20.

 

Die Männer der technischen Abteilung, an ihrer Spitze Iron McConell, arbeiteten wie die Sklaven. Roboter halfen ihnen. Sie rissen Verbindungswände des Schiffes ab, legten Kabel und Sicherungen, bohrten Löcher in die Schiffswände und führten Verbindungen durch. Große Projektoren wurden an der Außenwand des Schiffes befestigt. Dann luden die Techniker sämtliche Batterien auf, installierten einen Suchstrahl, der reine Sonnenstrahlung modulierte und die Energie in die Speicher leitete, und reparierten endlich die beschädigten Innenräume der CHEPHREN. Wozu sie sonst drei Tage benötigt hätten, schafften sie in zehn Stunden. Sie sahen müde aus, hatten aufgeschürfte Hände und Ringe unter den Augen. Sie verließen das Schiff nicht, ohne vorher noch eine Routineüberprüfung sämtlicher Anlagen gemacht zu haben. Die Robots zogen dicke Schläuche aus den Kästen und tankten die Behälter für flüssigen Treibstoff voll. Dann verließen auch sie das Schiff.

Iron, obwohl er der totalen Erschöpfung näher war als irgendein anderer Mann seiner Abteilung, musste noch zu Louis Baricad. Als er, nachdem er geduscht und sich rasiert hatte, in die Zimmer des Kapitäns trat, erschrak er fast. Offensichtlich war Baricad wieder völlig auf dem Posten. Die beiden Physiker waren da – sie saßen um sein Bett und erzählten sich Witze, denn in periodischen Abständen lachte die ganze Versammlung schallend. Jean Andreatta, Britt Gordon und eine andere junge Schönheit, die mit Ordin, dem jüngeren Capelt, flirtete, waren bei Louis. Iron schob die Tür auf. Niemand hörte ihn kommen.

Als er dicht neben dem Bett stand, sah Baricad auf. Er war rasiert. Nur noch schmale Pflaster bedeckten die Wunden an seinen Armen. Die Gesichtsfarbe war gesund.

»Es freut mich«, sagte Iron dröhnend, »dass du wieder gesund bist. Nachdem du in der Lage bist, Raumfahrergarn zu spinnen, wirst du wohl auch die CHEPHREN wieder fliegen können. Oder irre ich da?«

Lachend antwortete Louis, wobei er versuchte, aus dem Bett zu klettern.

»Natürlich. Wann, wohin, mit wie viel Gästen?«

»Langsam«, meinte Iron und setzte sich. Ordin bot ihm eine Narkorette an; dankend nahm sie der Schotte.

»Zuerst möchte ich einmal erfahren, was auf dem Schiff los war. Fasse dich kurz, ich ahne schon einiges.«

»Pass auf«, sagte Louis angeregt. »Ich flog allerlei Manöver, bis ich den freien Raum erreicht hatte, dann konnte ich pausenlos springen. Wir erreichten den Halo der anderen Galaxis, und dort begannen die Schwierigkeiten. Neun der zehn Androiden sprangen sofort an ihre Plätze, nicht, ohne sich sehr nett von mir zu verabschieden. Aber der zehnte, es war diese Wasserschlange mit Händen und sechs Ohren, kam sofort zurück. Er war krank. Irgendein Fehler in seiner Ausstattung musste sich bei der zweiten telekinetischen Bewegung gezeigt haben.«

»Was wir herausbekommen haben, ist folgendes: Eine Störung in der bioelektrischen Aktivität seiner Hirnzellverbände führte zu einer lang anhaltenden Störung«, sagte Ryan Capelt ernst. »Wir Psychologen nennen diese Psychosen – bei denen zeitweilig oder für längere Dauer das Orientierungsvermögen innerhalb der Realität abhandenkommt; Pseudoerinnerungen. Alles, was dir Louis noch erzählen wird, deutet darauf hin. Es lässt sich natürlich mit unseren Mitteln errechnen, aber dazu brauchten wir das lebende Objekt«, erklärte der Psychologe weiter.

»Bitte Rapin darum, noch einen herzustellen – einen neuen Androiden. Den alten habe ich mittels Starkstrom für immer aus dieser Welt entfernt«, sagte Iron kurz und trocken.

»Stur und hartnäckig«, führte der Kapitän weiter aus, »weigerte er sich, seinem Auftrag nachzukommen. Er habe, sagte er mir in vorzüglichem Standard, alles dies schon einmal hinter sich gebracht; mit bestem Erfolg, wie er betonte, und sehe nicht ein, dass er sich dieser Prozedur erneut unterziehen solle. Ich schrie ihn an, er solle sich entfernen – und an dieser Stelle brach er anscheinend völlig zusammen.

Er verschwand aus der Steuerkanzel. Im guten Glauben, er hätte sich auf seinen Planeten begeben, startete ich und verschwand im Hyperraum. Dann war er wieder da und griff mich an. Da ihr diesen Dingern eine gehörige Portion Intelligenz mitgegeben habt, gestaltete sich der Rest des Fluges recht aufregend. Ich hatte genügend zu tun, um mir den Burschen vom Leibe zu halten. Die Spuren siehst du in der Kabine.«

Iron nickte bekräftigend. »Da ihn der Laser nicht zerstören, ihm aber Schmerzen zufügen konnte, war er meine einzige Waffe. Ich konnte nicht schlafen, denn sonst hätte der Androide mich überwältigt. Also versuchte ich, ständig wach zu bleiben. Wenn du das zehn Tage lang durchhalten kannst, bist du hundemüde, das kann ich dir versichern.«

Alles lachte. Auch Iron, der den grauenhaften Ernst hinter den ironischen Worten erkannte, lächelte schwach.

