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22. März 1963

 

 

Gordon breitete den San Diego Union auf dem Labortisch aus. Im selben Moment wünschte er, er hätte sich die Mühe gemacht, eine Ausgabe der Los Angeles Times herauszusuchen, denn der Union widmete in seiner hinterwäldlerischen Art der Heirat von Hope Cooke, der jüngsten Sarah-Lawrtense- Absolventin, und Kronprinz Palden Thonup Namgyal von Sikkim viel Raum. Der Union schien geradezu verzückt von dem Gedanken, daß ein amerikanisches Mädchen einen Mann heiratete, der in Kürze Maharadscha sein würde. Die echten Nachrichten erschienen nur als kleinere Meldung auf der ersten Seite: Davey Moore war tot. Ungeduldig blätterte Gordon die Sportseite auf und war besänftigt, dort einen längeren Artikel zu finden. Sugar Ramos hatte Moore in der zehnten Runde ihres Kampfs um die Weltmeisterschaft im Federgewicht in Los Angeles ausgeknockt. Erneut wünschte Gordon, er hätte Karten gehabt; die Vorlesungen und seine Forschungen hatten ihn so lange abgelenkt, bis sie alle ausverkauft gewesen waren. Moore war an einer Hirnblutung gestorben, ohne das Bewußtsein wiederzuerlangen; ein weiterer Fleck auf dem Boxsport. Gordon seufzte. Es gab die voraussehbaren Kommentare von den voraussehbaren Leuten, die das Boxen ganz verbieten lassen wollten. Einen Moment fragte er sich, ob sie vielleicht recht hatten.

»Hier ist das neue Material«, sagte Cooper neben ihm.

Gordon nahm die Aufzeichnungen. »Weitere Signale?«

»Ja«, erwiderte Cooper knapp. »Seit Wochen habe ich jetzt gute Resonanzkurven und urplötzlich – zack und weg.«

»Haben Sie sie entschlüsselt?«

»Sicher. Viele Wiederholungen.«

Gordon folgte Cooper zu dessen Arbeitsplatz, wo die Laboraufzeichnungen ausgebreitet waren. Er ertappte sich bei der Hoffnung, daß alles unsinnig war, einfache Störungen. Auf diese Weise wäre es viel leichter. Er würde sich nicht um Botschaften kümmern müssen, Cooper konnte an seiner Dissertation weiterarbeiten, Lakin wäre glücklich. Gerade jetzt brauchte sein Leben keinerlei Komplikationen, und er hatte gehofft, der Effekt spontaner Resonanzen würde einfach verschwinden. Ihr Beitrag in Physical Review Letters hatte Interesse erregt, und niemand hatte die Arbeit kritisiert; vielleicht war es das beste, die Dinge dabei zu belassen.

Seine Hoffnung schwand, als er Coopers eckige Druckschrift las.

 

SENDLFX 7 VON CL998 CAMBE19983ZX
RA 18 5 36 DEK 30 29.2
RA 18 5 36 DEK 30 29.2
RA 18 5 36 DEK 30 29.2

 

Die rätselhafte Folge von Buchstaben und Zahlen füllte drei Seiten. Dann hörte sie plötzlich auf, und es folgte:

 

MUESSTE ALS PUNKTWUELLE IM TACHYONENSPEKTRUM ERSCHEINEN 263 KEV SPITZE KANN MIT NMR AUSRICHTUNG GEPRUEFT WERDEN MESSUNG FOLGT ZPASUCZ AKSOWLP EINBRUCH IN RECHTECK KOORDMZALES SANDUNG VON 19BD 1998KOORDHQES

 

Danach kam nichts Zusammenhängendes mehr. Gordon studierte Coopers Daten. »Der Rest wirkt wie ein schlichtes an-aus. Keinerlei Kode.« Cooper nickte und kratzte sich das Bein unterhalb der abgeschnittenen Jeans. »Nur Punkte und Striche«, sagte Gordon zu sich selbst. »Komisch.« Wieder nickte Cooper. Gordon hatte bemerkt, daß Cooper sich in letzter Zeit darauf beschränkte, die Daten aufzunehmen, und keine Meinung mehr äußerte. Vielleicht hatte der Zusammenprall mit Lakin ihn gelehrt, daß eine agnostische Haltung risikoloser war. Cooper schien zufrieden damit, normale Resonanzsignale aufzunehmen; sie waren die Ecksteine seiner Dissertation.

»Das Material zu Anfang – RA und DEK.« Gordon strich sich übers Kinn. »Klingt irgendwie astronomisch…«

»Mhmmm«, meinte Cooper. »Kann sein.«

»Ja – Raktaszension und Deklination. Das sind Koordinaten, die einen Punkt im Raum definieren.«

»Hm. Könnte sein.«

Gereizt blickte Gordon auf. Man konnte auch zu sehr mit verdeckten Karten spielen. »Ich will mir das näher anschauen. Machen Sie nur Ihre Messungen weiter!«

Mit einem Kopfnicken wandte Cooper sich ab. Er schien erleichtert, mit den verwirrenden Daten nichts mehr zu tun zu haben. Gordon verließ das Labor und ging zwei Stockwerke höher zu Zimmer 317, Bernard Carroways Büro. Auf sein Klopfen kam keine Antwort. Er schaute ins Sekretariat hinein und fragte: »Joyce, wo ist Dr. Carroway?« Verwaltungsangestellte wurden traditionsgemäß beim Vornamen genannt, während Fakultätsmitglieder stets einen Titel hatten. Gordon hatte diese Praxis immer ein leichtes Unbehagen bereitet.

