Jahr Zwei, 28. Oktober, Mittag III
»Wir sind gleich da.«
Sepp nahm den Fuß vom Gas und bog, von Norden kommend, auf die nach Osten führende D3009 Richtung Port-la-Nouvelle ein. Es waren noch knappe zehn Kilometer bis zum Hafen, und die Straße machte einen relativ passierbaren Eindruck. Das Funkgerät meldete sich.
»Sepp, Alv? Hier ist Eckhardt. Wir hatten eben Kontakt zum Schiff, sie meinen, sie hätten Land in Sicht und wären in etwa einer Stunde da. Wie weit seid ihr?«
Alv griff zum Mikro und antwortete.
»Hier ist Alv. Wir sind noch etwa acht Kilometer vom Treffpunkt entfernt. Sag ihnen nochmal, es ist am Ende des Hafenbeckens an Steuerbord, bei den blauen Lagerhäusern. Ende.«
Er hängte das Mikro ein und meinte zu Sepp:
»Wie es aussieht, müssen wir etwas umdisponieren. Erst Begrüßungskomitee, dann den Truck beladen. Die Shopping-Tour muss noch warten, bis unsere Feriengäste da sind.«
Juri warf ein, dass er es sowieso gut fände, die Lagerhäuser zusammen mit den Neuankömmlingen zu durchstöbern, immerhin waren sie dann elf Leute mehr. Und dieser Computnik, wie er Oleg nannte, tauge zumindest zum Aufpassen, setzte er grinsend nach.
»Also gut«, sagte Alv, »dann suchen wir zunächst mal einen guten Standplatz für den Truck und sichern die Umgebung. Da vorn am Kreisverkehr geradeaus, beim nächsten dann links ab. Das ist der Weg zur Brücke.«
Sepp schaltete zwei Gänge runter und beschleunigte sein Fahrzeug. Eine knappe halbe Stunde später rollte der Hulk-Truck über die größere der beiden Hafenbrücken in Port-la-Nouvelle in das nördlich gelegene Gewerbegebiet ein.
Dort fuhren sie auf das Gelände des Logistikunternehmens Foselev, dessen himmelblaue und eigenwillig geschwungen geformten Gebäude sich von der sonst eher tristen Zweckbebauung deutlich abhoben. Als die Hauptmaschine auslief und die Bremsen zischend griffen, sprangen Alv und Juri sofort aus dem Truck und verschafften sich einen Überblick, ihre durchgeladenen Waffen im Anschlag. Sepp hatte den Truck ziemlich dicht am Wasser geparkt, genau zwischen Lagerhallen und Kaimauer. Er fuhr die Hydraulikstempel an Zugmaschine und Ausleger aus, die für Stabilität sorgten, dann aktivierte er den Kran, dessen Arm sich ebenfalls hydraulisch entfaltete. Am Heck des Trailers senkte sich der Gabelstapler zu Boden und wurde aus der Halterung ausgeklinkt.
Während Juri den Bereich in Richtung Lagerhallen und Plätze inspizierte, nahm sich Alv das andere Ufer des Hafenbeckens mit dem Feldstecher vor. An dieser Stelle reichte die Kaianlage weit in das Hafenbecken hinein, bis zum anderen Ufer waren es vielleicht gerade einmal fünfundzwanzig Meter. Drüben war eine Art Promenade, die von typischen mediterranen zwei- bis dreistöckigen Häusern flankiert wurde; dort gab es Restaurants, Boutiquen und Geschäfte, während auf der Gewerbeseite im Norden des Hafens Getreidesilos, Gleisanlagen und die Lagerhäuser von Speditionen vorherrschten.
In den zum Teil zerbrochenen Fenstern wehten Fetzen alter Gardinen leicht im Herbstwind, viele Türen standen offen und die Gartenmöbel der Cafés lagen verstreut herum.
Nicht wenige der Fassaden waren schwarz verbrannt, viele Dächer eingestürzt, auf der Straße standen Autos mit offenen Türen kreuz und quer. Weiter östlich an der Hafenmauer lag das ältere Ortszentrum von Port-la-Nouvelle.