»Das Furchtbarste war, dass er mich beinahe einige Male überwältigte. Ich war gerade über dem Steuerpult eingeschlafen, als mich seine Nähe weckte. Mit dem Laser konnte ich ihn vertreiben.«

»Dieses Verhalten eines Geisteskranken – hier eines idiotischen Androiden – nennen wir mit dem Sammelbegriff fausse reconnaissance. Der Begriff aus einer Regionalsprache Terras hat sich bis heute erhalten«, sagte abschließend der Psychologe.

»Das ist sehr aufschlussreich, Ryan«, meinte Iron lachend. »Nur nutzt uns das jetzt herzlich wenig.«

»Ich verstehe«, murmelte der Psychologe, »aber die Grundzüge der neuen Maschine habe ich Baricad noch immer nicht erklären können. Wir kamen nicht dazu. Willst du die Zusammenstellung hören, Iron?«

»Ja«, sagte der Techniker und drückte seine Narkorette aus. »Ich lernte bisher aus Zeitmangel nur technische Teilgebiete der Maschinenanlage kennen. Schieß los.«

»Die Idee stammt von meinem Herrn Sohn. Bedankt euch bei ihm. Über die Idee, andere Menschen in Massen zu beeinflussen, sind schon Hunderte theoretischer Bücher geschrieben worden, aber die Praxis ist schlicht gesagt – furchtbar. Ihr werdet mir zustimmen, wenn ich sage, dass jeder Mensch – ohne eine einzige Ausnahme – über sich selbst voller Illusionen ist. Und da dieses Bild, von ihm selbst entworfen, immer schmeichelhaft ausfällt, ist es unrichtig. Aber kein Mensch könnte über sich die genaue Wahrheit erfahren – die klinisch reinen Tatsachen –, ohne darüber wahnsinnig zu werden.

Sage einem Menschen, was er ist, wie schlecht oder hinterhältig; du kannst hier beliebig viele Adjektive aufzählen, und er wird es dir nicht glauben. Ein psychischer Panzer kapselt ihn gegen diese furchtbare Wahrheit ab. Zerbrich diesen Panzer an nur einer einzigen Stelle, so kannst du den Menschen zutiefst treffen.

Ordin, mein Sohn, erkläre du jetzt bitte weiter.«

Atemlose Stille breitete sich in dem Zimmer aus. Keiner der Anwesenden sprach ein Wort. Für sie waren diese Überlegungen nicht alltäglich. Sie ahnten die Furchtbarkeit hinter diesen Dingen. Ordin begann: »Ich bin Android- und Robotpsychologe. Ich vermochte Dinge auszurechnen, die sich bisher der empirischen psychologischen Forschung verborgen hielten. Aus dem einleuchtenden Grund, weil sie nie berechnet wurden.

Es gibt bei jedem Menschen, bedingt durch Kindheit, verschiedene Erlebnisse unangenehmer Art, ein Kodewort, das ihn in eine melancholische Stimmung versetzt. Natürlich existiert auch in jedem Hirn ein Zentrum, in dem dieses Kodewort gespeichert wird. Manchmal vergisst es der Besitzer, weil Wichtigeres sich darüber lagert, aber das Wort ist stets da. Auch ein Reiz, hervorgerufen durch eine besondere Frequenz von Wellen, wird immer und in jeder Lage auf dieses Zentrum wirken. Von da aus war es nicht weit. Ich überließ dieses Problem einer Rechenmaschine, die mir dreißig Stunden später die Zahlen lieferte. Daraus nun wieder konnte ich die Grundidee der Maschine konzipieren, die in der CHEPHREN darauf wartet, eingesetzt zu werden.

Durch Hypnose, die mein Vater übernehmen wird, werden Wellen ausgesandt. Sie öffnen den Panzer. Dann schlagen die Strahlen der beunruhigenden Gedanken, durch die Maschine verstärkt, nach. Jeder Mensch, der einen solchen Strahl kreuzt, und die Anlage ist derartig konstruiert, dass sie einen großen Fächer auswerfen kann, wird schlagartig melancholisch. Dann ist es ein Kinderspiel, ihm jeden Befehl zu übermitteln.

Vater wird, sobald die Maschine zu arbeiten beginnt, zu einer Riesenmasse vollkommener Nihilisten sprechen. Es gibt keinerlei moralischen Wert, den diese Menschen ergreifen können, um sich zu schützen. Das ist alles.«

Baricad hatte sich in seinem Bett aufgesetzt. Es herrschte Totenstille. Jeder begriff, welche grauenhafte Waffe jetzt in den Händen der Wissenschaftler lag.

»Werden wir sie anwenden, die Maschine?«, fragte Britt ängstlich.

»Jawohl!«, sagte Iron hart. »Unsere erste Mahnung ist nicht gehört worden. Wir werden jetzt die Dosis verstärken. Hoffentlich spürt das Imperium, was es zu tun hat. Nicht nur das Reich – die Fremden werden ebenso behandelt. Gleiche Warnungen für alle.«

»Wann starten wir?«, fragte Louis.

»In genau«, Iron sah auf seine Uhr, »zwei Stunden und zehn Minuten.«

»In vier Stunden beginnt die Schlacht.«

Die Köpfe der Versammelten fuhren erschreckt herum. Durch die nur angelehnte Tür war Vixa, der Robot, eingetreten. Er hatte die Zeitansage gemacht.

»Alles fertig, Vixa?«, fragte Iron kurz.

