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1998

 

 

Er knallte die äußere Bürotür zu und ging mit dumpfen Schritten über die alten Holzdielen. Er hatte ein ehrwürdiges altes Büro, direkt an der Naval Row, aber manchmal wünschte er sich weniger poliertes Holz und statt dessen eine moderne Klimaanlage. Ian Peterson, der von einer Konferenz kam, die den ganzen Vormittag in Anspruch genommen hatte, ließ einen Stapel Akten auf den Schreibtisch fallen. Seine Stirnhöhlen schienen verstopft. Die unweigerliche Folge solcher Konferenzen. Während der langen Stunden hatte sich ein feiner Dunst über seinen Geist gelegt, hatte ihn den ermüdenden Details und dem kleinlichen Gezänk entrückt. Er kannte diesen Effekt aus der Erfahrung vieler Jahre; der Überdruß langen Geredes, vieler kompetenter Phrasen und zahlloser Experten, die sich mit sorgsam unpersönlichen Urteilen aus allem heraushielten.

Er schüttelte die Stimmung ab und schaltete mit einem Knopfdruck den Schreibtisch-Sek ein. Zuerst eine Liste aller Anrufe, nach Priorität geordnet. Peterson hatte eine wohldurchdachte Namensliste aufgestellt, so daß der Sek-Computer wußte, ob er ihn alarmieren mußte. Die Liste änderte sich wöchentlich, je nachdem, mit welchem Problem er gerade befaßt war. Leute, die einmal mit ihm bei einem Projekt zusammengearbeitet hatten, besaßen die aufreizende Neigung anzunehmen, sie könnten ihn wegen sekundärer Folgeprobleme noch Monate oder gar Jahre später anrufen.

Zweitens eingegangene Memos, mit den Fristen für die Beantwortung.

Drittens persönliche Anrufe. Diesmal nichts außer einer Nachricht Sarahs über ihre verdammte Party.

Viertens interessante Neuigkeiten, auf Stichworte gerafft. Zum Schluß unbedeutende, unklassifizierbare Eingänge. Dafür war heute keine Zeit. Er ging zu Kategorie eins zurück.

Hanschmann, wahrscheinlich ein Klagelied über die Metallprobleme. Peterson leitete es an einen Assistenten weiter, indem er drei Buchstaben eintippte. Ellehlouh, der Nordafrikaner, mit einem Hilferuf nach mehr Flügen in das neue Überschwemmungsgebiet. Er gab ihn an Opuktu weiter. Er war für die Verteilung der Korn- und Melasselieferung zuständig; sollte er sich der Sache annehmen. Anruf von diesem Kiefer aus La Jolla, als dringlich gekennzeichnet. Peterson nahm das Telefon und wählte. Besetzt. Er drückte auf »Wiederholung« und sagte »Dr. Kiefer«, so daß vom Band lief: »Mr. Peterson vom Weltrat versucht dringend, Dr. Kiefer zu erreichen« – der Computer würde nun alle zwanzig Sekunden Kiefers Nummer anwählen.

Peterson wandte sich den Memos zu, und seine Laune besserte sich. Er ließ sich sein eigenes Memo auf den Bildschirm kommen, das er heute morgen auf der Fahrt zur Arbeit diktiert hatte. Es war automatisch vom Band geschrieben worden. Er hatte das System noch nie ausprobiert.

 

für das voll entwickelte System der Folgstrom ist, ich hoffe, es klappt mit den Großbuchstaben, direkt vor der Atlantikküste in Miami, Punkt, ja. Dort herrscht eine Strömung von vier Knoten, die ziemlich konstant ist. Die Strömung versetzt die riesigen Turbinen in Bewegung, die genug Strom für ganz Florida erzeugen. Die Turbinen sind zugegebenermaßen sehr gewaltig. 500 Meter im Durchmesser. Die technische Diskussion möchte ich allerdings abkürzen, die Ingenieurarbeiten sind konventioneller Natur. Groß und einfach. Ihr Schwimmrumpf ist 345 Meter lang, und sie sitzen volle 25 Meter unter der Oberfläche. Das reicht, um Schiffe sicher passieren zu lassen. Die Veranke-

Meilen nach unten.

Verglichen mit den Energieleistungen ist das relativ wenig, aber nach Auskunft der technischen Abteilung bringt es wahrscheinlich keine unerwünschten Nebenwirkungen mit sich.

