»Ja, ich glaube schon. Ich habe zwar den ganzen Vormittag Unterricht und muß um halb fünf zu einer Studentenversammlung, aber wahrscheinlich kann ich mich nach dem Mittagessen eine Weile verdrücken. Wenn es im Wald nicht mehr ganz so naß und Professor Arnes nicht allzu beschäftigt ist, bringe ich ihn vielleicht mit. Er spielt nämlich mit dem Gedanken, neue Bäume anzupflanzen.«
»Hervorragend! Daran hatte ich auch schon gedacht. Sie müssen ihn unbedingt mitbringen! Falls es im Wald noch zu naß ist, könnten wir uns zumindest über die verschiedenen Möglichkeiten unterhalten. Gute Nacht, Peter. Ich weiß Ihre Fürsorge wirklich zu schätzen, wissen Sie.«
»Auch wenn Sie sich wünschen, wir würden endlich aufhören, Sie zu bemuttern, und Sie endlich in Ruhe schlafen lassen. Gute Nacht, Winifred.«
Auch Peter legte sich schlafen, in der Erwartung auf einen schönen, klaren Tag nach dem Sturm. Doch im Laufe der Nacht zogen weitere Wolkenfelder auf. Am nächsten Morgen war der Himmel wieder völlig bedeckt, der Wetterfrosch im Fernsehen war alles andere als zuversichtlich und sagte weitere Regenfälle voraus. Peters Studenten wirkten genauso düster wie der Himmel, doch er riß sie schnell aus ihrer Trübsinnigkeit. Er führte zwar kein so strenges Regiment wie der berüchtigte Kapitän Bligh, doch in Professor Shandys Seminaren hatte bis jetzt noch niemand gewagt, sich vor der Arbeit zu drücken.
Trotzdem war er froh, als er gegen Mittag den Unterrichtsraum endlich verlassen konnte. Er floh in die Fakultätsmensa, setzte sich zu Tim und Dan Stott und bestellte das Montagsmenü, was immer es auch sein mochte, und zum Nachtisch ein Stück Pie. Der Student, der sie bediente, fragte gar nicht erst, welche Sorte Pie er wünsche, denn in dieser Jahreszeit bedeutete Pie automatisch Apple Pie, wenn man nicht ausdrücklich auf einer anderen Geschmacksrichtung bestand. Die genauen Bestandteile des Montagsmenüs konnte Peter leider nicht eindeutig identifizieren, aber dafür schmeckte es gar nicht mal schlecht.
Helen kam heute nicht in die Mensa, da sie gemeinsam mit ihrer Freundin Grace Porble, der Gattin des Bibliothekars, zu Mittag aß. Tim konnte ihn leider nicht zur Station begleiten, da einer seiner Studenten einen faszinierenden Dreckklumpen mitgebracht hatte, den sie gemeinsam mit einigen privilegierten Auserwählten unbedingt analysieren mußten. Dan war ebenfalls anderweitig beschäftigt, da er in den Zuchtställen des Colleges ein Seminar über Schweinezucht für Fortgeschrittene abhielt.
»Dann muß ich eben allein gehen«, sagte Peter.
»Genauso entschlossen und resolut hätte sich der >kleine Frech-dachs< auch ausgedrückt.« Dan Stott las seinen Enkelkindern, von denen er momentan stolze
dreiundzwanzig besaß, ein Urenkelchen wurde in Kürze erwartet, häufig Tiergeschichten vor. »Bon voyage, mein Guter.«
Auf seinem Weg zum Wagen machte Peter einen kleinen Schlenker und schaute kurz im Polizeirevier vorbei, wo er Fred Ottermole antraf, der gerade ein Schinkenbutterbrot mit seinem Freund Edmund teilte.
»Hey, Edmund, jetzt mach aber mal halblang mit dem Schinken. Ich hab' schließlich auch Hunger, weißt du. Tag, Professor. Meine Güte, ich wünschte, Edmund hätte was für Senf übrig. Was das Auto betrifft, die Jungs von der Staatspolizei waren inzwischen hier und haben es auf den Kopf gestellt, aber wir haben nichts gefunden, bloß das schwarze Notizbuch, aber das kennen Sie ja schon, also hat Budge den Wagen wieder zurück zum >Happy Wayfarer< gebracht. Die hätten uns sicher 'ne saftige Rechnung aufgebrummt, wenn wir den Wagen noch länger hierbehalten hätten. Haben Sie übrigens rausfinden können, was die komischen Hühnerspuren in dem Notizbuch bedeuten?«
»Mehr oder weniger.«
Peter gab dem Polizeichef eine kurze Zusammenfassung der Hühnerspuranalyse, ließ ihn total verdattert zurück, holte seinen Wagen und fuhr schnurstracks zur Forschungsstation. Zu seinem großen Erstaunen fand er Winifred Binks schäumend vor Wut vor.