»Ja, Herr. Die CHEPHREN steht überprüft unten, mit bereits angewärmten Triebwerken. Sie und ihr Avatar sind startbereit«, sagte der Robot.

»In Ordnung«, sagte Iron zu den anderen, »wir starten in zwei Stunden. Baricad, die beiden Capelts, ein anderer Techniker und ich, sowie Britt Gordon. Mehr Personen sind nicht nötig.«

Er stand auf und ging schnell hinaus.

 

Endlich, nachdem die CHEPHREN im Hyperraum war und ihrem Ziel, dem Raumsektor um den Grenzplaneten Hiorakon, entgegenraste, hatte Iron Zeit, sich die »Maschine« näher anzusehen. Er tat es mit sichtlichem Unbehagen. Er war Techniker und kein Psychologe. Alles, was mit der geistigen Beeinflussung anderer Menschen zu tun hatte, war ihm instinktiv irgendwie unheimlich. Er verließ die Steuerkanzel und ging in den Raum, in dem der Apparat untergebracht war.

Hellblaues Licht schimmerte auf den Metallteilen. Sie waren in einer Weise miteinander verbunden und verdreht, so dass die Augen des Technikers bei dem Versuch, die Formen zu erfassen, zu schmerzen begannen. Irgendwie unlogisch. Ein Schrotthaufen, den man nach einer nur mathematisch zu begreifenden Schablone aufeinander gehäuft hatte. Drähte, konvexe Flächen, bizarre, gekrümmte Winkel und Schwingen, Verbindungen und merkwürdige Flächen; das einzige, das der Techniker sofort entschlüsseln konnte, war ein Sitz vor einer kleinen Tastatur. Alles andere war ihm fremd. Und dann – die Lichter.

An verschiedenen Punkten des Aggregats erloschen kleine Lichter, formten sich wieder in durchsichtiger Körperhaftigkeit, huschten über die Flanke eines Metallteils, kreisten entlang einer aufgelösten Spirale und verschwanden tief im Innern des Unbegreiflichen. Iron schüttelte den Kopf. Neben seiner Hüfte führte ein dicker Kabelstrang aus dem Raum, durch die Bordwand, und zu einem Projektor, den man durch ein Bullauge erkennen konnte. Knisterndes Geräusch zirpte in den Röhren.

»Ich kann das alles nicht begreifen!« Seine Stimme war ein undeutliches Murmeln. Dann drehte er der Maschine den Rücken, brannte sich eine Narkorette an und ging in seine Kabine zurück. Zwei Stunden waren sie jetzt im Hyperraum. Jederzeit konnte das Schiff in den normalen Raum zurückschwingen. Iron würde einen kleinen Operationsplan aufstellen müssen.

Zeitliche Werte mussten aufeinander abgestimmt werden. Keiner vermochte es derart genau zu tun, wie der alte Techniker. Irgendwo in der Flugrichtung vor ihnen – hundert oder drei Millionen oder eine beliebige andere Zahl von Lichtjahren – prallten die beiden Flotten aufeinander. Das Schiff raste weiter. Jedes Atom, das die Projektorfelder verließ, trug zu der Steigerung der Geschwindigkeit bei. Aber die CHEPHREN war anscheinend nicht schnell genug.

Würde sie rechtzeitig eintreffen?

 

Die acht Augen Honahs konzentrierten sich auf das Bild. Toqui, der dreißigste Honah, Flottenkommandant der Fremden, dritter Admiral der Flotte, Bewohner des Planeten Darshak, Oberster Vertrauter des Herrschers, führte den Angriff. Unzählige Narben bedeckten seinen Körper, der über den seidenweichen Schuppen der natürlichen Haut einen stählernen Raumpanzer trug. Das irisierende Metall war, erhellt von den Skalenflächen der Instrumente, der hellste Gegenstand auf der Kommandobrücke des Schiffes SATKON. Das Schiff raste, mit voller Kraft im Normalraum schwebend, auf die sich rasch vergrößernden Schlachtschiffe zu.

Toqui war ein alter, erfahrener Kämpfer.

Schon seine Ahnen hatten endlose Flüge unternommen, die seiner Rasse zur Herrschaft über eine Galaxis verhelfen hatten. Tausende Planeten waren kolonisiert worden. Die Darshak breiteten sich aus, bis sie den Rand der Milchstraße erreicht hatten. Dann kam jene Entdeckung, die sie praktisch hierhergeführt hatte: Ein Student, ein einfacher Astrogator, hatte die Entdeckung gemacht. Aber er war dafür geadelt worden – jetzt allerdings war er tot. Gefallen in den ersten Kämpfen.

Die Entdeckung war zwei Jahrhunderte vor dem Tag gemacht worden, an dem Darshak den Hyperraumantrieb zum zweiten Male entdeckt hatte. Der Student wühlte in vergessenen Schriften. Zwei Monate später war er berühmt. Er hatte festgestellt, dass Darshak vor einigen Tausenden von Jahren einen Planeten gefunden hatte, der damals kolonisiert worden war. Aber das Schiff hatte nur eine Botschaft abgesetzt, war gelandet, und dann hatte sich keiner der dreihundert mehr gemeldet. Man wusste aus den Aufzeichnungen, dass dieser Planet – er wurde Gaya genannt – ungeheuer reich an Mineralien war, ein gesundes Klima besaß und von zweibeinigen Wesen bewohnt wurde, die man leicht verdrängen konnte.

