Jahr Zwei, 24. Oktober, Mittag

»Ach, wen haben wir denn da? Die kleine Computertunte!«

Oleg zuckte zusammen. Er hatte gerade die enge Nasszelle des Bootes, das Bongo, verlassen, als ihm Braschnikow, ein grobschlächtiger, ungehobelter Russe von mindestens zwei Meter Größe, in den Weg trat. Er ließ keinen Zweifel an seinen Absichten aufkommen und stieß den Jungen unsanft zurück in den Raum, wo er schmerzhaft zwischen Toilette und Waschbecken fiel.

»Du kommst mir gerade recht, Dreckstück.«

Oleg brauchte nicht lange zu überlegen, um zu wissen, was nun folgen würde. Wie oft schon hatte er vor der Apokalypse ähnliche Situationen erlebt, in der Schule, in seiner Freizeit.

Sogar im eigenen Hausflur hatten irgendwelche Proleten ihn schon oft vergewaltigt oder zusammengeschlagen, oder beides, abwechselnd.

Darauf würde es auch dieses Mal wieder hinauslaufen. Und so kam es auch.

Der stinkende Schläger riss Oleg vom Boden hoch und hieb ihm die Faust wie einen Eisenhammer zweimal mitten ins Gesicht. Knirschend brach Olegs Nasenbein, auch nicht zum ersten Mal. Blut floss aus der Wunde über sein Gesicht.

Braschnikow warf ihn kopfüber durch den kleinen Raum, als wäre Oleg aus Papier. Auf dem Bauch liegend landete er auf dem Toilettensitz aus Edelstahl. Der Schläger trat ihm von hinten mit seinen Militärstiefeln zwischen die Beine und ein rasender Schmerz explodierte in Olegs Unterleib.

»Das hast du gern, was? Klar, das habt ihr Penner doch alle gern. So richtig schön rangenommen werden, was?«

Brutal packte der Hüne Oleg an den langen Haaren und drosch ihn mit dem Gesicht auf den Toilettensitz. Ein kurzes, hartes Knacken und brennender Schmerz zeigte Oleg an, dass sein Jochbein ebenfalls schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Er weinte riesige Tränen vor Schmerz und vor Wut. Salziger Geschmack von Blut und Tränen machte sich in seinem Mund breit. Dann spürte er, wie Braschnikow sich an seinem Hintern zu schaffen machte.

Knirschend zerriss der Mann ohne Probleme Olegs Hose, dann spuckte er ihm auf den After.

»So, du kleine Pussy, jetzt bekommst du etwas, das du nicht alle Tage kriegst!«

Mit aller Gewalt rammte Braschnikow dem Jungen sein Geschlecht zwischen die Hinterbacken; reißender Schmerz durchzuckte Olegs Anus.

Der Vergewaltiger tobte sich in Oleg aus und tat ihm dabei fürchterlich weh. Nach einer Minute hatte er sich in Oleg entleert und zog sich aus ihm zurück.

Höhnisch lachend urinierte er noch einmal auf den wimmernden Jungen, dann verschwand er aus der Nasszelle. Oleg lag wimmernd, heulend und blutend zwischen Toilette und Waschbecken, als eine der beiden Frauen an Bord ihn fand.

Vorsichtig brachte man ihn in die Offiziersmesse, wo die Frauen ihn auf einer Bank ablegten, vorsichtig mit nassen Tüchern wuschen und zudeckten.

Sie ersetzten auch die zerrissene und blutgetränkte Kleidung, was Oleg widerstandslos über sich ergehen ließ. Er hatte keine Kraft mehr, sich zu wehren, und sank in die Kissen.

Eine Minute später betrat Oberst Ryschkow den Raum und setzte sich zu Oleg, dessen Gesicht übel angeschwollen war.

Er hatte mehrere Platzwunden an der Stirn und auf der rechten Wange, sein rechtes Auge war fast vollständig zugeschwollen. Vorsichtig tupfte eine der Frauen die Schwellungen mit einem Essiglappen ab.

»Was ist passiert, Junge?«, fragte der Oberst. Oleg drehte sich weg. Tränen rannen über sein Gesicht. Der Oberst sah die Frau fragend an, die den Jungen pflegte. Eine kräftige, etwas untersetzte Mittvierzigerin mit leicht mongolischen Gesichtszügen und kurzem, braunen Haar.

»Jemand hat ihn im Waschraum zusammengeschlagen und vergewaltigt. Der Junge blutete vorn und hinten, als ich ihn fand.«

Langsam schüttelte der Oberst den Kopf.

»Bleiben Sie bei ihm und kümmern Sie sich um ihn.«

Die Frau nickte und wrang den Essiglappen aus.

