Drei
BEIM ANBLICK DER HEXE mit dem kupferfarbenen Haar, die ihn gerade verspottete, blieb Jason abrupt stehen. „Rühren“, sagte er lässig. Er war eher amüsiert als verärgert. Um die Wahrheit zu sagen, ein wenig war er beides gewesen, seit er sie dabei ertappt hatte, wie sie während der Arbeitszeit einen Mann mit ihrem Zauber belegt hatte.
Eine Hexe! Seine Großmutter hatte tatsächlich eine waschechte Hexe eingestellt, wie Gram sie selbst bezeichnete. Kira Fitzgerald war es offenbar gelungen, für das Hexen-Museum eine ganze Menge Geld aufzutreiben, und Gram erwartete, dass sie unter seiner Leitung für die Stiftung, etwas Ähnliches vollbrachte - das hieß, falls er und seine männlichen Attribute diese Phase überleben würden.
Sie trug ein schickes schwarzes Kleid, dessen Anblick sein gesamtes Blut in südliche Regionen schießen ließ. Er sah ihr zu, wie sie Notizblöcke, Akten, einen Terminkalender und ein paar Stifte in ihrer Aktentasche verstaute. Sie schien eine ganz normale Geschäftsfrau zu sein ... und strahlte dabei puren Sex aus.
Jason verlagerte sein Gewicht, um das verletzte Knie zu entlasten. Er war sich nicht sicher, ob er dankbar sein oder sich ärgern sollte, dass er den Frauen abgeschworen hatte. Besonders da diese hier auch noch in der Lage war, geradezu magische Feuerwerke zu entfachen, ein Grund mehr, sie faszinierend zu finden - und gefährlich.
Verdammt, er hatte schon immer gern mit dem Feuer gespielt Sie steckte ihren Zauberstab in ihre Aktentasche und brachte ihn damit schlagartig zurück auf den harten Boden der Wirklichkeit. „Warten Sie! Dieses Entmannungsinstrument da nehmen Sie nicht mit in mein Meeting.“
„Wie bitte?“
Er winkte sie mit dem Finger heran. „Geben Sie mir den Zauberstab.“
„Den hier?“ Sie fasste den kunstvoll verzierten Stab an der Spitze und ließ ihn hin- und herbaumeln. Ihre langen geschwungenen Wimpern senkten sich über ihre smaragdgrün schimmernden Augen. Es war eine stumme Aufforderung, näher zu kommen.
Er wollte verdammt sein, wenn es ihr nicht einen teuflischen Spaß bereitete, ihn schwach zu machen. Sie winkte nicht einmal mit dem Stab. Offensichtlich hexte sie gerade.
Schlimmer noch! Ihre herausfordernde Art gefiel ihm sogar sehr.
„Ja, den“, erwiderte Jason und blickte sie finster an - zumindest hoffte er, dass es finster wirkte, denn das Funkeln in ihren Augen machte es ihm schwer, ein wirklich strenges Gesicht aufzusetzen.
„Warum soll ich ihn denn nicht mit in das Meeting nehmen?“, erkundigte sie sich betont unschuldig. „Ich habe meinen Zauberstab immer gern griffbereit.“
„Damit Sie sich meinen ... privaten Hockeystock vornehmen können? Die Antwort ist nein. Ich wäre nicht mehr in der Lage, klar zu denken.“
„Ha! Ich wusste es! Männer denken eben doch mit ihren ... Stöcken.“
Jason runzelte die Stirn. Er erinnerte sich noch gut daran, wie sehr sie ihn geärgert hatte, trotz ihrer Attraktivität. Deswegen streckte er seine geöffnete Hand aus, um ihr zu zeigen, wer der Boss war. „Geben Sie ihn her, Ms Fitzgerald.“
Er machte einen Schritt auf sie zu und sie einen zurück.
„Nein!“ Sie drückte den Stab an ihr Herz, als er danach griff, und er bekam nichts zu fassen als die Hitze einer hübschen festen Brust, die ihm die Finger verbrannte.
Jason zuckte zurück und schloss die Faust, um nicht die Kontrolle über sich zu verlieren. Üppige Brüste, eine schmale Taille, ein Po, der genau in seine Hände passte. Eine Figur wie eine Sanduhr. Oder ... wie die Jungen in der Umkleidekabine sagen würden: super Hintern, irres Chassis.