»Der große oder der kleine?« entgegnete die dunkelhaarige Abteilungssekretärin mit hochgezogenen Brauen.

»Der große. Nach Volumen, nicht nach Metern.«

»Seminar in Astrophysik. Müßte bald zu Ende sein.«

Leise betrat er den Seminarraum, während John Boyle zum Ende kam; die grünen Tafeln waren mit Differentialgleichungen aus Boyles neuer Gravitationstheorie übersät. Boyle beendete das Seminar mit ein paar launigen Bemerkungen, in die er einen Schottenwitz einflocht, und die Hörer standen geräuschvoll auf. Bernard Carroway wuchtete seinen Körper hoch und lenkte eine Diskussion zwischen Boyle und einem dritten Mann, den Gordon nicht kannte. Er beugte sich vor und fragte Bob Gould: »Wer ist das?« Dabei wies er mit einer Kopfbewegung auf den hochgewachsenen lockigen Mann.

»Der da? Saul Schriffer, Vale. Er und Frank Drake waren bei dem Projekt Ozma beteiligt, bei dem Radiosignale anderer Zivilisationen aufgenommen werden sollten.«

»Oh.« Gordon lehnte sich zurück und beobachtete, wie Schriffer über einen technischen Punkt mit Boyle diskutierte. Er spürte eine summende Energie in sich, die Witterung der Jagd. Angesichts der Gleichgültigkeit Lakins und der Tatsache, daß der Effekt verschwunden war, hatte er die Sache mit den Botschaften einige Monate ignoriert. Aber jetzt war sie wieder präsent, und plötzlich war er sich sicher, sich verstärkt darum kümmern zu müssen.

Boyle und Schriffer diskutierten die Zulässigkeit einer Annäherung, die John benutzt hatte, um eine Gleichung zu vereinfachen. Interessiert verfolgte Gordon das Gespräch. Es war kein nüchternes intellektuelles Gespräch zwischen Verstandesmenschen, wie es der Laie sich so oft ausmalt, sondern ein engagierter Meinungsstreit mit wechselseitigen Schreien und Gesten. Sie diskutierten über Ideen, aber unter der Oberfläche prallten Persönlichkeiten aufeinander. Schriffer war der lautere von beiden. Energisch drückte er die Kreide auf und zerbrach sie. Er gestikulierte, zuckte mit den Schultern, runzelte die Stirn. Er schrieb und sprach schnell, widerlegte häufig, was er selbst nur Sekunden vorher behauptet hatte. Bei den Berechnungen unterliefen ihm Flüchtigkeitsfehler, die er mit dem Schwamm schnell wieder auslöschte. Die trivialen Irrtümer waren ohne Bedeutung – er versuchte, den Kern des Problems zu erfassen. Die exakte Lösung konnte später kommen. Seine hastigen Kritzel bedeckten die Tafel.

Ganz anders Boyle. Er sprach mit gleichmäßiger, fast monotoner Stimme, das Gegenteil des schnellen, zupackenden Tons, an den Gordon sich aus dem Limehouse erinnerte. Das war seine Rolle als Wissenschaftler. Manchmal war seine Stimme so leise, daß Gordon Mühe hatte, ihn zu verstehen. Die Umstehenden mußten ihre Wortwechsel am Rande einstellen, um ihm zuzuhören – eine gewiefte Taktik, sich ihrer Aufmerksamkeit zu versichern. Er begann seine Sätze mit »Ich glaube, wenn wir es so versuchen…« oder »Saul, sehen Sie nicht, was geschieht, wenn…« Eine Form der Kunst, dem anderen immer um eine Nasenlänge voraus zu sein. Nie machte er eine eindringliche, positive Feststellung; er war der leidenschaftslose Wahrheitssucher. Aber allmählich machte sich die Anstrengung bemerkbar, die die Fixierung auf diese Rolle erforderte. Er konnte nicht eindeutig beweisen, daß seine Annäherung gerechtfertigt war, daher wurde er in eine defensive Position gedrängt. Schließlich steigerte er sich in die wiederholte Aufforderung zu »beweisen, daß ich unrecht habe«. Allmählich wurde seine Stimme lauter, sein Gesicht nahm störrische Züge an.