Daraufhin wurde eine Flotte ausgerüstet. Sie sollte herausfinden, was noch von den dreihundert Pionieren übrig geblieben war, und wenn sich die Vermutungen bestätigten, so konnte Gaya in den Reichsverband aufgenommen werden. Heute war man nicht mehr darauf angewiesen, einzelne Planeten zu erkämpfen, aber der Besitz einer Außenkolonie war sehr verlockend.

Toqui Honah lächelte geschmeichelt. Der Planet Darshak war immer führend gewesen. Die meisten seines Volkes waren jetzt Schiffsführer, wenn sie nicht noch höhere Stellen bekleideten. Unter der Leitung eines Darshak, einem Honah aus der Sippe Toquis, brachen zwanzig Schiffe auf. Sie überwältigten die ungeheure Entfernung zwischen den Milchstraßensystemen in kurzer Zeit. Dann wurden die Koordinaten ausgerechnet. Mit einem Fehler von nicht ganz einem Prozent landete man auf Terra. Von den Dreihundert war nichts mehr zu sehen.

Im Gegenteil – sie waren verschwunden. Ihre Existenz war nur noch in irdischen Sagen und Mythen vorhanden – wie ein zitternder, gefangen genommener Geschichtswissenschaftler ihnen bestätigte. Er redete von Kämpfen, im Lauf derer einzelne Helden der zweibeinigen Wesen die Dreihundert ausgerottet hatten. Man bekämpfte sie als Ungeheuer. Der verschüchterte Wissenschaftler, der hinter seiner großen Brille zu den Giganten emporsah – Darshak wuchsen über zwei Meter und achtzig Zentimeter, sie hatten einen enormen Brustkasten und mächtige Muskeln unter den geschuppten Pelz – erzählte weiter, dass jetzt wesentlich andere Zustände herrschten als vor der Zeit, in der die letzten Giganten erschlagen wurden. »Titanen« hießen sie in der terranischen Sage. Verächtlich ließ ihn der Flottenführer aus dem Schiff weisen, nachdem er ihn ausgefragt hatte. Mit hastigen Schritten entfernte sich der Mann, vom donnernden Gelächter der Darshak-Offiziere verfolgt. Aber bald verging ihnen das Gelächter.

Die Warnung der Darshakschiffe, die sich im Orbit um den Planeten Gaya befanden, kam fast zu spät. Die Schiffe Terras griffen mit der Wut grimmiger Ungeheuer an. Diese Flotten dienten dem Zweiten Imperium als Waffen – so hatte der gefangene Wissenschaftler berichtet. Von ihren Strahlen wurde das gelandete Schiff fast völlig zerstört, als es zu starten versuchte. Schließlich kamen zwei andere Darshakschiffe zu Hilfe und übernahmen die Überlebenden. Die Flotte floh und kehrte verstärkt nach Wochen zurück.

Damals begannen die großen Kämpfe. Plötzlich wimmelte es in dem Gebiet, durch das die Darshak beim ersten Mal so leicht hindurchgekommen waren, von Schiffen aller Art. Die Fremden wurden aus dem Zentrum der Milchstraße herausgetrieben bis an die Grenzen, die durch schwer befestigte Planeten markiert waren. Dort biss sich der Kampf fest. Und jetzt begann die entscheidende Schlacht.

Beide Flotten waren vollzählig. Sämtliche Schiffe der Darshak, ihrer Verbündeten und der assoziierten Planeten standen in einer weit auseinandergezogenen Linie zum Kampf bereit. Die SATKON war das Flaggschiff der Schweren Kreuzer. Sie führten das erste Geplänkel des Angriffs durch, wobei sie nach einem oft bewährten Plan vorgingen. Wie eine Schnur zogen sich die Schiffe auseinander. Wie die tödlichen Schlingen eines Seiles würden sie sich um die Giganten der Imperiumsflotte legen und sie ersticken, dachte Toqui Honah.

Etwas schimmerte weit voraus unter den kreuzenden Strahlen der zwei Sonnen auf. Es waren Schiffe des Imperiums. Sie warteten in der Form eines sphärischen Dreiecks, die Spitzen dem Feind entgegengebogen. Die Absicht war klar: Sie wollten, nachdem die Flotten aneinandergeraten waren, sich um die Darshakschiffe formieren. Toqui Honah lächelte grimmig. Die SATKON näherte sich der Imperiumsflotte. Minuten vergingen, während schräg hinter dem kugelförmigen Flaggschiff die anderen Kreuzer aufschlossen. Sie bildeten eine geschwungene Linie, die sich irgendwo hinten nahe der anderen Sonne verlor.

Zwei Sonnen beleuchteten das Schlachtfeld – eine gelbe Sonne und ein hart strahlender weißer Riese. Plötzlich sah Toqui über der feindlichen Flotte etwas aufblitzen. Er schaltete den Vergrößerer ein und bemerkte, wie sich aus einer fluoreszierenden Gaswolke ein fast winziges Schiff herausdrehte, herumschwang und über der feindlichen Flotte stehen blieb.

»Ein Kurierschiff wahrscheinlich«, sagte ein Offizier ruhig.

»Unbedeutend!«, gab ein anderer zur Antwort. Wieder herrschte Stille im Schiff. Jede Station war besetzt.

 

Als Erster merkte Toqui, dass bei der Imperiumsflotte etwas nicht zu stimmen schien. Die exakte Ordnung, in der das riesige Dreieck aus sechshundert einzelnen Schiffen bisher verharrt hatte, zerfiel langsam. Die Schiffe taumelten gegeneinander, wurden in letzter Sekunde abgefangen. Oder sie krachten zusammen. Lange Blitze entluden sich von Schiffskörpern zu anderen Bordwänden. Die Spitzen des Dreiecks wurden stumpf, beugten sich nach innen und verschmolzen mit der Front anderer Schiffe.

