19. Kapitel
Der eisige Nordost, der ihn draußen auf der Straße empfing, schien ihm nicht so grausam zu sein wie die ganze übrige Welt Als Bush klopfte, öffnete ihm eine kleine Frau mit harten Zügen. Sie sah womöglich noch härter drein, als er nach Leutnant Hornblower fragte.
»Oben unter dem Dach«, sagte sie endlich und überließ es Bush, seinen Weg zu finden.
Hornblowers Freude über das Wiedersehen war unverkennbar. Ein offenes Lächeln erhellte sein Gesicht, er zog Bush sofort ins Zimmer, während er ihm noch die Han schüttelte. Dieses »Zimmer« war eine gewöhnliche Dachkammer mit schräger Decke, es enthielt nur ein Bett, einen Nachttisch und einen Stuhl, sonst konnte Bush bei seiner ersten flüchtigen Umschau nichts, aber auch gar nichts darin entdecken.
»Wie geht es Ihnen denn?« fragte Bush und setzte sich auf den angebotenen Stuhl, während Hornblower auf dem Bettrand Platz nahm.
»Nicht übel«, erwiderte Hornblower - aber hatte er vor dieser Antwort nicht für den Bruchteil einer Sekunde schuldbewußt gezögert? Auf jeden Fall verwischte er die Wirkung seines verräterischen Zögerns durch die sofortige Gegenfrage: »Und wie steht es bei Ihnen?«
»So, so, la, la«, sagte Bush.
Eine Zeitlang sprachen sie über lauter gleichgültige Dinge, Hornblower wollte dies und jenes über das Häuschen in Chichester wissen, wo Bush bei seinen Schwestern wohnte.
»Wir müssen uns vor allem gleich um Ihr Bett kümmern«, sagte Hornblower, als ihnen für den Augenblick der Gesprächsstoff ausging. »Ich werde einmal hinuntergehen und mit Mrs. Mason sprechen.«
»Das beste ist, ich komme gleich mit«, sagte Bush.
Mrs. Mason lebte offenbar in einer harten, bösen Welt, sie ließ sich den Vorschlag sekundenlang durch den Kopf gehen, ehe sie ihn endlich annahm. »Gut, einen Shilling für das Bett.
Bei diesen Seifenpreisen kann ich das Bettzeug nicht billiger waschen.«
»Einverstanden«, sagte Bush.
Er sah, wie ihm Mrs. Mason gleich die Hand hinstreckte, und legte ihr einen Shilling hinein. Ihre Geste ließ keinen Zweifel, daß sie von Hornblowers Freunden im voraus bezahlt werden wollte. Hornblower war rasch in die Tasche gefahren, als er ihr unzweideutige Handbewegung sah, aber Bush war ihm zuvorgekommen.
»Sie reden natürlich die ganze Nacht miteinander«, sagte Mrs.
Mason. »Daß Sie mir ja meine anderen Zimmerherren nicht stören. Und machen Sie wenigstens das Licht aus, wenn Sie sich miteinander unterhalten, sonst verbrennen Sie mir ja allein für einen Shilling Talg.«
»Selbstverständlich tun wir das«, sagte Hornblower. »Maria!
Maria!« rief Mrs. Mason.
Eine junge Frau - nein, so ganz jung konnte sie nicht mehr sein - kam aus den unteren Regionen des Hauses die Treppe heraufgeeilt. »Ja, Mutter?«
Maria hörte sich geduldig an, wie und wo sie in Mr. Hornblowers Zimmer ein Feldbett aufschlagen sollte.
»Ist heute kein Unterricht, Maria?« fragte Hornblower freundlich.
»Nein, Sir.« Ein Lächeln erhellte ihr unscheinbares Gesicht und verriet, wie sehr sie sich über diese teilnehmende Frage freute.
»Ist denn schon Galläpfeltag? Nein, noch nicht, auch Königs Geburtstag ist noch nicht. Warum wird also gefeiert?«
»Der Mumps ist daran schuld, Sir«, sagte Maria. »Außer Bristow hat bei uns alles den Mumps.«
»Paßt ausgezeichnet zu dem, was Sie mir sonst über diesen famosen Johnnie Bristow erzählt haben«, sagte Hornblower.
»Ja, das stimmt, Sir«, sagte Maria und strahlte ihn wieder an.
Offenbar freute sie sich, daß Hornblower so lustig mit ihr plauderte und daß er sogar noch wußte, was sie ihm von ihrer Schule erzählt hatte. Als die beiden Leutnants nach dieser Exkursion wieder in ihrer Dachkammer saßen, vertieften sie sich gleich wieder in ein Gespräch, das sich diesmal in ernsteren Bahnen bewegte. Sie befaßten sich mit der Lage in Europa.
»Dieser Bonaparte«, sagte Bush, »ist doch ein ewiger Unruhestifter.«
»Das ist die richtige Bezeichnung für den Burschen«, stimmte ihm Hornblower zu.
»Kann er denn nicht genug kriegen? Sechsundneunzig, als ich auf der alten Super im Mittelmeer diente - damals bekam ich grade mein Leutnantspatent -, da war er noch ein kleiner General. Ich kann mich noch gut erinnern, daß ich seinen Namen zum erstenmal hörte, als wir gerade Toulon blockierten.
