Kitty McCloud war von sich selbst überrascht, dass sie nicht eine so einfache Eheschließung wie die von Aaron und Lolly gewollt hatte, sondern eine üppige Festivität, die sogar mit einer Hochzeitsmesse begann, die Pater Colavin zelebrierte – Pfarrer der Gemeinde St. Brendan, solange überhaupt jemand zurückdenken konnte – und der ein verschwenderisches Gelage in der Großen Halle ihrer erst kürzlich erworbenen Burg folgte.
Ihre Romane brachten so viel ein, dass sie sich geradezu verpflichtet gefühlt hatte, dieses die Zeiten überdauernde Zeugnis der Geschichte Kerrys zu erstehen und sich daselbst mit ihrem kürzlich geehelichten Gatten niederzulassen, entstammten doch beide in der Grafschaft seit undenklichen Zeiten ansässigen Familien. Sie wollten in dem Areal leben, das viel zu lange von fremdländischen Eroberern mit dem außergewöhnlichen Namen Shaftoe entweiht worden war, genau genommen den Lords Shaftoe. Diese Eindringlinge hatten die Burg Kissane jahrhundertelang in Beschlag genommen, und das bereits seit der unter Cromwell erfolgten Unterwerfung des Landes um sechzehnhundert soundso. (Möglicherweise hatte es etwas zu sagen, dass Kitty stets von ihren Bucheinkünften sprach und nicht von ihren Tantiemen oder Royalties, weil sie jeden Bezug auf die Abgaben scheute, die früher von im Herrschaftsbereich der Könige betriebenen Gold- und Silber-Bergwerken an die englische Krone zu entrichten waren.)
Möglich ist auch, dass sie eingedenk des Einflusses der Shaftoes auf ihre gegenwärtigen Lebensumstände nicht so recht geneigt war, die Bezeichnung Burgherrin auf sich anzuwenden, sondern darauf bestand, sie sei nicht mehr und nicht weniger als »eine Burgwartin«, der man die Burg für die Zeit anvertraut hatte, da sie deren ergebene und ihrer eigentlich unwürdige Bewohnerin war.
Wie auch immer, diese nämlichen Lords Shaftoe hatten einen grässlichen Fluch zu verantworten, der auf Burg Kissane lastete und der in Kittys Augen einen nicht unbeträchtlichen Reiz ihres neuen Heims ausmachte. Freilich hatte sie noch keine Gelegenheit gehabt, diesem Fluch in aller Ausführlichkeit nachzusinnen. Bislang hatte die Große Halle, in der die Festivität nach der Trauung stattfand, all ihre unmittelbare Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.
Die Zeremonie in der Kirche war kein hundertprozentiger Erfolg gewesen. Zwar hatte sich Pater Colavin im Vorfeld überreden lassen, die aufstörenden Worte des heiligen Paulus »Die Weiber seien untertan ihren Männern als dem Herrn« (Epheser 5, 22) nicht zu erwähnen, aber Kittys amerikanischer Neffe schwamm durchweg in Tränen, wahrscheinlich weil er und seine Braut sich lediglich mit der standesamtlichen Zeremonie hatten zufriedengeben müssen. Es war nämlich Aarons zweite Eheschließung; bei seiner ersten hatte er eine Frau namens Lucille geheiratet, die dann mit einem Bariton aus ihrem Kirchenchor in New York durchgebrannt war. Aarons Scheidung war der Grund, warum ihnen eine kirchliche Trauung verwehrt war, aber Lolly hatte ihn damit getröstet, dass die Ehe mit Lucille ohne weiteres vom Vatikan für null und nichtig hätte erklärt werden können, war doch ganz offensichtlich, dass er damals gefühlsmäßig bei weitem zu unreif war, einen auf Lebenszeit bindenden Vertrag einzugehen. Schon allein die Tatsache, dass seine Wahl auf Lucille gefallen war, würde das beweisen. Dass Aaron, so ansehnlich und sogar liebenswert er auch sein mochte, zu Lucilles Partnerwechsel beigetragen hatte, wurde gar nicht erst in Betracht gezogen. Seine Selbstüberschätzung und sein unangreifbares Ego wurden aus der Gleichung eliminiert, und Lucille wurde allein alle Schuld aufgebürdet.
Nachdem der Ehering auf Kittys Finger geglitten war, wobei einige erlöst aufatmeten, andere das wurmte und jedermann sonst erstaunt war, küsste Kitty Kieran, Kieran küsste Kitty, und die Liturgie nahm ihren Fortgang als Vorspiel zum Empfang in der Großen Halle der Burg.