»Was geht bei unsrem Gegner vor?«, sagte ein Offizier atemlos.

Ungewiss hob Toqui die mächtigen Schultern.

»Ich weiß es nicht!«

»Näher heran, mit halber Kraft!«, schrie eine Stimme in den Maschinentelegraf. Die SATKON scherte seitwärts aus. Mit hastiger Stimme gab der Funker die Absicht des Flottenführers an die anderen Schiffe weiter. Sie blieben zurück. Die noch vor einigen Minuten exakte Schlachtordnung war keine solche mehr.

»Dort muss etwas Unfassbares geschehen sein!«, murmelte der Darshak. »Das ist keine Falle im normalen Verlauf des Angriffs.«

»Sieht nicht danach aus«, bestätigte der Navigator scheinbar ruhig.

»Dort oben ...«, der Arm des Nachrichtenoffiziers schoss steil in die Höhe und wies auf eine Stelle des holografischen Breitbildes. Das kleine, fremde Schiff stand unbeweglich über dem Chaos aus Schiffsleibern, das sich wie eine Wolke dunkler Flüssigkeit in einem durchsichtigen Medium unter dem kleinen drehte. In einer wilden, weit geschwungenen Kurve glitt die SATKON aufwärts und richtete die konzentrierten Rohre der Bugwaffen auf das kleine Schiff. Instinktiv ahnte Toqui, dass von dort Gefahr drohte.

Der Kommandant hatte die Hand über dem Schalter, der den Feuerbefehl in die verschiedenen Gefechtsstationen senden würde. Noch zögerte er. Mühelos schoss die SATKON auf den Zwerg los. Aus dem Hexenkessel vor ihnen griff nicht ein einziger Laserstrahl nach dem auffälligen Flaggschiff. Nichts geschah. Immer näher kam das Schiff an den Gegner, der sich nicht in der Verwirrung befand, in der sich die Imperiumsflotte drehte. Blitzartig schoss Toqui ein verwegener Gedanke durch den Kopf: die Planeten, die dreißig Planeten, auf denen Anarchie herrschte! Die dreißig kranken Planeten, die immer mehr Welten ansteckten und den Nachschub völlig zum Erliegen brachten! Sollte dieses Schiff etwas mit der Botschaft jenes Menschen – Iron McConell – zu tun haben?

Toqui Honah holte mit der Faust aus, um sie auf den Feuerknopf heruntersausen zu lassen. Die Kanoniere hatten bereits ihr Ziel gefasst – Sekunden später würde diese Mücke dort nur noch eine auseinander fliegende Gaswolke sein. Die Faust sauste herunter. Einige Zentimeter, bevor sie den Knopf erreichte, fiel sie kraftlos zur Seite. Das Schiff, das Toqui befehligte, schwang herum und vollendete die Kurve.

Der Körper des Honah bäumte sich auf, als ein Rest von Verstand die murmelnden Worte spürte, die ihn wie das milde Wasser der heimatlichen Küste umschmeichelten, seinen Willen lähmten und in andere Bahnen lenkten. Aber er wusste mit einem Funken kalten Intellekts, dass er wahnsinnig wurde, ohne etwas dagegen tun zu können. Im Schiff erloschen alle Lichter. Die Gefahr kroch aus dem Weltraum zu ihnen herein und lahmte ihre Herzen. Wahnsinn! dachte Toqui konzentriert, aber dann sank er zurück. Melancholie hüllte ihn in erstickende Wolken trübseliger Gedanken.

Toqui taumelte hoch. Nichts, was außerhalb seiner eigenen Erlebniswelt geschah, er fühlte, wie diese Welt kleiner wurde, rührte ihn an. Er nahm die Gestalten der Offiziere nicht wahr, die haltlos umherwankten und sich von der Brücke entfernten, um einen hellen Winkel aufzusuchen. Er sah das winzige Schiff nicht mehr, von dem diese Gefahr gekommen war. Er wusste irgendwie, dass er der Gefahr nicht hätte entrinnen können, auch wenn er gewollt hätte. Sie hatte ihn in den Klauen. Dann setzte der kontrollierende Rest von Verstand aus. Honahs Kehle zog sich krampfhaft zusammen, so dass die Luft in den Lungen zu pfeifen und zu brennen begann.

Licht! schrie eine gerade noch verständliche Stimme seines Innern. Der Darshak bewegte sich kriechend wie ein Reptil auf eine blaue Notlampe zu, die sich am Ende der Brücke befand. Er sehnte sich nach Schlaf. Tiefe Traurigkeit beschlich ihn, eine hochgradige Erregung, die das Wasser in seine Augen trieb – jeder Gedanke passierte das Hirn mit phantastischer Geschwindigkeit und ging verloren. Nichts war beständig. Die Hand glitt herab an den Gurt. Dort hing der Strahler.

Vielleicht konnte der Kommandant noch Ruhe finden, indem er sich dieser Gedankenwelt entzog. Aber als dann die Waffe in der zitternden Hand lag, erinnerte er sich nicht mehr, wozu sie zu gebrauchen war. Er öffnete die Finger. Die Waffe prallte vom stählernen Boden ab, sprang zur Seite und fiel von der Brücke. Irgendwo unter ihm erschien kurze Helligkeit. Die acht Augen konzentrierten sich auf den Schein des blauen Lichtes. Toqui brach auf die Knie und suchte nach der leuchtenden Platte, die mit einer transparenten Schicht umgeben war. Kälte schlug aus dem Innern des Schiffes hoch, griff nach seiner Haut.