Der Kaimauer vorgelagert gab es schwimmende Stegkonstruktionen, an denen viele Freizeitboote vor sich hin dümpelten; die meisten der Boote waren bereits untergegangen oder gekentert, einige trieben im Hafenbecken umher.
Vom Fischfang hatte schon lange vor der Zombieapokalypse hier niemand mehr gelebt, auf der einen Seite des Wassers bestimmte die vernichtete Freizeitindustrie das Bild, auf der anderen die Infrastruktur für die Verladung von Stück- und Schüttgut jeder Art. Port-la-Nouvelle war für den Handel mit den Inseln Korsika und Sardinien wichtig gewesen. Jetzt war es lediglich ein Ufer voller Trümmer. Alv blickte durch das Fernglas und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Seitengassen, die vom Hafen weg führten. Dort waren immer wieder Bewegungen zu erkennen, langsam, aber beständig – Walker! Die flinkeren Gesellen, die Hunter, konnte Alv nicht ausmachen; das bedeutete jedoch nicht zwangsläufig, dass da keine existierten. Möglicherweise hielten sie sich versteckt oder schnüffelten irgendwo herum.
Juri kam aus dem nördlichen Areal zurück und berichtete, dass dort alles ruhig sei. Alv deutete in Richtung Südufer, wo man erste Walker-Fratzen bereits auf der Promenade ausmachen konnte.
»Da drüben braut sich was zusammen. Wir sollten das im Auge behalten. Das Schiff kommt jeden Moment und wird die Zeds natürlich aufschrecken.«
»Ich könnte die kleine Brücke dort verminen«, entgegnete Juri und zeigte nach Westen, »dann müssen die Zeds über die große Brücke auf der anderen Seite des Kanals dort hinten kommen, um uns zu kriegen; das dürfte uns Zeit genug geben, unser Vorhaben durchzuziehen.«
»Dafür müssen wir auf dem Rückweg durch die Horde«, erwiderte Alv.
Juri grinste breit.
»Ich habe mir Sepps Fahrzeug angesehen. Ich habe Vertrauen.«
»Hm. Also gut, vermine die kleine Brücke. Sepp und ich unternehmen derweil einen ersten Gang durch das Speditionslager und markieren Paletten.«
Die beiden gingen zurück zum Truck und besprachen mit Sepp das weitere Vorgehen. Dann schnappte Juri sich je eine Kiste mit Landminen und Granaten vom Truck und fuhr mit dem Gabelstapler zu der kleineren der beiden Hafenbrücken, die zwar eng und klein war, aber ziemlich exakt zum Lagerhauskomplex führte, in dem sich die Männer aufhalten würden.
Juri sollte auf der Südseite einen Minengürtel legen und die relativ schwach gebaute Brücke in der Mitte mit Granaten spicken, die er per Fernzünder auslösen konnte. Er schaltete den Gabelstapler auf Batteriebetrieb um, er wollte den Lärm des blubbernden Gasantriebs vermeiden, um die Zeds nicht unnötig aus der Stadt herauszulocken.
Den Minenteppich legte er in drei Bändern zu je fünfundzwanzig Landminen am südlichen Brückenzugang aus. Zu verstecken brauchte er die Sprengfallen nicht, denn die Walker achteten nicht im Geringsten auf ihre Umgebung, sie schlurften träge und stöhnend durch die Gegend, bei jedem Wetter, im Hellen wie im Dunklen, und wenn einer ins Hafenbecken fiel, sank er auf den Grund und wurde dort zu Fischfutter.
Im Gegensatz zu den mächtigen Struggler-Zeds waren Walker und auch Hunter nicht in der Lage, sich im Wasser fortzubewegen. Sie waren mit den Z1V31-Virus infiziert, das sie anfälliger für Umwelteinflüsse machte, als das bei den V33-Strugglern der Fall war. Juri hatte diese Zombie-Berserker bereits in der nördlichen Ukraine live gesehen, und sie hatten ihm verdammt nochmal eine Heidenangst eingejagt.
In der Mitte der Brücke legte er an den neuralgischen Punkten Sprengladungen, die er über einen elektronischen Fernzünder miteinander verband.