Besonders groß war die Große Halle im Grunde genommen nicht. Die Burg war mehr als eine Festung denn als ein Sitz weltlichen Glanzes gebaut worden; stolz konnte sie lediglich auf die Undurchdringlichkeit ihrer Mauern und auf die schmalen, tief darin eingelassenen Fenster sein. In Wahrheit hatte die Halle, wie Kitty vermutete, Kriegern als Unterkunft gedient, die gegen eindringende Streitkräfte kämpfen sollten, oder hatte, was wahrscheinlicher war, ein sicheres Quartier für Rinder dargestellt, wenn es zu Raubüberfällen auf Viehherden kam, ein sportliches Vergnügen, dem die eingeborenen Landgrafen und Stammeshäuptlinge in der Frühzeit Irlands des Öfteren huldigten. Auch gab es keinerlei Kamine oder Feuerstätten, woraus man schließen konnte, dass die Leiber der Tiere die einzige Wärmequelle gebildet hatten.
Dennoch hatte die Halle durchaus ihre Besonderheiten. Über die ganze Länge der Außenmauer zog sich eine Galerie hin, in die vier mit Mittelstreben geschmückte Fenster eingelassen waren, die zum Innenhof gingen. Von der Decke hing ein Kronleuchter aus schwerem Schmiedeeisen von fünf Fuß im Durchmesser. Er hatte zwei innere Ringe und konnte mit Kerzen bestückt werden, mindestens hundert, wie Kitty gezählt hatte. Den Fußboden bildeten dunkelgraue Steinplatten, die den Ehrgeiz hatten, schwarz zu wirken. Sie waren von den trappelnden Hufen der Rinder geglättet, nicht minder von den klobigen Stiefeln der Landwirte, der Bogenschützen und später der Musketiere, die es sich zur Herzenssache gemacht hatten, die heilige Erde der Heimat gegen die Raubzüge der Dänen, die Einfälle der Normannen, die Landung der Spanier und schließlich die Invasion der Cromwell’schen Truppen zu verteidigen.
Nun aber sollte die Halle höheren Zwecken dienen, sollte ein Ort der Lustbarkeit und des Gesangs sein, des Tanzens und Fröhlichseins, der Schlemmerei und des Trinkens ohne Ende. Jeder sollte im Verlaufe der Hochzeitsfestlichkeiten auf seine Kosten kommen. Kittys und Kierans Freigebigkeit führte dazu, dass sich die Gäste übermütig und zügellos gebärdeten und so Braut und Bräutigam meist sich selbst überlassen blieben. Lediglich flüchtige Bekannte oder gefällig sein wollende Fremde fühlten sich bemüßigt, der Gastgeberin und dem Gastgeber zu danken und ihnen alles Gute für das Abenteuer Ehe zu wünschen, auf das sie sich eingelassen hatten. Kitty und Kieran nutzten die Gelegenheit, sich an einen seitwärts aufgestellten und von den Musikern weit entfernten Tisch zu setzen, die Gäste zu beobachten und sich zu mokieren, wie dieser oder jener sich den Bauch vollschlug oder wie oft die eine oder andere zum Glas griff. Auch war man sich darin einig, dass die Kosten, die sie nicht gescheut hatten, sich lohnten, boten sie doch Abwechslung noch und noch und Zurückgezogenheit obendrein. Es blieb zudem Zeit, ungestört einander in die Augen zu schauen, mal direkt, mal verstohlen, und so wurden Sehnsucht und Leidenschaft genährt, die sie später wieder und wieder ausleben und erneuern würden, bis der anbrechende Morgen ein Innehalten gebot, eine kurze Ruhepause, bei der man sich in den Armen lag, bis die Zudringlichkeiten des Alltags die irdische Glückseligkeit entweder weiter fördern oder stören würden.
Freilich war gelegentliches Eindringen in ihre mit so außerordentlichem Aufwand erkaufte Zweisamkeit unter all den Gästen nicht zu vermeiden, so zum Beispiel, als Maude McCloskey an ihren Tisch trat, die selbsternannte Hellseherin der Grafschaft, eine Frau mit Gaben, die der Legende nach von den Gnomen auf sie gekommen waren, mit denen ihre Vorfahren sich eingelassen hatten, wenn nicht gar verheiratet waren. (Es war Kitty zur Gewohnheit geworden, an sie als »alte Vettel« zu denken, einem Ausdruck, der sie irgendwo zwischen einer bösen Hexe und einer akzeptableren Hellseherin ansiedelte. Diese Wahl hatte sie nicht aus Niedertracht getroffen, Kitty fand das Wort einfach interessanter, ließ es doch verschiedene Deutungen zu.)
Maude jedoch war alles andere als der Stereotyp eines alten Hutzelweibleins; ihre Figur, hochgewachsen und wohlgestaltet, bewies, dass die genetischen Beimengungen der Kobolde und anderer Wesen des irischen Volksglaubens längst überdeckt worden waren von den Anlagen eines durchaus ansehnlichen und kraftvollen Menschenschlags in Kerry. Die Gnome hatten nur noch ihre Fähigkeit zu tieferem Eindringen in schicksalhafte Fügungen und zu prophetischem Vorausschauen vererbt.
»Die Burg Kissane ist also den McClouds in die Fänge geraten, wie schön.« Die gute Frau war frohgemut, fast überschwänglich angesichts dieser Heirat; aus ihren dunklen Augen strahlte Zustimmung, ihre vollen Lippen öffneten sich zu einem beinahe lüsternen Grinsen.
