»Wie scharfsinnig von Ihnen, Peter. Ich muß gestehen, an diese Möglichkeit hatte ich noch gar nicht gedacht. Das liegt wohl daran, daß ich von einer unverheirateten Tante großgezogen wurde, nehme ich an. Vielleicht sollten wir zum Waldrand gehen und uns mit lauter Stimme über die Schönheiten der Natur unterhalten.«
Thorkjeld Svenson hatte anscheinend gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden, er schoß bereits nach draußen und galoppierte auf den Wald zu. Winifred war verblüfft.
»Glaubt er wirklich, daß die beiden in Gefahr sind?«
»Nein«, sagte Peter. »Er hat Angst um sich selbst. Sieglinde Svenson vertritt - eh - kompromißlose Vorstellungen, was Knutschen auf dem Campus betrifft, und die Forschungsstation gehört immerhin auch zum College.«
»Verstehe. Falls Knapweed Viola auf dem Rücken hat, hat Thorkjeld Sieglinde auf dem Hals. Du liebe Zeit, genau wie bei Rabelais! Kommen Sie, wir spielen besser schnellstens Anstands-wauwau.«
Sie eilten an dem Futterspender vorbei, wobei sie feststellten, daß er wieder eichhörnchenfrei, immer noch funktionstüchtig, aber leider vollkommen leer gefressen war. Am Waldesrand fanden sie schließlich den Präsidenten, neben einem Baumstumpf hockend, auf dem ein unglücklicher Botaniker thronte, der freudlos an einem Stengel Labkraut schnüffelte.
»Das Eichhörnchen wollte mich beißen«, teilte Knapweed dem Präsidenten gerade mit. »Da habe ich meine Hand weggezogen, und sie hat mich einen Versager genannt. Also habe ich es kurzerhand am Schwanz gepackt und herausgezogen, aber ich wollte ihm nicht weh tun, daher konnte es sich befreien, ist ihr auf die Schulter gesprungen und hat sie ein bißchen gekratzt, da hat sie sofort geschrien, ich hätte es mit Absicht getan. Das Eichhörnchen ist fortgesprungen und den Baum hochgelaufen, und dann hat sie mich -na ja, sie wollte, und ich habe ihr gesagt, ich wollte nicht.«
»Wollte was nicht?« fragte Miss Binks. »Oh, schon verstanden. Ein kleines Schäferstündchen.«
»Ich finde es nun einmal nicht gut, wenn jemand von einem erwartet, daß man sofort - außerdem wollte ich ja wirklich nicht«, murmelte Knapweed mit düsterer Miene. »Ich bin schließlich so gut wie verlobt, verflixt noch mal. Naja, mehr oder weniger jeden-falls. Der Vater meiner Freundin ist Vertreter für Urnen und Särge und ziemlich puritanisch, da kann ich doch nicht einfach hingehen und mich - aber ich hätte es sowieso nicht getan, weil ich finde, daß so etwas viel zu wichtig ist, nicht wie bei den Eichhörnchen oder irgendwelchen Tieren. Ich will damit nichts gegen Eichhörnchen sagen, dazu kenne ich sie gar nicht gut genug. Vielleicht sind sie ja genauso puritanisch wie Sargvertreter. Aber Viola ist so verdammt - na ja, ich sollte eigentlich nicht schlecht über sie reden. Vielleicht hat sie nur versucht, meine Stimmung zu heben.«
»Hmja«, meinte Peter. »Das hat sie zweifellos. Wo ist sie dann hingegangen?«
»Keine Ahnung. Ich habe zufällig dieses Galium triflorum hier entdeckt und versucht, sie damit abzulenken, aber sie hat nur gesagt, ich soll es mir sonstwo hinstecken, und ist wütend davongerauscht.«
»Nun ja, das Leben kann grausam sein«, seufzte Winifred. »Zu einigen Menschen jedenfalls. Warum gehen Sie nicht wieder zurück ins Haus, Knapweed? Es scheint heute einen ziemlichen Zustrom an Besuchern zu geben, wir sollten die Station daher nicht unbeaufsichtigt lassen. Wir können in der Zwischenzeit nachschauen, wo Viola steckt. Ich glaube, wir gehen am besten hier lang.«
Winifred Binks, die Spuren lesen konnte wie ein Indianer, hatte eine kaum erkennbare Veränderung an einem Blatt oder einen schwachen Abdruck im weichen Waldboden entdeckt und tauchte zielstrebig ins Unterholz ein. Unter normalen Umständen wäre es weder ihr noch den Männern in den Sinn gekommen, der jungen Frau nachzuspionieren, doch heute war eben kein normaler Tag.