»Keine Ahnung, was heute in die Leute gefahren ist«, schnaubte sie. »Vor einer Weile habe ich Mr. Sopwith wegen der Lackovites-Aktien angerufen, Sie wissen ja, daß ich sie heute abstoßen wollte. Er behauptete, die Börse sei lustlos, was immer er damit auch gemeint haben mag, und daß er es für unklug halte, heute zu verkaufen. Daraufhin habe ich mich mit Präsident Svenson in Verbindung gesetzt. Er sagte, die Börse sei mitnichten lustlos, und Sopwith rede dummes Zeug. Also habe ich Mr. Sopwith wieder angerufen und es ihm ausgerichtet, woraufhin er höchst unangenehm wurde. Ich war gezwungen, ihn zurechtzuweisen.«
»Gut gemacht«, sagte Peter. »Und was ist mit Golden Apples?«
»Das ist auch so eine Sache. Mr. Debenham sollte sich heute morgen als erstes mit den Compotes in Verbindung setzen und ein Treffen vereinbaren. Als ich um elf immer noch nichts von ihm gehört hatte, habe ich ihn angerufen, um nachzufragen, was sich ergeben hat. Er teilte mir mit, daß er wie vereinbart bei Golden Apples angerufen habe, doch die Compotes seien leider nicht zu sprechen gewesen. Er habe eine Nachricht hinterlassen, doch sie hätten ihn bisher nicht zurückgerufen. Daraufhin habe ich selbst dort angerufen, aber mich haben sie bis jetzt auch noch nicht zurückgerufen. Viola führt sich auf wie ein verschrecktes Kaninchen, und Knapweed hockt herum und brütet vor sich hin, so daß ich mittlerweile große Lust verspüre, mich in meine Höhle im Wald zurückzuziehen. Ich werde die Compotes noch einmal anrufen, und zwar jetzt sofort. Würden Sie mich bitte einen Moment entschuldigen?«
»Aber selbstverständlich.«
Peter hütete sich, ihr anzubieten, den Anruf für sie zu erledigen, da Winifred sehr wohl selbst in der Lage war, ihre Angelegenheiten zu regeln. Es war interessant, sie dabei zu beobachten.
»Hallo«, sagte sie gerade, »mein Name ist Winifred Binks. Ich würde gern auf der Stelle entweder mit Mr. oder Mrs. Compote sprechen. Ich habe heute schon mehrfach angerufen, könnten Sie mir also erklären, warum sie immer noch nicht zurückgerufen haben? Sie sind die ganze Zeit draußen in der Fabrik gewesen? Und es gibt keine Möglichkeit, sie dort zu erreichen? Dann schlage ich vor, Sie gehen in die Fabrik und suchen sie. Bitte veranlassen Sie, daß einer der beiden mich umgehend anruft, es ist wirklich äußerst dringend. Meine Telefonnummer kennen Sie ja, ich habe sie Ihnen heute morgen bereits durchgegeben.«
Für alle Fälle gab Winifred sie ein weiteres Mal durch. Sie hatte zu gute Manieren, um den Hörer auf die Gabel zu knallen, doch es fehlte nicht viel daran.