Plötzlich behauptete Saul zu wissen, wie Johns Annäherung zu widerlegen war. Sein Vorschlag war, ein besonders einfaches Testproblem zu lösen, dessen Antwort sie schon alle kennen mußten. Mit flinkem Eifer jagte Saul durch die Berechnungen. Nur für einen engen Bereich physikalischer Bedingungen gab die Annäherung die richtige Antwort. »Da! Sehen Sie – sie taugt nichts!«

John schüttelte den Kopf. »Unsinn – für den interessantesten Fall funktioniert sie ganz präzise.«

Saul schien überzukochen. »Quatsch! Sie haben alle langen Wellen aus dem Problem herausgehalten.«

Aber das Kopfnicken um sie herum hatte den Sieger bereits gekürt: John hatte gewonnen. Da die umstrittene Annäherung nicht völlig nutzlos war, war sie akzeptabel. Grollend stimmte Saul zu. Einen Moment später diskutierte er lächelnd ein anderes Problem, das Streitgespräch war vergessen. Es hatte keinen Sinn, sich über ein Problem zu erregen, wenn etwas bewiesen werden konnte. Gordon grinste. Hier hatte er ein Beispiel für sein selbsterdachtes Gesetz des Disputs: Die Leidenschaft war umgekehrt proportional zur Menge der verfügbaren wirklichen Informationen.

Er trat auf Carroway zu und zeigte ihm die Koordination aus seiner Botschaft. »Bernard, haben Sie eine Vorstellung, wo am Himmel das hier ist?«

Eulenhaft blinzelte Carroway. »Nein, nein, an solche Details erinnere ich mich nie. Saul?« Er zeigte auf das Papier.

»In der Nähe der Wega«, sagte der. »Ich schaue nach, wenn Sie es wünschen.«

 

Nach seiner Vorlesung über klassische Elektrodynamik hatte Gordon vor, Saul Schriffer aufzusuchen, aber als er sein Büro betrat, um seine Notizen dort zu hinterlegen, wartete jemand auf ihn – Ramsey, der Chemiker.

»Ich dachte, ich schau’ mal rein und halte Sie auf dem laufenden«, sagte Ramsey. »Ich habe mir Ihr kleines Rätsel mal näher angeschaut.«

»Und?«

»Ich glaube, da steckt einiges Handfeste drin. Wir sind noch weit davon entfernt, Langketten-Moleküle vollständig zu verstehen, aber dieses Rätsel interessiert mich. Der Teil, wo es heißt ›Dann Eintritt Molekularsimulation Wirt kann Plankton Neurohülle umwandeln‹. Das klingt nach einem selbst replizierenden Mechanismus, von dem wir nicht die Bohne wissen.«

»Geschieht das mit den Ihnen bekannten Molekularformen?«

Ramseys Braue hob sich. »Nirgendwo. Aber ich habe einige der speziellen Kunstdüngerformen studiert, mit denen einige der Unternehmen experimentieren, und… nun, für eine genaue Aussage ist es noch zu früh. Nur so eine Ahnung, wirklich. Worum es mir ging: Ich wollte Ihnen sagen, daß ich die Sache nicht vergessen habe. Nur, der Unterricht und die normalen Forschungsprojekte – Sie wissen ja, wie das ist. Aber ich bleibe am Ball. Ich könnte mal zu Walter Munk runter und ihn nach der Verbindung zur Ozeanographie befragen. Jedenfalls…« – er verabschiedete sich mit der Parodie eines militärischen Grußes – »…bin ich für die Information dankbar. Könnte ein guter Hinweis sein. Gratz vielmals.«

»Hä?«

»Gratz – gracias. Spanisch.«

»Ach so.« Die lockere kalifornische Version eines spanischen Slangs schien zu Ramsey zu passen. Aber unter dem Verhalten eines Gebrauchtwagenhändlers arbeitete ein wacher Verstand. Gordon war froh, daß der Mann sich der ersten Botschaft annahm und sie nicht einfach in den Papierkorb geworfen hatte. Es schien ein Glückstag zu sein; die Fäden kamen zusammen. Ja, ein Glückstag. Bis jetzt würde ich ihm eine Eins plus geben, dachte Gordon bei sich und machte sich auf den Weg zu Schriffer.

 

»Ich habe ihn für Sie rausgepickt«, sagte Saul bestimmt. Sein Finger senkte sich auf einen Fleck auf einer Sternenkarte. »Es ist ein Punkt ganz nah bei einem normalen F7-Stern. Er heißt 99 Herkules.«

»Aber nicht genau drauf?«

»Nein, aber sehr nah. Was steckt eigentlich hinter der Sache? Wofür braucht ein gestandener Physiker die Position eines Sterns?«

Gordon berichtete ihm von den wiederholten Signalen und zeigte ihm Coopers jüngste Entschlüsselung. Saul geriet in Erregung. Er und ein Russe namens Kadarsky schrieben gemeinsam an einem Artikel über die Entdeckung außerirdischer Zivilisationen. Ihre Arbeitshypothese war, daß Radiosignale der natürliche Kontaktträger waren. Aber wenn Gordons Signal als irdische Ausstrahlungen tatsächlich unerklärlich waren, regte Saul an, warum sollte man dann nicht die Hypothese außerirdischen Ursprungs in Betracht ziehen? Die Koordinaten wiesen eindeutig in diese Richtung.

»Sehen Sie – die Rektaszension ist 18 Stunden, 5 Minuten, 36 Sekunden. Und 99 Herkules ist dieser Punkt bei 18 Stunden, 5 Minuten, 8 Sekunden, eine geringe Abweichung. Die Deklination Ihres Signals ist 30 Grad, 29,2 Minuten. Das paßt.«

»So? Sie stimmen nicht exakt überein.«

»Aber sie sind verdammt nahe dran!« Saul fuchtelte mit den Händen. »Ein paar Sekunden Differenz ist nichts.«

»Woher, zum Teufel, kennt ein Außerirdischer unser System astrologischer Messungen?« gab Gordon zu bedenken.