Als er diese Arbeit beendet hatte, sah er, dass Sepp und Alv aus einem der blauen Lagerhäuser am Nordkai kamen und nach Osten deuteten. Von dort kam das russische Minenjagdboot Kowrowez gerade aus der seichten Kurve des Hafengewässers und steuerte den Kai wie verabredet an. Der Kapitän war offensichtlich so geistesgegenwärtig gewesen, nach Passieren der Hafeneinfahrt die Maschine auszuschalten. So dümpelte das Boot zwar träge in den Hafen und war extrem schwer zu steuern, doch die Zeds reagierten nicht auf das vermeintliche Geisterschiff. Fast völlig geräuschlos und im Schritttempo bewegte sich das – im Vergleich zu anderen hier liegenden Wasserfahrzeugen – große Stahlschiff auf den Kai zu, der wie ein Horn in das Hafenbecken hineinstach. An Deck standen wahrscheinlich alle Besatzungsmitglieder bis auf den Steuermann, Juri konnte am Bug Oberst Ryschkow ausmachen, der ihm noch aus der Ukraine bekannt war. Er beeilte sich, mit dem Gabelstapler wieder zum Nordkai zu fahren, denn von nun an musste alles recht schnell und noch dazu Hand in Hand gehen.
Die letzten Meter der Kowrowez bis zur Kaimauer schienen sich endlos auszudehnen, dabei hatte der Steuermann offensichtlich das Tempo des Schiffes absolut exakt berechnet, als er die Maschine ausschaltete. Wäre es zu schnell gewesen, hätte es beim Anprall enormen Krach verursacht, was wiederum die Zombies angelockt hätte.
So dümpelte das Schiff langsam und gemächlich, fast in Zeitlupe, an die Pier, und das Quietschen der Fender blieb das einzige Geräusch, das von dem Anlegemanöver verursacht wurde. Die Besatzung warf die Anschlagleinen hinüber zum Festland und binnen kürzester Zeit war die Kowrowez vertäut. Das dreiköpfige Empfangskomitee lächelte freundlich, als Oberst Ryschkow das Deck verließ und als Erster an Land ging. Juri trat ihm entgegen, salutierte ordnungsgemäß und begrüßte ihn auf Russisch:
»Oberst, im Namen der Gesellschaft des Willens heiße ich Sie hier herzlich willkommen. Ich bin Leutnant Juri Paladin. Das hier sind Sepp Falkner, unser Spezialtrucker, ehemals deutsches KSK, und Alv Bulvey, unser Bürgermeister und Verwaltungschef.«
Oberst Ryschkow grüßte den Soldaten ebenfalls mit militärischer Geste und antwortete erstaunlicherweise in einem gar nicht mal so schlechten Deutsch. Er wandte sich direkt an seinen Gastgeber.
»Herr Bulvey, ich bin Oberst Ryschkow. Meine Männer und ich freuen uns, dass Sie bereit sind, uns Asyl zu gewähren. Wir haben den Computerspezialisten Oleg Demianowitsch Tschertschinski an Bord, außerdem haben wir Computer sowie einiges an Waffen und Vorräten geladen.«
Er hielt Alv die Hand hin, die dieser ergriff und antwortete:
»Ich schlage vor, dass wir das förmliche ›Sie‹ weglassen. In unserer Gemeinschaft pflegen wir einen sehr engen Umgang, sogar unser etwas konservativer Professor musste sich daran gewöhnen. Also, ich bin Alv.«
»Anatoli.«
»Gut, ich freue mich, dass wir uns in Freundschaft begegnen können. Unser Truck ist für das Umladen vorbereitet. Wir wollen zusätzlich noch aus dem Lagerhaus dort einige Paletten mitnehmen. Das Boot sollten wir verschließen und hier fest vertäuen, wer weiß, wofür wir es noch brauchen können.«
»Viele Zombies hier?«, fragte der Oberst und sah sich um.