»Peter, ich kann die Compotes einfach nicht verstehen. Man könnte fast meinen, sie würden versuchen, mir aus dem Weg zu gehen, aber warum sollten sie das? Es sei denn, es hat sich eine Katastrophe ereignet, vielleicht hat der Sturm gestern ihre Soja-bohnen ruiniert oder was weiß ich. Aber warum hat dieses schnippische kleine Biest nicht genug Grips im Kopf, mich aufzuklären?«
»Weil ihr dazu wahrscheinlich der nötige Grips fehlt, wäre die naheliegendste Erklärung.«
»Dann werde ich dafür sorgen, daß man sie hinauswirft und jemand einstellt, der seine Arbeit besser erledigt als sie. Falls mich die Compotes bis heute abend nicht angerufen haben, werde ich Knapweed bitten, mich hinzufahren. Vermutlich ist es ein wenig zu weit, um mit dem Fahrrad hinzuradeln. Viola, bitte rufen Sie Mr. Sopwith an, und finden Sie heraus, was mit den Lackovites-Aktien passiert ist. Ich habe nicht das Bedürfnis, selbst mit ihm zu sprechen, ich will bloß, daß sich der Mensch auf die Hinterbeine setzt und tut, was man ihm aufträgt.«
Viola richtete ihr aus, Mr. Sopwith telefoniere gerade und werde zurückrufen, sobald er frei sei. Winifred atmete mehrmals tief durch, woraufhin das Feuer in ihren Augen zu einem Glimmern erstarb. »Wie ich sehe, ist Timothy Arnes nicht mitgekommen, Peter. Heute scheint wirklich nicht mein Tag zu sein. Was genau will er denn unbedingt mit mir besprechen?«
Genaugenommen konnte man eigentlich nicht sagen, daß Tim das dringende Bedürfnis nach einem Gespräch mit Winifred geäußert hatte, doch Peter schien es wenig ratsam, ihr dies ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt mitzuteilen. Er war froh genug, das Thema wechseln und sich über Weißeschen auslassen zu können, und sie war offenbar erleichtert, endlich über etwas anderes als ihre Finanzen reden zu dürfen. Doch auch sie mußte zugeben, daß es viel zu naß war, um draußen nach möglichen Pflanzstellen Ausschau zu halten. Statt dessen holte sie eine große topographische Landkarte, die ihr Großvater einst von seinem Grundbesitz hatte anfertigen lassen, als er allen Ernstes mit dem Gedanken spielte, anstelle von Schulbussen Lamakarawanen einzusetzen, und sie verbrachten eine angenehme Stunde damit, die Karte genauestens in Augenschein zu nehmen.
Winifred kannte jeden Zentimeter des riesigen Geländes und praktisch alles, was darauf wuchs, und sie wußte genau, wo sich welcher Baum befand. Die Entscheidung, was unangetastet bleiben und was im Interesse höherer Ziele entfernt werden sollte, wollte sie jedoch lieber Experten überlassen, behauptete sie jedenfalls.
»Ich brauche sicher nicht zu erwähnen, daß wir uns auch über die Wildblumen Gedanken machen müssen, Peter. Wir sollten überlegen, welche gefährdeten Arten wir hier erfolgreich anpflanzen können. Außerdem glaube ich, daß wir uns darum kümmern sollten, daß die wilden Himbeeren und Brombeeren ertragreicher werden, ohne Kulturpflanzen aus ihnen zu machen. Mag sein, daß ich allzu optimistisch bin, aber halten Sie es nicht auch für möglich, daß Dr. Svensons Tochter und ihr Ehemann uns bei der Bewältigung dieses Problems helfen könnten?«
»Bestimmt sogar. Birgit und Hjalmar brennen nur darauf, für die Station zu arbeiten, obwohl ich bezweifle, daß sie so spät im Jahr noch viel ausrichten können. Was meinen Sie, Calthrop?«
»Die Rosaceae gehören nicht zu meinem Spezialgebiet«, knurrte der Botaniker.
»Was in aller Welt ist dem denn über die Leber gelaufen?« fragte Viola.
»Darüber brauchen Sie sich nun wirklich keine Sorgen zu machen«, fauchte Winifred. »Viel lieber würde ich wissen, was Mr. Sopwith über die Leber gelaufen ist. Sie sagten doch, er wolle zurückrufen.«
»Ich weiß. Vielleicht wartet er darauf, daß die New Yorker Börse schließt.«
»Oder daß die Börse in Tokio öffnet. Ich für meinen Teil habe heute genug gewartet. Versuchen Sie Ihr Glück noch mal.«
Viola versuchte. Mr. Sopwith hatte gerade das Büro verlassen.
»Dann rufen Sie jetzt Mr. Debenham an. Ich will wissen, wie man es anstellt, seinen Vermögensverwalter zu feuern.«
Mr. Debenham war mitten im Gespräch mit einem Mandanten und wollte so schnell wie möglich zurückrufen. Peter schaute auf die Uhr und beschloß, daß er die große Explosion lieber nicht miterleben wollte.