Dann zog er nach Ägypten - und jetzt ist er Erster Konsul, nicht wahr, so nennt er sich doch?«
»Ja, und aus dem Bonaparte ist gleichzeitig ein Napoleon geworden. Erster Konsul auf Lebenszeit.«
»Komischer Name: Napoleon. Ich möchte nicht so heißen.«
»Leutnant Napoleon Bush«, sagte Hornblower, »das klänge wirklich nicht sehr schön.«
Sie lachten beide herzlich über diese lustige Zusammenstellung.
»Morning Chronicle weiß zu melden, daß er angeblich bereits den nächsten Schritt vorbereite«, fuhr Hornblower fort. »Das heißt, er will sich zum Kaiser proklamieren lassen.«
»Zum Kaiser?«
Auch Bush wußte die Bedeutung dieses Titels zu ermessen, der einen universalen Machtanspruch in sich begriff.
»Ob er den Verstand verloren hat?« fragte Bush.
»Wenn ja, dann ist er bestimmt der gefährlichste Narr in ganz Europa.«
»Ich sage Ihnen, diesem Handel mit Malta traue ich nicht - icht über den Weg«, sagte Bush mit dem Nachdruck der Überzeugung. »Denken Sie an mich, wenn es wieder losgeht, ich sage Ihnen, es dauert nicht mehr lange. Boney braucht endlich eine Lektion, die er nicht so leicht vergißt, dazu müsse wir noch einmal gegen ihn antreten. So wie bisher geht es beim besten Willen nicht weiter.«
»Da gebe ich Ihnen vollkommen recht«, sagte Hornblower.
»Je eher wir ihn packen, desto besser.«
»Dann würde ja... «, stammelte Bush.
Er konnte unmöglich zugleich reden und denken, wenn sein ganzes Wesen in Aufruhr war. Das aber hatte plötzlich eine einfache und doch zwingende Schlußfolgerung bewirkt. Krieg mit Frankreich bedeutete sofortige Wiederaufrüstung der Marine. Die Invasionsdrohung Bonapartes und der Zwang, die Handelsschiffahrt zu schützen, bewirkten unter allen Umständen, daß jedes kleine Fahrzeug in Dienst gestellt wurde, das überhaupt noch schwamm und eine Kanone trug. Für ihn bedeutete dies das Ende der bösen Halbsoldmonate, bedeutete es, daß er endlich wieder ein Deck unter den Füßen haben und ein Schiff unter Segel führen durfte. Zugleich aber hieß es, wieder alles ertragen, was der Krieg an Schwerem mit sich brachte, neue Härten und Gefahren, neue Ängste und immer wieder endlose Langeweile. Alle diese Gedanken und Vorstellungen stürmten blitzschnell und ohne Unterbrechung auf ihn ein, bis sein armer Verstand einem tosenden Wirbel glich, in dem Gutes und Böses, Schönes und Häßliches einander jagten und eines das andere aus seinem Bewußtsein zu verdrängen suchte.
»Der Krieg ist und bleibt ein übles Geschäft«, sagte Hornblower feierlich. »Denken Sie nur an das, was wir schon selbst erlebt und gesehen haben.«
»Da mögen Sie recht haben«, sagte Bush. Es hatte wenig Sinn, über diese Frage zu rechten, allerdings war er über die Bemerkung Hornblowers einigermaßen überrascht. Aber Hornblower grinste ihn an und löste die entstandene Spannung, indem er bemerkte:
»Meinetwegen soll sich Boney Kaiser nennen. Für mich is die Hauptsache, daß ich jetzt in Long Rooms meinen halben Sovereign verdienen muß.«
Bush wollte Hornblower bei dieser Gelegenheit fragen, ob er in der letzten Zeit gut abgeschnitten habe, als er auf der Treppe draußen ein Gepolter hörte. Gleich darauf klopfte es an der Tür.
»Aha, da kommt Ihr Bett«, sagte Hornblower und trat zur Tür, um zu öffnen.
Maria wuchtete das Ding ins Zimmer und sah die beiden lächelnd an.
»Hierhin oder dorthin?« fragte sie.
Hornblower warf einen fragenden Blick auf Bush.
»Das ist mir ganz gleich«, sagte Bush.
»Dann stellen Sie es dort an die Wand.«
»Lassen Sie mich helfen«, sagte Hornblower.
»Nein, nein, Sir, Gott bewahre, Sir, ich schaffe das leicht allein.«
Hornblowers Aufmerksamkeit schmeichelte ihr, Bush konnte sehen, daß sie wirklich kräftig genug war und keine Hilfe brauchte. Um ihre Verlegenheit zu verbergen, begann sie auf das Bettzeug loszuklopfen und die Kissen in ihre Bezüge zu stopfen.
»Ich hoffe, Sie haben den Mumps schon gehabt, Maria«, sagte Hornblower.
