und entweichen in den Hyperraum. Dort ist eine Verfolgung nahezu unmöglich. Außerdem wissen wir nicht, wie gut ihre Schiffe sind. Die Frage ist, was sollen wir tun.«
»Du hast natürlich Recht«, sagte Iron. »Wir werden bald sehen, was sie vorhaben. Dann können wir entscheiden. Ich für meinen Teil halte herzlich wenig von falschem Mut oder Kampfgeist. Die Verhältnisse sind ungleich verteilt. Ich zähle gerade das achtundfünfzigste Raumschiff.«
»Trotzdem«, sagte Baricad voll plötzlicher Wildheit, »wir werden noch eine Weile warten.«
Jetzt waren es schon knapp hundert der stumpfnasigen Schiffe mit den Stummelflügeln.
»Ich werde zwar mein Bestes tun«, stöhnte der Waffenmeister, »aber ich fürchte, dass hundert Gegner für dieses Geschütz zu viel sind. Richte dich bitte in deinem Verhalten danach, Louis.«
Atemlos murmelte Baricad seine Zustimmung. Er hatte genug damit zu tun, mit Hilfe des riesigen Schotten den Zeitpunkt für den Sprung in den Hyperraum auszurechnen. Immer noch beschleunigte das Schiff. Der Schwarm der Verfolger löste sich auf. Wie die Mündung eines Trichters zogen sich die Schiffe auseinander. Die ersten kamen näher. Rahard meldete, dass er seinen Gegner erfasst hatte.
»Die Stelle, an der wir verschwinden können, nähert sich zusehends. Vorher werden sie uns eingeholt haben«, sagte McConell. Die Spulen, die sich vor einigen Sekunden zu drehen begonnen hatten, zeichneten ein gerichtetes Signal auf. Irgendeine Apparatur auf dem verschwindenden Planeten richtete den Strahl direkt auf das Schiff. Die Spulen stoppten nach dem letzten Ton.
»Gibt es Einwände gegen die Benutzung der Laser, sofern eines der Schiffe angreift?«, fragte Rahard. Baricad strich sich über die Augen. Die andere Hand umklammerte die Griffe der Lenkung.
»Der Kapitän erteilt dem Waffenmeister die Feuerfreigabe für diesen Fall. Mach’s gut, Rahard.«
Er wusste, auf welch exponiertem Posten dieser Mann stand. Er war der erste, den die feindlichen Geschütze anvisierten. Unbewusst verstärkte Baricad das Schutzfeld, das der Avatar um das Schiff errichtet hatte. Opalisierendes Licht brandete dort um die Optiken der Schirme. Britt lag angegurtet in ihrem Sessel. Shemnouk schien nachzudenken. Assandoa hatte seine Furcht abgelegt und wartete darauf, eingreifen oder helfen zu können. Als der Waffenmeister sah, dass sich die Luken auf den näher kommenden Schiffen öffneten, heftete sich sein Blick auf eine der Luken – und noch ehe der Torpedo den Lauf verlassen konnte, war das Geschütz zerschmolzen. Rings um das Schiff brach eine strahlende Hölle los. Etwa hundert Torpedos explodierten fast gleichzeitig an der Oberfläche des strahlenden Schutzfeldes, das die TUTMOSIS umgab. Sie entfesselten eine wilde Glut, die nur teilweise absorbiert werden konnte.
Umwandler, mit denen das Feld verbunden war, führten überschüssige Energie den Speichern zu, aber an wenigen Stellen schlug die Energiefülle durch. Sekundenlang war die TUTMOSIS blind. Unter dem Bann seiner Gedanken klammerte sich der Waffenmeister an die glühenden Rohre der Laser. Die Handschuhe, in denen Asbest verwoben war, ließen ihn die ungeheure Hitze nicht spüren. Er schoss methodisch und sicher – kein einziger Schuss traf ins Leere.
Assandoa sah wie durch einen Nebel, dass Baricad das Schiff seitlich stellte, so dass der Waffenmeister eine günstigere Position bekam. Er hörte Britt stöhnen, weil der Andruck zu stark wurde. Er sah den gigantischen Feuerball auf das Schiff zurasen. Iron griff nach seinem Helm und setzte ihn auf. Dann teilte sich der Nebel vor den Augen des Afrikaners. Er arbeitete sich aus seinem Sitz hoch. Das Schiff begann zu beben – jeder Zoll Stahl schien sich in wilden Schwingungen auflösen zu wollen.