»Woher kennen sie unsere Sprache? Natürlich, indem sie unseren alten Radioprogrammen zugehört haben. Hier – die Parallaxe für 99 Herkules ist 0,06. Das heißt, er ist über sechzehn Parsecs entfernt.«

»Was ist das?«

»Oh, etwa 51 Lichtjahre.«

»Wie können sie dann Signale aussenden? Das Radio gibt es seit rund 60 Jahren. Für die Hin- und Rückreise des Lichts reicht das nicht – es würde mehr als ein Jahrhundert brauchen. Also können sie nicht auf unsere Radiostationen antworten.«

»Richtig.« Einen Moment schien Saul am Boden zerstört. »Sie sagen, in der Botschaft steht noch mehr?« Er lebte wieder auf. »Lassen Sie es mich sehen!«

Nach wenigen Sekunden senkte sich sein Zeigefinger auf die Botschaft, und er rief: »Genau! Das ist es! Sehen Sie das Wort?«

»Welches?«

»Tachyon. Kommt aus dem Griechischen. Bedeutet ›Der Schnelle‹. Das heißt, sie benutzen überlichtschnelle Strahlen.«

»Ich bitte Sie!«

»Gordon, benutzen Sie Ihre Phantasie! Es paßt, verflixt noch mal!«

»Nichts ist schneller als Licht.«

»Diese Botschaft sagt das Gegenteil.«

»Das ist barer Unsinn.«

»Okay, und wie erklären Sie das? ›Müßte als Punktquelle im Tachyonenspektrum erscheinen 263 KEV Spitze‹. KEV – Kilovolt. Sie verwenden Tachyonen – was immer das auch sein mag – mit der Energie von 263 Kilovolt.«

»Zweifelhaft«, beharrte Gordon.

»Und der Rest? ›Kann mit NMR-Ausrichtung geprüft werden. Messung folgt.‹ NMR – Nukleare Magnetresonanz. Dann Unverständliches, ein paar Worte, dann wieder Kauderwelsch. SANDUNG VON 19BD 1998KKORDHOES und so weiter.«

»Nicht nur Kauderwelsch. Sehen Sie hier – der Rest besteht nur aus Punkten und Strichen.«

»Hmhm.« Saul beäugte die Struktur. »Interessant.«

»Saul, ich bin dankbar für…«

»Moment noch! 99 Herkules ist nicht nur irgendein Stern, müssen Sie wissen. Ich habe nachgesehen. Er paßt in die Klasse von Sternen, die nach unseren Vermutungen Leben möglich machen könnten.«

Gordon schürzte die Lippen und warf ihm einen zweifelnden Blick zu.

»Genau, ein F7. Kaum schwerer als unsere Sonne – mehr Masse, meine ich – und mit genügend großem Einzugsbereich, in dem Leben entstehen könnte. Er ist ein Doppelstern – Moment, ich weiß, was Sie sagen wollen«, sagte Saul. Seine geöffnete Hand schoß auf Gordon zu, der keine Ahnung hatte, was er sagen wollte. »Doppelsterne können keine bewohnbaren Planeten haben, richtig?«

»Hm? Warum nicht?«

»Weil die Planeten Perturbationen erfahren. Nur 99 Herkules hat dieses Problem nicht. Die beiden Sterne umkreisen einander alle 54,7 Jahre. Sie sind weit entfernt voneinander.«

»Gehören beide zur F7-Klasse?«

»Soweit wir wissen, nur der größere. Man braucht nur einen«, fügte er ohne Überzeugungskraft hinzu.

Gordon schüttelte den Kopf. »Saul, ich weiß…«

»Gordon, lassen Sie mich einen Blick auf die Botschaft werfen. Die Punkte und Striche, meine ich.«

»Sicher.«

»Tun Sie mir einen Gefallen! Ich glaube, das ist eine große Sache. Vielleicht sind unsere Vorstellungen über Radiokommunikation und die 21-Zentimeter-Linie des Wasserstoffs als natürliche Kommunikationsmittel – vielleicht sind sie alle falsch. Ich will Ihre Botschaft genau überprüfen. Legen Sie sich bitte noch nicht fest!«

»Okay«, entgegnete Gordon widerstrebend.

 

Als Gordon am nächsten Morgen seine Aktentasche ins Büro brachte, wartete Saul schon auf ihn. Sauls eifriger Blick und die tanzenden braunen Augen weckten eine Vorahnung in ihm.

»Ich hab’ sie geknackt«, sagte Saul knapp. »Die Botschaft.«

»Was…?«

»Die Punkte und Striche am Ende! Die keine Worte ergeben. Es sind keine Worte – sie sind ein Bild!«

Gordon warf ihm einen skeptischen Blick zu und stellte die Tasche ab.

