Achtzehn
NACH DER GEISTERTOUR, die sich niemand so vorgestellt hatte und die klopfende Herzen zurückließ, nicht nur wegen ihrer Magie, sondern auch wegen der Hexe, die sie veranstaltet hatte, ging Jason mit Kira zurück ins Haus.
Dort plauderte er mit den Gästen und führte sie durch das Herrenhaus. Später erklärte sich Kira zu seiner Verblüffung sogar bereit, die Voliere zu betreten, um die Krähen vorzuführen.
Sobald sie im Käfig war, klopfte sie sich auf die Schulter, und die Krähe mit dem Schnabel, von dem ein Stück abgebrochen war, kam zu ihr geflogen und ließ sich darauf nieder.
„Liebe Chippy“, gab Kira dem Vogel einen Namen, während sie ihm über die Federn strich und er ihr Haar kämmte.
„Liebe Mommy“, erwiderte Chippy, und Kira zwinkerte Doris Putnam verschmitzt zu. Die schnappte nach Luft und wäre beinahe in Ohnmacht gefallen, wenn Jason sie nicht gerade noch aufgefangen hätte. Er zwinkerte ihr zu und bot ihr seinen Arm.
Jason überließ es der Entwicklungsdirektorin Michaela, ihn mit so vielen reichen Sponsoren wie möglich bekannt zu machen, bis er Kiras wieder ansichtig wurde. Dann entschuldigte er sich bei ihr und begleitete seine Lieblingshexe in den Musiksaal.
Dort nahm er sie in die Arme und tanzte mit ihr einen Tanz nach dem anderen, bis Gram irgendwann auftauchte, um ihnen zu sagen, dass die Gäste langsam gingen.
Jason verabschiedete jeden Einzelnen und sonnte sich ein wenig in all dem Dank und den Glückwünschen zu dem gelungenen Abend. Das Wort bezaubernd schien für ihn der einzig richtige Ausdruck zu sein, um diesen Abend zu beschreiben, seine Gefühle, seine Freude, Kira an seiner Seite zu haben, seine Zufriedenheit mit der ganzen Situation - obwohl ihn gerade diese Zufriedenheit eigentlich hätte beunruhigen müssen. Aber nicht an diesem Abend.
Am nächsten Nachmittag, nach der Schule, es war Halloween, wiederholten sie die Veranstaltung. In Kostümen. Mit sieben Nonnen, zweihundert Jungen, unbeleuchteten Kürbisköpfen, Süßigkeiten, Spielen im Freien, bei denen es etwas zu gewinnen gab, einem lustigen Besuch mit Kira bei den Vögeln. Nur auf die Friedhofstour verzichteten sie. Die Grabsteine hätten die Jungen erschreckt, dachte Jason. Um ehrlich zu sein, hatten sie ja sogar ihn erschreckt.
Er ließ sich breitschlagen, sein berühmtes Hockeytrikot zu tragen. Kira trug einen Hexenhut und den golddurchwirkten Schal vom Dachboden um den Hals, der über ihrem schlichten schwarzen Kleid bis zum Boden hing.
Dienstagmorgen fuhr Jason Kira nach Rainbow's Edge, während beide versuchten, genug Koffein in ihr System zu pumpen, damit ihr Hirn ansprang.
„Beide Veranstaltungen waren toll“, bemerkte Kira, während sie ihm half, die Lichterkette vom Treppengeländer abzubauen, das hinauf zur Voliere führte. Die Vögel kreischten, als wüssten sie, dass Kira in der Nähe war, und könnten ihr Auftauchen kaum erwarten.
„Ich glaube, die wollen eine Sondervorstellung“, meinte Jason und warf einen Blick die Treppe hinauf.
„Ich gebe dir gleich eine Er grinste. „Jederzeit, Babe.“
„Babe?“, wiederholte Kira, eine Hand auf der Hüfte. „Du nennst deine Angestellte Babe?“
Jason zog an der Locke über ihrer Augenbraue. „Ich dachte, dies hier sei ein Kaninchenbau.“
„Nein. Unser Treppenhaus ist ein Kaninchenbau.“
„Dann nichts wie hin.“ Jason griff nach ihrer Hand und wollte loslaufen.