Green handelte präzise, war mit drei Schritten neben dem Kapitän, setzte Louis den Helm auf und drehte den Verschlusshebel zu. Eine orangerote Stichflamme zischte quer durch die Kabine. Shemnouk ließ sich aus dem Sitz fallen, rollte durch die Zwischenräume der Sessel und presste sich in die Ecke. Die Stichflamme prallte auf eines der Sekundärholos und zertrümmerte das Glas in tausend Splitter.
Der Krach, das brennende Gas, das Kreischen irgendeiner Anlage vergrößerten das Chaos. Noch ehe Britt begriffen hatte, dass sie in höchster Gefahr waren, hatte sie ihren Helm über dem Haar. Green verschloss die Verbindung und setzte seinen Helm auf. Er wusste, dass ihn diese Arbeiten nicht länger als zwanzig Sekunden aufgehalten hatten, aber während dieser Zeit waren andere, tödlichere Dinge geschehen. Rahard wehrte sich verbissen.
Seit dem Moment, an dem die TUTMOSIS dem sicheren Untergang entgegenzufliegen schien, waren vierzig Schiffe von seinen Laserrohren zerstört worden. Aber er hatte nicht sehen können, dass eines der Boote, die sich im Hintergrund hielten und deshalb keine unmittelbare Gefahr darstellten, eine Superbombe losschickte. Sie ging los – vor der Haut des Suchschiffs. Die freiwerdende Energie schmolz den schützenden Schirm, brannte Sicherungen durch und verwandelte die Roboteinrichtungen der TUTMOSIS in einen schmorenden Haufen Schrott. Die elektronischen Geräte waren wertlos geworden. Das Feld, das plötzlich zusammenbrach, gab einen gewaltigen Energiestoß ab, aber der dreidimensionale Raum riss nicht auf.
Perera zerstörte mit seinem Geschütz unablässig weiter die Angreifer. Er wunderte sich darüber, dass die Schiffe in einer derart kühnen Weise ausweichen konnten. Sie schlugen förmlich Haken während der Fahrt. Unablässig griffen die Hornissen an. In diesen Augenblicken bewies Baricad seine überragenden Fähigkeiten.
Das Schiff war, soweit es die Robotmaschinen betraf, tot. Ein Wrack mit einer luftdichten Hülle, die Maschinen enthielt, die sich nicht mehr bewegten. Erst die Notaggregate, die jetzt mit schrillem Heulen anliefen, würden bescheidene Möglichkeiten eröffnen. Louis hatte sämtliche Verbindungen an seinem Schaltpult getrennt, die automatisch arbeiteten, und redete mit dem Avatar, der die Reparaturen des ENIGMA-Organismus leitete, die von der Besatzung nicht beeinflusst werden konnten. Aber selbständig rechnete Louis einen Kurs aus, der sie in den Hyperraum zurückbringen sollte. Iron McConell versorgte den Kapitän mit Daten, während der Afrikaner die zerstörten Optiken auszuwechseln versuchte. Allerdings – das wussten alle in diesem Schiff: Der Schutzschirm war nicht wieder zu projizieren. Sie bewegten sich in geradliniger Flucht dem Hyperraum entgegen. Rahard Perera deckte ihren Rückzug.
Sie hatten einen geringen Abstand zu den Verfolgern gewonnen, und der Waffenmeister verteidigte ihn erbittert. Er ließ keines der Schiffe näher kommen. Iron war in sich zusammengesunken. Baricad sah in seine Augen, und mit einer schnellen Reaktion erkannte er, dass Perera seinen Laser überforderte. Er schien einen Gegner entdeckt zu haben, den er zu erreichen versuchte. Der Bildschirm, der einzige, der noch intakt war, zeigte, dass sich mit rasender Geschwindigkeit ein winziges Objekt dem Schiff näherte. Gleichzeitig bewies das Brummen des Ortega-II-Geräts, dass sie kurz vor dem Sprung standen.
