Fünfundzwanzig
„HEY FITZ, DU läufst jeden Tag besser“, rief Jason, nachdem er ihr ein paar Minuten zugesehen hatte. Er war genauso froh wie die Zwillinge, dass sie jetzt mit ihnen zusammen Schlittschuh lief. Die Jungen hatten nun alle ihre Schläger hingelegt und kurvten um Jason herum, um Zane zu unterhalten, und sie wurden immer lebhafter, während sie darum wetteiferten, Kira zum Lachen zu bringen.
„Ich übe jede Woche ein paar Mal allein. Außerdem scheuchst du mich bei jedem Training aufs Eis. Also, was willst du eigentlich?“
„Was ich will?“, fragte Jason und durchdachte seine Möglichkeiten, während er im Kreis um sie herumfuhr. „Hm. Lass mich überlegen.“
„Mir wird schwindelig!“, kreischte Zane.
„Vorsichtig“, mahnte Kira. „Ich glaube nicht, dass es dir besonders lieb wäre, wenn er dir auf den Kopf spuckt.“
Jason zuckte zusammen und hob den Blick. „Alles okay da oben, mein Freund?“
„Fahr eine Weile geradeaus“, bat Zane.
„Verstanden.“ Jason fuhr rückwärts und zwinkerte Kira zu. „Kann ich dir sagen, was ich nach dem Hockeytraining gern möchte?“
„Das wäre dann jetzt“, entgegnete sie. „Ich glaube, ich höre den Bus kommen.“
„Okay, Jungen, das wars für heute!“, rief Jason und fuhr an den Rand der Eisfläche, um Zane abzusetzen.
Der Junge schlang seine Arme fest um Jasons Hals. Das Ziehen in der Brust, das Jason gespürt hatte, als Travis darum gebeten hatte, ihn zu adoptieren, wurde nachgerade zu einem regelrechten Schmerz.
„Danke“, sagte Zane und ließ ihn schneller los, als es Jason eigentlich lieb war.
Auch Travis umarmte ihn und drückte ihm dabei wieder fast das Herz ab.
Jason schluckte und fuhr den Jungen durch das Haar. „Nächste Woche nehmen wir uns wieder ein wenig Zeit dafür, okay?“ „Okay“, sagten die beiden Rotschöpfe wie aus einem Mund. „Jungen!“, brüllte Jason, damit ihn alle hörten. „Packt eure Sachen zusammen. Da kommt Mr Peebles.“
Jason sah den Kindern nach, als sie die Halle verließen, und war froh, Kira endlich für sich allein zu haben. Er ergriff ihre Hand und freute sich über ihre Nähe, während er mit ihr davonfuhr. „Ich möchte“, begann Jason, während er langsamer wurde und Kira in seine Arme zog, „was ich schon seit langer Zeit möchte und wovon ich hoffe, dass du es auch willst.“
Sie tanzten eng umschlungen auf einer Stelle, und seine harte Männlichkeit drängte sich ihr entgegen.
„Ich glaube, wir haben uns oft genug um das Thema herumgedrückt. Inzwischen müssten wir es eigentlich wissen“, fuhr er fort und suchte ihren Blick. Und als sie ihn ansah, flammte Hoffnung in ihm auf. „Zum Teufel mit der Enthaltsamkeit“, erklärte er. „Ich möchte mit dir verschmelzen, Fitz. Ich hoffe nur, dass du mich an diesem wunderbaren Ort überhaupt haben möchtest.“
Kira schlang die Arme um seinen Hals und legte ihre Wange an seine. Ihr Seufzer war schwer zu deuten.
„Hoffentlich habe ich dich nicht überrumpelt“, sagte Jason, „aber ich will eigentlich, dass du die Entscheidung triffst.“
Kira nickte, und Jasons blieb fast das Herz stehen.
Er beugte sich etwas zurück, um ihr ins Gesicht zu sehen. „Hat das Nicken jetzt bedeutet Ja, ich verstehe' oder ,Ja, ich will'? Könntest du es bitte aussprechen?“, bat er. „Sag es mir. Ich fürchte einfach, dass ich deine Gesten falsch deute.“
„Ja, ich will“, sagte Kira. „Ich will dich in mir spüren.“ Erleichtert atmete Jason auf und zog sie an sich. „In einer halben Stunde? An meinem Whirlpool?“
Kira lächelte. „Ja.“
Sie liefen zusammen zur Bank, sein Arm um ihre Hüfte. Er half ihr aus den Schlittschuhen, bevor er aus seinen eigenen schlüpfte.