»0 ja, Sir, schon als Kind, auf beiden Seiten.«
Die körperliche Anstrengung und die aufregende Nähe der beiden Männer hatten ihre Wangen gerötet. Mit kräftigen, aber geschickten Händen breitete sie das Leinentuch aus, hielt aber mittendrin plötzlich inne, weil ihr einfiel, was Hornblower mit seiner Frage gemeint haben konnte.
»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Sir, ich stecke Sie nicht an, wenn Sie den Mumps noch nicht gehabt haben sollten.«
»Daran hatte ich wirklich nicht gedacht«, sagte Hornblower.
»Ach, Sir«, sagte Maria und zog das Leinentuch faltenlos glatt. Sie breitete noch die Decken darüber und blickte erst auf, als sie fertig war.
»Gehen Sie jetzt gleich aus, Sir?«
»Ja, eigentlich sollte ich schon weg sein.«
»Geben Sie mir nur noch auf eine Minute Ihren Rock, Sir. Ich könnte ihn ein bißchen anfeuchten und auffrischen.«
»Ich möchte aber nicht, daß Sie sich solche Mühe machen, Maria.«
»Es macht mir keine Mühe, nicht die Spur. Bitte, lassen Sie mich machen, Sir. Der Rock sieht ja aus...«
»Er sieht eben aus, wie ein abgetragener Rock aussieht«, sagte Hornblower und sah an sich hinunter. »Gegen Altersschwäche ist noch kein Mittel erfunden.«
»Bitte, lassen Sie mich machen, Sir. Unten haben wir Hirschhorngeist, Sie werden sehen, wie der wirkt, glauben Sie mir, Sir.«
»Aber...«
»Wenn ich Sie darum bitte, Sir.«
Hornblower hob zögernd die Hand und öffnete den obersten Knopf.
»In einer Minute bin ich wieder da«, sagte Maria und sprang mit ausgestreckten Händen herbei, um auch die anderen Knöpfe zu lösen, aber Hornblower kam ihr mit seinen beweglichen Fingern zuvor. Er schlüpfte aus dem Rock, und sie nahm ihn gleich in Empfang. »Dieses Hemd haben Sie natürlich selbst genäht«, sagte sie vorwurfsvoll.
»Ja, das habe ich allerdings.«
Hornblower war es peinlich, sein verschlissenes, fadenscheiniges Hemd zur Schau stellen zu müssen. Mari musterte den aufgesetzten Flicken.
»Das hätte ich doch gern gemacht, Sir, wenn Sie es mir nur gesagt hätten.«
»Dann wäre die Arbeit gewiß erheblich besser ausgefallen.«
»Das wollte ich nicht damit sagen, Sir. Aber ich finde es nicht richtig, daß Sie Ihre eigenen Hemden flicken.«
»Für wen sollte ich sie denn sonst flicken?«
»Sie wissen immer gleich eine Antwort, da kommt unsereins nicht mit«, sagte sie. »Aber jetzt unterhalten Sie sich einen Augenblick mit dem Leutnant hier, ich will nur eben den Rock ein bißchen auffrischen.«
Sie eilte aus dem Zimmer, und man hörte, wie sie die Treppe hinunterlief. Hornblower sah Bush etwas wehmütig an.
»Aus irgendeinem Grunde tut es einem wohl, zu wissen«, sagte er, »daß es wenigstens einem Menschen auf der Welt nicht gleichgültig ist, ob man lebt oder nicht. Warum einem das wohl tut, das ist eine Frage, deren Beantwortung wir am besten der philosophischen Spekulation überlassen.«
»Ja, das leuchtet uns nicht so ohne weiteres ein«, sagte Bush.
Er hatte selbst zwei Schwestern, die ihn mit aller denkbaren Liebe umhegten, wenn immer es möglich war, und er war von jeher so an diese Fürsorge gewöhnt, daß er zu Hause ihre Dienste wie etwas Selbstverständliches entgegennahm.
Von der Kirche her hörte man die halbe Stunde schlagen, darüber fiel ihm ein, daß er ja noch einiges vorhatte.
»Sie gehen wohl gleich in die Long Rooms, nicht wahr?« ragte er.
»Ja, und Sie werden wohl nach der Werft gehen wollen, um der Kasse Ihren monatlichen Besuch abzustatten?«
»Ja.«
»Dann können wir zusammen bis zu den Long Rooms gehen - enn Sie Lust haben, heißt das -, sobald mir die gute Maria meinen Rock wiederbringt.«
»Genau das hatte ich auch im Sinn«, sagte Bush. Es dauerte nicht lange, da klopfte Maria wieder an die Tür. »Fertig«, sagte sie und hielt Hornblower den Rock hin. »Jetzt sieht er wieder sauber und adrett aus.«
Aber ihr Benehmen war jetzt irgendwie verändert, sie wirkte fast ein bißchen besorgt oder verängstigt.
»Was ist denn auf einmal mit Ihnen, Maria?« fragte Hornblower, der den Wandel sofort herausfühlte.
»Oh, nichts - ich wüßte wirklich nicht.. .«, wehrte sie ab und wechselte dann das Thema. »Ziehen Sie jetzt den Rock an, sonst kommen Sie noch zu spät.«
Während sie die Highbury Street entlanggingen, stellte Bush endlich die Frage, die ihn schon die ganze Zeit beschäftigt hatte.