Der Schirm übertrug, wie das Objekt auf die gleiche Flugbahn einschwenkte, die auch die TUTMOSIS hatte. Ein knisterndes Geräusch. Danach zuckte ein greller Blitz, in dem das Metall einer Verbindung verdampfte, sekundenschnell hinter der Kunststoffverkleidung der Steuerung auf. Der Feuerball, der ein zweites Mal explodierte, riss an drei Stellen das Schiff auf. Luft entwich pfeifend in den Raum. Aber da hatte der blinde Koloss schon den Hyperraum erreicht.
Baricad kam taumelnd auf die Füße. Seine Kehle zog sich zusammen, so dass ihm das Atmen schwer fiel. Er wusste alles: Durch das gezackte Loch mitten in der Wand der Kajüte, dessen Ränder seltsam weich und verschmolzen waren, sah das pulvrige Grau des Hyperraums herein. Der letzte Stoß, der die TUTMOSIS getroffen hatte, war der Todesstoß gewesen. Sie alle – wie ihm ein schneller, umfassender Rundblick zeigte – lebten zwar noch ... noch!
Die Lichtversorgung war zusammengebrochen. Neben Baricad kam Green hoch. Der Stoß hatte ihn quer durch die Kabine geworfen. Er taumelte, schüttelte den Kopf und tastete sich vor zum Schaltpult.
»Licht!«, schrie jemand. Die Notbeleuchtung flackerte. Baricad wusste, was Assandoa tun würde. Er bemerkte einen Streifen diffuser Helligkeit, der durch das aufgesprungene Schott hereindrang. Seine ausgestreckte Hand traf, was er suchte. Eine Sekunde später stolperte er die Rampe abwärts, die ins nächsttiefere Deck führte. Wie ein Betrunkener schwankte er, als er auf die Stelle des Brandes zustürzte. Vor ihm waren nur Dunkelheit und Schatten, die von den züngelnden Flammen hervorgerufen wurden.
Die Luft konnte nicht völlig entwichen sein – hier schwelten chemische Verbindungen in der Kabine der Biologin. Ein Funke aus dem schmelzenden Sichtschirm mochte sie in Brand gesetzt haben. Der Feuerlöscher trat in Tätigkeit. Dichter Schaum erstickte die Flammen, ehe sie größeres Unheil anrichten konnten. Der Waffenmeister!
Baricad bemerkte, dass verformtes Material seinen Weg hemmte und brannte sich mit dem Strahl seines Lasers eine Gasse durch die geknickten Verstrebungen des mittleren Rumpfes. Tiefes Schweigen war dort, wo sonst das Brummen der Maschinen herrschte. Er drang in das Gewirr vor, dann entsann er sich der Notlampen, die an wichtigen Punkten der Gänge verteilt waren. Das Schaltfeld funktionierte; Licht zeigte ihm die Zerstörung. Wo war Perera?
Baricad wusste, dass er sterben würde, wenn sein Anzug aufriss oder das Plexan des Helms zerbrach. Aber wie ein Schwimmer, der um sein Leben taucht, robbte er durch die Röhre. Sie verband den Einstieg mit der Kanzel des Schützen. Endlich erreichte Baricad jene Stelle, an der ein Geflecht aus Stahlstäben zeigte, dass sich hier trennende Gitter befunden hatten. Er schnitt mit der kleinsten Einstellung seines Lasers die verbogenen Stäbe heraus. Dann richtete er sich hinter dem Sitz des Waffenmeisters auf.
Vor ihm hing der bewegungslose Körper Pereras in den Gurten. In der Dunkelheit sah Louis die Rohre des Lasers glühen. Die transparente Scheibe, in der sich das Drehgelenk des Lasers befand, war unversehrt. Noch während Baricad versuchte, die Gurte zu lösen, kam Leben in den schlaffen Körper. Sorgfältig achtete der Kapitän darauf, dass er sich nicht an den Rohren verbrannte. Perera bewegte sich und stöhnte laut auf, als er erkannte, in welcher Lage sie sich befanden.
»Bist du es, Louis?«, fragte er mühsam, dann stützte er sich auf seinen Unterarm und drehte den Kopf. Louis zog ihn vorsichtig aus dem Sitz.