Das Unheimliche seiner Lage nahm Gestalt an. Wunderbare Gedanken zogen durch die gequälten Hirnzellen und erfüllten ihn mit warmer Wonne. Der Weltuntergang war nahe – das All zerbrach in Trümmer. Sonnen, Planeten und Monde vereinigten sich zu einem gespenstischen Reigen und verschwanden in einer spiraligen Wolke im Schlund der ewigen Nacht. Glücklich lächelte Toqui Honah; er würde unter den wenigen sein, die der Herrscher des Alls bei sich behalten würde. Zusammen würden sie den gewaltigen Todesmarsch der untergehenden Planeten sehen. Die Sonnen würden ihnen sterbend huldigen. Das war der Rest, das war alles. Das Ende würde in Sekunden kommen. Sein verzerrter Mund lallte unverständliche Worte, die von niemandem gehört wurden und die auch niemand verstehen würde. Irgendwo begann eine sausende Flamme zu lodern. Vor seinen gequälten Augen flimmerte die Lampe. Honah wurde bewusstlos. Wenn er erwachte, würde er sich in einer veränderten Welt befinden.

 

Die Linie der Darshakschiffe bildete innerhalb weniger Minuten einen Knäuel, der dem rotierenden Schrotthaufen der Imperiumsflotte glich. Ohne Antrieb kreuzten sich die Bahnen der einzelnen Schiffe. Eine halbe Million fremder Wesen – alle, die in der Flotte dienten, zusammen mit den Offizieren, den Navigatoren und den Kommandanten – waren ohne Ausnahme Opfer einer wahnsinnsähnlichen Psychose geworden, die zu lallenden Individuen machte.

Ebenso wie die Flotte des Zweiten Imperiums.

Beide Reiche hatten nur noch vereinzelte Schiffe, die eingesetzt werden konnten. Alle Bedienungsmannschaften waren ausgeschaltet. Nie konnte diese Schlacht durchgeführt oder wiederholt werden, denn keines der beiden Reiche vermochte diese Anzahl von Raumsoldaten in absehbarer Zeit neu auszubilden. Die Schlacht war zu Ende, noch ehe der erste Schuss gefallen war. Das winzige Schiff verschwand genauso blitzschnell, wie es aufgetaucht war. Die Arbeit der Wissenschaftler war beendet. Das Licht der zwei Sonnen strahlte unverändert weiter. Die Bewohner des Grenzplaneten Hiorakon standen in der Nacht vor ihren Häusern und auf ihren Terrassen, um die Blitze schießender Schiffe, die mächtigen Lichter der Laserbreitseiten und die roten Explosionen der Raumtorpedos zu sehen. Sie sahen nichts.

Sie erfuhren erst nach Tagen, dass die Schlacht nicht stattgefunden hatte. Und als die gammonischen Robots einige Schiffe auf die Oberfläche Hiorakons brachten, sahen sie auch den Grund. Eisige Furcht kroch in ihre Herzen. Diese lallenden, irren Wesen, die man auf Bahren aus den Schiffen brachte, waren noch vor Tagen die Elite des Imperiums gewesen. Und dann die Fremden! Grauenhaft! Die Hiorakontier sahen nicht nur fremde Lebensformen, sondern auch noch, dass diese Fremden ebenso hilflos waren wie die eigenen Soldaten. Diesen Tag würden sie nie vergessen. Die Krankenhäuser füllten sich.

Keines der zwei gegnerischen Imperien besaß noch eine funktionsfähige Flotte. Iron McConell hatte sie vernichtet.

 

Der Schotte saß allein in seiner Kabine und hatte das Gesicht in den Händen vergraben. In gewissen Abständen ging ein krampfhaftes Zittern durch seinen Körper. Iron war nahe daran, zusammenzubrechen. Er allein trug die Verantwortung. Er war es, der diesen Angriff geleitet hatte. Sorgfältig verglich er die beiden Seiten seiner Handlungsweise. War eine Million von Raumsoldaten beider Rassen – jetzt hilflose Psychopathen – wert, als Ersatz für einen intergalaktischen Frieden zu dienen? Er wusste es noch nicht.

 

Im Fuchsbau: Über die Robotapparatur sprach Iron mit zwei Geschöpfen aus Rapin Vipers Formen. Vandar, den er zuerst erreichte; dann das Kugelwesen von Camwahr Sieben. Minuten später begannen in zwei verschiedenen Galaxien zwei Androiden zu handeln. Vandar bemächtigte sich wieder der Sendeanlage von Colstons Planeten. Er sprach eine neue Proklamation, die kurz darauf endlos abgestrahlt wurde. Und das Zweite Imperium hörte die Worte.

Auf Camwahr Sieben erklangen aus den Nachrichtengeräten die Worte, die denselben Inhalt trugen – in einer anderen Sprache. Außerdem sprach der Androide eine Einführung. Dann verschwand er wieder aus dem Studio. Und die Galaxis der Darshaks hörte die Worte ebenfalls.

»Bürger des Imperiums!

Die Raumschlacht an den Grenzen des Zweiten Imperiums ist verhindert worden. Die Schiffe beider Flotten werden auf verschiedene Planeten des Imperiums abgeschleppt. Die Soldaten, die einer psychologischen Behandlung unterworfen wurden, sind ausgeschaltet. Das war die zweite Warnung der Wissenschaftler. Die erste Warnung wurde von der Admiralität nicht beachtet. Noch ist es Zeit, die verschiedenen Standpunkte von Angreifern und Verteidigern zu koordinieren.