Er wollte wissen, wie es Hornblower seit ihrem letzten Zusammensein in den Long Rooms ergangen war. Hornblower sah ihn von der Seite an.
»Nicht ganz nach Wunsch«, sagte er.
»Also schlecht?«
»Ja, ziemlich schlecht. Die Asse meiner Gegner sitzen neuerdings mit konstanter Bosheit mordlüstern hinter meinen Königen. Und die Könige meiner Gegner sitzen hinter meinen Assen, so daß sie alle Gefahren überstehen, wenn sie sich aus der Sicherheit der Hand hervorwagen und ihrem Herrn und Meister obendrein den Stich einbringen. Auf lange Sicht sind Glück und Unglück nach den Regeln der Mathematik gerecht verteilt, manchmal aber senkt sich eben die Waage für eine gewisse Zeit hartnäckig nach der falschen Seite, und das kann dann höchst unangenehm werden.«
»Ja, das begreife ich«, sagte Bush, obwohl er keineswegs so sicher war, daß er es wirklich begriffen hatte. Eines allerding war ihm klargeworden: Hornblower hatte schwer verloren.
Seine leichte Art, darüber zu reden, konnte ihn nicht einen Augenblick täuschen, denn dazu kannte er ihn nachgerade zu genau. Wenn er so wegwerfend sprach, dann hieß es, daß er sich größere Sorgen machte, als er zugeben wollte.
Jetzt hatten sie die Long Rooms erreicht und blieben vor dem Eingang stehen.
»Kommen Sie doch auf dem Rückweg herein und holen Sie mich ab«, forderte Hornblower auf. »In der Broad Street gibt es ein billiges Speisehaus, wo man für das Stammgericht nur vier Penny zahlt, mit Pudding kostet es sechs. Wollen wir da zusammen hingehen?«
»Ausgezeichnet, das tun wir. Besten Dank und alles Gute«, sagte Bush und setzte nach kurzem Zögern hinzu: »Seien Sie um Gottes willen vorsichtig.«
»Oh, ich passe schon auf«, sagte Hornblower und verschwand durch die Tür.
Bei Bushs letztem Besuch in Portsmouth hatte ganz anderes Wetter geherrscht als heute. Damals war klirrender Frost gewesen, und der Ostwind hatte schneidend kalt geweht, heute spürte man schon einen Hauch von Frühling in der Luft. Als Bush den Hard entlangging, tat sich zu seiner Linken die Hafeneinfahrt auf. Ihr schmutziges Wasser funkelte in der klaren, durchsichtigen Luft; eine schmucke Glattdeckskorvette lief mit der Ebbe aus, der leichte Windhauch aus Nordwest gab ihr gerade so viel Fahrt, daß sie dem Ruder gehorchte. Vielleicht hatte sie Post für Halifax an Bord oder Geld, um die Garnison von Gibraltar auszuzahlen. Es konnte aber auch sein, daß sie nur den Zollkuttern Verstärkung brachte, die jetzt so schwere Zeiten hatten, weil der Schmuggel seit dem Friedensschluß immer mehr überhand nahm. Was immer das Ziel dieses Schiffes war, seine Offiziere waren auf jeden Fall glücklich zu preisen: sie hatten ihren Posten und ihren dreijährigen Anstellungsvertrag sie hatten ein Deck unter den Füßen und eine Messe, in der es zu essen gab. Es war nicht auszudenken! Bush erwiderte den Gruß des Pförtners am Tor und betrat die Werft.
Der Nachmittag war schon vorgeschritten, als er wieder auftauchte und den Weg nach den Long Rooms einschlug.
Hornblower saß an einem Ecktisch und warf ihm einen lächelnden Blick zu, als er eintrat. Das Kerzenlicht gab seinen Zügen einen warmen Schimmer. Bush suchte nach der letzten Naval Chronicle und machte sich's bequem, um das Blatt zu lesen. Neben ihm ereiferte sich eine Anzahl Land- und Seeoffiziere in gedämpftem Ton über Bonaparte und hob hervor, wie schwer es sei, mit ihm auf der gleichen Erde zu leben, wobei immer wieder die gleichen Namen Malta und Genua, Santo Domingo und Miquelet in die Debatte geworfen wurden.
»Denken Sie an mich, wenn es soweit ist«, sagte einer der Offiziere und hieb sich mit der Faust in die hohle Hand. »Ich sage Ihnen, es kann nicht mehr lange dauern, dann haben wir wieder Krieg.«
Daraufhin erhob sich allgemeines zustimmendes Gebrumm.
»Aber dann geht es bis aufs Messer«, meldete sich ein anderer. »Wenn er uns zum Äußersten treibt, dann werden wir bestimmt nicht eher ruhen, als bis Mr. Napoleon Bonaparte am nächsten Baum hängt.«
Jetzt vergaßen seine Zuhörer in ihrer Begeisterung alle Rücksicht und brüllten los wie wilde Tiere im Käfig.