Als sie die Halle verließen, spürte er schon Hitze in sich aufsteigen und war daher völlig überrascht von dem Schnee, der ihn draußen empfing. Er hatte gar nicht bemerkt, dass es geschneit hatte. Der Schnee reichte ihm bis an die Wade. „Ich bin mir ziemlich sicher“, meinte er, „dass wir einen Schneesturm bekommen.“
„Und ich bin mir ziemlich sicher“, entgegnete Kira, „dass da drüben ein Bus voller Jungen steht.“
„Ich hatte nur einfach versucht zu überhören, dass die Räder durchdrehen“, erklärte Jason und griff seufzend nach seinem Handy.
Es klingelte, noch bevor er wählen konnte.
„Sie warnen vor extremer Straßenglätte“, sagte seine Großmutter. „Schwester Margret hat angerufen und gefragt, ob die Kinder über Nacht bei uns bleiben könnten.“
Die rauflustigen Jungen, die aus den Fenstern des Busses hingen, gaben Jason einen ersten Eindruck davon, was ihnen bevorstehen könnte. „Bei uns bleiben?“, wiederholte er etwas dämlich. Er wusste, dass seine Libido gerade einen Kurzschluss gehabt hatte.
„Mr Peebles kann in einem meiner Gästezimmer schlafen“, erklärte Gram, „aber du und Kira müsst euch um die Kinder kümmern.“
Jason klappte sein Handy zu. „Sie bleiben über Nacht. Ich könnte heulen, aber dann würden sie sich nur über mich lustig machen.“
Das Strahlen in Kiras Augen erlosch. „Oh.“
„Ja“, stimmte Jason ihr zu. „Oh!“
„Hast du denn genug Gästezimmer?“, wollte Kira wissen.
„Das kann ich Gram nicht antun. Außerdem müssten die Räume erst einmal kindersicher gemacht werden. Und trotzdem kriegen wir die Bande nie unter Kontrolle, wenn wir nicht die ganze Nacht auf dem Flur Streife gehen. Damit alles friedlich vonstatten geht und aus Gründen der Sicherheit und der besseren Aufsicht denke ich, die Jungen sollten bei mir im Wohnzimmer auf dem Teppich schlafen.“
„In deinem Wohnzimmer, wo mehr nackte Statuen herumstehen als in einem französischen Museum? Rauben wir ihnen lieber nicht die Unschuld und lassen sie in meinem Wohnzimmer übernachten.“
„Das ist die Lösung“, sagte er. „Ist doch sicher kein Problem, oder?“
„Ich wünschte, es wäre so. Sie sind ganz schön durchgeschwitzt.“
„Bitte!“, sagte Jason. „Du erinnerst mich gerade an den Schweiß, den ich eigentlich mit dir zusammen produzieren wollte. Worauf willst du hinaus?“
„Sie müssen duschen. Während ich mich darum kümmere, dass sie etwas zu Essen bekommen, musst du aufpassen, dass sie sich waschen.
In deinem Badezimmer dürfte das nicht allzu schwierig sein. Sie können ja zu dritt oder zu viert unter die Dusche.“
„So hatte ich mir das Duschen heute Abend aber nicht unbedingt vorgestellt.“
„Finde dich einfach damit ab, Iceboy.“
„Hast du dich denn schon damit abgefunden?“, wollte Jason wissen. „So schnell?“
„Nein“, erwiderte Kira mit einem Lächeln, „aber ich versuche mit meinen Aufgaben zu wachsen.“
„Komisch“, meinte Jason, „als wir die Halle verlassen haben, ging es mir noch genauso.“
Kira tätschelte seine Wange. „Wie süß! Du holst die Bande jetzt aus dem Bus. Und ich sehe nach, was Rose zu essen im Haus hat. Die Vorräte in unserer eigenen Küche reichen nämlich gerade noch, um zwei Streifenhörnchen und eine Feldmaus zu füttern.“
„Fitz“, sagte Jason und packte sie am Arm, „nur um das mal klarzustellen. Wir hätten eine teuflisch gute Nacht gehabt.“ „Absolut magisch“, erwiderte sie und wandte sich ab, um durch den Schnee zum Haus zu stapfen. Jason ging zum Bus und hob die Hand, um Peebles Versuchen, immer wieder neu Anlauf zu nehmen, Einhalt zu gebieten. Dann stieg er ein. Als er den Jungen sagte, dass sie auf Cloud Kiss bleiben würden, brach die Horde in Jubelgeschrei aus.