Bewohner beider galaktischen Systeme! Wir, die Wissenschaftler, sehen unsere Aufgabe als beendet an, wenn freundschaftliche Kontakte zwischen Darshak und Menschen entstehen. Die Tatsache, dass Darshak und Imperiumssoldaten in gemeinschaftlichen Krankenhäusern liegen, dürfte ein hoffnungsvoller Anfang sein. Die erkrankten Planeten werden in Teilen wiederhergestellt – je nach dem Fortgang der Verhandlungen. Eine dritte Warnung, falls sich wieder Feindseligkeiten ergeben sollten, sprechen wir nicht aus. Dann schlagen wir zu. Wir haben die Macht, Planeten innerhalb von Minuten verschwinden zu lassen. Treibt uns nicht dazu, diese Macht anzuwenden. Nur die Reiche sind es, die davon Schaden haben.

Iron McConell.«

 

Während die Sender diese Worte unablässig in den Raum abstrahlten und alle Bewohner beider Galaxien den Text hörten, warteten die Männer und Frauen in dem Felsen auf Pagod Hernandez – auf irgendetwas, das ihnen bestätigte, ob sie gewonnen oder verloren hatten. Lange geschah nichts. Das Imperium überlegte lange. Dann kam es zu einem Entschluss.

Dreißig Tage waren vergangen, seit Iron die Schlacht mit gezielter Hypnose beendet hatte. Jede Nachricht, die über den normalen Funkverkehr, über Hyperraumfunk der Schiffe und über die Sender der Planeten gegangen war, hatten die Maschinen des Hirns auf Pagod Hernandez gesammelt. Iron tat in diesen Tagen nichts anderes, als die einzelnen Fakten miteinander zu vergleichen. Auch die Nachrichten aus dem anderen Reich wurden zusammengestellt und mit dem ultraschnellen Richtstrahler des Hirns nach Pagod gefunkt. Dort sortierte sie ein Robot, ein anderer übersetzte sie aus dem Darshakrit in terranischen Standard.

Iron saß an dem Empfänger, der die Dauernachrichten aus dem aufgescheuchten Ameisenhaufen durchsagte, den Terra Central darstellte. Dort versammelten sich die Männer, die etwas mit der Verwaltung des Riesenreichs zu tun hatten. Sie diskutierten die Macht der Wissenschaftler. Es waren nicht wenige dieser Gruppe, die eine sofortige Verständigung forderten.

Am überzeugendsten war der Bericht, den ein einzelner Forscher an die Vollversammlung des Imperiumsrats gab. Er schilderte an Hand der Tatsachen, über welches Reservoir an Überraschungen diese Männer des Fuchsbaus noch verfügen mussten – denn jede Entwicklung, so sagte er, basiert auf der Annahme verschiedener Fakten, die sich in einer logischen Reihe aufwärts entwickelten. Er gab verschiedene Stationen der Virusforschung an, dann erklärte er, dass alles, was jetzt geschehen würde, von direkt gezüchteten Viren verursacht würde. Nur die Männer im Verborgenen wussten vom Geheimnis der Züchtung – sie hatten diese Waffe in der Hand.

Ein Kilogramm einer aktiven Zellkultur – so sagte der Forscher abschließend – würde genügen, um beide Galaxien in tote Wüsten zu verwandeln. Und man solle sich keinerlei Illusionen darüber hingeben, dass etwa die Wissenschaftler unter Iron McConell nicht schon längst diese Viren hergestellt hätten. Das schien zu überzeugen.

Und dann kamen die Männer des Imperiums zu einem überraschenden Ergebnis.

»Der Imperiumsrat gibt zu, dass die bisherige Entwicklung ihm die Fäden aus der Hand genommen hat. Er sieht ein, dass die Politik der Flottenkämpfe nicht richtig war und ist bereit, seinen Irrtum durch Verhandlungen mit den Angreifern zu bereinigen. Zu diesem Zweck wird die Entsendung eines Parlamentärschiffs der Darshak erbeten. Freier Anflug, Flottenschutz weniger Polizeischiffe und ebenso freier Abflug werden zugesichert, ferner würdige Unterbringung in entsprechenden Häusern von Terra Central, Übersetzungsmaschinen und die Anwesenheit sämtlicher Ratsmitglieder. Es muss möglich sein, eine Verständigung zwischen den beiden Völkern herbeizuführen.

Gleichzeitig wird Iron McConell, der Leiter der Untergrundbewegung, gebeten, sich in Terra Central einzufinden. Auch er hat freies Geleit, obwohl dieser Entschluss mit knapper Mehrheit gefasst worden ist. Als Datum für den Anfang der Gespräche wird der 117te Tag des Jahres 3941 des Imperiums genannt. Wir erwarten sowohl McConell als auch ein Darshakschiff. Ende der Durchsage.«

Iron blickte von dem Empfänger auf, als sich ein Schatten zwischen ihn und die Lichtquelle schob. Der Schotte sah in die ernsten Augen seines Freundes Jorge.

»Wirst du gehen?«, fragte der Biologe bedächtig.

»Es wird mir nichts anderes übrig bleiben. Obwohl ich den Mitgliedern des Rates in diesem Falle wenig traue«, erwiderte Iron.

»Sie werden dich zweifellos in ein scharfes Verhör nehmen, denn das Imperium kann es natürlich nicht ertragen, von einigen zwanzig Wissenschaftlern kaltgestellt zu werden.«

Der Biologe setzte sich. Iron schaltete den Empfänger wieder auf die Robotapparatur zurück.