»Aber, meine Herren«, sagte einer der Spieler an Hornblowers Tisch und warf dazu einen Blick über seine Schulter. »Wir wären Ihnen wirklich verbunden, wenn Sie die Liebenswürdigkeit hätten, Ihr zweifellos aktuelles Gespräch in der entgegengesetzten Ecke dieses Saales fortzusetzen. Dieser Teil hier ist nämlich der Pflege des interessantesten und schwierigsten aller Spiele vorbehalten.«
Die Worte wirkten keineswegs unfreundlich und wurden i einer angenehmen hellen Tenorstimme gesprochen. Und doch blieb man keinen Augenblick im Zweifel, daß der Sprecher unbedingt Gehorsam heischte. »Jawohl, sofort, Mylord«, sagte einer der Seeoffiziere dienstbeflissen. Das veranlaßte Bush, schärfer hinzuschauen, und alsbald hatte er den Sprecher auch erkannt, obwohl es schon sechs Jahre her war, seit er ihn zuletzt gesehen hatte. Es war der Admiral Lord Parry, der nach Camperdown zum Peer von England ernannt worden war und jetzt den Posten eines Seelords der Admiralität bekleidete. Er gehörte also zu jenen Männern, die über das Wohl und Wehe eines Seeoffiziers zu befinden hatten. Der schneeweiße Lockenkranz um seine Glatze, der gütige Zug seines Altmännergesichts und der milde Tonfall seiner Stimme wollten schlecht zu dem Spitznamen »Knochenschinder« passen, den ihm seine Untergebenen vor langen Jahren im Amerikakrieg beigelegt hatten. Hornblower bewegte sich offenbar in illustrer Gesellschaft. Bush sah, wie Lord Parry seine magere weiße Hand ausstreckte und für Hornblower abhob. Seine bleiche Hautfarbe verriet auf den ersten Blick, daß er ebenso wie Hornblower lange nicht mehr auf See gewesen war. Hornblower teilte die Karten aus, und das Spiel nahm in lähmender Stille seinen Fortgang. Man hörte kaum, wie die Karten auf das grüne Tuch des Tisches niederfielen; wer einen Stich gewonnen hatte, nahm ihn geräuschlos an sich und ließ höchstens ein leises Schnappen hören, wenn er ihn zu den anderen legte. Die Reihe der Stiche, die vor Parry lagen, wurde länger und länger, sie glich einer Schlange, die lautlos über eine Felsplatte glitt, jetzt schloß sie sich zu einem Ring, jetzt reckte sie sich von neuem aus - dann war das Spiel zu Ende, und die Karten wurden zusammengeworfen.
»Klein Schlemm«, sagte Parry, und schon griff alles nach den Merktafeln. Mehr wurde nicht gesprochen, aber diese beiden kurzen Worte klangen so klar und deutlich durch die Stille wie zwei Glasen auf einer Mittelwache. Jetzt hob Hornblower ab und das Spiel nahm unter dem gleichen geheimnisvollen Schweigen seinen Fortgang. Bush fand diese Art zu spielen wenig reizvoll, er zog Spiele vor, bei denen es erlaubt war, zu schreien, wenn man verlor, und zu jubeln, wenn man gewann, vor allem fand er es viel schöner, wenn eine einzige Karte über Gewinn und Verlust entschied und nicht jedesmal alle zweiundfünfzig durchgespielt werden mußten. Aber damit hatte er natürlich unrecht. Whist übte zweifellos einen Zauber aus, einen gefährlichen, giftigen Zauber. War es etwa eine Art Opium? Nein, gewiß nicht. Es erforderte blitzschnelles Denken, es glich darin einem eleganten Gefecht mit blinkenden Floretts, das mit rohem, polterndem Säbelschwingen nichts gemein hat, und es konnte ebenso tödlich sein. Eine Florettklinge, die die Lunge durchbohrt, tötet ja mindestens so sicher, nein sicherer noch, als der Hieb eines Säbels. »Ein kurzer Rubber«, bemerkte Parry und brach damit das Schweigen, als die Karten nach dem letzten Spiel wieder auf einem Haufen lagen.
»Jawohl, Mylord«, sagte Hornblower.
Bush, den die Sorge scharfsichtig gemacht hatte, verfolgte gespannt jede Einzelheit. Er sah, wie Hornblower die Hand in die Brusttasche steckte, die nach seinen eigenen Worten den eisernen Bestand enthielt, und ein dünnes Päckchen Pfundnoten herauszog. Als er seinen Verlust gezahlt hatte, wanderte nur noch eine einzige Note in seine Tasche zurück.
»Sie haben wirklich ausgesuchtes Pech gehabt«, sagte Parry, während er seinen Gewinn einsteckte. »Ein um das andere Mal haben Sie beim Geben ausgerechnet die Farbe als Trumpf aufgelegt, von der Sie nur eine einzige Karte besaßen. Ich kann mich an kein Spiel erinnern, bei dem so ein Pech gleich zweimal hintereinander vorgekommen wäre.«
»Wenn man nur lange genug spielt, Mylord«, sagte Hornblower, »kann man erwarten, daß jede denkbare Kombination der Karten zustande kommt.«
Er sprach mit so viel wohlerzogenem Gleichmut, daß Bush im ersten Augenblick zu hoffen wagte, sein Verlust könnte nicht so groß gewesen sein, aber dann fiel ihm gleich wieder die einzelne Note ein, die er als Rest seiner ganzen Barschaft noch in der Brusttasche verwahrte.