Unsere Einschätzung lautet, daß die Mitbewerber – natürliches Gas aus Seetang und Austausch von Thermalenergie – von Goriolis weit übertroffen wurden. Der Name, wie sie zweifellos im Gegensatz zu mir auf Anhieb wissen, geht auf einen französischen Mathematiker zurück, der die Gesetzmäßigkeiten der Meeresströmungen erkannte. Auswirkungen der Erdrotationen und so weiter.

Die Handikaps sind offensichtlich. Es könnte riskant sein, durch 400 solcher Turbinen den Golfstrom zu verlangsamen. Die Witterungsstruktur des Atlantiks hängt von dieser Strömung ab, die an den USA und Kanada vorbeizieht und dann in die Karibik. Eine breit angelegte numerische Simulation auf den omni alles Großbuchstaben OMNI-Computern zeigt einen meßbaren Effekt von einem Prozent. Nach den heutigen Maßstäben ziemlich sicher.

Negative politische Auswirkungen sind minimal. 40 Gigawatt für diese Region werden die Kritiken an unserer Behinderung des Fischfangs verstummen lassen, denke ich. Deshalb empfehle ich zügige Annahme. Mit freundlichen Grüßen und so weiter.

 

Peterson grinste. Bemerkenswert. Die Computer führten sogar das wahrscheinlichste gleichlautende Wort auf. Er korrigierte den Brief und schickte ihn durch das elektronische Labyrinth an Sir Martin. Ausschuß-Strandgut war für die Assistenten; Sir Martin sparte sich seine Zeit für Urteile auf, den heiklen Balanceakt über der Flut der Informationen. Er hatte Peterson viel beigebracht, bis hin zu solchen Feinheiten wie der Sprechweise vor einem Ausschuß, in dem die Gegner auf der Lauer lagen. Sir Martin unterbrach sich mitten im Satz und atmete ein, dann sprach er schnell über den Punkt am Satzende hinweg bis zur nächsten Pause ein oder zwei Sätze weiter. Keiner wußte, an welcher Stelle man ihn elegant unterbrechen konnte.

Peterson fragte sein Sek nach dem neuesten Stand. Der Anruf bei Kiefer war noch nicht durchgestellt – immer noch besetzt. Zwei Mitarbeiter hatten Berichte hinterlassen, die er später prüfen wollte.

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und starrte an die Bürowand. Eine phantastische Dekoration. Würdigungen für hervorragende Verwaltungstätigkeit auf Pseudopergament. Fotos von ihm zwischen verschiedenen charismatischen Schlagwortakrobaten. Führernaturen, die in die Kamera lächelten.

Bei der Ausschußsitzung am Morgen waren sie wieder vertreten gewesen, gemeinsam mit ernsten Biochemikern undpragmatischen Meteorologen. Ihre Berichte über die Verteilung der Wolken waren beunruhigend, aber vage gewesen. Die Wolken waren ein weiteres Beispiel für »biologische Querfunktionen«, ein Allzweckbegriff, der Beziehungen bezeichnete, an die bisher noch keiner gedacht hatte. Offenbar nahmen die zirkumpolaren Windstrudel, die sich in den letzten Jahren auf den Äquator zubewegt hatten, Substanzen aus der Gegend in der Nähe der Blüte auf. Die unbekannten biologischen Stoffe, die von den Wolken weitergetragen wurden, hatten die Bemühungen der Grünen Revolution beim Getreideanbau zunichte gemacht. Die Pflanzen der Grünen Revolution lieferten nicht nur einheitlich hohe Erträge, sondern besaßen auch einheitlich wirkende Schwachpunkte. Wenn eine von einer Seuche befallen wurde, wurden alle befallen. Wie verheerend die seltsamen gelb-bräunlichen Wolken wirken konnten, war unbekannt. In dem Biokreis gab es einige merkwürdige Bestandteile, aber die Forschung hatte das Puzzle noch nicht zusammengefügt. Die Sitzung war in Entschlußlosigkeit zu Ende gegangen. Belgische Biologen hatten mit pausbackigen Katastrophologen argumentiert, beide ohne konkrete Beweiskraft.