»Ich - eh - muß Sie jetzt leider verlassen, Winifred. Die Studentenversammlung fängt gleich an. Rufen Sie mich doch nach sechs zu Hause an, falls noch irgend etwas passieren sollte, über das Sie gern reden möchten.«
»Vielen Dank, Peter. Ich glaube, ich werde auf Ihr Angebot zurückkommen, selbst wenn ich wahrscheinlich bloß über Bankangestellte und Anwälte schimpfen werde, ganz zu schweigen von den Compotes. Das Verhalten dieser Leute ist mir einfach unbegreiflich.«
»Eh - Sie glauben nicht zufällig, daß die Compotes Ihnen vielleicht aus dem Weg gehen, weil sie befürchten, Sie wollten ihnen irgendeine unangenehme Mitteilung machen?«
»Wie kann ich die Leute denn beruhigen, wenn sie nicht mit mir reden wollen?«
»Da haben Sie allerdings recht.«
Peter blickte zuerst hinüber zu Knapweed, der mit finsterer Miene am Tisch hockte und getrocknetes Labkraut sortierte, dann zu Viola, die nervös hinter ihrem Schreibtisch thronte. Zur Begrüßung hatte sie ihm zwar ein flüchtiges Lächeln geschenkt, danach hatte sie sich jedoch sofort wieder hinter ihrem Computer ver-schanzt und mit hektischen, ängstlichen Bewegungen die Tastatur bearbeitet, als fürchte sie, die Tasten könnten ihr jeden Moment in die Finger beißen.
»Wissen Sie was, Winifred«, sagte er, »wenn Sie bis heute abend nichts von den Compotes gehört haben, sagen Sie mir einfach Bescheid. Dann komme ich morgen früh vorbei und fahre Sie hin.«
»O Peter, das kann ich wirklich nicht annehmen. Sie haben doch Unterricht-«
»Nur im Labor. Das kann meine Assistentin übernehmen, sie freut sich bestimmt über ein wenig Unterrichtspraxis. Falls sich die Compotes melden sollten, fahren wir trotzdem. Sagen Sie ihnen einfach, wir wären gegen halb elf bei ihnen. Ich hole Sie um neun ab, das müßte Zeit genug sein. Die Firma befindet sich in Briscoe, etwa zwanzig Meilen hinter Clavaton, ich habe die Entfernung schon auf meiner Straßenkarte nachgesehen.«
»Das ist wirklich reizend von Ihnen, Peter. Sind Sie sicher, daß Präsident Svenson nichts dagegen hat?«
»Warum sollte er? Es ist doch sozusagen eine interne Angelegenheit, die auch das College betrifft. Also dann, bis morgen.«
Peter hatte sogar noch zehn Minuten Zeit, als er in Balaclava ankam, stellte den Wagen ab, marschierte den Hügel zum Campus hoch, machte diversen Studenten die Hölle heiß und ging nach Hause.
Heute würde es kein romantisches Abendessen mit Helen geben. Sie war Gastreferentin bei der Clavaton Historical Society und kam sicher nicht vor zehn zurück. Peter spielte mit der Idee, ein paar Rühreier in die Pfanne zu schlagen, hielt es jedoch für klüger, lieber ein wenig auszuspannen, bevor er sich auf den Weg zur Fakultätsmensa machte. Er fütterte Jane, mixte sich einen Scotch mit Soda und machte es sich mit der Abendzeitung gemütlich, bis Dr. Svenson auftauchte, um sich einen Bericht über den Fortlauf der Ereignisse geben zu lassen.
»Legen Sie los, Shandy.«
»Die Staatspolizei versucht, etwas über Emmerick herauszubekommen, nichts Neues von Fanshaw, und Goodheart übernimmt morgen früh meinen Unterricht. Ich fahre mit Winifred Binks zu Golden Apples.«
»Warum?«
»Es scheint die einzige Möglichkeit zu sein, um mit den Compotes Kontakt aufzunehmen. Auf Winifreds Anrufe haben sie nicht reagiert, jedenfalls hatten sie noch nicht zurückgerufen, als ich losgefahren bin, was allerdings schon einige Stunden zurückliegt. Und Sopwith weigert sich schlichtweg, die Lackovites-Aktien zu verkaufen. Ich glaube, darüber haben Sie schon mit ihr gesprochen.«
»Ungh. Zwei Punkte gestiegen, weiß der Teufel, wieso. Idealer Zeitpunkt, sie abzustoßen. Verdammter Schwachkopf, sie sollte ihn feuern.«
»Das hatte sie gerade vor, als ich losfuhr. Ich glaube nicht, daß wir uns um Winifreds Durchsetzungsvermögen sorgen müssen, ich habe sie noch nie so wütend erlebt, es war wirklich höchst eindrucksvoll. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Warum nicht? Zu Hause gibt man mir nichts. Sieglinde hat alles weggeschlossen. Behauptet, ich wäre zu dick.«
»Unsinn. Nichts als pure Muskelkraft. Scotch?«
»Gern.«
Als Peter schließlich mit dem gewünschten Drink und einem Teller mit Brot und Käse aus der Küche zurückkam, hatte Svenson Jane auf dem Schoß, das Abendblatt in der Hand, die Lesebrille auf der Nase und saß gemütlich in Peters Sessel.