Eine halbe Stunde später hatte Jason die fünf Kleinsten aus ihren durchgeschwitzten Sachen geschält. „Travis, Larry, Chet und Grady, ab mit euch unter die Dusche. Zane, du gehst in die Badewanne.“ Jason nahm ihm die Beinschiene ab und hob ihn hinein. „Brad, du bist der Badekapitän. Pass auf sie auf.“
Während Jason Handtücher, Seife und Shampoo holte, hörte er die Düsen in seinem Whirlpool anspringen und Zane kichern.
Lächelnd gab Jason Brad die Sachen und machte sich auf die Suche nach Kira.
Sie versuchte gerade, eine Auflaufform in dem schon übervollen Ofen unterzubringen.
„Sie sind jetzt alle nackt, und ihre Sachen stinken“, stellte Jason fest.
„T-Shirts“, empfahl sie, „und Socken. Und dreh die Heizung auf. Und wenn du nicht genügend davon hast - den Kleinsten werden ein paar von meinen passen.“
„Wie mütterlich von dir.“
„Ich komme aus einer großen, armen Familie“, entgegnete Kira. „Tu ihre Sachen in einen Kissenbezug und schick sie runter in die Küche. Gracie wird sie bis morgen früh waschen. In meinem Badezimmer hegt ein Fön. Wenn du auch einen hast, gib beide den älteren Jungen, damit sie den anderen die Haare trocknen.“ „Alles klar“, meinte Jason. „Was gibt es zum Abendessen?“ „Alles, was Rose im Kühlschrank hatte.“
„In Ordnung.“
Kira wischte sich die Hände an der Schürze ab. „Wie viele Kinder sind schon sauber?“
„Äh ... ich sehe mal nach.“
Die nächsten vier Jungen standen unter dem Wasserstrahl, einer von ihnen versuchte gerade, mit der Handdusche die Wanne auf der anderen Seite des Raums zu füllen. „Hör auf damit“, befahl Jason und drehte die Hähne ab.
Zane saß in ein Handtuch gewickelt auf der Toilette und beobachtete, wie im Whirlpool gerade ein Vulkan aus Seifenschaum ausbrach.
Jason ging hinüber und stellte die Düsen ab. „Was hast du ins Wasser gekippt?“
„Das Shampoo ist reingefallen“, gestand Zane.
„Das ist immer eine blöde Sache“, meinte Jason grinsend, wickelte Zane in ein großes, weiches Badetuch und nahm ihn auf den Arm. „Brad?“, rief er. „Du solltest hier doch aufpassen.“
Brad kam zurück und begann, den Schaum wegzuwischen.
Jason entdeckte inzwischen Chet und Travis, die nackt und immer noch nass auf seinem Bett Ringkämpfe aufführten. Er warf Zane einfach dazu und versprach, ihnen etwas zum Anziehen zu besorgen.
Die älteren Jungen, die noch darauf warteten, duschen zu können, betasteten interessiert die nackten Bronzestatuen.
Kira kam direkt hinter Jason herein. „Das kann ja wohl nicht wahr sein“, sagte sie, die Händen in den Hüften gestemmt. „Geh und pass auf das Essen auf, Jason. Okay, Jungen, ab mit euch ins Badezimmer.“
„Wo ist Travis?“, rief Jason ihnen nach, aber niemand antwortete.
Jason ging durch Kiras Apartment in den Flur und fand ein nasses Handtuch beim Fahrstuhl. „Na toll“, schimpfte er und drückte auf den Knopf mit dem Pfeil nach unten. „Der Kleine ist nackt und irgendwo in einem der fünfzig Räume.“
Zwanzig Minuten später kehrte Jason mit Travis, den er in eine Decke gewickelt hatte, zurück in die Küche.
„Ich habe Gram gefunden“, erzählte Travis. „Die war vielleicht überrascht.“
„Das möchte ich wetten“, meinte Kira und grinste.
Dann saßen die Jungen am Tisch, sauber, in T-Shirts und zu großen Socken. Es war alles sehr eng - einige von ihnen mussten auf Hockern oder Kissen auf dem Boden sitzen -, aber wie die Heuschrecken stürzten sie sich auf das Essen - außer auf den Auberginenauflauf. Der war ziemlich angebrannt. Kira griff nach einem schwarzen Stück ... Undefinierbarem und hielt es Jason unter die Nase. „Du solltest doch auf das Essen aufpassen.“
„Zuerst musste ich ja wohl mal Travis finden.“
Kira warf ihm ein T-Shirt und Socken zu.
„Ich habe deine Schublade mit der Unterwäsche geplündert“, erklärte sie, woraufhin Jason die Augenbrauen hob.