Doch Kira blieb stehen und hielt ihn zurück. „Wir müssen hier erst aufräumen.“
„Stimmt.“ Jason seufzte enttäuscht. „Manchmal habe ich Schwierigkeiten damit, ein schwarzes Loch von einem Kaninchenbau zu unterscheiden“, meinte er. „War Sonntagabend ein Kaninchenbau?“
„Oh ja“, erwiderte Kira. „Auf einer völlig anderen Ebene.“
Sie stieg auf die Stufe über ihm, beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte ihm ins Ohr: „Wir waren an des Regenbogens Rand, in der feuchten Nebelwand.“
„Du machst aus mir einen Lustmolch“, erklärte Jason.
Kira drückte ihm eine Lichterkette in die Hand und lachte über sein überraschtes Gesicht, was ihn noch mehr bezauberte.
„Der Kaninchenbau von Sonntagnacht“, sagte sie, „war verdammt viel größer, tiefer und unheimlicher als alles, was ich mir mit dir je hätte vorstellen können.“
„Das kann man wohl sagen“, stimmte Jason ihr zu. „Gar nicht so schlecht für eine Geistertour ohne Geister. Wäre da nicht mal langsam eine Entschuldigung fällig?“
„Ich finde nicht, aber Addie vielleicht schon.“
„Oho, Einspruch.“
„Anfängerglück“, sagte Kira und tätschelte seine Wange. Harvey meldete sich bereits und wollte auch mitspielen.
Er tätschelte ihre Wange auf die gleiche Weise, begann sie dann aber zu streicheln, weil er Kira unbedingt berühren musste. Und als sie sich nicht wehrte, ließ er seine Fingerspitzen nach unten gleiten, strich über ihr Schlüsselbein und rieb mit den Fingerknöcheln über den Punkt zwischen ihren Brüsten. „Der Erfolg der Geister- und Friedhofstour hatte ohnehin nichts mit meinem Glück zu tun“, erklärte er. „Es war deins. Das Glück der Hexe.“
„Also hat Kira Ihnen gesagt, dass sie eine Hexe ist?“, ertönte eine vertraute Stimme. Schnell zog Jason seine Hand aus Kiras Dekollete, während Melody Seabright den Raum betrat, der plötzlich ebenfalls ein Kaninchenbau zu sein schien. „Ein großer Fernsehstar, der mich böse ansieht“, stellte Jason fest.
Kira quietschte begeistert und warf sich ungestüm in Melodys Arme.
Jason konnte die Tränen in Melodys Augen sehen, und in Kiras Stimme hörte er sie.
„Was machst du hier?“, wollte Kira wissen. „Du bist viel zu früh dran. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, aber ... He, was ist das ... ?“ Kira trat einen Schritt zurück und ließ ihre Hand über Melodys leicht gewölbten Bauch gleiten. Dann sah sie auf und lächelte. „Ist es das, was ich denke, dass es ist?“
„Genau“, erklärte der Mann, der hinter Melody auftauchte und die Schultern der Küchenhexe umfasste. „Sie hat einen ganzen Kürbis verspeist. Ich hatte ihr gesagt, dass sie vorsichtig sein solle.“
Kira quietschte schon wieder. „Oh, mein Gott, ein Baby! Wir bekommen ein Baby!“
„Ach so“, erklärte der Mann, den Jason für Melodys Ehemann hielt. „Das bedeutete dann wohl auch, dass WIR dafür aufkommen, wenn sie aufs College geht.“
„Sie? Ist es ein Mädchen? Ein Mädchen?“
Kira hob die Arme, zeigte mit den Daumen nach oben und vollführte einen kleinen Siegestanz, der Harvey sofort wieder aufweckte.
Jason verlagerte das Gewicht, um seinen Zustand etwas zu kaschieren.
„Warum hast du es mir nicht längst erzählt?“, wollte Kira wissen und umarmte Melody erneut.