»Immerhin, so hartnäckiges Pech erlebt man selten«, sagte Parry. »Dabei sind Sie ein ausgezeichneter Spieler, Mr. - Mr. -?
Ich bitte sehr um Entschuldigung, daß mir Ihr Name bei der Vorstellung entgangen ist.«
»Hornblower«, sagte Hornblower.
»Ach ja, richtig. Übrigens ist mir der Name bestimmt schon einmal aufgefallen, ich weiß nur nicht mehr bei welchem Anlaß.«
Bush warf einen raschen Blick auf Hornblower. War das nicht eine einzigartige Gelegenheit für ihn, einem leibhaftigen Seelord unter die Nase zu reiben, daß seine Beförderung zum Commander nicht bestätigt worden war? »Als ich noch Fähnrich war, Mylord«, sagte Hornblower, »da wurde ich auf der Justinian einmal seekrank, obwohl das Schiff auf dem Spithead vor Anker lag. Ich glaube, die Geschichte machte damals überall die Runde.«
»Nein, das war es nicht«, gab Parry zur Antwort. »Ihren Namen habe ich in einem anderen Zusammenhang gehört. Aber wir sind von dem abgekommen, was ich eigentlich sagen wollte.
Ich möchte Ihnen mein Bedauern ausdrücken, daß ich Ihnen nicht sofort Revanche geben kann, obwohl es mich lebhaft interessieren würde, Ihr Spiel noch eine Weile länger zu studieren.«
»Sie sind sehr gütig, Mylord«, sagte Hornblower. Bush wand sich förmlich in Krämpfen, als er das hörte - er hatte es schon die ganze Zeit getan, seit Hornblower diese unwiederbringliche Gelegenheit einfach schießen ließ. Jetzt hatten seine Worte wieder einen ganz unmöglichen Unterton mokanter Bitterkeit von dem der Admiral um Gottes willen nichts merken durfte.
Aber glücklicherweise kannte eben Parry Hornblower nicht so genau wie Bush.
»Leider«, sagte Parry, »bin ich heute abend beim Admiral Lambert zum Dinner eingeladen.«
Dieser Name kam für Hornblower so überraschend, daß er seine Maske fallen ließ.
»Admiral Lambert, Mylord?«
»Ja, kennen Sie ihn denn?«
»Ich hatte die Ehre, unter ihm auf der westindischen Station zu dienen. Dies hier ist Mr. Bush. Er war damals Führer der Landungsabteilung der Renown, die Santo Domingo zur Übergabe zwang.«
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, sagte Parry, wobei sein ganzes Gehaben verriet, daß diese Freude immerhin ihre Grenzen hatte. Ein Seelord konnte auch wirklich in Verlegenheit geraten, wenn ihm so ein abgemusterter Leutnant über den Weg lief, der sich vor dem Feind Verdienste erworben hatte. Parry wandte sich auffallend schnell wieder an Hornblower.
»Ich möchte Admiral Lambert nahelegen«, sagte er, »mit mir nach dem Dinner hierher zurückzukehren, dann könnte ich Ihnen doch noch eine etwas verspätete Revanche geben. Würden wir Sie in diesem Fall hier finden?«
»Ich fühle mich durch Ihr Anerbieten sehr geehrt, Mylord«, sagte Hornblower mit einer Verbeugung, aber Bush bemerkte sogleich, wie er dabei unwillkürlich nach seiner fast leeren Brusttasche griff.
»Sie haben also die Güte, diese halbverbindliche Aufforderung anzunehmen? Für Admiral Lambert kann ich ja leider nichts versprechen, außer, daß ich mein Bestes tun werde, ihn zum Kommen zu überreden.«
»Ich esse jetzt mit Mr. Bush, Mylord. Nachher stehe ich Ihne auf alle Fälle zur Verfügung.«
»Die Verabredung soll also für unseren Teil auf jeden Fall Geltung haben, nicht wahr?«
»Jawohl, Mylord.«
Parry verabschiedete sich mit all dem würdevollen Zeremoniell, das einem Admiral und Seelord anstand, sein Flaggleutnant, der ebenfalls zu dem Quartett am Whisttisch gehört hatte, öffnete ihm die Tür und ließ ihm mit ehrerbietiger Verbeugung den Vortritt. Als sie gegangen waren, sah Hornblower Bush grinsend an.
»Mir scheint, wir sind jetzt ebenfalls reif für eine Mahlzeit, wie?« sagte er. »Ja, es kommt mir auch so vor«, meinte Bush.
Das Speisehaus in der Broad Street wurde, wie fast zu erwarten war, von einem alten Seemann geführt, der mit einem Holzbein herumhumpelte. Er wurde dabei von seinem Sohn unterstützt, einem frechen, vorlauten Burschen, der die Bestellungen der Gäste entgegennahm, sobald sie auf den Bänken vor den groben gescheuerten Eichentischen Platz genommen harten und mit den Füßen in dem aufgestreuten Sägemehl wühlten. »Ale?« fragte der Junge. »Nein, kein Ale«, sagte Hornblower.