„Ja, Mann“, mischte Brad sich ein. „Danke für die Sachen. Ich und mein ... äh ... großer Freund haben gefroren.“
„Was ist das denn?“, wollte Kira wissen. „Irgendein Testosteron-Code, mit dem ihr alle geboren werdet?“
Grinsend riefen Jason und Brad wie aus einem Mund „Bingo!“ und klatschten die Hände gegeneinander. Dann zog Jason Travis an und setzte sich anschließend, um ebenfalls etwas zu essen. Kira stellte dem Jungen ein Hühnerbein mit Makkaroni und Käse hin. Jason dagegen bekam ein Stück trockenen Auberginenauflauf. „Lecker“, meinte er.
Nachdem Kira zum Nachtisch Eiscreme zwischen Schokoladenkekse gefüllt hatte und alle kräftig zugegriffen hatten, schickte sie die Kinder zum Spielen in die große Halle, damit sie ihre überschüssige Energie loswurden.
„Aber nicht die Knöpfe am Fahrstuhl anfassen“, mahnte sie, „und auch nicht einsteigen. Habt ihr gehört? Und ihr öffnet auch keine Türen in der Halle. Wer nicht gehorcht, darf bei Jason schlafen und ihn die ganze Nacht wie ein Nebelhorn schnarchen hören.“
Zane zog an ihrem Ärmel. „Woher weißt du, dass er schnarcht?“ Jason beobachtete, wie Kiras Sommersprossen verschwanden. „Ich kann ihn bis in mein Zimmer hören.“
„Aber was dürfen wir denn dann in der Halle tun?“, wollte Travis wissen.
„Seht euch den Schnee draußen an, macht ein Wettrennen ... Ach ja, ihr habt ja Socken an. Spielt doch, wer am weitesten rutschen kann.“ Und schon waren sie weg.
Während sie spielten, breitete Kira vierzehn wundervolle Decken aus - umwerfend schöne Kunstwerke. Sie würden die Jungen warm halten. Einige waren aus Quadraten zusammengesetzt, andere aus Rauten oder aus Kreisen, die immer wieder neue Muster ergaben. Auf einige waren Szenen gestickt: ein üppiger grüner Wald; ein Häuschen im Winter, aus dessen Schornstein Rauch aufstieg; ein Garten im Frühling; eine Stadt unter einem Nachthimmel voller Sterne.
Die Decke, die Kira ihm gegeben hatte, war anders. Jedes Quadrat erzählte etwas über sie. Da war ein Klassenzimmer abgebildet, ihre Familie, das Thema Hexerei, Cheerleading. In einer Ecke befand sich ein Baseballschläger in einem roten Kreis, der von einer ebenso roten Linie durchgestrichen war. Keine Baseballspieler, bedeutete es. Oder keine Sportler. Einige der Quadrate verstand er nicht.
„Sie sind wunderschön“, meinte er. „So lebendig wie Gemälde.“ „Ich nehme das mal als Kompliment.“
„Es gefällt mir, wie du sie signiert hast.“
Kira richtete sich auf. „Wo siehst du meine Signatur?“
„Es ist der Schmetterling in der linken Ecke der Quadrate, nicht wahr?“
Kiras Blick wurde sanft. „Du bist der Erste, dem das aufgefallen ist.“ Lächelnd breitete sie die letzte Decke auf dem Teppich aus, steckte ihren Kopf zur Tür hinaus und rief die Jungen, damit sie sich die Zähne putzten und fürs Bett fertig machten. Sobald die Kinder alle in ihre Decken gewickelt waren, schaltete Kira das Licht aus und zündete die Vanillekerze an.
Aus Gründen des Anstands hatte Jason sich ans andere Ende des Sofas gesetzt, auf dem sie saß, und seine Füße auf den Couchtisch gelegt, während er sich dem schieren Wohlgefühl des Friedens hingab und Kira betrachtete, der es nicht anders erging.
Die Jungen kicherten noch ein bisschen, suchten nach der richtigen Schlafstellung, einige schnarchten oder taten zumindest so. Irgendjemand sagte etwas über grunzende Ferkel. Dann herrschte Stille. Jason begann, in Kiras Richtung zu rutschen -und Zane setzt sich auf.
„Was ist los, Baby?“, fragte Kira, ging zu ihm, kauerte sich neben ihn und strich ihm übers Haar.
„Ich kann Jason nicht schnarchen hören“, meinte Zane.