Es war nicht schwer, der Spur zu folgen, Viola war schließlich keine Indianerin. »Sie ist in Richtung Straße gelaufen«, stellte Winifred fest, nachdem sie etwa eine viertel Meile gegangen waren. »Dem Himmel sei Dank. Inzwischen müßte sie den Wald längst verlassen haben.«
»Urrgh!«
Dr. Svenson hätte seine Meinung nicht deutlicher kundtun können. Die Spurensucher befanden sich inzwischen tatsächlich ganz in der Nähe der Straße, so daß sie bereits den Asphalt zwischen den Bäumen durchschimmern sehen konnten. Doch viel deut-licher sahen sie direkt vor sich ein Szenarium, das Schlimmes ahnen ließ: abgerissene
Farnwedel, aufgewühlter Waldboden, abgebrochene Zweige und ein Fetzen aus hellgrünem Baumwollstoff, der an den Dornen eines Brombeerbusches hängengeblie-ben war.
Winifred war entschlossen, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. »Vielleicht ist sie über ein Wespennest im Boden gestolpert und hat sich dann in einer Ranke verfangen, als sie weitergelaufen ist. Das ist mir auch schon einmal passiert, und es ist wirklich nicht angenehm, das kann ich euch sagen. Man kann nur noch wie verrückt herumtanzen, was natürlich genau das Falsche ist. Sehen Sie, hier ist sie durch den Farn gerannt.«
»Dann muß sie dabei aber einen zentnerschweren Felsblock geschleppt haben«, meinte Peter. »Schauen Sie sich bloß mal an, wie tief die Fußabdrücke sind.«
»Viola ist ein kräftiges Mädchen, und sie trägt schwere Stiefel«, insistierte Winifred. »Aus diesen Fußabdrücken läßt sich leider nicht viel erkennen, hier liegen zu viele Kiefernnadeln. Aber sie sehen tatsächlich ein wenig unheimlich aus - sehen Sie, sie führen direkt zur Straße. Ach herrje.«
Die schwarzen Reifenspuren auf dem Straßenbelag erzählten ihre eigene Geschichte. »Jemand muß sie aus dem Wald gezerrt und in einem Auto weggefahren haben, aber warum bloß?«
»Anrufen!« bellte Svenson.
»Ja, die Polizei. Schnell!«
Winifred begann, zurück zur Forschungsstation zu rennen. Diesmal war Peter schneller als sie, er war in seiner Jugend ein hervorragender Läufer gewesen und konnte auch heute noch einen ordentlichen Spurt einlegen, wenn es nötig war. Knapweed saß allein im Empfangsraum und war damit beschäftigt, sein Labkraut in eine Blumenpresse zu legen. Er schaute hoch und machte Anstalten, etwas zu sagen, doch Peter ignorierte ihn und eilte zum Telefon. Inzwischen kannte er die Nummer der Staatspolizei auswendig, und der Officer in der Zentrale erkannte sogar seine Stimme.
»Was ist passiert, Professor Shandy?«
»Ich befinde mich in der Forschungsstation des Balaclava College in der Whittington Road. Wir möchten eine junge Mitarbeiterin namens Viola Buddley als vermißt melden. Sie ist etwa ein Meter siebzig groß, kräftig, schätzungsweise fünfundsiebzig Kilo schwer, trägt Wanderstiefel, Khaki-Shorts und einen zerrissenen grünen Pullover mit der Aufschrift >Heute schon einen Baum um-armt?< auf der Vorderseite. Außerdem hat sie rotblondes Haar und ziemlich viele Sommersprossen. Den Spuren nach zu urteilen, wurde sie während der letzten Viertelstunde nicht weit von hier im Wald gekidnappt und in einem Fahrzeug weggeschafft. Was die Automarke betrifft, habe ich keinen blassen Schimmer. Wir nehmen an, daß die Entführung etwas mit dem Mord an Emory Emmerick gestern nacht zu tun hat. Er hat sich die ganze letzte Woche hier in der Forschungsstation aufgehalten, und Miss Buddley ist am Abend vor seiner Ermordung mit ihm ausgegangen. Bitte informieren Sie die Streifenwagen hier in unserer Gegend. Sobald ich mehr erfahre, werde ich mich bei Ihnen melden.«
Peter hatte sein Telefonat gerade beendet, als der Präsident und Winifred hereinkamen. »Die Staatspolizei ist in Alarmbereitschaft«, teilte er ihnen mit.