»Ich habe die Punkte und Striche gezählt. ›Störungen‹, haben Sie gesagt. Es waren 1537 Striche.«

»Und?«

»Frank Drake und ich und eine Menge anderer Leute haben über Methoden nachgedacht, Bilder mit Hilfe einfacher an-aus-Signale zu übermitteln. Die Lösung ist einfach – man sendet ein rechteckiges Gittermuster.«

»Der wirre Teil der Botschaft? RECHTECK KOORDMAZALES und so weiter.«

»Genau. Um einen Rechteckraster anzulegen, muß man wissen, wie viele Linien man für jede Achse nimmt. Ich habe mehrere Kombinationen ausprobiert, die multipliziert 1537 ergeben. Funktioniert hat nur ein 29-mal-53-Raster. Wenn man die Striche nach dieser Vorgabe ordnet, ergibt sich ein Bild. Und außerdem sind 29 und 53 Primzahlen – eigentlich die logische Wahl, wenn man es genau bedenkt. Es gibt nur diese eine Möglichkeit, 1537 in ein Produkt von Primzahlen zu zerlegen.«

»Aha. Raffiniert. Und das hier ist das Bild?«

Saul reichte Gordon ein Stück Papier, auf dem für jeden Strich in der Botschaft ein Punkt eingetragen war. Es ergab sich eine komplexe Anordnung von Kurven, die sich, miteinander verwoben, von links nach rechts bewegten. Jede Kurve bestand aus einer Vielzahl von Punkten, die in einem regelmäßigen, aber komplizierten Muster angeordnet waren. »Was stellt es dar?« fragte Gordon.

»Ich weiß es nicht. Alle Testprobleme, die Frank und ich vorbereitet haben, ergaben Bilder von Sonnensystemen mit einem besonders hervorgehobenen Planeten. Das hier sieht gar nicht danach aus.«

Gordon warf die Zeichnung auf seinen Schreibtisch. »Welchen Zweck hat das Bild denn?«

»Nun – ach, zum Teufel! Es ist ein ungeheurer Fortschritt, wenn wir erst einmal dahintergekommen sind.«

»Tja…«

»Was ist los? Halten Sie meine Annahme für falsch?«

»Saul, ich weiß, Sie stehen im Ruf, über das – wie nennt Hermann Kahn es? – Undenkbare nachzudenken. Aber das hier…«

»Sie glauben, ich sauge mir das aus den Fingern?«

»Ich? Ich? Saul, ich habe diese Botschaft aufgespürt. Ich habe sie Ihnen gezeigt. Aber Ihre Erklärung! Überlichtschnelle Telegrammsignale von einem anderen Stern. Wobei die Koordinaten nicht ganz passen! Ein Bild, das sich aus den Störungen ergibt. Aber das Bild ergibt keinen Sinn! Ich bitte Sie, Saul.«

Saul war rot geworden. Die Hände in die Hüften gestemmt, trat er einen Schritt zurück. »Sie sind blind, wissen Sie das? Blind!«

»Sagen wir… skeptisch.«

»Gordon, Sie lassen mir keine Chance.«

»Chance? Ich gebe zu, Sie haben eine Spur. Aber solange wir Ihr Bild nicht begreifen, wissen wir nicht, wohin die Fährte führt.«

»Okay. O-kay«, sagte Saul dramatisch und hieb sich mit der Faust in die linke Handfläche. »Ich werde herausfinden, was diese Zeichnung bedeutet. Wir werden uns an die gesamte akademische Gemeinde wenden müssen, um das Rätsel zu lösen.«

»Was heißt das?«

»Wir müssen an die Öffentlichkeit.«

»Herumfragen?«

»Wen fragen? Welches Fachgebiet? Astrophysik? Biologie? Wenn man nichts weiß, muß man nach allen Seiten offen bleiben.«

»Ja… aber…« Plötzlich fiel ihm Ramsey ein. »Saul, es gibt noch eine andere Botschaft.«

»Was?«

»Ich habe sie vor Monaten empfangen. Hier.« Er wühlte in seinen Schreibtischschubladen, bis er die Abschrift fand. »Versuchen Sie’s mal damit!«

Saul studierte die langen Wortreihen. »Verstehe ich nicht.«

»Ich auch nicht.«

»Sind Sie sicher, daß der Text stimmt?«

»So sicher wie bei dem, was Sie bereits entschlüsselt haben.«

»Scheiße!« Saul ließ sich in einen Sessel fallen. »Das verwirrt die Angelegenheit allerdings.«

»Nicht wahr?«

»Gordon, es ergibt keinen Sinn.«

»Ebensowenig wie Ihr Bild.«

»Vielleicht empfangen Sie verschiedene Botschaften. Wenn man mehrere Radiosender einschaltet, bekommt man Musik auf dem einen, Sport auf dem anderen, Nachrichten auf dem dritten. Vielleicht haben Sie einen Empfänger, der einfach alles aufnimmt.«

»Hmm.«

Saul lehnte sich vor, die Hände gegen die Schläfen gepreßt. Gordon bemerkte, daß der Mann müde war. Wahrscheinlich war er die ganze Nacht aufgewesen, um das Bild zu entschlüsseln. Er spürte eine plötzliche Sympathie für ihn. Saul war als Förderer der Idee interstellarer Kommunikation bereits bekannt, und viele Astronomen hielten ihn für zu ungezügelt, zu spekulativ, zu jung und impulsiv. Doch das hieß noch lange nicht, daß er im Unrecht war.