»Was ist los? Bist du verletzt?«, fragte er besorgt.
Baricad konnte erkennen, wie Rahard den Kopf schüttelte.
»Nur der Schock und die Anstrengung. Nach jedem Kampf bin ich halbtot. Eine Mütze voll Schlaf, und alles ist wieder in Ordnung«, gab Rahard zu.
»Genau das«, protestierte Baricad, »wirst du innerhalb der nächsten zwanzig Stunden vergebens suchen. Das Schiff ist hin!«
»Ich habe es erwartet«, meinte Perera bekümmert. »Ist jemand außer Gefecht?«
»Nein.«
Der Kapitän schüttelte sich.
»Nur das Schiff, aber dieses gründlich. Besitzt stellenweise nur noch Schrottwert.«
»War auch zu erwarten. Die Hornissen waren zu zahlreich, um sie erledigen zu können. Wir sind im Hyperraum, he?«
»Jawohl. Komm nach oben. Dort haben wir zu arbeiten.«
Nebeneinander krochen die Männer durch das Deck des metallenen Tunnels. Endlich standen sie an der breitesten Stelle des Verbindungsgangs. Von oben erklangen wütende Hammerschläge. Louis wandte kaum den Kopf, als neben ihm in einer Wand eine Maschine winselnd anlief. Lampen, die nicht durch den Stoß zerstört worden waren, begannen zu glühen. Dann flackerten sie auf, und schließlich strahlten sie helles Licht in die Räume.
»Verdammt!«, rief die Stimme des Schotten. Er schwang einen mittelgroßen Hammer mit langem Stiel und trieb damit Sprengnieten durch ein rechteckiges Abdeckblech, das von Assandoa an der Stelle festgehalten wurde, wo vorher das Loch geklafft hatte.
Green betätigte den Zündmechanismus, der die Dichtungsmasse zum Schmelzen brachte. Eine Zehntelsekunde später brodelte die Masse zwischen den Blechen und dichtete das Loch völlig ab. Frischluft heulte in den Raum. Minuten später konnten sie ihre Helme wieder abnehmen und sich, unabhängig von ENIGMA, neu organisieren.
Die Luftversorgung und viele Aushilfsaggregate arbeiteten zuverlässig. In der Kombüse hatte Britt dafür gesorgt, dass sie einen Imbiss und eine riesige Kanne Kaffee bekamen. Sie saßen alle in der Steuerkabine.
»Es ist, wunderbarer Weise, weniger schlimm, als ich dachte«, sagte Assandoa. »Wir können einen Sender klar bekommen und die Flotte herbeifunken.«
»Erich Allman-Ward wird sich richtiggehend freuen, wenn die Meldung eintrifft. Ich sehe förmlich sein Gesicht strahlen, wenn er das Tele liest. Jedenfalls ist es notwendig, das sehe ich ein.«
Louis setzte seine Tasse ab.
»Also«, Iron legte seine Hand auf die Schulter des Afrikaners, »sehen wir nach, was noch alles heil geblieben ist. Das Transitionsfunkgerät wurde bisher nicht benutzt. Es besteht die Hoffnung, dass es unzerstört ist.«
Shemnouk, der eben eine Riesenportion seiner Spezialnahrung, gepresste und sorgfältig veredelte Pflanzen seines Heimatplaneten, zu sich genommen hatte, meldete sich zu Wort.
»Ihr könnt ihnen sagen, dass die Schiffe, die uns angriffen, von keinem menschlichen Wesen geleitet wurden. Es waren Robotschiffe. Keines der Manöver, die sie flogen, hätte ein Mensch überstanden.«
Perera schaltete sich in die Unterhaltung ein.
»Die gleiche Feststellung habe ich auch gemacht. Jedes künstliche Antischwerfeld wäre zusammengebrochen und hätte Tote hinterlassen, bei diesen Flugbahnen. Stellenweise sah es aus, als schlügen sie förmlich Haken.«
Verstanden. Also Robotschiffe?«, kam Irons Antwort, »wir werden unser Bestes tun. Komm, Assandoa.«
Sie setzten sich zusammen und rissen die Verkleidung der Geräte herunter. Die anderen kümmerten sich um die Spuren der Zerstörung und versuchten, sie zu beseitigen. Es dauerte Stunden, bis sie erkannten, welche Maschinen für immer stillstanden. Es waren die ENIGMAs Normalraum-Triebwerke. Jener Energiestoß hatte jede einzelne Sicherung und die Hälfte aller Verbindungen zerstört. Auch die Flüssigkeitsaggregate waren außer Betrieb.