»Nicht genug«, bellte Svenson. »Shandy, Auto holen! Binks, hierbleiben!«
»Aber ich -«, begann sie zu protestieren.
»Stellung halten. Telefonanrufe entgegennehmen. Calthrop, Wache halten!«
»Jawohl, Sir!«
Der junge Botaniker versuchte, besonders beherzt zu wirken, zweifellos aus dem Bedürfnis heraus, die nicht sehr glückliche Szene mit dem Eichhörnchen vergessen zu machen. Peter nickte Knapweed ermunternd zu und flitzte zu seinem Wagen, bevor Svenson ihm zuvorkommen und auf dem Fahrersitz Platz nehmen konnte.
Den Reifenspuren auf der Straße nach zu urteilen, hatte der Wagen des Kidnappers, falls es sich tatsächlich um einen solchen handelte, Lumpkinton verlassen und war in Richtung Whittington gefahren. Die Straße war relativ einsam, meilenweit nichts als Wälder, soweit sich Peter erinnerte. »Wir versuchen es einfach«, sagte er. Svenson war ganz seiner Meinung.
Sie begegneten nur wenigen langsam dahinkriechenden Fahrzeugen mit Touristen, die sich an den letzten Resten des leuchtenden Herbstlaubes erfreuten. Inzwischen war davon allerdings nur noch so wenig übrig, daß man ziemlich weit in den Wald hinein-sehen konnte. Es war Svenson, der schließlich den smaragdgrünen Fleck entdeckte.
»Anhalten!«
»Grundgütiger!«
Peter fuhr auf den Seitenstreifen, hielt an, steckte sich die Wagenschlüssel in die Tasche und war einige Zeit damit beschäftigt, sich von seinem Sicherheitsgurt zu befreien. Svenson raste bereits wie ein kampflustiger Keiler durch das Gebüsch. Zu seinem maßlosen Bedauern war jedoch weit und breit kein potentieller Gegner in Sicht. Nachdem sie Viola die Augenbinde abgenommen hatten, war diese zwar überglücklich, sie zu sehen, jedoch unfähig, ihrer Freude Ausdruck zu verleihen, da sie immer noch einen Knebel im Mund trug. Beide Stoffstücke stammten vom unteren Teil ihres grünen T-Shirts, von dem inzwischen nur noch ein trauriger Rest übrig war, dafür sah man um so mehr von Viola. Sie hatte sich weder von ihrem Knebel noch von der Augenbinde befreien können, da sie mit Händen und Füßen an einen Baum gefesselt war.
Ein Eschenahorn, wie Peter feststellte. Die Tatsache, daß die Kidnapper einen Baum mit glatter Rinde gewählt hatten, bewies vielleicht, daß sie zumindest einen Funken Mitgefühl für ihr Opfer empfunden hatten, da eine rauhere Oberfläche für Violas mehr oder weniger entblößten Rücken recht unangenehm und möglicherweise auch noch von Ameisen übersät gewesen wäre. Doch vielleicht hatten sie den Eschenahorn auch nur gewählt, weil er günstig gestanden hatte. Peter begann, sich an den Knoten zu schaffen zu machen, und stellte voll Verachtung fest, daß sämtliche Knoten Altweiberknoten waren, die sich leicht lösen ließen.
»Schauen Sie sich das an, Präsident«, sagte er. »Das Seil sieht genauso aus wie die Stücke an Emmericks Netz.«
Der Präsident dachte anscheinend gerade intensiv an Sieglinde, denn er wollte partout nicht schauen. Er knurrte nur ein lautes »Ungh« und machte sich daran, das Unterholz nach möglichen Spuren zu durchforsten.
»Ganz meine Meinung«, fauchte Viola, inzwischen vom Knebel befreit. »Wären Sie wohl so nett, Ihre Sherlock-Holmes-Untersuchungen zu verschieben, bis Sie mir die Hände losgebunden haben, Professor? Falls ich überhaupt noch welche habe.«
»Oh, Verzeihung. So, ist es jetzt besser?«
»Kann ich noch nicht sagen. Meine Hände sind völlig taub.« Sie versuchte, ihre Finger zu bewegen, was ihr recht gut gelang. »Das wird schon wieder, denke ich. Aber ich bin wirklich stinksauer!«
Peter zog sein Flanellhemd aus und half der Entblößten galant hinein. Glücklicherweise hatte er eine Windjacke im Wagen, so daß das Gefühl des Präsidenten für dezente Kleidung nicht allzusehr erschüttert wurde. »Können Sie uns schildern, was passiert ist?« fragte er Viola, nachdem sie beide wieder anstandsgemäß verhüllt waren.