»Mein Gott, Präsident, ich sollte Sie wegen böswilliger Entfremdung liebgewonnener Haustiere verklagen.«
»Größere Knie.«
Svenson mochte zwar gelegentlich mit Menschen grob umspringen, Tieren gegenüber verhielt er sich jedoch immer äußerst sanft. Er ließ seinen riesigen Zeigefinger zärtlich über den schwarzen Streifen zwischen Janes zierlichen Öhrchen gleiten, dann griff er zum Käsemesser und schnitt sich ein dickes Stück Cheddar ab. Der Käse war ausgezeichnet, ein Produkt der Molkereiabteilung des Colleges. »Hat Sieglinde mir auch verboten«, murmelte er mit vollem Mund.
»Erinnert mich irgendwie an die Maus, die tanzt, wenn die Katze aus dem Haus ist, doch in Ihrem Fall stimmt es nicht so ganz. Haben Sie schon zu Abend gegessen?«
»Wollte eigentlich hier bei Ihnen schnorren. Wo ist Helen denn?«
»Sie läßt sich feiern. Ich hatte vor, eine Kleinigkeit in der Fakultätsmensa zu essen. Sind Ihre Töchter nicht da?«
»Alle bei Birgit. Ihre Mutter abholen. Ich wäre auch gern mitgefahren, verdammt noch mal! Hatte mal wieder keine Zeit. Das Haupt unter der Propellermütze findet keine Ruhe.«
»Grundgütiger, das weckt Erinnerungen! Ich wurde ins Büro des Schuldirektors befohlen, weil ich meine Propellermütze in der Schule anhatte. Heutzutage sind die Lehrer froh, wenn ihre Schüler überhaupt noch etwas anhaben.«
Svenson schnitt sich ein weiteres Riesenstück Käse ab. »Hatte viel für sich, die Kleiderordnung damals. Hat die Kinder daran erinnert, wo sie waren und warum sie dort waren. Die Welt geht vor die Hunde, Shandy. Heute müssen sich Kinder Vorlesungen über Drogen anhören, hocken vor dem Fernseher und glotzen Werbung. Erwachsene jammern über Spannungskopfschmerzen, Senkfüße, was weiß ich. Werfen irgendwelche Pillen ein und runter damit! Den Herstellern von dem Teufelszeug sollte man Daumenschrauben anlegen. Diese gottverdammten Lackovites! Habe heute in Yoads Klassen Laboranalysen machen lassen. Das einzige, was bei deren Fraß wirklich gedeiht, ist Darmkrebs. Möchtest du auch ein bißchen Käse, Janie?«
»Sie hat bereits zu Abend gegessen«, sagte Peter. »Womit wir wieder bei unserer Ausgangsfrage wären. Sollen wir sofort losgehen, oder möchten Sie lieber vorher noch einen kleinen Drink?«
»Ich wäre für den Drink. Sieglinde wäre dagegen. Also gehen wir lieber!«
Doch Svenson rührte sich nicht von der Stelle, noch erhob er irgendwelche Einwände, als Peter sein Glas zurück in die Küche trug, um es wieder aufzufüllen.
»Eigentlich ist es nur halbvoll, Präsident. Ich habe bloß einen großen Eiswürfel zusätzlich hineingeworfen, damit es etwas voller aussieht.«
»Ungh.« Svenson leerte das Glas in einem Zug und stellte es weg. »Bin müde, Shandy. Werde wohl allmählich alt. Vielleicht muß ich schon bald den Löffel abgeben.«
»Irgendwann müssen wir alle abtreten. Was Sie brauchen, ist lediglich eine ordentliche Mahlzeit unter Ihren Gürtel. Haben Sie heute mittag was gegessen?«
»Kann mich nicht erinnern. Diese gottverdammten Reporter sind mir den ganzen Tag auf die Pelle gerückt, lauerten auffrische Leichen. Habe ihnen empfohlen, den Gemeinde- und Sprengel-Anzeyger zu lesen. Jessas, Ihr Telefon klingelt. Die müssen irgendwie rausbekommen haben, daß ich hier bin. Gehen Sie bloß nicht ran.«
»Ich werde es müssen. Ich habe Winifred gesagt, sie solle mich anrufen, wenn - hallo?«
»Oh, Professor Shandy!« Im ersten Moment konnte Peter die Stimme des Anrufers niemandem zuordnen, aber dann erkannte er Viola Buddley. »Die haben sie entführt! Professor Binks! Sie ist verschwunden!«