Kitty zog den Brautschleier über die rechte Wange, um so wenigstens einen Teil des Gesichts vor Mauds glänzendem und irgendwie beunruhigendem Blick abzuschirmen. »So könnte man es sehen«, erwiderte sie.
»Du bist die richtige Frau dafür, wer denn sonst?«
»Besten Dank.«
»Und außerdem hast du Kieran Sweeney an deiner Seite, der dürfte dir eine Hilfe sein.«
»Daran habe ich keinen Zweifel.« Kitty brachte es fertig, es sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihr die Unterstellung gegen den Strich ging, sie brauchte den Beistand eines Mannes.
»O doch«, sagte Maude und ließ Kitty damit wissen, dass ihr durchaus klar war, was sie dachte. »Du wirst ihn schon noch brauchen.«
»Maude«, sagte Kitty, »falls du gekommen bist, ein dräuendes Unheil zu verkünden, dann tu es bitte jetzt und lass mich weiter meine Hochzeit genießen.«
Maude schüttelte grinsend den Kopf. »Wenn du wüsstest, was ich weiß, wärst du nicht so erpicht darauf, davon zu erfahren.«
»Dann will ich dich nicht von weiteren Vergnügungen fernhalten.« Kitty wandte sich ab und war bemüht, ihren Blick gleichgültig über die Gästeschar hinweggleiten zu lassen. Sie nutzte den Moment, ein weiteres Mal die unheilvolle Geschichte der Burg Kissane an sich vorüberziehen lassen.
Jener Kissane, der dem Anwesen seinen Namen verliehen hatte, einer der einflussreicheren Stammesfürsten im Irland des siebzehnten Jahrhunderts, ein patriotisch gesinnter Sohn Kerrys, der von einem bis in die Zeit des heiligen Brendan zurückreichenden Geschlecht abstammte, hatte jedermann davon überzeugen können, dass Widerstand gegen die ketzerischen Anhänger Cromwells zwecklos war. Sinnvoller, als das Blut so vieler tüchtiger und tapferer Männer zu vergießen, sei es, eine Kapitulation auszuhandeln, die alle unbeschadet ließ und außerdem die Möglichkeit gab, die Schlacht später einmal auszufechten. Kaum war das vollbracht, hatte sich der unbezwingbare Häuptling leichten Herzens nach Frankreich begeben, sich in einer Wein anbauenden Gegend niedergelassen und dort bis ins hohe Alter fröhlich gelebt und gezecht. Seine ihm vertrauenden Landsleute jedoch, die dem Burgherrn gedient hatten, wurden samt und sonders enthauptet: Krieger und Schmiede, Fischer und Bauern, Schäfer und Barden.
Eine Zeitlang ließen es sich die Eindringlinge gutgehen unter der tyrannischen Herrschaft der zuvor erwähnten Lords Shaftoe. Als Belohnung für ihre oftmals geschilderten Schändlichkeiten hatte man ihnen die besseren Landstriche Kerrys übereignet. Eine Generation der Shaftoes war der anderen in dem Besitzstand gefolgt, unangefochten, abgesehen von ein paar Steinwürfen, einer abgestochenen Kuh hier, einem vergifteten Brunnen dort, wofür Leute hier gehängt oder dort von ihrer Heimstatt vertrieben wurden. Schließlich wurden die Shaftoes ihrer Unannehmlichkeiten müde und verzogen sich nach London, ließen dabei aber an ihrer Statt eine Reihe von Gutsverwaltern zurück, von denen nur wenige einen natürlichen Tod starben.
Dann kam es zu dem Fluch, der Kitty so verlockt und ihre erwartungsvolle Hand gezwungen hatte, das Dokument zu unterschreiben, welches sie zur Eigentümerin machte. In den ersten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts hatte der in der Erbfolge letzte Shaftoe sich erneut zum alleinigen Herrn der Burg erklärt, und man hatte sich angeschickt, Vorbereitungen für seine Rückkehr zu treffen. Während er von der Ostküste ins Land vordrang, erreichten ihn Gerüchte, dass zu den Verbesserungen, mit denen man beabsichtigte, ihm Bequemlichkeit in einem derart kalten und rohen Land zu bereiten, auch eine eingemauerte Ladung von Sprengstoffen gehörte, die man als erste Manifestation des ihm zugedachten Willkommens zünden wollte.
Abschrecken konnte ihn das nicht. Gleich nach seiner Ankunft wurde der Landadel in die Große Halle befohlen und befragt. Wo befand sich das Schießpulver? Wer hatte es herangeschafft? Wer hatte es zünden sollen? Antworten darauf erhielt er keine. Erfahren in der Art, Geständnisse zu erzwingen, wählte seine Lordschaft zwei junge Leute aus, den hübschesten der jungen Männer und die schönste der jungen Frauen, beide etwa siebzehn Jahre alt. Sie wurden für vierundzwanzig Stunden ins Gefängnis geworfen. Gab es innerhalb dieser Zeit keine Antwort auf die von ihm gestellten Fragen, sollten die jungen Leute gehängt werden.