„Ich wollte unbedingt den Ausdruck auf deinem Gesicht sehen. Der ist es hundert Mal wert, dass ich mich so oft beherrschen musste, als ich es dir eigentlich gern erzählt hätte. Und ich habe noch eine Überraschung.“
Eine schöne blonde Frau, die genauso altertümlich elegant gekleidet war wie Melody, betrat den Raum.
„Vickie?“, kreischte Kira, und es folgte eine weitere herzliche Umarmung.
Vickie sprudelte los. „Ich konnte euch doch diese schönen alten Kleider nicht ohne mich anprobieren lassen, oder?“, erklärte sie. „Es ist viel zu lange her, seit wir uns verkleidet haben.“ Während die drei sich quiekend und heulend in den Armen lagen, zuckten Jason und Logan die Schultern. Dann gaben sie sich die Hand und stellten sich vor.
„Ich weiß natürlich, wer Sie sind“, sagte Logan zu Jason. „Ich habe die Realityshow gesehen.“
„Es war nicht alles so, wie es den Zuschauern vorgegaukelt wurde, glauben Sie mir. Außerdem sind Sie mit einer besseren Frau verheiratet, als ich sie während dieses ganzen Albtraums auch nur einmal geküsst habe.“
Logan grinste. „Das bin ich wohl tatsächlich. Und da hat man eben auch Besseres zu tun, als Fernsehshows zu sehen.“
Jason beobachtete, wie Logan seinen Blick über die kleine Wölbung gleiten ließ und dann Melody voller Besitzerstolz und Liebe betrachtete.
Da wandte Kira sich Jason zu. Ihre großen grünen Augen blickten verschmitzt und ein wenig flehend, während sie auf ihn zukam und begann, mit einem Knopf an seinem Hemd zu spielen.
„Oho, das ist ein vielversprechender Anfang“, meinte Jason. Sie schenkte ihm ein Hundert-Watt-Lächeln. „Bessie sagt, wir dürfen den Dachboden nach Kleidung für Mels Show durchstöbem, und wir können es kaum abwarten“, sagte sie. „Meinst du, du könntest hier ohne mich zu Ende aufräumen?“ Wieder spielte sie an dem Knopf. „Bitte!“
Jason tat so, als würde er einem Echo aus vergangenen Zeiten lauschen. „Lass mich alles für die Geistertour dekorieren“, machte er sie mit hoher Stimme nach. „Ich würde das Haus so gern Herrichten. Und ich räume auch gern hinterher auf. Und was soll ich sonst noch tun?“
Kira lachte, wie er es beabsichtigt hatte, und legte ihre Wange an seine. Sofort schlug Jasons Herz schneller, und er hatte Mühe, seine Hände bei sich zu behalten. „Gib mir die Schlüssel für den Hummer“, flüsterte sie. „Bitte!“
Ihr Atem wärmte sein Ohr ... und noch andere Körperstellen, die er im Moment aber ignorieren musste. Überrascht von ihrer Geste und auch ihrer Bitte, verlagerte er wieder sein Gewicht. „Weißt du, was du da sagst?“
Sie trat zurück und runzelte die Stirn. „Du würdest mich den Zamboni fahren lassen, aber nicht den Hummer?“
„Nun ja.“
„Ich werde fahren“, bot Logan an.
„Nein“, mischte sich Melody ein. „Du bleibst hier und hilfst Jason ... Ihr Name ist doch Jason, nicht wahr?“
„Himmel“, rief Kira. „Ich hatte ganz vergessen, euch vorzustellen. Ich war so aufgeregt.“
„Sie sind Melody und Vickie“, stellte Jason fest. „Das hab ich schon begriffen. Ich bin Jason Goddard“, er streckte die Hand aus.
„Oh ...“, sagte Vickie, „Sie können sicher sein, dass wir das auch schon begriffen haben.“
Melody ergriff Jasons Hand, aber anstatt sie zu schütteln, küsste sie ihn auf die Wange und drehte sich zu ihrem Mann um. „Nur fürs Protokoll. Ich habe gerade den besten Küsser Amerikas geküsst.“
„Nur fürs Protokoll“, erwiderte Logan, „Für dich bin allein ich der beste Küsser. Vergiss es bitte nicht.“
Melody hob ihr Kinn. „Vielleicht bist du es, vielleicht aber auch nicht.“
Jason lachte laut auf, während die drei Mädchen die Hände erhoben und sich gegenseitig abklatschten und Logan nur noch fassungslos den Kopf schütteln konnte.