»Auf unserer Seite noch nicht, aber drüben im Stadtkern. Juri hat die Brücke dort hinten vermint, das verschafft uns ein wenig Zeit. Ich bräuchte noch vier Mann hier für das Lagerhaus, als Posten. Juri und ich verladen. Sprechen deine Männer deutsch?«
»Nicht alle besonders gut. Aber Natascha spricht deutsch.«
Er drehte sich zum Schiff um und zeigte auf eine der beiden Frauen, die an Deck standen. Eine große, blonde Frau mit breiten Schultern. Sie kam hinzu und verständigte sich mit Alv über die Aufgabe. Drei weitere Männer winkte sie heran, um das Lagerhaus zu bewachen. Juri bediente den Gabelstapler und bereits nach wenigen Minuten fuhr er die erste Palette aus dem Lager. Es handelte sich um Werkzeugkoffer mit je über 200 Teilen, 128 Stück befanden sich auf der Palette. Die nächste Palette enthielt Rindfleisch-Dauerkonserven, außerdem gab es Tütensuppen, Reis in Fünf-Kilo-Säcken, Kondensmilch und Drei-Kilogramm-Dosen mit Erbsensuppe. In den Zwanzig-Fuß-Container, der auf dem vorderen Teil des Trailers stand, passten insgesamt zehn Paletten. Sepp hatte diesen auf dem Boden neben dem Truck abgesetzt, so dass Juri ihn zügig beladen konnte.
Mit gekonnter Routine entluden die Neuankömmlinge ihr Schiff mit Hilfe des Drei-Tonnen-Krans, den Sepp bis zum Schiff hinüber schwenken konnte. An Deck luden die Männer sämtliche Kisten und Kartons in den Container, den Sepp vom Auflieger gehoben und auf dem Achterdeck abgesetzt hatte. Als der Container zu etwas mehr als der Hälfte gefüllt war, gab Ryschkow das Signal, den Container zu verschließen und wieder auf den Truck zu laden, sämtliche Ladung aus dem Schiff befand sich nun in der Box.
Beim Absetzen passierte es dann. Der Kranarm sackte durch und der Container knallte mit voller Wucht auf den Auflieger, was einen Höllenlärm verursachte. Beim Auspendeln schlug er noch einmal gegen den Rahmen der Ladebrücke und der halbvolle Container wirkte dabei wie ein gewaltiger Klangkörper. Ein hohler, metallischer Ton wurde weit in die Umgebung getragen. Das entging den Zeds am anderen Ufer natürlich nicht, denn den Krach konnte man bis weit in die Stadt hinein hören.
Eine Sekunde lang geschah nichts. Dann jedoch kam Bewegung in die Szene. Synchron ruckten die Köpfe einiger Hundert Walker herum in Richtung Geräuschquelle und die zerfledderten Untoten bewegten sich in die Richtung, aus der die Geräusche zu vernehmen waren. Die Walker stöhnten und knurrten, überall konnte man das Schlurfen und Kratzen ihrer lahmen Extremitäten hören, die über das Pflaster und den Asphalt schleiften. Aus den Gassen, Häusern und Geschäften strömten sie in Richtung Hafen, einige fielen über die Kante und versanken.
Mit einem Mal kam zusätzliche Bewegung in die Menge. Mehrere Dutzend Hunter hetzten kreischend durch die engen Gassen, sie überrannten die Walker, stießen sie von sich weg, bissen hysterisch um sich. Die schleichenden Zombies strauchelten, fielen, wurden von den hyperaktiven Huntern angegriffen und niedergeworfen. Immer wieder hielten die Jäger-Zeds ihre mumiengleichen, ledernen Nasen in den Wind und schnüffelten, ihre Köpfe zuckten wild hin und her, wenn sie versuchten, Geräusche aufzunehmen, die auf Beute hindeuteten.
Die ersten Gruppen bestialisch schreiender Zeds erreichten die Brücke und lösten die Sprengfallen des Minengürtels aus. In heftigen Explosionen wurden die heranrasenden Zombies zerfetzt und ihre Eingeweide klatschten im Umkreis von fast hundert Metern ins Wasser, auf die Straßen, an die Häuser und auf Autos und Boote. Sogar bis zur Kowrowez flogen die Fetzen.