Und sie wurden gehängt. Bald darauf wurden ihre ranken und schönen Leichname abgeschnitten und an einem entlegenen, geheim gehaltenen Ort begraben, um so die Bevölkerung der Märtyrergräber zu berauben, die eine Pilgerstätte hätten werden können und eine Quelle kommender Unruhen. Seine Lordschaft jedoch begab sich im Schutze der Nacht zu Schiff nach Dingle und unternahm von dort eine Seereise, die ihn letztendlich bis ins ferne Australien brachte, wo er, wie er sich wohl erhofft hatte, seine despotischen Gelüste weiterhin voll ausleben konnte.
Die Burg Kissane blieb fortan unbewohnt. Nur wenige wagten es, sich ihr zu nähern. Dort lauerte ja das Schießpulver. Daran zweifelte niemand. Auch rechnete man damit, dass es jederzeit zur Explosion kommen könnte. Doch diejenigen, die beauftragt waren, den Anschlag zu verüben, schienen wie vom Erdboden verschwunden. So verbreiteten sich neue Gerüchte. Womöglich waren es der hübsche Bursche und das ach so schöne Mädchen gewesen, die man auserkoren hatte, die Fackel zu schwingen. Vielleicht waren die Ahnungen Seiner Lordschaft richtiger, als ihm selbst bewusst wurde, was dazu führte, dass niemand unter den Lebenden an den Sprengstoff herankam und die Gefahr unaufhörlich bestehen blieb, bis ihn jemand durch bloßen Zufall, durch ein reines Versehen zündete.
Aber dann, nachdem das neunzehnte und zwanzigste Jahrhundert ihren unheilvollen Lauf genommen hatten, hatte eine neue Brut, eine Gruppe wild entschlossener Hausbesetzer, junge Frauen und Männer aus Cork, von der Burg Besitz ergriffen und aller Schwarzmalerei Trotz geboten. Niemand in der Umgebung hatte etwas dagegen. Die Hausbesetzer hatte es in die Gaeltacht gezogen, ins wahre Irland, das an die westliche See grenzte und in dem Irisch noch immer die Muttersprache war, denn die gälische Zunge war dort nie zum Verstummen gebracht worden. Sie waren gekommen, um sich die lange unterdrückten Wörter und Laute anzueignen, die in längst vergangener Zeit von einem heiligen und hochgelehrten Volk kündeten und einem, das zu überschäumendem Fröhlichsein neigte – und das, wie man hinzufügen sollte, mit einem Sinn für Mythen begnadet war, in denen seine überbordende Phantasie Gestalt annahm.
Da die im Ausland weilenden Shaftoes es versäumten, Steuern zu entrichten, war ihr Besitz an den Staat gefallen, und der zuständigen Bürokratie lag wenig daran, die Neuankömmlinge zu vertreiben, schon gar nicht, weil sie an einigen Stellen die Steinwälle um die Weidegründe in Ordnung brachten und den Obstgarten vom Unterholz befreiten, wobei sie Zweige und Brombeergestrüpp nutzten, um die vorhandenen Kamine zu heizen. Auch Musik und Lachen, Lebenslust und Liebe zogen wieder in die Mauern ein, und die gelegentlichen Prügeleien bewiesen nur, dass hier Iren wohnten.
Dann aber, zu der Zeit, da die Hausbesetzer sich daranmachten, einzupacken und nach Donegal zu ziehen, um sich dort noch eingehender mit der Sprache der Einheimischen zu befassen, geschah es, dass Kitty – begütert über alle Maßen, berühmt weit mehr, als ihr eigentlich zukam – etliche Bürokraten beschwatzte, nervte und bestach, und so Burg Kissane nebst Fluch und Schreckgespenst und seiner ganzen Geschichte in ihren Besitz brachte. Das schien nur gerecht, denn ihr eigenes Heim an der Klippe, das ihre Vorfahren aus Kerry so lange bewohnt hatten, war in die alles verschlingende See gestürzt. Geschehen war das durch eine unwahrscheinliche Verkettung von Ereignissen, die unter anderem zu dem segensreichen Wortstreit zwischen Kitty und Kieran geführt hatte, der nun ein nicht wegzudenkender Teil ihres gegenwärtigen ehelichen Glücks war.
Maude unterbrach Kittys Gedankenfluss. »Ich hätte nichts gegen einen Drink einzuwenden«, meinte sie.
»Den sollst du haben, herzlich gern.«
»Darf ich auf deine Errettung trinken – und auch auf Kierans – von dem Fluch, der auf jedem einzelnen Stein der Burg lastet?«
»Trink nur. Und von mir aus gleich noch einmal.« Kitty machte dabei eine tiefe Verbeugung.