Melody strich mit den Fingerspitzen über die Wange ihres Mannes. „Du wirst mein absoluter Favorit sein, wenn ich die Mädels in deinem Mercedes fahren darf.“
Logan zuckte zusammen.
Jason grinste, fischte seine Autoschlüssel aus der Tasche und warf sie Kira zu. „Fahr vorsichtig.“
„Wertvolle Fracht“, erklärte Logan und strich über Melodys Taille, während er sich kurz an ihren Lippen festsaugte. „Deine Küsse gehören mir, Seabright“, sagte er dann.
Kira sah ihnen zu, erfreut und ein wenig ... wehmütig. Und Jason wünschte sich, dass er alle seine Küsse für sie aufgehoben und niemals an dieser verfluchten Realityshow teilgenommen hätte.
Nach dem Kuss sah Melody ganz berauscht aus und war völlig Logans Meinung. Ihre Küsse gehörten ihm.
Jason glaubte nicht, dass er jemals zuvor ein Paar getroffen hatte, das gleichzeitig verheiratet und verliebt war. Für ihn war das immer ein Widerspruch in sich selbst gewesen - bis heute.
„Was hält Shane davon, eine Schwester zu bekommen?“, wollte Kira wissen.
„Shane hätte lieber eine Rennmaus“, meinte Logan. „Und bei meinem Glück wird der Nager dann auch noch schwanger.“ Kira grinste. „Du hast im Moment ein ziemlich fruchtbares Haus, nicht wahr?“
„Das kannst du laut sagen.“
Mel knabberte am Ohrläppchen ihres Mannes. „Ich bin nicht von allein schwanger geworden, Kilgarven.“
„Daran kann ich mich gut erinnern“, grinste Logan. „Aber du bist diejenige, die die Katzen ins Haus geschleppt hat.“
„Als Babys, ja. Aber du warst es, der gesagt hat: Wirf sie raus. Ich möchte sie nicht ständig um mich haben. Verschaff ihnen ein bisschen frische Luft, da können sie doch viel besser spielen.“ Logan verzog das Gesicht. „Ich wusste ja nicht, dass sie so etwas spielen.“ Er zog Melody an sich. „Viel Spaß beim Verkleiden.“
„Wartet“, rief Kira und blieb abrupt stehen. „Mir ist gerade eingefallen, dass wir das mit dem Schlafen jetzt anders regeln müssen. Eigentlich wollte ich Melody und Logan in meinem Gästezimmer unterbringen, Vic. Hast du etwas dagegen, in meinem Zimmer zu schlafen? Ich ziehe auf die Couch um.“ „Überhaupt kein Problem“, erwiderte Vickie. „Aber ich kann auch die Couch nehmen.“
„Niemand braucht aufs Sofa“, erklärte Jason. „Kira, während deine Freunde hier sind, kannst du in meinem Gästezimmer schlafen.“
Melody und Vickie hoben das Kinn, als hätten sie irgendein Radarsignal empfangen, das Jason unbewusst ausgesendet hatte. „Aber wir wollen, dass Kira bei uns ist“, protestierte Vickie. „Das wird sie auch sein“, entgegnete Jason. „Wir teilen uns eine Wohnung.“
„Was du nicht sagst“, bemerkte Melody, als hätte sich ihr lang gehegter Verdacht gerade bestätigt.