»Okay, Saul, ich akzeptiere die Idee mit dem Bild – vorerst. Es kann kein Zufall sein. Also – was ist es? Das müssen wir herausfinden.« Er berichtete von Ramseys Ergebnissen. Zwar komplizierte das die Dinge nur, aber er fühlte, daß Saul ein Recht auf diese Information hatte.

»Gordon, ich bin trotzdem überzeugt, daß wir hier etwas in der Hand haben.«

»Das bin ich auch.«

»Ich meine, wir sollten an die Öffentlichkeit.«

»Auch mit der Biochemie? Der ersten Botschaft?«

»Nein…« Saul überlegte. »Nein, nur mit der zweiten Botschaft. Sie ist eindeutig. Sie wird seitenweise wiederholt. Wie oft haben Sie das erste Signal empfangen?«

»Einmal.«

»Das ist alles?«

»Das ist alles.«

»Dann vergessen wir es.«

»Warum?«

»Es könnte ein Entschlüsselungsfehler sein.«

Gordon fiel Lakins Geschichte über Lowell ein. »Nun…«

»Sehen Sie, ich habe mit diesen Dingen viel mehr Erfahrung als Sie. Ich weiß, was die Leute sagen werden. Wenn Sie den Schlamm an einer bestimmten Stelle aufwühlen, springt niemand ins Wasser.«

»Aber wir würden Informationen zurückhalten.«

»Zurückhalten, sicher. Aber nicht für immer. Nur bis wir herausfinden, was das Bild bedeutet.«

»Es gefällt mir nicht.«

»Wir geben ihnen nur ein Problem auf einmal.« Saul hob einen Finger. »Später erzählen wir die ganze Geschichte.«

»Es gefällt mir nicht.«

»Gordon, bitte, ich halte das für den richtigen Weg. Werden Sie meinen Rat beherzigen?«

»Vielleicht.«

»Ich nehme mich der Sache an, ich mache sie öffentlich. Man kennt mich. Ich bin ein irrer Typ, der mit interstellaren Radiosignalen und solchen Sachen rumspielt. Eine anerkannte Autorität in einem nichtexistenten Fachgebiet. Ich kann die Aufmerksamkeit der akademischen Gemeinde gewinnen.«

»Sicher, aber…«

»Ein Problem auf einmal, Gordon.«

»Nun ja…«

»Zuerst das Bild. Später das übrige.«

»Nun ja…« Gordon hatte eine Vorlesung. Von Saul ging ein hypnotischer Einfluß aus; er besaß die Fähigkeit, Auffassungen plausibel, ja sogar selbstverständlich erscheinen zu lassen. Aber ein Schweinsohr in einer hübschen Verpackung, dachte Gordon, war immer noch ein Schweinsohr. Trotzdem… »Okay. Sie steigen in den Ring. Ich bleibe draußen.«

»He! Danke.« Plötzlich schüttelte Saul seine Hand. »Ich weiß das zu schätzen, wirklich. Das ist ein großer Durchbruch.«

»Sicher«, sagte Gordon. Aber er empfand keine Freude.

Die CBS-Abendnachrichten mit Walter Cronkite begannen, als Gordon und Penny gerade ihr Abendessen beendeten. Sie hatte ein Souffle gemacht, und Gordon hatte einen weißen Beaujolais geöffnet. Beide fühlten sich in Hochstimmung. Sie gingen ins Wohnzimmer, um die Sendung zu sehen. Penny zog ihre Bluse aus; ihre kleinen, wohlgeformten Brüste mit den großen Warzen kamen zum Vorschein.

»Woher weißt du, daß sie es bringen?« fragte sie träge.

»Saul hat heute nachmittag angerufen. Er hat heute morgen in Boston ein Interview gegeben. Die lokale CBS-Redaktion hat es aufgenommen, aber wie er sagt, wird es bundesweit ausgestrahlt. Vielleicht ist sonst nicht viel los.« Mit einem Blick vergewisserte er sich, daß die Vorhänge zugezogen waren.

»Sieht so aus.« Es gab eine Hauptmeldung – das atomgetriebene U-Boot Thresher war ohne SOS-Ruf im Atlantik gesunken. Die Marine erklärte, ein technischer Defekt habe wahrscheinlich alle Kammern fluten lassen. Störungen in den elektrischen Schaltkreisen hätten zu Energieabfall geführt, das U-Boot sei immer tiefer gesunken und schließlich explodiert. 129 Mann waren an Bord gewesen.