»Ein Schluck auch auf deinen Schutz, wenn die Steine gen Himmel fliegen und der Turm in sich zusammensinkt, wie es vorherbestimmt ist seit längst vergangenen Tagen.«
Während sie das sprach, wandelte sich das Grinsen der Frau in ein gütiges Lächeln. Kitty gewann den Eindruck, dass die ohnehin gutaussehende Maude McCloskey für eben den Augenblick zu einer der schöneren Frauen wurde, wie sie nur selten in der Grafschaft vorkamen. Die Haut erstrahlte wie von einem inneren Feuer, in die Augen stahl sich eine mitfühlende Liebenswürdigkeit, und das stolze Kinn gewann eine huldvolle Heiterkeit. Eine fast zärtliche Besorgnis drängte sich in ihre Stimme, als sie sagte: »Dir ist die Geschichte wie jedem hier geläufig. Was Lord Shaftoe zugedacht war, kann genauso gut auf dein Haupt kommen. Kann uns alle treffen, und doch haben wir uns hergetraut. Wer weiß, wann es geschieht? Schon gleich, ehe ich weiterrede? Heute Nacht, wenn ihr auf dem Ehelager miteinander ringt? Bei Sonnenaufgang? In der Abenddämmerung? Morgen? Erst in einem Jahr? Andere suchen nach Gold. Such du, das möchte ich dir raten, nach dem Schießpulver. Irgendwo hier ist es verborgen.«
»Unsinn. Es ist doch alles längst abgesucht worden. Vor vielen Jahren schon hat man immer wieder hier gegraben und dort gebuddelt, aber gefunden wurde nichts.«
»Das weiß ich. Bloß das bedeutet, der Sprengstoff ist immer noch hier. Doch nichts für ungut, lass dich bei deinem Fest nicht stören.« Bei ihren letzten Worten erfolgte die Rückwandlung ihres Gesichts, und sie wurde wieder zu der von Natur aus hübschen Frau, hatte nicht länger den verklärten Ausdruck einer durchgeistigten Seherin. »Aber lass es dir eine Warnung sein. Pass auf, dass ihr beide, du und Kieran, nicht gen Himmel fliegt, so wie es Seiner Lordschaft zugedacht war.«
»Könnte ja sein, ich freue ich mich sogar auf ein Aufwärtsstreben.«
»Du wirst nicht aufwärtsstreben. Du wirst abwärtsstreben – und das aus großer Höhe, und erblindet wirst du sein, wirst deine Gliedmaßen nicht mehr beieinander haben, um dir auch nur die Nase zu reiben oder mit deinem Mann Händchen zu halten. Immerhin, auf halbem Weg in den Himmel wirst du sein. Ob du auch den Rest bis dahin schaffst, kann sich jeder selbst ausmalen. Wie ich das sehe, behalte ich lieber für mich.«
»Das kannst du von mir aus gern tun.«
»Oh, Kitty, Kitty, Kitty McCloud. Warum sträubst du dich, das zu sein, was du bist?«
»Und was etwa bin ich?«
»Eine Prophetin. Komm, gib es nur zu.«
»Nein, im Ernst, Maude. So was Extravagantes?«
»Ich bin ja selber eine Prophetin. Wie jedermann weiß.«
»Ich kann nur hoffen, du bist es nicht. Du mit deiner Weissagung, dass ich himmelwärts fliegen und auf halbem Weg ins Himmelreich sein werde, während Lord Shaftoe ganz unbekümmert in seinem Grab liegt.«
»Warum redest du solchen Unsinn? Wir sind Prophetinnen, keine Wahrsagerinnen.«
»Hast du mir nicht eben zu verstehen gegeben, dass du schon deutlich siehst, wie die Burg mit dem Sprengstoff hochgeht und ich gleich mit?«
»Ein Prophet weissagt einem nicht die Zukunft. Ein Prophet verkündet die Wahrheit. Eine Wahrheit, die niemand hören will. Oder glauben will. Und deshalb bist du eine Prophetin. Du bist jemand, der die Wahrheit sagt. Ich habe deine Bücher gelesen. In jedem einzelnen von ihnen steckt eine Wahrheit.«
»Maude, du steigerst dich in was rein. Ich bin nichts als eine Geldschefflerin. Um meine Habgier zu befriedigen, lüge ich schlimmer als die Schlange im Paradies.«