„Kira lebt mit Ihnen zusammen?“, erkundigte sich Logan, nachdem die Mädchen gegangen waren. „Das kommt mir so unwahrscheinlich vor“, fügte er hinzu. „Nach dem, was passiert ist, bevor sie Salem verlassen hat. Sind Sie sicher, es ist klug ...“
Jason hob abwehrend eine Hand. „Wir teilen uns die Familienwohnung im Haus meiner Großmutter - also eigentlich meinem Haus -, aber in Wirklichkeit sind es zwei Apartments, die durch eine Küche und zwei Türen getrennt werden. Kira wohnt auf der Seite meiner Eltern, wo sie schon einen Monat, bevor ich hierhergekommen bin, eingezogen ist.“
„Ah“, sagte Logan. „Jetzt begreife ich. Hören Sie, Goddard, ich weiß, wir haben uns gerade erst kennengelernt, aber ... tun Sie ihr nicht weh, einverstanden?“
„Keine Sorge, wir haben beide dem anderen Geschlecht abgeschworen, und zwar lange, bevor wir uns getroffen haben. Aber wir haben darüber gesprochen, und es ist kein Problem.“
„So etwas hab ich auch schon versucht, aber es ist gründlich schiefgegangen“, bemerkte Logan. „Und als wir vorhin hereinkamen, hätte ich schwören können, dass Sie Ihre Hand bei ihr ...“
Jason rieb sich das Genick. „Ja ... nun ... es gibt eine kleine Schwachstelle in unserem Plan.“
„Und der wäre?“
„Ich kann es nicht erklären“, erwiderte Jason. „Es ist, als ... wäre ich ein Kompass und Kira ... der Nordpol.“
Logan hob die Augenbrauen. „Es ist besonders schlimm, wenn Sie beide zusammen in einen Raum eingesperrt sind, nicht wahr? Wenn Sie sie dann nicht anfassen können, würden Sie am liebsten aus der Haut fahren.“
Jason trat vor Erstaunen einen Schritt zurück und wäre fast die Stufen hinter sich hinuntergefallen.
Er musste sich am Treppengeländer festhalten.
„Lassen Sie es sich von einem Mann gesagt sein, der sich gut auskennt“, warnte ihn Logan. „Wenn Sie sie nur einmal küssen, ist Ihr Schwur Geschichte. Nicht dass ich mich darüber beklage.“ „Ich habe sie nicht geküsst, nicht ein einziges Mal.“
„Gut. Sie sind stark. Bleiben Sie so.“
Klar, dachte Jason. Stark. Ich habe sie vierzig Mal kommen lassen, aber ich hab sie nicht ein einziges Mal geküsst.
Logan warf einen Blick die Treppe hinauf. „Nanu, das Getöse hat sich aber schnell gelegt. Was war das denn?“
„Vögel“, erwiderte Jason. „Krähen. Wir halten sie oben in der Voliere. Im Moment sind sie in tiefer Trauer. Ihre Muse hat sie gerade verlassen. Würden Sie mir wohl mal helfen?“
Logan zog seinen Mantel aus und warf ihn über das Geländer. „Übrigens, ich kann mit dem Dreh für die Dokumentation anfangen, wann immer es Ihnen passt. Könnten Sie mich nachher noch etwas herumführen?“
„Ja, sicher“, entgegnete Jason.
„Gut. Wenn wir die Dekoration abgenommen haben, hole ich meine Videoausrüstung.“
„Danke ... dass Sie mir beim Aufräumen helfen und dass Sie die Dokumentation spendieren. Darf ich Sie etwas fragen?“
„Ja, gerne.“
„Was würde eigentlich so eine Dokumentation über ein Waisenhaus kosten?“
Kira umfasste das mit weichem Leder überzogene Lenkrad des Hummer. „Oh Mann, den zu fahren, macht wirklich Spaß“, sagte sie. „Was für ein kraftvolles Tier.“
„Das ist dein Wolf auch, Schätzchen“, meinte Melody vom Beifahrersitz. „Grrr.“
Vickie beugte sich von der Rückbank vor und versetzte Mel einen Klaps auf die Schulter. „Melody Seabright, hältst du etwa nach anderen Männern Ausschau?“
„Ich bin nicht blind, musst du wissen“, entgegnete Mel und drehte sich zu Vic um, „nur schwanger.“
„Man muss aber blind sein, um so ein Mannsbild zu übersehen“, erklärte Vickie. „Jason sieht einfach zum Anbeißen aus.“ „Mit Sahne drauf, die du direkt von ihm abschlecken möchtest“, meinte Melody.