»Okay! Wir müssen uns beeilen!«, rief Sepp, Alv und Juri brachten gerade die letzte Palette aus dem Lagerhaus heran. Auch die Neuen kamen nun am Hulk-Truck zusammen. Juri schaute Alv fragend an, der nickte.
»Volle Deckung!«, rief Juri und löste einige Sekunden später den Fernzünder aus. In einem beeindruckenden Feuerball explodierte die Mittelsektion der kleinen Hafenbrücke und riss wenigstens fünfzig Zeds mit in das Hafenbecken. Überall prasselten die kleinen Betonbröckchen wie steinerne Hagelkörner herab und erzeugten einen grotesken Trommelwirbel. Es roch nach verbranntem Fleisch.
Während Sepp mit Alv die Ladung sicherte, bugsierte Juri die Neuen in den Wohntrakt des LKW, wo er die Gruppe bat, sich anzuschnallen beziehungsweise gut festzuhalten. Erste Gruppen der Hunter-Zeds hatten inzwischen die Rampe der größeren Hafenbrücke erreicht, auf der die Fernstraße verlief. Sie hechelten und rannten, was ihre zerfledderten Leiber hergaben. Sie wollten unbedingt zu der Beute gelangen, die sie am anderen Ufer des Hafenbeckens vermuteten. Um zu der Brücke zu gelangen, mussten sie auf einer kleineren Brücke einen Seitenkanal überqueren; dieser Flaschenhals verlangsamte ihr Vordringen und verschaffte Sepp etwas Zeit, um das Fahrzeug abfahrbereit zu machen.
»Alle an Bord?«, rief er, als er den Fahrersessel bestieg.
»Vollzählig!«, antwortete Juri, der im Gang zwischen Fahrerkabine und Wohnraum stand. Die Fahrgäste nickten. Oleg stand ebenfalls im Durchgang und bestaunte die Technik, die er in der Fahrerkabine sah. So etwas hatte er noch nie gesehen.
Sepp startete auf Knopfdruck beide große Maschinen, und eintausendachthundert Pferdestärken brüllten unter der riesigen Motorhaube auf. Die Zugmaschine, die allein schon weit über zehn Tonnen wog, besaß zwei Vorder- und zwei Hinterachsen, einzelgelenkte Räder und lastschaltbare Differenzialsperren. Der Tritt aufs Gaspedal ließ den Koloss abgehen wie eine Raubkatze. Sepp aktivierte die spezialgehärteten, umlaufenden Sägeketten an Truck und Auflieger; dadurch war es so gut wie unmöglich, dass Zombies sich an dem Fahrzeug festhalten konnten, sie wurden einfach zerstückelt. Den Frontschild senkte er ab und steuerte das metallene Ungetüm auf die Brückenzufahrt.
Alv aktivierte die Zwanzig-Millimeter-Gatlingkanone, die aus der Halterung in der Motorhaube hydraulisch hochfuhr und deren Läufe mit einem hohen Sirren zu rotieren begannen.
Als Sepp den Kreisverkehr umrundet hatte und langsam auf die Überführung fuhr, hatte sich am anderen Ende der Brücke eine riesige Zombieherde versammelt. Walker und Hunter standen dort, fast bewegungslos. Alv fühlte sich stark an die Situation im Leonberger Engelberg-Tunnel erinnert, wo die Gemeinschaft einem riesigen Heer von Zombies gegenübergestanden hatte. Damals waren sie nur entkommen, weil der Marschall Hubschrauber zur Unterstützung geschickt hatte. Hier standen zwar nicht zehntausend Zeds, sondern nur einige Hundert, aber das machte die Situation nicht ungefährlicher. Es war ein bestialisches High-Noon-Szenario, das plötzlich von einem markerschütternden Schrei unterbrochen wurde.
Sepp und Alv schauten sich wissend an. Ein Struggler! Alv nickte, und Sepp trat das Gaspedal voll durch. Meterhoch spien die Sidepipes schwarze Rauchfontänen in den Himmel und erzeugten ein Bild, das jedem Coal Roller die Freudentränen in die Augen getrieben hätte. Dann kuppelte er ein und hetzte den riesigen Truck auf die Brücke.