»Was du jetzt sagst, ist eine ganz fette Lüge. Mir gegenüber musst du es ja nicht zugeben. Aber dir selbst hast du es immer wieder eingestanden. Du weißt sehr wohl, dass du eine Prophetin bist. Du weißt es, du sagst die Wahrheit, und ich weiß das genauso gut wie du.«
»Ich mach es des Geldes wegen. Das ist doch ganz klar.«
»Als du Jane Eyre neu erzählt hast, hast du da nicht die Wahrheit niedergeschrieben? Jeder, der auch nur die geringste Spur von Gerechtigkeitsgefühl hat, würde das so machen, wie du es gemacht hast – vorausgesetzt, er könnte sich moralisch so empören und hätte das Talent, das du hast. Miss Charlotte Brontë bemüht sich, uns weiszumachen, es sei für die arme Jane die große Erfüllung, ihren Rochester zu bekommen nach allem, was vorgefallen ist, wenngleich auch er ein wenig gelitten hat. Und wie hat Miss Brontë das bewerkstelligt? Indem sie Jane über die zerschmetterten Gliedmaßen einer toten Geistesgestörten steigen lässt. Sieht so der Weg zur Glückseligkeit aus? Hat Jane keine Gewissensbisse? Du hast es richtig gemacht. Rochester stürzt sich kopfüber aus dem Dachbodenfenster, weil Jane sich seinen ehebrecherischen Gelüsten nicht fügt. Und seine Glieder liegen zerschmettert, und über seine Leiche steigt Courtney …« Hier war sie verunsichert. »Ist es Courtney oder Tiffany, wie hast du die Jane-Gestalt genannt?«
»Brianna.«
»Ja, richtig. Brianna. Und über seine Leiche – heißt er Kyle oder Kevin?«
»Kevin.«
»Also über Kevins Leiche steigt Tiffany …«
»Brianna.«
»… Brianna also, und sie und die arme Irre, die Brianna hingebungsvoll gepflegt und geheilt hat, richten sich in einem einfachen, erfüllten Leben ein, mit Töpfern und Weben und einem bisschen Viehzucht. Das nenn ich das Werk eines Autors, der die Wahrheit ausspricht. Eine Geschichte, die eine Prophetin erzählt. Die du erzählst. Kitty McCloud.«
Kitty versuchte den Redefluss zu stoppen, der ihr peinlicher war als die vorangegangene Schwarzmalerei. Die Seherin erging sich in Offenbarungen, die Kitty immer geglaubt hatte, für sich behalten zu können.
Geld war nicht ihr wirkliches Handlungsmotiv. Das bestand in ihrem Beharren auf Wahrheit, auf Gerechtigkeit. Dazu kam der ihr angeborene Zorn, ein bodenloser Hexenkessel, aus dessen aufgewühlten Tiefen sich die aufrichtigsten Romane speisten, die in ihrer Generation hervorgebracht wurden.
Doch all das durfte niemals ruchbar werden. Sollte ihre weltweite Leserschaft – ein weiteres Nebenprodukt der so genannten Globalisierung – in ihr eines Tages nicht die schamlose, die Werke anderer ausschlachtende Vielschreiberin voller skrupellosem Ehrgeiz und unstillbarer Gier sehen, sondern eine Prophetin, die von nichts Geringerem als den höchsten moralischen Grundsätzen inspiriert sei, dann würden ihre Anhänger sie verlassen. Auf Buchständern in Supermärkten, bei Zeitungshändlern auf Flughäfen, an der Kasse im Drugstore würde man ihre Hervorbringungen nicht mehr finden. Auf Bestseller-Listen, sowohl im Hardcover wie im Paperback, würde sie, wie bislang gewohnt, nicht mehr aufgeführt werden, würde die Zahl der Wochen, der Monate, der Jahre nicht mehr erscheinen, während der sie Spitzenpositionen hielt. Kritiker würden achtlos über sie hinweggehen, hatten sie doch nichts mehr, was sie verunglimpfen könnten. Keine Fortsetzungsserien mehr im Fernsehen oder Radio, kein herablassendes Belächeln von Literaturwissenschaftlern. Ihr Ruhm, ihr Vermögen wären dahin. Sie würde vergessen sein, verarmt, ausgeraubt. Maude McCloskeys Stimme musste zum Schweigen gebracht, ihre seherischen Kräfte mussten zunichte gemacht werden.