»Das heißt ... ?«, fragte Britt, die sich erschöpft an Louis lehnte.
»Das heißt nichts anderes, als dass die TUTMOSIS bewegungsunfähig im Hyperraum treibt. Außerdem bleibt noch abzuwarten, ob die Detektoren der Flotte uns finden werden. Wir haben Luft und Nahrungsmittel für sieben Monate an Bord. Das ist alles«, sagte Louis Baricad. Er verspürte zum ersten Mal ein Gefühl der Angst, als sich die Blicke des Waffenmeisters mit denen des Technikers trafen. »Aber das Funkgerät ist intakt.«
Der Schotte fuhr sich mit einer müden Bewegung durch das schwarze Haar.
»Wir werden für den Spruch, der kurz sein muss, jedes Quant Energie benötigen, das wir aus den Maschinen herausquetschen können. Macht euch auf eine Periode der Dunkelheit gefasst.«
Assandoa zeigte, nachdem er das erste Mal unter dem Druck tödlicher Ereignisse gestanden hatte, seine Fähigkeiten. Er gehörte voll zu ihnen. Aber nun schien es zu spät zu sein.
Britt begann in hoffnungsloser Resignation zu weinen. Baricad versuchte, sie zu trösten. Später ging das Licht aus. Der Funkspruch jagte aus dem Gerät. Würde er sein Ziel erreichen?
CHRONIST: Oliver Sevenaer XXXII.
GESCHICHTE DES II. IMPERIUMS
Robot-Handschriftliches Original:
»Marginalien über Personen« (Auszüge)
»Dave Stuart saß inmitten seiner Geräte, ein unbedeutender Mann, dessen Geist zu Höhenflügen denkbar ungeeignet war. Dazu kam, dass Stuart fett, alt, launenhaft und arbeitsunwillig war. Er hatte mühsam den Rang eines Schiffsführers erklommen. Aber selbst die fähigsten Offiziere mussten anerkennen, dass er, wenn er vor seinen Suchgeräten hockte, ein unschlagbarer Fachmann war.
Die 3. Flottille bestand aus zwanzig Schiffen. Fünf Träger, die je dreißig leichte Vernichtungsboote an Bord hätten, fünf Versorger und zehn Zerstörer. Neuntausend Mann warteten, während sich die Flotte mit höchster Geschwindigkeit durch den Hyperraum bewegte. Vor drei Tagen waren sie gestartet.
Die biopositronischen Geräte hatten eine Viertelstunde lang den Kurs, die Geschwindigkeit und die hierfür benötigten Energiemengen ausgerechnet. Daraufhin war die Flotte in einem Satz bis an die Stelle gekommen, von der sie verstümmelt und schwach die Meldung der TUTMOSIS empfangen hatten. Allman-Ward lächelte, als er daran dachte. Er wählte eine Verbindung zwischen Dave Stuarts Zerstörer und der mit unaufdringlichem Luxus eingerichteten Kabine des Flottillenchefs.
»Beim Spiralnebel!«, explodierte der Chef, als er warten musste. Seine Finger trommelten einen Militärmarsch auf der Platte des Funktisches. Vor ihm lag das Grau des Hyperraums; Lichtnester durchzogen die staubige Fläche.
»Verzeihung, Sir«, meldete sich der Funker, »aber Stuart wünscht nicht, dass er gestört wird. Er fühlt, sagte er, sich in seiner Arbeit behindert.«
Allman-Ward dachte scharf nach. Entweder fanden sie die TUTMOSIS bald, dann würde nicht Stuart, sondern er, der Flottillenchef, den Ruhm kassieren. Oder sie benötigten noch Tage, dann würde alles anders ausgehen. Schließlich brauchte er die wichtigen Informationen, ehe der Kampf eröffnet werden konnte. Er beschloss also, noch zu warten, bis sich Stuart meldete.«