Außer dieser deprimierenden Nachricht gab es wenig. Ein zweiter Bericht über die Mona-Lisa- Ausstellungin New York und Washington. Eine Vorschau auf den Start von Major L. Gordon Cooper jr., der mit der Faith 7 auf dem abschließenden Flug des Projekts Mercury zwei Tage um die Erde kreisen sollte. Eine Erklärung des Weißen Hauses, daß Südvietnam weitere Hilfe erhielte und der Krieg Ende 1965 siegreich beendet werden könne, falls die politische Krise dort die militärischen Bemühungen nicht entscheidend beeinflusse. Generäle grinsten in die Kamera, versprachen energischen Einsatz der südvietnamesischen Armee und eine kurze Säuberungsaktion im Delta. In New York waren die Bemühungen, Pennsylvania Station zu retten, fehlgeschlagen; die Abbruchbagger hatten ihre Arbeit aufgenommen, um das historische Gebäude für den Bau des neuen Madison Square Garden zu beseitigen. Das Pan-Am-Gebäude, einen Monat vorher eingeweiht, schien Symbol urbaner Zukunft zu sein. Vor der Kamera prangerte ein Kritiker den Abriß des Bahnhofsgebäudes an und bezeichnete das Pan Am als architektonische Scheußlichkeit, welche die drangvolle Enge in einem ohnehin überfüllten Stadtbezirk noch vermehrte. Gordon teilte seine Meinung. Der Kritiker schloß seinen Beitrag mit dem sehnsüchtigen Seufzer, daß ein Rendezvous unter der Uhr am Biltmore Hotel, direkt gegenüber vom Pan-Am-Gebäude, jetzt kein Vergnügen mehr sei. Gordon lachte, ohne richtig zu wissen, warum. Plötzlich kehrten sich seine Sympathien um. Er war nie mit einem Mädchen am Baltimore verabredet gewesen; das war eins der leeren WASP-Rituale[i] für Yalies und wohlbehütete Kinder, die sich mit The Catcher in the Rye identifizierten. Das war nicht seine Welt, war es nie gewesen. »Wenn das die Vergangenheit ist, dann scheiß’ ich drauf«, murmelte er vor sich hin. Penny warf ihm einen fragenden Blick zu, sagte aber nichts. Er brummte ungeduldig. Vielleicht tat der Wein seine Wirkung.

Dann kam Saul.

»Heute abend kommt aus der Yale University eine verblüffende Erklärung«, begann Cronkite. »Professor Saul Schriffer, ein Astrophysiker, behauptet, es sei möglich, daß Experimente in jüngster Zeit eine Botschaft von einer nichtirdischen Zivilisation aufgespürt habe.«

Das Bild wechselte zu Saul, der auf einen Fleck auf einer Sternenkarte deutete. »Die Signale scheinen von dem Stern 99 Herkules zu kommen, der unserer eigenen Sonne ähnelt. 99 Herkules ist 51 Lichtjahre entfernt. Ein Lichtjahr ist die Strecke…«

»Ein langer Bericht«, staunte Penny.

»Psst!«

»…die das Licht in einem Jahr zurücklegt, mit einer Geschwindigkeit von 300.000 Kilometern in der Sekunde.« Eine Einstellung zeigte Saul neben einem kleinen Teleskop. »Die potentielle Botschaft wurde mit einer Methode entdeckt, die die Astronomen nicht vorausgesehen hatten – in einem Experiment Professor Gordon Bernsteins…«

»Ach, du lieber Gott!« stöhnte Gordon.

»… an der University of California in La Jolla. Das Experiment betraf Niedertemperaturmessungen über die Anordnung von Atomen in einem Magnetfeld. Die Bernstein-Experimente werden noch geprüft – es ist nicht sicher, daß sie tatsächlich Signale einer fernen Zivilisation empfangen. Aber Professor Schriffer, der mit Bernstein, der die Signale entschlüsselte, zusammenarbeitet, will die Wissenschaftler aufrütteln.« Wieder wechselte das Bild. Jetzt schrieb Saul Gleichungen auf eine Wandtafel. »Die Botschaft enthält einen rätselhaften Teil, ein Bild…«

Eine sorgfältig gezeichnete Kopie der verflochtenen Kurven. Saul stand davor und sprach in ein Handmikrofon. »Ich muß betonen«, sagte er, »daß wir zur Zeit noch keine konkreten Behauptungen aufstellen. Aber wir wünschen uns die Hilfe der wissenschaftlichen Gemeinde bei der Lösung der Frage, was dies hier bedeuten könnte.« Es folgte eine kurze Beschreibung der Entschlüsselung.

Zurück zu Cronkite. »Einige Astronomen, die CBS heute nach ihrer Meinung befragte, äußerten sich skeptisch. Wenn Professor Schriffer aber recht behält, dann wäre das tatsächlich eine bedeutende Nachricht.« Cronkite setzte sein beruhigendes Lächeln auf. »Und das war’s für heute, Donnerstag, 12. April…«

Gordon schaltete Cronkite ab. »Verdammt!« fluchte er; er war wie vor den Kopf geschlagen.

»Ich hielt es für ganz gut aufgezogen«, bemerkte Penny.