Beide beschlossen, den unerwarteten Bodycheck zu übergehen, obwohl es Jason unglaublich schwerfiel, seine Hände bei sich zu behalten.
Jedenfalls brauchte er sich keine Gedanken darüber zu machen, ob sie es auch gespürt hatte. Das leichte Rot, dass ihr ins irisch blasse Gesicht stieg und die Sommersprossen zu vertreiben schien, verriet es.
Gebannt beobachtete Jason, wie jeder einzelne Punkt mit der Röte verschmolz, und fragte sich, wie viele Sommersprossen das Tal bedeckten, aus dem sie aufgestiegen war. Er hätte dieses unerforschte Land gern nach Herzenslust erkundet.
Die Art, wie sich ihr enges Kleid bei jeder Bewegung über ihren Körper schob und ihre vollen alabasterfarbenen Brüste sich über dem Ausschnitt hoben und senkten, war einfach umwerfend. Es sah so aus, als ob Amor gerade seinen Bogen spannte.
Ihre Blicke trafen sich, und keiner sah weg. Konnte sie seine Gedanken lesen? Wollte er das?
Schnell verbarg sie den Zauberstab hinter ihrem Rücken. „Oh nein“, sagte sie leise, als habe dieser kleine Augenkontakt sie verwirrt.
„Das ist mein Zauberstab, und er ist mir wichtig.“ Sie holte den schlanken hölzernen Stab wieder hervor, streichelte und betrachtete ihn mit einer Zuneigung, die eigentlich einem Liebhaber gebührte.
War sie gerade dabei, ihn zu verführen?
„Sie würden es doch auch nicht zulassen, dass jeder Ihren Sie sah auf.
„Hockeyschläger anfasst?“ Okay, sie hatte nicht flirten wollen. Wenn man sah, wie groß ihre Augen wurden, hatte sie nichts Zweideutiges im Sinn gehabt. Sie hob das Kinn, und ihre Sommersprossen verschwanden erneut.
Jason beschloss, seine Faszination einfach zu übergehen, marschierte um ihren Schreibtisch herum und öffnete die oberste Schublade. „Lassen wir den Zauberstab doch während des Meetings einfach hier. Einverstanden?“ Erneut streckte er ihr die Hand entgegen, doch wieder ohne Erfolg.
Die Hexe trat an die gegenüberliegende Seite des Schreibtischs und sah ihn über die Platte hinweg an. „Nein. Ich meine das absolut ernst. Sie dürfen ihn nicht berühren. Ein Zauberstab ist etwas sehr Persönliches. Er symbolisiert die Lebenskraft der Hexe, der er gehört. Sie könnten ihn mit negativer Energie, schlechtem Karma oder einfach nur mieser Laune zerstören. Der Schaden wäre nicht sichtbar, aber verheerend. Schon eine einzige Berührung von Ihnen könnte mich meiner Zauberkraft berauben.“
Sie zog ein schmales langes Säckchen aus violettem Samt aus der Tasche ihres Blazers, ließ den schicken Entmannungsstab hineingleiten, verschloss die Öffnung mit dem eingenähten Zugband und legte ihn dann in ihre Aktenmappe. „Da ist er in Sicherheit, und Sie sind es auch ... zumindest vorläufig.“
Jason kam auf sie zugehumpelt.
Sie wich zurück und stieß sich die Hüfte am Schreibtisch. „Sie würden doch auch keinen Anfänger mit Ihrem Schläger spielen lassen, oder?“
Er hob eine Braue, aber sie hatte sich schon wieder ihrem Schreibtisch zugewandt. „Eines Tages, wenn ich Sie besser kenne“, sagte sie und schien irgendetwas auf ihrem Schreibtisch zu suchen, „lasse ich Sie meinen Zauberstab vielleicht einmal berühren. Aber verlassen Sie sich nicht darauf.“
„Dito“, erwiderte er.
Sie erstarrte kurz, biss sich auf die Lippen und setzte dann umso eifriger ihre Suche fort.
„Tut mir leid“, meinte er, und sie nickte.
Da es nichts mehr zu sagen gab - zumindest nichts Ungefährliches setzte sie sich an ihren Computer und schenkte der Tastatur die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer flinken Finger.
Jason verschwand in seinem Büro und schloss die Tür hinter sich.
„Dito?“, murmelte er ungläubig. Er konnte nicht fassen, dass er das gesagt hatte. „Dito?“
Während er den Kopf über seine schwachsinnig angeberische Antwort schüttelte, fragte er sich, was Gram eigentlich noch im Schilde führte. Und er hoffte nur, dass sie nicht vorhatte, ihn zu verkuppeln.