Peterson dachte darüber nach, während er einige Berichte durchblätterte. Bestandsaufnahmen, Bewertungen, spekulative Berechnungen, Größenordnungs-Wahrheiten. Einige waren in ornamentalen kyrillischen Buchstaben abgefaßt, andere in geschwungener arabischer Schrift, in asiatischen Ameisenkritzeln oder den kantigen Maschinenbuchstaben des ModEng. Ein Traktat über Erdwissenschaft machte den Menschen zu einer geringfügigen statistischen Störung, zu einer Wanze, die über eine Welt rutschte, die auf Substantive und Zahlen reduziert war. Manchmal war Peterson wie hypnotisiert von der Mixtur von Gedanken im Weltrat, von der enzyklopädischen Kraft, die sie anzapften. Stimmen, ein Gewirr von Stimmen. Da gab es die eifernde Energie der Deutschen, die schmucklose und letztendlich einschnürende Lösung von La belle France, die Japaner, jetzt in industriellem Exzeß erstickt, seltsam traurige Amerikaner, immer noch starke, aber alternde Boxer, die nach Sparringspartnern schlugen, die längst nicht mehr im Ring standen, die Brasilianer, die gerade die Weltbühne betreten hatten und benommen ins Scheinwerferlicht blinzelten. Vor einigen Jahren war er mit einer Gruppe plappernder Zukunftsseher nach Äthiopien gefahren und hatte beobachtet, wie ihr Kalkül mit dem Leben kollidierte. In staubigen Schluchten hatte er Menschen gesehen, die Ameisenhügel attackierten und zerstörten, um die dort gelagerten Weizenkrumen zu ergattern. Nackte Frauen, schlammfarben und mit mageren Brüsten, waren auf Mimosenbäume gestiegen, um die jungen, grünen Triebe für ihre Suppe abzuschneiden. Kinder sammelten Dornensträucher und ähnliches, um die Feuchtigkeit herauszukauen. Bäume wurden ihrer Rinde beraubt und an den Wurzeln angeknabbert. Weißgebleichte Skelette neben brackigen Wasserlöchern.

Die Methodologen der Prophetie waren erblaßt und hatten sich abgewandt.

Als Junge hatte er das National-Geographic- Programmim Fernsehen gesehen; die fast mythischen Tiere in Afrika waren ihm wie Freunde erschienen, die am Horizont der Welt spielten. Löwen, mächtig und träge, Giraffen, die steifhalsig davontrabten und in der Ferne zu zitternden Bildern wurden. Er empfand die verträumte Liebe eines kleinen Jungen für sie. Jetzt waren sie fast verschwunden. In Afrika hatte er eine Lektion gelernt. Bald würde es auf dem Planeten nichts geben, das größer als der Mensch wäre, außer den Kreaturen, die schon zum Haustier gemacht worden waren. Ohne die Riesen wäre die Menschheit allein mit den Ratten und Wanzen. Oder, noch schlimmer, allein mit sich selbst. Dieses vage Problem hatte die Futurologen nicht beschäftigt. Sie schwätzten über Butterberge hier, gegen Hungersnöte da und verschrieben jeder ihr eigenes Rezept. Theorien liebten sie mehr als die Welt. Forrester, der seine Zahlenphantasien wie Perlen an einer Schnur rasseln ließ; Heilbroner, der die Menschheit in ein Gefängnis drängte, damit alle genug zu essen hätten; Tinbergen, der glaubte, eine vernünftige Krise würde uns alle zurechtstutzen; Kosopalov, dessen marxistischer Optimismus geduldig auf die Metallsäge wartete, die den Kapitalismus amputierte, als sei die Armut nur ein Schnupfen der Zivilisation und keine ernsthafte Krankheit; seine Gegner, die Jünger Kahns, mit der anmaßenden Zuversicht, daß ein paar Kriege und Hungersnöte zu höherem Pro-Kopf-Einkommen führten; Schumachers Schüler mit seinem scheuen Glauben daran, die Kohlenwasserstoffkartelle würden beschließen, Kleinindustrien wären schließlich die beste Lösung; und Remuloto, der Prediger der Dritten industriellen Revolution, der das Heil in unseren Sternsatelliten sah.