Dem frechen Gesicht des Bengels war leicht anzumerken, was er von einem Gentleman der Marine hielt, der nur einen Stamm für vier Pence aß und dazu überhaupt nichts zu trinken bestellte.
Er knallte die gehäuften Teller vor die beiden auf den Tisch: Gedünstetes Schaffleisch - nicht gerade reichlich -, dazu Kartoffeln, rote Rüben, Pastinaken, Graupen und einen Löffel voll Erbsenbrei, alles in einer undefinierbaren Sauce. »Das Zeug stillt wenigstens den Hunger«, sagte Hornblower. Das mochte richtig sein, aber dann hatte Hornblower in letzter Zeit jedenfalls nicht davon Gebrauch gemacht. Wohl führte er die ersten Bissen noch mit gespielter Gleichgültigkeit zum Mund, aber je länger er dann aß, desto größer wurde offenbar sein Appetit, so daß e seine Zurückhaltung immer mehr vergaß. In erstaunlich kurzer Zeit hatte er seinen Teller geleert, wischte ihn zuletzt mit Brot sorgfältig aus und aß dann auch noch dieses Brot. Bush, der selbst nicht eben langsam aß, war ganz bestürzt, als er bemerkte, daß Hornblower schon bis zum letzten Bissen aufgegessen hatte, während sein eigener Teller noch halb voll war.
Hornblower lachte etwas gezwungen. »Wenn man immer allein ißt, nimmt man eben schlechte Gewohnheiten an«, sagte er, und diese lendenlahme Entschuldigung verriet wohl am deutlichsten, wie peinlich es ihm war, sich verraten zu haben.
Kaum, daß er den Satz gesprochen hatte, merkte er das natürlich selbst und versuchte den Eindruck möglichst zu verwischen, indem er sich lässig zurücklehnte und wie zum Zeichen satten Wohlbefindens die Hände in seine Rocktaschen steckte. Er hatte das noch nicht ganz getan, da ging plötzlich ein erstaunlicher Wandel mit ihm vor. Das bißchen Farbe auf seinen Wagen verblaßte, sein ganzes Wesen verriet plötzlich fassungslose Bestürzung, um nicht zu sagen Entsetzen. Bush merkte sofort, daß irgend etwas mit ihm war, und dachte zuerst unwillkürlich an den Anfall irgendeiner Krankheit. Erst nachträglich kam er auf die Idee, Hornblowers merkwürdiges Gebaren darauf zurückzuführen, daß er in seinen Taschen etwas gefunden hatte. Aber so viel Entsetzen war denn doch unbegreiflich, so sah man nicht einmal drein, wenn man unversehens eine Giftschlange griff.
»Was ist denn, um Gottes willen, los?« fragte Bush. »So sagen Sie doch...«
Hornblower zog seine Rechte langsam aus der Tasche, hielt sie einen Augenblick fest um irgendeinen Gegenstand geschlossen und löste dann endlich langsam und zögernd seinen Griff, als wären davon unabänderliche und unabsehbare Folgen zu befürchten. Was zum Vorschein kam, war harmlos genug - ine Silbermünze, eine halbe Krone.
»Darüber brauchen Sie sich nun wirklich nicht so aufzuregen«, sagte Bush, der nun überhaupt nicht mehr wußte, was er denken sollte. »Ich würde mir keinen Augenblick Gedanken machen, wenn mir ein Geldstück in die Tasche schneite.«
»Aber... aber.. .«, stammelte Hornblower, und jetzt kam auch Bush' allmählich dahinter, was es damit für eine Bewandtnis hatte.
»Heute morgen war es bestimmt noch nicht drin«, sagte Hornblower und lächelte bitter vor sich hin. »Leider weiß ich nur zu genau, was ich an Geld in der Tasche habe.«
»Das kann ich mir denken«, stimmte Bush ihm zu, aber auch jetzt, wenn er sich alles wieder ins Gedächtnis rief, was heute morgen geschehen war, und die naheliegende Schlußfolgerung daraus zog, konnte er immer noch nicht verstehen, warum sich Hornblower so aufregte. »Das Mädel hat es hineingesteckt, nicht wahr?«
»Ja, Maria«, sagte Hornblower. »Es kann niemand anders gewesen sein. Darum also wollte sie unbedingt meinen Rock noch saubermachen.«
»Wahrscheinlich. Sie ist eine gute Seele«, sagte Bush.
»Mein Gott, ja«, sagte Hornblower. »Aber ich kann doch nicht... ich kann doch nicht...«
»Warum denn nicht?« fragte Bush und war sich im gleichen Augenblick darüber klar, daß es darauf keine Antwort gab.
»Nein«, sagte Hornblower. »Sie ist... sie ist... wenn sie nur nicht auf diesen Gedanken gekommen wäre. Das arme Ding...«
»Ach was, armes Ding!« sagte Bush. »Das Mädel wollte Ihnen ganz einfach einmal eine Freude machen.«
Hornblower sah ihn lange wortlos an, dann zuckte er die Achseln, als hätte er die Hoffnung aufgegeben, daß Bush ihn je begreifen könnte.
