13. Kapitel
Er machte sich denn auch mit Hingabe, ja mit Begeisterung ans Werk. Eine Aufgabe, wie sie Bush gestellt war, verlangte von ihrem Leiter aber nicht nur die Beherrschung des seemännischen Handwerks, sondern vor allem auch jene kluge Voraussicht, die allen denkbaren Gefahren und Schwierigkeiten vorbeugt, indem sie sich schon in der Vorstellung damit befaßt, ihnen zu begegnen. Grundlage dieser Fähigkeit kann natürlich nur langjährige Erfahrung sein, denn schließlich ist nur für den alten Seemann »alles schon einmal dagewesen«. So schloß auch Bush mit seinem gesunden Menschenverstand vom Erlebten, Erfahrenen her auf die Gesetzlichkeit dieser neuen Aufgabe, die ihm von Minute zu Minute vertrauter wurde - und kam zu brauchbaren Ergebnissen. Als das schwierige Manöver begann, hatte er auf diese Art alles vorausberechnet, was sich überhaupt vorausberechnen ließ. Sein Plan hatte keine Lücke, er mußte nach menschlichem Ermessen gelingen.
Dennoch wußte er nur zu genau, daß die dem Seemann so vertraute Tücke des Objekts immer noch Überraschungen bereithielt, denen man oft in Sekundenschnelle zu begegnen hatte. Darum verfolgte er voll Spannung, immer in Erwartung des Unerwarteten, wie das schwere Rohr, vorgeheißt von einer starken Gruppe kräftiger Männer, Pull um Pull den Steilhang emporschwebte, wie es dort endlich wieder festen Boden erreichte und schließlich von einem Dutzend Seesoldaten das letzte Stück Wegs bis zu seinem Aufstellungsort getragen wurde. Dem Rohr folgte auf dem gleichen Weg die Lafette, dann wurde das Geschütz auf der inzwischen gezimmerten Plattform montiert.
Damit war nach stundenlanger Arbeit in sengender Sonne für alle und so manchen angstvollen Sekunden für Bush die gestellte Arbeit in der Hauptsache gelöst. Als auch die Munition zur Stelle war, ergab ein Probeschuß, daß die Reichweite des Geschützes genügte, um die vor Anker liegenden Kaperschiffe unter Feuer zu nehmen. Jetzt erst konnte Bush seinen Männern etwas Ruhe gönnen und fand Zeit, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen und den Blick wieder einmal in die Ferne zu richten. Dort, wo das Fort lag, entdeckte er eine winzige Gestalt, die offenbar auf ihn zukam. Er hob das Glas ans Auge, der Mensch dort hatte eine weiße Hose an, bald rannte er, bald fiel er in Schritt und winkte dazwischen hier und da mit dem Arm, als ob er die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte. Der Gestalt nach konnte es Wellard sein. Er war es wirklich, jetzt konnte man schon deutlich erkennen, wie er durch das wellige Gelände bald rennend, bald gehend angestolpert kam. Als er beim Geschütz anlangte, schnappte er keuchend nach Luft, und der Schweiß lief ihm in Strömen über das Gesicht.
»Bitte - Sir«, begann er, und Bush war schon drauf und dran, ihn wegen seiner unmilitärischen Haltung anzubrüllen. Aber Wellard kam ihm zuvor: er zog seinen Rock zurecht, setzte seinen komischen kleinen Hut auf den Kopf und trat so steif un zackig auf seinen Vorgesetzten zu, wie es seine keuchenden Lungen erlauben wollten. »Mr. Hornblower läßt sich empfehlen, Sir«, sagte er und hob dazu seine Hand an den Hutrand.
»Nun, Mr. Wellard?«
»Er läßt Sie bitten, das Feuer nicht mehr zu eröffnen, Sir.«
Wellards Atem ging immer noch keuchend, mehr konnte er zwischen zweimal Luftholen nicht hervorstoßen. Der Schweiß rann ihm in die Augen, daß er zwinkern mußte, aber er stand straff und militärisch wie ein Mann und ließ sich nichts von seinem Zustand anmerken.
»Darf ich auch erfahren, warum, Mr. Wellard?«
Bush konnte die Antwort leicht erraten, aber er stellte die Frage doch, weil dieser Junge verdiente, daß man ihn ernst nahm.
»Die Dons haben kapituliert, Sir.«
»Ausgezeichnet! Und was wird aus diesen Schiffen da?«
»Sind unsere Prisen, Sir.«
»Hurra!« schrie Berry und warf begeistert die Arme in die Luft. Fünfhundert Pfund für Buckland, fünf Shilling für Berry, so kam es am Ende heraus, aber Prisengeld war eben Prisengeld, und wenn es das gab, dann rief man auf alle Fälle hurra.
Schließlich und endlich war ja ein schöner Sieg errungen, ein Piratennest war ausgehoben und ein ganzes spanisches Regiment gefangen. Endlich konnten die Geleitzüge unangefochten die Mona-Passage benutzen. Zu diesem ganzen Erfolg war es nur nötig gewesen, dieses eine Geschütz hier so aufzustellen, daß es die Ankerplätze bestreichen konnte. Das hatte die Dons auf einmal zur Vernunft gebracht.
»Sehr schön, Mr. Wellard, ich danke Ihnen.«
Endlich konnte Wellard zurücktreten und sich den Schweiß aus den Augen wischen. Bush dagegen stellte sich die bissige Frage, welche Klausel in den Bedingungen dieser Kapitulatio wohl zur Folge haben würde, daß ihm auch in der nächsten Nacht der Schlaf versagt blieb.