Kira sah sie mit hochgezogenen Brauen an.
„Hormone“, erwiderte Mel entschuldigend. „Und zwar jede Menge.“
„Mach die Fenster auf', sagte Vickie. „Sie muss dringend abkühlen. Oh, die Häuser sind wirklich umwerfend“, fügte sie hinzu, während sich die Scheibe neben ihr automatisch senkte. „Können wir sie uns ansehen?“
„Nachdem wir St. Anthonys besichtigt haben, was wir tun, sobald wir den Dachboden durchstöbert haben“, versprach Kira. „Hast du Lust auf ein paar Besichtigungstouren, Mel?“
„Sicher. Klar.“
„Gut. Was die Häuser angeht: Ich wohne in einem von ihnen und arbeite in einem anderen. Getroffen haben wir uns in dem kleinsten Anwesen der Stiftung. Das Edge wurde früher mal Cottage genannt, obwohl es, schon als es gebaut wurde, mehr Zimmer hatte als ein Hotel. Wir haben außerdem ein französisches Schloss und zwei italienische Villen.“
„Du hast ja offenbar wirklich Karriere gemacht“, stellte Vick fest. „In welchem der Herrenhäuser arbeitest du denn?“
„Auf Castleton Court, wo uns auch die klimatisierte Kostümkammer der Stiftung erwartet.“
„Ich hoffe, ich finde hier irgendetwas, wo ich die kleine Suzie Q unterbringen kann“, sagte Mel.
Hast du schon einen richtigen Namen für sie ausgesucht?“, wollte Kira wissen.
Mel lachte leise. „Im Moment möchte Shane, dass wir sie Hermione nennen, aber ich schätze, wenn er aus Florida zurück ist, wird er eher für Mini plädieren.“
Auch Kira lachte. „Gefällt es ihm bei seinen Großeltern?“
„Er ist im siebten Himmel“, meinte Mel. „Ich glaube nicht, dass sie auch nur eine Attraktion bei Disney World ausgelassen haben. Und weißt du, was wirklich witzig ist? Mein Vater ist auch völlig begeistert.“
„Wie schön“, erklärte Kira. „Und es macht dir nichts aus, dass er erst jetzt angefangen hat, sich wie dein Vater zu verhalten?“ „Die Vergangenheit kann ich nicht ändern“, sagte Mel achselzuckend. „Aber er ist gut zu Shane, und er liebt Logans Mutter. Also bin ich zufrieden.“
„Ihr habt jetzt eine richtige Vater-Tochter-Beziehung, nicht wahr?“
„Die beste“, bestätigte Melody. „Ich bin sein kleines Mädchen, er betet seinen Enkel an, verwöhnt Logans Mutter, und ich habe zum ersten Mal in meinem Leben auch eine Mom.“ Mel beugte sich vor. „Und du solltest mal Logan erleben, wenn seine Mutter sich bei einem Streit auf meine Seite schlägt.“
„Und wie geht es der Richterin?“, wollte Kira wissen. „Ist sie immer noch im Ruhestand und macht Führungen auf dem Friedhof?“
„Jess ist eben Jess. Nachdem sie uns ihr Haus verkauft hatte, hat sie ihren Bezirksstaatsanwalt geheiratet, und ihre Beziehung wächst und gedeiht. Wir denken im Moment tatsächlich darüber nach, ob wir das Baby Jessica nennen. Nach ihr. Da sie das Gute in Logan erkannt hat, als er noch ein Junge war, und uns am Ende zusammengebracht hat. Aber das ist nicht so wichtig“, sagte Mel. „Erzähl uns lieber etwas über den Kerl, der jedes Eis zum Schmelzen bringt.
Wie sind seine Weltklasseküsse wirklich? Die echten, meine ich. Nicht die auf die Wange, wie ich mir vorhin einen stibitzt habe.“
„Ich weiß es nicht“, erwiderte Kira und überging das erstaunte Schweigen ihrer Freundinnen.
„Da sind wir“, sagte sie und stellte den Hummer auf Jasons Parkplatz. „Das ist die Villa, in der ich arbeite.“