Lächelnd erinnerte Peterson sich daran, daß das amerikanische Innenministerium 1937 eine gründliche Voraussage zukünftiger Trends unternommen hatte: Atomenergie, Computer, Radar, Antibiotika und der Zweite Weltkrieg hatten darin einfach gefehlt. Aber sie machten alle mit ihren einfältigen linearen Extrapolationen weiter, trotz beträchtlicher Computerkapazität, um die Zahlen zu verfeinern, was letztlich nur eine neue Methode war, auf teure Art dumm zu sein. Und sie hatten alle ein Rezept. Sorgt für mehr menschliches Mitgefühl, dann geht es uns besser. Um jetzt zu überleben, mußte der Mensch geduldig sein, langfristige rationale Lösungen globaler Probleme bevorzugen und sein altes irrationales Bedürfnis nach kurzfristigen, örtlich beschränkten Ergebnissen aufgeben. Sie alle wünschten sich einen Lockeschen Zukunftstraum, ein Naturgesetz, das menschliche Rechte und menschliche Pflichten gleichzeitig definierte. Ein ungeschriebenes Gesetz, aber durch Vernunft erkennbar. Eine Mythologie stoischer Leidensfähigkeit würde es schaffen, uns aus der Klemme befreien. Aber wer hatte eine im Angebot? Der säkulare Glaube an die technologische Lösung war in Astrologie und Schlimmerem versickert. Jeffersons Abkömmlinge nahmen sich alle Freiheiten, die sie bekommen konnten, und hinterließen den Nachkommen einen verbrauchbaren Müllhaufen. Au revoir, Etats-Unis! Überprüfe deine trüb gewordene Vision an der Tür! Peterson blickte auf einen Wandschmuck, der nicht dorthin paßte, ein jahrhundertealtes Stichtuch:

 

Alle Natur ist Kunst, dir unvertraut;
Aller Zufall Ziel, von dir nicht erschaut;
Alle Zwietracht Einklang, ungehört;
Alles einzelne Arg im Ganzen Wert;
Trotz Stolz und irrender Geistesglut,
Eine Wahrheit ist klar: Was ist, ist gut.

 

Er lachte, als das Telefon läutete.

»Hallo, Ian?« Kiefers Stimme war dünn und piepsig.

»Freut mich, daß Sie anrufen«, sagte er mit gekünstelter Herzlichkeit.

»Ich glaube, in einer Minute werden Sie sich nicht mehr freuen.«

»Oh?« Kiefer hatte nicht mit dem erwarteten Scherz reagiert, der üblicherweise solche Gespräche eröffnete.

»Wir haben den Prozeß entdeckt, der der Kieselalgenblüte zugrunde liegt.«

»Gut, dann können Sie ihn ja korrigieren.«

»Letztlich schon. Das Problem ist, er läuft uns davon. Der Prozeß tritt in eine Phase, in der er die Hülle des Planktons angreift und das Material in die ursprünglichen Moleküle auf Pestizidbasis umwandelt.«

Peterson dachte nach. »Wie eine religiöse Bewegung«, sagte er, nur um überhaupt etwas zu sagen.

»Hm?«

»Macht Heiden zu Aposteln.«

»Nun… ja. Jedenfalls dadurch breitet sie sich so schnell aus. So etwas habe ich noch nie gesehen. Es bereitet den Jungs im Labor arge Kopfschmerzen.«

»Können Sie kein… Gegenmittel finden?«

»Auf lange Sicht – wahrscheinlich. Das Problem ist, wir haben nicht viel Zeit. Der Prozeß verläuft exponential.«

»Wieviel Zeit?«

»Monate, Monate, um sich über die anderen Ozeane auszubreiten.«

»O Gott!«

»Ja. Ich weiß nicht, wieviel Einfluß Sie dort drüben haben, aber das Ergebnis muß direkt nach ganz oben.«

»Das erledige ich, bestimmt.«

»Gut. Ich habe einen technischen Bericht auf LogEx. Ich sende ihn verschlüsselt, okay?«

»In Ordnung. So, ich bin auf Empfang.«

»Gut. Los geht’s.«

 

Sir Martin war es, der die Verbindung sah. Nur wenig Wasserdunst wurde von der Meeresoberfläche in die Wolkenformation transportiert. Aber angenommen, die Unreinheiten in der Blüte konnten die Zellhüllen lebender Mikroorganismen umwandeln. Dann könnte sich eine geringfügige Menge der Substanz mit der Zeit durch eine Wolke ausbreiten. Die Übertragung durch die Luft war schnell, sicherlich viel schneller als durch Kontakt an der biologischen Grenzfläche, zwischen der Blüte und dem Ozean.