Er hatte den Frauen wirklich abgeschworen, wobei seine Reaktionen auf das Mädchen nebenan nicht gerade dafür sprachen. Beeren, dachte er. Sie roch nach reifen Sommerbeeren und trug eine tödliche Waffe bei sich.
Jason wusste nicht viel über Grams Büroangestellte, aber er war sich ziemlich sicher, dass diese kleine Miss „Verdorrender Ast“ nicht zu den Bewerberinnen gehörte, die seine Großmutter normalerweise einstellte.
Hinzu kam, dass Gram niemals zuvor eine Mitarbeiterin der Stiftung bei sich zu Hause untergebracht hatte. Allerdings durfte er auch nicht vergessen, dass sich die Stiftung noch nie in derart großen Schwierigkeiten befunden hatte.
Gut. Kira Fitzgerald war also vielleicht in der Lage, den Karren für sie aus dem Dreck zu ziehen. Aber er war ihr Boss, der Veranstaltungsdirektor, und sie seine Untergebene, seine Koordinatorin. Und das wiederum bedeutete, dass sie sich nicht in zweideutigen Wortspielen ergehen sollten.
Zweifellos hätte er nicht ihre Brust berühren dürfen, deren sanfte Festigkeit er einfach nicht mehr aus dem Kopf bekam. Und auf absolut gar keinen Fall sollten sie sich eine Wohnung teilen. Schon damit er sich nicht auf etwas versteifte ...
Sicher, das Apartment war groß genug. Sein eigener Wohnbereich und der seiner Eltern, wo die Hexe jetzt lebte, wurden durch eine große Küche getrennt. Wie die rote Linie in der Mitte des Eishockeyfelds konnte die Küche als neutrale Zone dienen. Aber tatsächlich trennen würden sie nur ganz normale Türen.
Und wenn nun einer von ihnen Schlafwandler war.
Ja, das hätte er wohl gern gehabt.
Okay, er hatte sich bereits vorgestellt, wie er mit den Fingern durch diese hellroten Korkenzieherlocken fuhr.
Er hatte bereits die wie hingetupften Sommersprossen auf ihrer süßen Stupsnase bewundert. Sie waren so blass, dass er sie nur aus der Nähe erkennen konnte, und sie standen in deutlichem Kontrast zu der Schlagfertigkeit, die aus jeder Entfernung in ihren grünen Augen zu lesen war.
Jason lief auf seinem abgetretenen Orientteppich auf und ab, um sein Knie zu bewegen und nicht mehr an diese kleine Zauberin denken zu müssen. In diesen sechs kurzen Monaten hatte er eine Menge Arbeit zu erledigen.
Blöd war irgendwie, dass die Hexe glaubte, er habe den Job nur bekommen, weil Gram die Vorstandsvorsitzende der Pickering-Stiftung war.
„Nun ja, Ms Fitzgerald, es wird Sie vielleicht erstaunen, aber ich habe vor, mir meinen Titel zu erkämpfen, indem ich uns beide bis an den Rand der Erschöpfung treibe.“
Bis seine Arbeit bei der Stiftung beendet war, würde sie gelernt haben, ihn zu hassen, was für sie beide nur das Beste wäre.
Es ärgerte ihn wirklich, dass er seit dem Unfall ganz zufrieden mit seiner sexuellen Abstinenz gewesen war, und nun kam diese kleine Person voller Sommersprossen hereinmarschiert und warf mit einer einzigen Bewegung ihres Zauberstabs seine Libido wieder an. Dass sie gleichzeitig einen anderen Penis hatte verschwinden lassen, half da wenig.
Was für ein Gegensatz - klein von Statur, aber groß in der Wirkung. Schick, frech, verwegen, hart, zäh wie Leder und eine moderne Frau. Auf der anderen Seite verbreitete sie mehr eine viktorianische Aura, eine Unschuld, die sofort seine Aufmerksamkeit erregt hatte.
Auf den ersten Blick erschien sie verwundbar und schutzlos, dann wurde sie plötzlich zur Hexe und ließ einem das Mark in den Knochen gefrieren. So attraktiv war sie in ihrem schlichten Kleid mit den hochhackigen Riemchensandalen, die mit Schmetterlingen aus Kristall verziert waren. Mit ihren Ohren voller Ringe und Stecker. Und sie konnte einen Mann so ansehen, dass ihm alles verging, oder er zu seiner wahren Größe heranwuchs, auch ganz ohne ihren Zauberstab.