In der Menge der Zeds herrschte Unruhe. Man sah weit hinten im Pulk einzelne Walker nach rechts und links aus der Masse herausfliegen, wie Puppen wurden sie fortgeschleudert. Auch Hunter flogen irrsinnig kreischend und sich überschlagend davon. Stampfend wie ein Elefant bahnte sich ein unförmiges Muskelpaket mit dem hässlichen Aussehen eines Bergtrolls den Weg durch die Horde und stürmte auf den LKW ein, mit den mächtigen Armen den Weg vor sich freiräumend. Kreischende Zeds versuchten, seiner Brachialgewalt zu entkommen, doch die Horde stand so dicht gedrängt, dass dies unmöglich war, und so griff der Struggler wahllos nach ihnen und schleuderte sie zu den Seiten weg. Jaulend und schreiend flogen die Zeds über das Brückengeländer und verschwanden in der Tiefe, wo das Wasser des Hafenbeckens klatschend über ihnen zusammenschlug.
Alv entsicherte und schoss in voller Fahrt mit der Gatling auf den Struggler, der die erste Garbe sogar noch wegzustecken vermochte. Er wurde in seinem Vortrieb zwar gebremst und ungeheure Mengen seines toten Fleisches wurden von den Projektilen weggerissen, doch er raffte sich auf und rannte weiter, gefolgt von der hysterisch brüllenden Zombieherde. Man konnte förmlich zusehen, wie sein verletzter Körper sich selbst heilte. Das zerfetzte Fleisch sandte lange Fäden aus, die sich ineinander verhakten und die Wundränder zusammenzogen. Dann regenerierte sich die Haut an der Stelle und die vorherige Wunde wurde unsichtbar. Selbst mehrfache Projektileinschläge an ein und derselben Stelle ließen die Bestie scheinbar völlig kalt. Auffällig war, dass der Struggler stets versuchte, den Kopf aus der Schussbahn zu bringen, was darauf schließen ließ, dass diese Kreatur genau um ihren wunden Punkt wusste.
Alv visierte den Struggler erneut an und zog den Abzug voll durch. Er landete einen Volltreffer und der Schädel des Zeds explodierte förmlich in einem blutigen Regen. Nun hielt die Maschinenkanone bittere Ernte unter den heranstürmenden Zeds, die reihenweise im Kugelhagel fielen.
Sepp hielt den Truck mitten auf der Fahrbahn und gab Gas. Die Turbolader heulten und pumpten kubikmeterweise Luft in die insgesamt zwanzig Zylinder, deren brachiale Explosionsgewalt auf die acht Antriebsräder übertragen wurde.
Als der Hulk-Truck in die Menge der Zeds brach, verwandelte die Maschine in Sekundenbruchteilen das fleischige Hindernis vor sich in einen undefinierbaren Brei aus Knochen, Fleisch und unbestimmbaren Liquiden. Die Sägeketten zerfetzten alles, was den geschliffenen Stahlzähnen zu nahe kam. Hände, Arme, Köpfe flogen umher wie Herbstlaub im Wind, das Toben und Kreischen der nur zum Teil zermalmten und überfahrenen Zeds vermengte sich mit dem Gebrüll der Dieselmaschinen zu einer furchtbaren, gotteslästerlichen Kakophonie des Grauens.
Mit einem Mal war alles vorbei. Der Hulk-Truck hatte die Blockade durchbrochen und donnerte in voller Fahrt die Brückenrampe hinunter. Und, als hätte der Herr ein Einsehen, begann es wenige Minuten später heftig zu regnen. Der Niederschlag wusch einen nicht geringen Teil der Schweinerei ab, die überall am Fahrzeug hängen geblieben war.
Donnernd rollte der mächtige Truck durch den Regen nach Westen, in Richtung Heimat. Einzig ein zerfledderter, kreischender Hunter, der mit grotesk verrenkten Gliedern in der Aufhängung der dritten Hinterachse des Trailers hing, kündete noch von dem Massaker, das dieses herrliche Fahrzeug eben angerichtet hatte.