„Ich bin hier“, erwiderte Jason, der wieder auf seiner Seite des Sofas saß. „Ich bin noch nicht eingeschlafen.“
„Oh. Der Tag war schön und heute Abend war es das auch, aber...“
Zane versagte die Stimme, und er schluckte heftig. „Morgen wird aber alles ... wieder ... so sein wie immer.“
Kira hob Zane mitsamt der Decke auf ihren Schoß und legte wie während des Hockeytrainings ihr Kinn auf seinen Kopf. Sie strich ihm über die Stirn und sah einen der Jungen nach dem anderen an.
Ihr armen Kinder,
vergesst euren Schmerz.
Sorgen schickt von euch,
versucht einen Scherz.
Ergeht euch in Träumen,
sie tragen euch fort
zu heiteren Spielen,
an manch frohen Ort.
Zane drückte seine kleine Hand gegen Kiras Brust. „Das war schön“, sagte er, seine Nase an ihrem Hals. „Du riechst so gut.“ Er seufzte und schloss die Augen.
Travis setzte sich auf und beobachtete Kira und seinen Bruder mit einer Sehnsucht, die Jason nicht übersehen konnte.
Er räusperte sich und winkte Travis zu sich hinüber.
Der Junge packte seine Decke und krabbelte auf Jasons Schoß. Er kratzte über seine Bartstoppeln und bohrte den Finger in das Grübchen am Kinn, das Jason so hasste. Aber es dauerte keine Minute, bis Travis seine Augen geschlossen hatte und genau wie sein Bruder eingeschlafen war.
Während Jason sich in der Stille mit dem kleinen Kopf an seiner Brust genau richtig fühlte, versank er immer mehr in Kiras Blick, die auf der gegenüberhegenden Seite des Sofas saß, ebenfalls mit einem kleinen Kind auf dem Schoß. Er fand es gleichzeitig atemberaubend - schön und erschreckend.
Nach einer Weile legten sie die Zwillinge in Kiras Bett.
Als Kira Zane die Decke bis unters Kinn hochzog und ihn auf die Stirn küsste, blieb Zane buchstäblich die Luft weg. „Ich ... habe noch nie einen Gute-Nacht-Kuss bekommen.“ Er schlang seine Arme um Kiras Hals und drückte sie so fest, dass Jason Sorge hatte, er würde sie erwürgen.
„Ich auch nicht“, erklärte Travis und klammerte sich an Jasons Hemd fest, denn auch Jason hatte ihn gerade geküsst. „Und es hat mich noch nie jemand Trav genannt.“
„Es ist ein Kosename zum Einschlafen“, erwiderte Jason. „Verrat es nicht, aber Gram hat mich immer Jay genannt, wenn sie mir meinen Gute-Nacht-Kuss gegeben hat.“
Die Zwillinge wurden noch ein bisschen gekitzelt, in die Decken gewickelt und bekamen noch einen weiteren Kuss, bevor Jason und Kira sich losrissen und zurück in die Küche gingen.
„Möchtest du einen Drink?“, bot Kira ihm an und ging zum Kühlschrank.
„Einen doppelten“, sagte Jason. „Ohne Eis.“
Sie goss ihm ein Gingerale ein.
„Das wird mir nicht viel helfen.“
Er machte sich Sorgen, dass es den Zwillingen eher schaden würde, wenn sie jetzt mit ihrer Zuneigung Hoffnungen und Sehnsüchte in ihnen weckten.
Kira nahm sich die Schokoladensoße und griff nach einem Löffel.
„Hast du immer noch Hunger?“, wollte Jason wissen.
Sie tauchte den Löffel in die Soße und leckte ihn ab. „Ich ertränke nur meine Sorgen.“
„Wem sagst du das? Ich muss mich entweder betrinken oder mit dir schlafen.“
„Nicht heute Abend, Iceboy. Ich habe Kopfschmerzen für vierzehn.“
„Das heißt für uns wohl, getrennte Sofas.“
Kira lächelte. „Ja, ich habe deine klitschnassen Laken gesehen, aber es war schon alles ziemlich witzig ... bis eben in meinem Schlafzimmer.“
„Stimmt“, erwiderte Jason. „Familienleben jagt mir immer irgendwie Angst ein, aber das eben in deinem war das Allerschlimmste. Lass uns an etwas anderes denken.“
„Und an was zum Beispiel?“
„An das, was ich eigentlich für heute geplant hatte.“ Er zog sie auf seinen Schoß, nahm ihr das Glas mit der Schokoladensoße aus der Hand und stellte es auf den Tisch.
„Was machst du?“, fragte sie, aber sie verstummte, als er begann, Schokolade von ihren Fingern zu lecken.
„Hast du irgendeine Vorstellung, was ich heute Abend eigentlich mit dir vorhatte?“, fragte Jason.
„Sag es mir“, flüsterte Kira.