»Gut aufgezogen? Er sollte meinen Namen auf keinen Fall erwähnen.«

»Wieso? Warum sollte dein Name nicht erscheinen?«

Fluchend schlug Gordon mit der Faust gegen die grau getünchte Wand. »Er hat alles verbockt, begreifst du das nicht? Schon als er mir die Sendung ankündigte, hatte ich ein ungutes Gefühl. Und da hast du’s – mein Name, mit dieser hirnrissigen Theorie in Verbindung gebracht!«

»Aber es sind doch deine Messungen…«

»Ich habe ihn aufgefordert, meinen Namen herauszuhalten.«

»Walter Cronkite hat deinen Namen genannt. Nicht Saul.«

»Das interessiert doch niemanden. Jetzt werde ich mit Saul in Verbindung gebracht.«

»Warum warst du nicht im Fernsehen?« fragte Penny unschuldig. Offensichtlich konnte sie die Aufregung nicht verstehen. »Nur Saul wurde in vielen Aufnahmen gezeigt.«

Gordon verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Das ist genau seine Tour. Die Wissenschaft zu ein paar Sätzen vereinfachen, ihr irgendeinen gewünschten Dreh geben, sie auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduzieren – Hauptsache, Saul Schriffer steht im Rampenlicht. Grellfarbenes Neonlicht. Mist. Nur…«

»Er hat sich die Namensnennung erschlichen, oder?«

Verwirrt blickte Gordon sie an. »Namensnennung…?« Er stellte seinen Marsch durch das Zimmer ein. Sie glaubte ernsthaft, er sei verärgert, weil sein Gesicht nicht auf dem Bildschirm erschienen war. »Herr im Himmel!« Plötzlich wurde ihm heiß. Er begann sein blaues Oberhemd aufzuknöpfen und überlegte, was er tun könnte. Mit Penny zu reden hatte keinen Sinn – sie hatte keinerlei Verständnis dafür, wie Wissenschaftler einen solchen Vorgang empfanden.

Schnaufend rollte er die Ärmel seines Hemdes hoch und ging in die Küche, wo sich das Telefon befand.

 

»Saul, ich bin fürchterlich sauer«, war Gordons erster Satz.

»Äh…« Gordon konnte sich ausmalen, wie Saul die richtigen Worte aussuchte. Das war eine seiner Stärken, doch diesmal sollte es ihm nicht gut bekommen. »Ich weiß, wie Sie sich fühlen, Gordon, wirklich. Ich habe die Sendung vor zwei Stunden gesehen, und sie war für mich genauso überraschend wie für Sie. Der Beitrag des Lokalsenders in Boston war okay, Ihr Name wurde nicht ausdrücklich genannt, genau, wie Sie es wollten. Sofort nach der Cronkite-Sendung habe ich sie angerufen, und sie erklärten mir, für den landesweiten Beitrag sei alles auf den Kopf gestellt worden.«

»Woher wußten die Fernsehleute davon, Saul, wenn Sie sie nicht…«

»Den Reportern in Boston mußte ich es sagen. Als Hintergrundinformation.«

»Sie haben mir versichert, mein Name käme nicht ins Spiel.«

»Ich habe getan, was ich konnte, Gordon. Ich wollte Sie anrufen.«

»Und warum haben Sie’s nicht getan? So wußte ich gar nicht…«

»Ich dachte, vielleicht hätten Sie doch nichts dagegen, nachdem Sie gesehen haben, wieviel Zeit wir bekommen haben.« Sauls Tonfall wechselte. »Es ist ein großes Spiel, Gordon. Die Leute werden aufmerksam.«

»Aufmerksam, ja, sicher«, sagte Gordon mißmutig.

»Wir kommen mit dem Bild weiter. Wir knacken es.«

»Wahrscheinlich wird es uns knacken, Saul. Ich habe gesagt, ich will da nicht reingezogen werden. Sie haben…«

»Begreifen Sie nicht, daß es unrealistisch war?« Sauls Stimme war ruhig und sachlich. »Ich habe Ihnen zugestimmt, sicher, aber es mußte herauskommen.«

»Nicht auf diese Art.«

»Glauben Sie mir, Gordon, so läuft es nun mal. Vorher sind Sie kein Stück weitergekommen, oder? Geben Sie es zu!«

Er atmete tief ein. »Wenn mich jemand fragt, Saul, werde ich antworten, daß ich nicht weiß, woher die Signale kommen. Und das ist die reine Wahrheit.«

»Aber es ist nicht die ganze Wahrheit.«

»Sie wollen mir etwas von ganzer Wahrheit erzählen? Sie, Saul? Sie, der mich überredet hat, die erste Botschaft zurückzuhalten?«

»Das ist etwas anderes. Ich wollte das Problem klären…«

»Das Problem klären, Scheiße! Hören Sie, wer mich auch fragt, ich werde sagen, daß ich Ihre Interpretation nicht teile.«

»Werden Sie die erste Botschaft bekanntmachen?«

»Ich…« Gordon zögerte. »Nein, ich will nicht noch mehr Aufsehen.« Er fragte sich, ob Ramsey an den Experimenten weiterarbeiten würde, wenn er die Botschaft veröffentlichte. Zum Teufel, alles, was er wußte, war, daß tatsächlich ein Element nationaler Sicherheit mitspielte. Gordon wußte, daß er dort nicht hineingezogen werden wollte.

»Gordon, ich kann Ihre Empfindungen verstehen.« Die Stimme nahm einen warmen Klang an. »Ich bitte Sie nur um eins: mich bei dem, was ich versuche, nicht zu behindern. Ich komme Ihnen nicht in die Quere und Sie mir nicht.«

»Nun…« Gordon verstummte, seine Energie war dahin.

»Und daß Cronkite Ihren Namen ins Spiel gebracht hat, tut mir wirklich leid. Okay?«

»Ich… okay«, murmelte Gordon, ohne wirklich zu wissen, wozu er sein Okay gegeben hatte.