»Ich weiß nur, daß ich durch den Wald gegangen bin. Knapweed und ich wollten das Eichhörnchen befreien, wie Sie sich vielleicht erinnern.«
»Urr«, meinte Svenson ermutigend.
»Naja, da hat Knapweed plötzlich die Kontrolle Uber sich verloren. Mein Gott, diese Botaniker! Wenn man ihn so sieht, würde man ihm so was überhaupt nicht zutrauen, ich vermute, das kommt davon, wenn man sich unablässig mit Vögeln und Bienen und Blumen beschäftigt. Jedenfalls habe ich ihm ein oder zwei Ohrfeigen verpaßt und ihm gesagt, er soll sich zum Teufel scheren. Aber nach allem, was passiert ist, hatte ich natürlich keine Lust, allein mit ihm zurück zur Station zu gehen und ihn mir die ganze Zeit vom Leib halten zu müssen, bis Professor Binks wieder zurückkam. Also habe ich beschlossen, einen kleinen Spaziergang zu machen. Ich hab' angenommen, daß mir nichts passieren kann, solange ich mich in der Nähe der Straße aufhalte, was sich leider schon bald als falsch herausgestellt hat. Ich schlendere also nichtsahnend vor mich hin, als sich plötzlich jemand von hinten heranschleicht und mir einen Strumpf über den Kopf stülpt.« »Einen Strumpf?« fragte Peter.
»Ich weiß auch nicht, was es war. Jedenfalls hat es sich angefühlt wie ein dicker Strumpf, wie man ihn in Wanderstiefeln trägt. Ich habe versucht, das Ding herunterzureißen, aber der Mann - ich nehme mal an, es war ein Mann - hat mich festgehalten. Ich konnte überhaupt nichts machen. Ich erinnere mich nur noch, daß er mir eine Waffe in den Rücken gebohrt hat und gesagt hat, ich soll schön brav sein, wenn ich will, daß mir nichts passiert. Und das wollte ich nun wirklich nicht, also hab' ich aufgehört, gegen sein Schienbein zu treten, und er hat gesagt, ich soll mich gefälligst in Bewegung setzen. Wie haben Sie mich bloß gefunden?«
»Wir haben Kampfspuren im Wald entdeckt und Reifenabdrücke auf der Straße und haben uns - eh - auf die Suche nach Ihnen gemacht.«
»Ein Glück! Ich weiß nicht, was ich getan hätte -« Viola schluckte mehrmals, zog Peters Hemd enger um ihren Körper und sprach weiter. »Jedenfalls hat er mir die Hände gefesselt, mich in den Wagen verfrachtet und ist losgefahren. Er hat mir immer wieder mit der Waffe gedroht und mich gewarnt, bloß keine Dummheiten zu machen.«
»Und es war nur ein einziger Mann?«
»Soweit ich weiß, ja. Vielleicht hat noch jemand auf dem Rücksitz gesessen. Ich konnte ja nichts sehen, weil ich immer noch das Ding über dem Gesicht hatte. Wissen Sie, es könnte eigentlich auch eine Skimaske gewesen sein, die er mir falsch herum aufgesetzt hat. Ich habe einigermaßen gut Luft bekommen, aber ich konnte absolut nichts sehen. Das Ding saß ganz fest auf meinem Gesicht.«
»Würden Sie die Stimme des Mannes wiedererkennen?«
»Bestimmt nicht. Er hatte seine Stimme verstellt, es klang so, als hätte er Murmeln oder so was im Mund.«
»Hat er denn gesprochen? Hat er gesagt, warum er Sie gekidnappt hat?«
»Er hat immer nur gebrüllt: >Was zum Teufel hat er Ihnen gesagt ?< Ich hab' gesagt: >Von wem reden Sie?<, und er hat gesagt, ich wüßte verdammt gut, von wem er rede, und ich solle gefälligst aufhören, mich dumm zu stellen, sonst würde er mich fertigmachen.