 

Peterson bahnte sich den Weg durch das Zwielicht, das in dem Restaurant herrschte. Jedenfalls nannte es sich Restaurant. Er sah nur Menschen auf dem Boden sitzen. Weihrauch kroch in seine Nase, löste einen Niesreiz aus.

»Ian! Hier drüben!«

Lauras Stimme kam irgendwo von links. Er tastete sich durch, bis er sie sehen konnte. Sie saß auf Kissen und schlürfte eine milchige Flüssigkeit durch einen Strohhalm. Orientalische Musik erfüllte den Raum. Er hatte schon vorher gewußt, daß es ein Fehler war, sich mit einem Mädchen zu treffen, von dem er sich getrennt hatte, nur weil es in einer Krise steckte. Die Informationen aus Kalifornien und die Aufregung, die sie im Rat verursacht hatten, hatten ihn die ganze Nacht an seinem Schreibtisch gefesselt. Die Leute von der technischen Abteilung waren hysterisch. Einige der leitenden Mitarbeiter hatten das der Tatsache zugeschrieben, daß die Techniker schon vorher alarmiert worden waren und unrecht behalten hatten. Diesmal war Peterson nicht sicher, daß diese schlichte Logik einen Sinn ergab.

»Hallo. Ich hätte dich eigentlich lieber in meinem Club getroffen. Ich meine, es ist ganz nett hier, aber…«

»O nein, Ian. Ich wollte dich in einer Umgebung treffen, die ich kenne. Nicht in einem altmodischen Herrenclub.«

»Er ist wirklich sehr nett, ganz und gar nicht altmodisch. Wir können hinfahren und etwas essen…«

»Aber ich wollte dir zeigen, wo ich arbeite.«

»Du arbeitest hier?« Ungläubig blickte er um sich.

»Heute habe ich natürlich frei. Aber es ist ein Job, und er gibt mir meine Unabhängigkeit.«

»Ach so, Unabhängigkeit.«

»Ja, es ist genau das, was du mir geraten hast. Erinnerst du dich? Ich bin von zu Hause ausgezogen, habe bei Bowes & Bowes gekündigt und bin nach London gekommen. Und habe einen Job bekommen. Nächste Woche beginne ich mit dem Schauspielunterricht.«

»Oh, das ist sehr gut.«

Ein Kellner materialisierte aus der Dunkelheit. »Möchten Sie etwas bestellen, Sir?«

»O ja. Whisky. Und etwas zu essen.«

»Die Currygerichte sind großartig.«

»Dann bitte Rindfleisch.«

»Tut mir leid, Sir, wir haben keine Fleischgerichte.«

»Kein Fleisch?«

»Das ist ein vegetarisches Restaurant, Ian. Wirklich lecker. Alles wird täglich frisch gebracht. Versuch’s mal!«

»Mein Gott. Dann ein Biryani. Mit Ei.«

»Ian, ich möchte dir von meiner… meiner Flucht von meinen Eltern und von meinen Plänen erzählen. Und ich möchte dich um Rat bitten, wie ich in die Schauspielerei reinkomme. Ich bin sicher, du kennst viele, viele Leute, die sich damit auskennen.«

»Eigentlich nicht. Du weißt, ich arbeite für die Regierung.«

»Ach, ich bin sicher, du kennst welche. Du mußt nur etwas nachdenken…« Und sie redete weiter, während Peterson klar wurde, daß er tatsächlich einen Fehler gemacht hatte. Er hatte das Gefühl gehabt, eine Erholungspause zu benötigen und Lauras Anruf war genau im rechten Moment gekommen. Spontaneität hatte über seine Einsicht gesiegt. Jetzt mußte er eine gräßliche Mahlzeit in einem Restaurant essen, das deshalb so dunkel gehalten wurde, damit man den Dreck nicht sah, und alles wegen dieser kleinen Verkäuferin. Peterson zog eine Grimasse. Er war sicher, in dem Schummerlicht würde Laura es nicht sehen. Nun ja, immerhin sprang ein Essen dabei heraus; Treibstoff für die Arbeit, die ihm mit Sicherheit bevorstand. Und er mußte sich von Sir Martin erholen. »Hast du in der Nähe eine Wohnung?« fragte er.

»Ja, Banbury Road. Mehr ein Einbauschrank, fürchte ich.«

»Das macht mir bestimmt nichts aus.« Er lächelte in der Dunkelheit.