»Irgendwie bin ich froh, dass jetzt alles zu Ende ist«, sagte Iron leise. »Die Verantwortung für alle diese Dinge drohte mich zu erdrücken. Es ist einfach zu viel für einen Einzelnen.«

»Es scheint in der Tat«, entgegnete der Biologe zögernd, »dass zumindest das Zweite Imperium Vernunft angenommen hat, außerdem legen sie ein beachtliches Tempo an den Tag. In zwei Wochen ist es soweit.«

»Stimmt. In zwei Wochen werde ich vor dem Rat stehen.«

Irons Entschluss stand fest. Er würde gehen.

»Bevor du gehst – ich nehme an, es wird dich unser junger Freund Louis Baricad mit der CHEPHREN nach Terra bringen –, bitte ich dich, noch einmal in mein Labor zu kommen. Ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen, und ebenso wichtig wird dann das sein, was ich mit dir – später mit uns allen – tun werde.«

Mit diesen Worten stand der Biologe auf, drückte Iron die Schulter und ging.

»Soll ich Versuchskaninchen spielen, Jorge?«, fragte Iron lächelnd.

»Nein«, sagte Jorge, und seine Hand griff nach der Kontaktleiste der Tür, »dazu bist du zu wertvoll. Ich werde dir eine ausgereifte Sache vorsetzen, die du gut gebrauchen kannst.«

»Ich lasse mich überraschen.«

Wieder wandte sich Iron McConell seinen Aufzeichnungen zu.

 

Seit dem Tag, an dem die Androiden das Formerlabor verlassen hatten, waren sechs terranische Monate vergangen. Das Leben im Fuchsbau hatte etwas von der hektischen Betriebsamkeit verloren. Die Menschen fanden zu sich zurück. Die Arbeit ging ununterbrochen weiter, aber sie war nicht mehr termingebunden. Die erstaunlichsten Dinge entstanden.

Der Tag der Abreise rückte näher. Wieder überprüften die Robots die CHEPHREN und reparierten, was zu reparieren war. Iron bereitete sich auf seinen schwierigen Auftritt vor. Baricad rechnete bereits den Kurs aus.

Noch drei Tage ... Das Kurierschiff der Darshak war eingetroffen, mit einer Delegation, die uneingeschränkte Vollmachten besaß. Die Aliens hatten eingesehen, dass ein friedlicher Wettstreit auf dem Gebiet des Handels und des kulturellen Austausch besser sei als jede kriegerische Tätigkeit. Man hatte die Fremden in die Hospitäler geführt, in denen apathische Raumsoldaten beider Völker in ihren Zimmern saßen und vor sich hin lallten. Das vollkommene Bild unheimlicher, trostloser Resignation und Melancholie griff an den Verstand der Parlamentäre. Insgeheim zitterten sie vor Angst, jene unfassbare Entwicklung würde sich über das Reich der Galaxis ausbreiten. Aber sie zeigten es nicht.

Der Tag der Vollversammlung näherte sich zusehends.

Iron stand vor Jorge, in dessen Hand eine Hochdruckinjektionsspritze ruhte. Iron nickte.

»Das, was du mir bisher erzählt hast, klingt gut. Aber kannst du mir garantieren, dass es funktioniert?«, fragte der Techniker. Schnell fügte er hinzu, als er das verdächtige Funkeln in Jorges Augen sah: »Nicht, dass ich dir misstrauen würde. Aber, wer weiß, ich versuche es, und es wirkt plötzlich nicht. Das kann recht unangenehm werden, wenn man sich darauf verlässt. Außerdem ist ein menschlicher Körper etwas anderes als eine maschinell ausgeführte Berechnung, weißt du!«

Jetzt lachte Jorge heraus.

»Du glaubst doch nicht etwa«, sagte er vergnügt, »dass ich ein so miserabler Wissenschaftler bin, der dir unreife Präparate vorsetzt. Ich habe mir erlaubt, das Teleportationspräparat an mir persönlich auszuprobieren.«

»Das ändert alles«, sagte Iron. »Jetzt bin ich beruhigt.«

»Hoffentlich. Dein Vertrauen ehrt mich.«

Der Techniker entblößte seinen Oberarm. Jorge presste die Platte des Injektors gegen die Vene in der Armbeuge. Ein merkwürdiges Wärmegefühl breitete sich in den Adern aus, erreichte das Herz und verursachte dort pochende Schläge. Dann war es vorbei. Jorge reinigte die Spritze.

»Einige Stunden ruhig liegen bleiben, wenig scharfe Dinge essen. Einen Tag lang keine Aufregung – das ist alles.«

»Ich werde versuchen, nicht dagegen zu verstoßen, Jorge. Herzlichen Dank für deine Hilfe«, sagte der Techniker und ließ den Ärmel seines Hemdes herunter.

»Schicke bitte Louis Baricad zu mir«, bat der Biologe.

»Erhält er die gleiche Behandlung?«, fragte der Techniker.

»Ja. Es ist sicherer.«

»Meinethalben«, versprach Iron und ging. Später startete das Schiff. Die Daten für die Sprünge waren in den Gedächtnisbänken des Computers festgehalten. Da die meisten Imperiumsschiffe in den Werften der Planeten lagen, bestand kaum Gefahr, entdeckt zu werden. Außerdem war es nahezu unmöglich, ein Schiff festzustellen, das sich im schnellen Hyperraumflug befand.

Iron saß neben Baricad. Sie blickten stumm auf die Sterne, die sich um das Schiff herum ausbreiteten. In achtundvierzig Stunden würden sie vor dem Rat des Zweiten Imperiums stehen.