Um das zu erreichen, bediente sich Kitty der einfachsten Waffe, die ihr zu Gebot stand: nicht ableugnen, sondern zustimmen, allerdings in Spott gehüllt. »O ja, Kitty McCloud, die große Verfechterin der Wahrheit! Die Maude Gonne der literarischen Welt. Schreibt mit dem flammenden Schwert, das ihr von St. Michael höchstselbst gereicht wurde. Hat einen unstillbaren Durst nach der Wahrheit, ist der Hort eines Zornes, wie ihn die Welt seit den Tagen der Königin Mab nicht mehr gesehen hat. Sieh sie dir genau an, Maude McCloskey! Wann wirst du dergleichen wieder erblicken?«
»Verspotte mich nur, so viel du willst. Ich bin daran gewöhnt. Aber ändern tut das überhaupt nichts.«
»Oh? Bevor du diesen letzten Unsinn von dir gegeben hast, war ich fast bereit zu glauben, dass das Schießpulver irgendwo lauert und ich jeden Augenblick gen Himmel fliegen könnte. Aber nun hat meine Seele Ruh für immer und ewig. Denn was du da redest, meine Liebe, ist der reinste Schwachsinn. Und trotzdem danke ich dir dafür, ist es mir doch eine Bestätigung, dass du nicht weißt, wovon du redest. Ohne deine liebenswürdigen Idiotien wäre ich in den Ehestand getreten, ohne die Chance gehabt zu haben, alle Gerüchte über einen Fluch, der sich noch erfüllen soll, aus meinen Gedanken zu verbannen. Das ist dein Geschenk für mich, und dafür bin ich dir von Herzen dankbar.«
»Du lügst, Kitty McCloud.«
»Oh? Bin ich nicht vor ein paar Minuten noch die edle Verkünderin der Wahrheit gewesen?«
»Das bist du auch. Außer, wenn du lügst.«
»Eine seltsame Logik. Wirklich!«
»Du bist eine Prophetin. Deine Bücher beweisen das.«
»Ich bin eine dreiste Geldschinderin, die Romanschreiber, die seit langem tot sind, gegen bare Münze verhökert. Das weißt du genauso gut wie jeder andere, ich selbst nehme mich da nicht aus.«
»Schau mir ins linke Auge, und sag das noch mal.«
Kitty konnte der Aufforderung nicht nachkommen, denn ihr wurde bewusst, dass sie schon seit einer Weile einen jungen Mann am anderen Ende der Halle im Blick hatte. Richtig hübsch war der, wirkte aber traurig und bekümmert. Es war, als suche er jemanden, den er nie finden würde, und betrauerte bereits seinen Verlust. Je länger Kitty ihn beobachtete, um so mehr ärgerte sie sich, ärgerte sich über ihn fast ebenso wie über Maude. Seine Haut war bräunlich, aber heller als seine Kleidung, doch es war nicht so sehr eine von der Sonne verursachte Bräune, vielmehr eine Tönung, die keine Sonne gesehen hatte. Offensichtlich war er einer der Hausbesetzer, der gekommen war, sich über ihr Hochzeitsfest lustig zu machen. Gekleidet war er wie ein Bauer – ging sogar barfuß –, demnach war er ein Bediensteter von so niederem Rang, dass in seiner Kleidung gemäß altem Brauch nur eine einzige Farbe vorkommen durfte. Würde sie, Kitty, jetzt hier die Gutsherrin darstellen, hätte er als Gegenentwurf zu ihren hochfliegenden Allüren gelten können, der sich als Knecht gab, dem die Selbstherrlichkeit der Lords Shaftoe nur zu vertraut war.
Je länger Kitty ihn beobachtete und dabei verfolgte, wie sein Blick langsam von einem Ende der Halle zum anderen wanderte und stets bekümmert blieb, wich ihre Verärgerung einem zunächst sachten Interesse, dann einem zunehmenden Gefesseltsein.
Maude, die bemerkt hatte, wie sich Kittys Aufmerksamkeit verschob, folgte ihren Blicken. Von Kittys Gesicht war das Lächeln geschwunden, das sie während des Gesprächs mit der Seherin aufgesetzt hatte, und ohne auch nur in Maudes Richtung zu nicken, fragte sie: »Der junge Mann, der ganz in Braun geht, wer ist das?«
»Wo?«
»Dort, gegenüber an der Wand und ein bisschen nach rechts. Hat sich wie ein Bauer angezogen.«
»Ich sehe keinen.«
»Alles, was er anhat, ist braun. Die Jacke, das Hemd, die viel zu kurzen Hosen. Geht sogar barfuß.«
»Ich finde ihn nicht.«
»Macht nichts. Ist bloß sonderbar. Muss einer der Hausbesetzer sein, die mich zum Besten halten wollen.«
»Wie ich dich kenne, würde ich ihm das nicht raten. Trotz deiner Beschreibung finde ich ihn nicht, beim besten Willen nicht.«
»Was zu essen brauchte der, einen ganzen Teller voll, würde ihm ein bisschen Farbe ins Gesicht bringen. Und ein Paar Schuhe für die schmuddligen Füße. Und ein hübsches Mädchen, das ihn aufmuntert, so traurig, wie der aussieht. Und nächstes Mal, wenn er was anzieht, sollte er nicht das grobe Wollzeug nehmen, die Jacke hat ihm den Hals schon ganz aufgescheuert. Schadet ihm gar nichts, wenn er sich so zum Affen macht.«