»Schauen Sie mich nur an«, sagte Bush ganz ungerührt und entschlossen, seine Stellung zu halten. »Sie brauchen sich wirklich nicht aufzuregen, als ob die Franzosen bei uns gelandet wären, nur weil Ihnen ein Mädchen ein Geldstück in die Tasche gezaubert hat.«
»Merken Sie denn nicht...?« begann Hornblower, aber er besann sich gleich darauf eines Besseren und gab jeden Versuch einer Erklärung endgültig auf. Unter Bushs forschendem Blick bekam er sich wieder ganz in die Gewalt. Der unglückliche Ausdruck schwand aus seinem Gesicht, und schon sah er wieder so undurchdringlich drein wie gewöhnlich - es schien, als hätte er ein Helmvisier herabgelassen.
»Schluß davon«, sagte er. »So, und jetzt wollen wir uns wenigstens einen guten Tag machen.«
Er klopfte mit der Münze auf den Tisch.
»Heda, komm her, Junge!«
»Sir?«
»Wir möchten einen Krug Wein. Schick sofort jemand los und laß ihn holen, hast du verstanden? Einen Krug Wein Portwein!«
»Jawohl, Sir.«
»Was für Pudding habt ihr heute?«
»Johannisbeer, Sir.«
»Gut, her damit, für jeden eine Portion und ordentlich Saft zum Darübergießen.«
»Gewiß, Sir.«
»Zu unserem Wein brauchen wir unbedingt Käse. Habt ihr Käse im Haus, oder müßt ihr ihn erst holen lassen?«
»Es ist welcher im Haus, Sir.«
»Dann trag ihn gleich auf.«
»Jawohl, Sir.«
War das nicht echt Hornblower, dachte Bush, daß er jetzt die Hälfte von seinem mächtigen Stück Pudding zurückschickte?
Und daß er auch von dem Käse nur ein winziges Eckchen in den Mund schob, kaum genug, um die Zunge auf den Weingenuß vorzubereiten. Er hob sein Glas, und Bush folgte seinem Beispiel. »Das erste Glas der schönen Spenderin«, sagte Hornblower.
Sie tranken, und dabei hatte Hornblower plötzlich ein Funkeln in den Augen, über das sich Bush Gedanken machte, obwohl er grade insgeheim beschlossen hatte, sich von Hornblowers rappeligen Launen nicht mehr anfechten zu lassen. Jetzt schien es ihm das beste, schleunigst von etwas anderem zu reden, und er tat sich etwas darauf zugute, wie taktvoll er diese Ablenkung zuwege brachte.
»Auf einen glückhaften Abend«, sagte er und hob seinerseits das Glas.
»Der wäre mir, weiß Gott, zu wünschen«, sagte Hornblower.
»Haben Sie denn noch etwas einzusetzen?« fragte Bush.
»Natürlich.«
»Und wenn Sie wieder eine Pechsträhne haben?«
»Ich darf noch einen Rubber verlieren«, sagte Hornblower.
»Ach...«
»Wenn ich aber den ersten Rubber gewinne, kann ich es mir schon leisten, die folgenden zwei zu verlieren, gewinne ich den ersten und zweiten, dann darf ich die nächsten drei verlieren und so weiter.«
»Hm.«
Das klang nicht gerade sehr aussichtsreich, und Hornblower blickte ihn dazu aus hölzernstarren Zügen mit ein paar Augen an, deren Glut Bush vollends aus der Fassung brachte, so daß er unruhig auf seinem Platz herumrutschte und möglichst rasch wieder ein neues Thema suchte.
»Die Hastings wird übrigens wieder in Dienst gestellt«, sagte er.
»Haben Sie auch schon davon gehört?«
»Ja, mit Friedensbesatzung - drei Leutnants, und alle drei sind schon seit drei Monaten designiert.«
»Das habe ich gleich befürchtet.«
»Einmal kommen wir auch noch dran«, sagte Hornblower.
»Darauf wollen wir trinken.«
»Glauben Sie, daß Parry Lambert in die Long Rooms mitbringen wird?« fragte Bush, als er sein Glas von den Lippen nahm.
»Das ist wohl so gut wie sicher.«
Jetzt schien ihn wieder die Unruhe zu packen.
»Ich muß bald wieder hingehen«, sagte er. »Man muß immerhin damit rechnen, daß Parry seinen Freund Lambert dazu veranlaßt, das Dinner so rasch wie möglich hinunterzuschlingen.«
»Wenn man ihn vorhin reden hörte, möchte man das fast annehmen«, sagte Bush und traf Anstalten, sich zu erheben.
»Wenn Sie keinen Wert darauf legen«, sagte Hornblower »möchte ich Sie übrigens auf keinen Fall veranlaßt haben, wieder mitzukommen. Vielleicht finden Sie es allzu langweilig, die ganze Zeit allein herumzusitzen.«
»Nicht um die Welt würde ich mich davon abhalten lassen«, sagte Bush.