Oberst Ryschkow stand auf und verließ den Raum. Fünf Minuten später stand die gesamte Mannschaft mit Ausnahme von Oleg und seiner Pflegerin auf dem Achterdeck versammelt stramm. Die Männer und eine Frau standen in einer Reihe, die Ryschkow langsam abging. Braschnikow war der Letzte in dieser Reihe.

Als der Oberst an ihm vorbeiging, fielen ihm die geschwollenen Knöchel an dessen rechter Hand auf. Er drehte um und schritt die Reihe wieder zum Anfang ab.

»Was hier vorhin passiert ist«, sprach der Oberst mit fester Stimme und eisernem Blick, »ist eines der menschenunwürdigsten Dinge, die mir je untergekommen sind. Eine Person, zu deren Schutz wir abkommandiert sind, wurde angegriffen und schwer verletzt. Letztlich hat derjenige es dabei nicht belassen, sondern sich auch noch wie ein Köter an ihm vergangen. Ein solches Verhalten ist abscheulich und wird von mir nicht toleriert.«

Inzwischen war der Oberst wieder bei Braschnikow angekommen und sah ihm direkt in die Augen, denn er war nicht weniger groß als der Gewalttäter.

»Haben Sie dazu etwas zu sagen, Matrose?«, fragte er ihn laut in einer Weise, dass man erwarten konnte, dass Braschnikow die Trommelfelle platzen müssten.

Der antwortete kess:

»Hören Sie, Oberst, die kleine Sau wollte, dass ich ihn ficke, er ist dabei dann ausgerutscht. Ich kann nichts dafü…«

Weiter kam er nicht. Eine Kugel aus Ryschkows Pistole beendete den Satz. Der Oberst hatte blitzschnell seine Waffe gezogen und Braschnikow in den Kopf geschossen. Langsam kippte der leblose Körper über die Reling und verschwand im Fahrwasser.

Ryschkow sicherte seine Waffe in aller Ruhe und verstaute sie gemächlich im Gürtelholster. Dann drehte er sich um und sah den Rest seiner Mannschaft an.

»Ich werde solche Verfehlungen auch in Zukunft nicht dulden. Wenn unsere Gastgeber uns aufnehmen, werden wir höflich und zuvorkommend handeln und uns den dortigen Gepflogenheiten anpassen. Falls es dazu noch weitere Fragen gibt, habe ich stets ein offenes Ohr. Wegtreten.«

Bedrückt und noch immer geschockt von dem Ereignis traten die Besatzungsmitglieder weg und sahen zu, dass sie wieder an ihre Arbeit kamen.

Ryschkow selbst sah noch einen Moment in das Fahrwasser und damit in Richtung der alten Heimat, dann riss er sich aus den melancholischen Gedanken los und ging wieder auf die Brücke, wo Hauptbootsmann Uraljew gerade die Arretierung des Ruders löste und den anliegenden Kurs überprüfte.

Die Kowrowez hatte inzwischen die Ägäis passiert und steuerte auf Kurs zweihundertsiebzig Grad das offene Mittelmeer an.

Weit und breit war kein Land in Sicht. Ryschkow nahm sich einen Kaffee und setzte sich in den Stuhl des Kommandanten. Er blies über den heißen Kaffee und nahm einen Schluck, um den Ärger, der in seinem Hals saß, herunterzuspülen.

»Schlimme Sache, das«, sagte Uraljew, »war aber absehbar. Braschnikow war ein Arschloch, er sympathisierte schon früher mit diesen Banderas-Faschisten und hat Schwulenhetze in Kiew betrieben. Ich konnte ihn nie leiden.«

»Na, um sich mit dem Jungen zu vergnügen, hat es bei dem Hurensohn scheinbar gereicht, so schrecklich war seine Homophobie wohl nicht.«

»Na ja«, entgegnete der Steuermann, »für diese Typen ist das nicht schwul, wenn sie einen Homo vergewaltigen, schwul ist immer der, der sich bückt, sagen sie.«

»Das ist doch krank.«

»Ja, Herr Oberst, das ist es in der Tat.«

»Aber wenn wir in eine neue Welt aufbrechen, dann können wir uns Intoleranz in dieser Größenordnung nicht leisten. Außerdem hätte der Junge dabei draufgehen können. Und er ist wichtig!«

»Verstehe, Herr Oberst.«

»Haben wir noch mehr so faule Eier im Nest wie Braschnikow? Ich muss das wissen, und zwar jetzt sofort, ehe eine weitere Katastrophe passiert.«

»Ich denke nicht, Herr Oberst. Die anderen sind gute Leute. Es tut mir leid für den Jungen. Er ist ein netter Kerl.«

»Ja, das ist er.«

Der Oberst nahm noch einen Schluck vom heißen Schwarzen und lehnte sich in dem Kapitänssessel zurück.

Am Bug peitschte die Gischt hoch und überspülte das Deck. Der Wind nahm zu und drückte die Wogen nach Osten.