Langsam wandte sich Maude Kitty zu und richtete sich kerzengerade auf, ein sicheres Anzeichen, dass sie sich anschickte, noch mehr Unheil zu verkünden. Aber ehe die Seherin zu Wort kam, lachte Kitty kurz auf. »Nein. Warte mal. Tatsächlich. Er hat das Mädchen gefunden, das er gesucht hat. Und sie ist gekleidet wie er. Nein, nicht ganz so. Aber höchst seltsame Sachen hat sie an, darüber einen weiten braunen Umhang mit Kapuze. Langes Haar bis auf die Schultern. Die passt richtig zu ihm. Aber schau nur: Sie ist genauso traurig wie er. Das ist mir vielleicht ein Paar! Und der Umhang hat sich gerächt, das grobe Wollzeug hat auch ihr den Hals zerkratzt, bis aufs Blut sogar. Viel Spaß haben die nicht, wie die aussehen. Eine Scheibe Braten täte ihr ebenso gut wie ihm, und etwas mehr in die Sonne zu gehen, würde ihr auch nicht schaden. Nun sieh dir das an! Sie fasst seine Hand, er streichelt ihr die Wange, so was von bleich habe ich noch nie gesehen. Jetzt blicken beide hierher, direkt zu mir. Wollen wohl herausfinden, was ich von ihrem Scherz halte.«
Kitty lächelte und nickte, bewegte den Kopf energisch auf und ab. »Ja, ich habe euch bemerkt. Ein hübsches Paar seid ihr, wollt wohl euren Spott mit mir treiben und mit meiner Hochzeit und meiner Burg.« Sie sagte das nicht laut, sprach mehr zu Maude, auch wenn sie die Hausbesetzer meinte. »Vergnügt euch. Seid willkommen zum Fest. Und seid bedankt, dass ihr mich daran erinnert, was ich nun bin. Bestimmt kein Lord Shaftoe – soll der in der Hölle schmoren –, sondern Burgwartin und eine ebenso berechtigte Erbin wie jeder, der Kerry-Blut in den Adern hat. Ihr steht auf der Erde von Kerry, und die Tage der Shaftoes sind dahin. Esst. Tanzt. Trinkt. Das Fest sei euer, so gut wie es meins ist …«
Sie hielt inne, wandte rasch den Kopf und begann unter der Schar der Gäste zu suchen. »Na, so etwas. Jetzt habe ich sie aus den Augen verloren. Komisch.« Immer noch lächelnd blickte sie Maude an, erwartete eigentlich, dass die das auch sonderbar fand. Doch die Seherin trat zwei Schritte zurück, mit halboffenem Mund starrte sie Kitty an.
»Entschuldige, Maude. Ich sollte dir doch ins linke Auge schauen und irgendetwas schwören, habe es ganz vergessen. Du brauchst mich gar nicht so anzusehen, als hättest du eine noch schlimmere Prophezeiung in petto als die vorige.«
Da Maude schwieg, hielt Kitty es für das Beste weiterzureden, bis die alte Schlange ihre Zungenfertigkeit zurückgewonnen hatte und sie für jedermann hörbar nutzte. »Machen wir also, was du willst. Ich schaue dir geradewegs ins linke Auge. Du sagst mir, was ich sagen soll, ich sage es, und dann haben wir es hinter uns.«
Maudes Kinnlade schnappte mehrmals auf und zu. Schließlich brachte sie etwas über die Lippen, aber nur leise und unzusammenhängend. »Er heißt Taddy«, hauchte sie. »Sie heißt Brid.«
Kitty gab einen Schnaufer von sich, was sie oft tat, wenn ihr das Lachen im Hals steckenblieb. »Taddy und Brid, meinst du? Die beiden, die wegen der Pulververschwörung gehängt wurden? Jetzt hast du vollends den Verstand verloren und treibst genauso deinen Spott mit mir wie sie.«
Maude schluckte zweimal, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und schoss zu dem Tisch, auf dem die Getränke standen. In rascher Folge half sie sich zwei gutgefüllte Gläser Tullamore Dew ein.
Ehe Kitty noch einmal die Menge nach der vermeintlichen Brid und ihrem Taddy absuchen konnte, stand Kieran vor ihr und hielt ihr einen Krug Stout hin. »Wie wär’s damit? Hättest du Lust?«
»Und ob ich Lust habe! Sonst wäre ich doch nicht hier.«
Wie auf ein Stichwort griffen Annie Fitzgerald zur Fiedel und Jamie Kerwin zur Flöte, Cathy Clarke schlug die ersten Takte auf dem Bodhran, der irischen Trommel, und auch Charlie Dillon mit seiner Gitarre ließ sich nicht lumpen; gemeinsam legten sie los mit Johnny Will You Marry Me. Kitty kam nicht dazu, ihren ersten Schluck zu nehmen, denn schon tanzte sie den Hoppy, all die Schritte aus ihren Mädchentagen fielen ihr ein, als steckte ihr Gedächtnis in den Füßen. Partnerwechsel, Schlängeln durch die Reihen der Tänzer, vor und zurück, Aufstampfen auf die Planken des Tanzbodens, den sie eigens hatte zimmern lassen, all das nahm Kitty gefangen, so dass sie nicht in der Lage war, die unbewegte Miene beizubehalten, die der Tanz verlangte. Auch lenkte sie der Gedanke ab, die Hausbesetzer, egal, wer sie wirklich waren, könnten auf der Tanzfläche erscheinen, früher oder später würde sie dann ihren Arm in Taddys einhaken, wenn auch nur für ein paar Schritte, bevor das Hin und Her des Tanzes sie wieder ihrem frisch angetrauten Gatten zuführte. Die Wunschvorstellung erfüllte sich nicht, dennoch war sie nicht enttäuscht, zu sehr war sie darauf bedacht, keinen Schritt zu verpassen und somit nicht wieder in den Gedankenfluss zu geraten, den anzustoßen sich Maude McCloskey bemüht hatte.
Die Seherin verhalf sich zu weiteren Tullamore Dews.