Dann ist mir Emory eingefallen, und ich hab' gefragt, ob er vielleicht den meint, und er hat gesagt, da lag' ich verdammt richtig, und was zum Teufel der Kerl mir nun gesagt hätte. Er sagte: >Hat er gesagt, wo er es hingetan hat?<, und ich hab' gesagt, ich wüßte nicht, wovon er redet, und ob er mir nicht freundlicherweise sagen wolle, was zum Teufel er überhaupt meint? So ging es eine Zeitlang hin und her, dann hat er den Wagen angehalten, mich gezwungen auszusteigen und mich in den Wald gebracht und gefesselt, genau wie Sie mich gefunden haben.«
»Aber Sie hatten die - eh - Maske nicht mehr um, als wir Sie gefunden haben«, erinnerte sie Peter. »Was hat er damit gemacht? Konnten Sie sein Gesicht erkennen, als er sie Ihnen abgenommen hat?«
»Nein«, sagte Viola. »Er hat mich zuerst an den Baum gefesselt, dann hat er die Stücke von meinem T-Shirt abgerissen, danach ist er hinter den Baum getreten und hat mir die Maske vom Gesicht gezogen. Ich hab' bloß das Stück von meinem T-Shirt gesehen. Ich hab' noch versucht, den Kopf zu drehen und ihn zu beißen, aber da hat er mich ins Gesicht geschlagen und gesagt, ich soll bloß keinen Unsinn machen. Dann hat er mir den Knebel in den Mund gesteckt und gesagt, daß ich vielleicht mehr Lust hätte zu reden, wenn ich erst mal ein paar Tage ganz allein hier draußen gestanden und über alles nachgedacht hätte. Dann habe ich gehört, wie er durch das Gebüsch gelaufen ist, das Auto angelassen hat und losgefahren ist. Und ich - o Gott! Ich dachte, ich sterbe! Ich hatte furchtbare Angst, irgendein Tier würde kommen und mich - mich - fressen.«
Sie war nahe daran, in Tränen auszubrechen, was Svenson auf keinen Fall zulassen konnte.
»Sie können später weinen. Was hat Emmerick Ihnen gesagt?«
»Er hat mir überhaupt nichts gesagt!«
»Hat er todsicher. Das reinste Waschweib. War oft mit Ihnen zusammen. Arbeit? Hobby? Familie?«
»Ach so, das meinen Sie. Stimmt, Emmerick hat wirklich viel geredet. Ich dachte, Sie meinten irgendwelche Geheimnisse.«
Svenson wartete. Viola zuckte mit den Schultern. »Naja, chinesisches Essen hat er nicht gemocht, aber er war verrückt nach italienischem Essen. Meinen Sie so was?«
»Weiter.«
»Er hat behauptet, er sei geschieden, und hat mir mehr oder weniger zu verstehen gegeben, daß er keine Lust hätte, noch mal zu heiraten, aber daß er trotzdem an Sie-wissen-schon-was interessiert wäre. Leider hab' ich eine furchtbar neugierige Vermieterin -es ist so gut wie unmöglich, hier in der Nähe eine Wohnung zu finden, daher mußte ich ein Zimmer mieten -, und Emory wohnte im Gasthof drüben in Balaclava Junction, was nicht viel anders ist als eine Klosterzelle, so wie er es mir beschrieben hat, daher hätte es mit uns sowieso nicht geklappt. Was mir ganz recht war, denn so toll fand ich ihn nun auch wieder nicht.«
Peter stürzte sich auf die einzige Information, die wirklich wichtig war. »Im Gasthof, sagen Sie? Ich frage mich, ob Ottermole das schon weiß. Er muß sich das Zimmer unbedingt ansehen. Fahren Sie fort, Miss Buddley, hat Emmerick je mit Ihnen über seine Kollegen bei der Meadowsweet Construction Company gesprochen?«
»Nicht daß ich wüßte. Aber er hat eine Menge Fragen über Professor Binks gestellt.«
»Hat er je einen gewissen Mr. Fanshaw erwähnt?«
»Ob das wohl Chuck ist? Emory hat häufig von einem Mann namens Chuck gesprochen, aber nie seinen ganzen Namen genannt.«
»Jammerschade. Und was hat er über diesen Chuck gesagt?«
»Er hat gesagt, daß Chuck ihm Geld schuldet.«
»Tatsächlich? Und wie kam er dazu, Ihnen das zu erzählen?«
»Wahrscheinlich weil er ein bißchen beschwipst war. Dann hat er gesagt, Chuck sei ein unheimlich netter Kerl und daß er sich um das Geld keine Sorgen macht. Ich hatte den Eindruck, daß es ziemlich viel war, aber vielleicht hat Emory auch nur versucht, mich zu beeindrucken. Müssen wir eigentlich die ganze Zeit hier draußen herumstehen? Es könnte doch sein, daß der Kerl mit der Waffe zurückkommt.«
»Urrgh!« Zum ersten Mal an diesem Tag huschte ein Lächeln über das Gesicht des Präsidenten.