Jason drehte eine weitere humpelnde Runde in seinem Büro und wünschte sich, er könnte diesen verdammten Stock aus irgendeinem Fenster werfen. Zum Glück konnte man keins von seinen Fenstern öffnen, weder das kleine Oval in der Ecke noch das kostbare Buntglasfenster, eine Tiffanyarbeit, hinter seinem Schreibtisch. Verdammter Stock!
Konnte Kira ihn nicht einfach mit irgendeinem Zauber heilen? Was Schmerzen anging, hatte sie das ja schon geschafft.
Besaß sie tatsächlich irgendwelche magischen Kräfte? Und war sie wirklich so unschuldig, wie sie schien?
Wenn er nicht ihr Boss wäre, würde er es vielleicht kurzerhand mit einer Art Schocktherapie versuchen herauszubekommen, indem er zum Beispiel das Oberteil ihres trägerlosen Kleids einfach herunterzog.
„Lass das bloß bleiben, Junge“, murmelte Jason, rieb sich den Nacken und wandte sich seinem Schreibtisch zu. „Hilf lieber, die Stiftung zu retten.“
Er setzte sich und sah die Papiere durch. Dabei fand er Kiras Bewerbung.
Beeindruckend!
Vielleicht war unschuldig nicht das richtige Wort gewesen. Und viktorianisch auch nicht. Kira Fitzgerald schien mehr dem sogenannten Gilded Age, dem Vergoldeten Zeitalter, der Blütezeit der amerikanischen Wirtschaft, entsprungen zu sein: sanft -daran erinnerte er sich gut -, weiblich, sexy und in einer Weise ausgestattet, die einen Mann in die Knie gehen ließ. Doch mit festem Rückgrat, entschlossen und bereit, mit erhobenem Kopf und Auge in Auge dafür zu kämpfen, woran sie glaubte.
Er sah hinüber zu dem Porträt über dem Kaminsims aus rotem Marmor. Wie die Frau in ihrem Ballkleid aus den fröhlichen Neunzigern des 19. Jahrhunderts, die sein Büro von dort oben betrachtete, so mochte auch Kira Fitzgerald einen Mann zu ihrem Leibeigenen machen können und ihn erst wieder aus ihren Fingern lassen, wenn es ihr gefiel. Und die meisten Männer würden sich mit Wonne darauf einlassen, darin schwelgen und hoffen, dass es nie ein Ende fände.
Soll sie es doch versuchen, dachte Jason und verbat sich, instinktiv ein Bitte hinzuzufügen.
Er fluchte. Das ganze Haus ging ihm auf die Nerven. Es gab keine andere Erklärung. Er wünschte, sie wären nicht gezwungen gewesen, die Büros der Stiftung dort unterzubringen. Es war ihm einfach zu persönlich, und gerade unter diesen Umständen war es ganz sicher auch nicht gut.
Früher waren die Büros ganz offensichtlich einmal private Räume gewesen - seins das Wohnzimmer, während sich im angrenzenden Büro seiner Koordinatorin das Schlafzimmer befunden haben musste, was das Bad erklärte, in dem noch eine alte Badewanne auf Löwenfüßen stand.
Jason stellte sich vor, wie Kira sie benutzte. Die roten Locken feucht und auf ihrem Kopf zusammengedreht, Schaum auf ihren vollen runden Brüsten.
Wie die madonnengesichtige Schöne aus dem Vergoldeten Zeitalter über dem Kaminsims machte auch Kira Fitzgerald, die erotischste Hexe im ganzen Osten, den Eindruck, dass sie nur darauf wartete, freigelassen zu werden ... oder geweckt.
„Nicht zu fassen! Das wäre ja nun wirklich das Allerletzte.“ Die Uhren im ganzen Haus schlugen gleichzeitig - über, unter und neben ihm, und Jason raffte schnell seine Notizen zusammen. „Toller Anfang, Iceboy. Gleich zum ersten Meeting an deinem ersten Arbeitstag kommst du zu spät. So wirst du die Hexe ganz bestimmt beeindrucken.“
Er hörte, wie ihre Tür, die zum Flur führte, geschlossen wurde, und dann das Klacken ihrer hohen Absätze. Er nahm seine Sachen, öffnete die Tür zwischen ihren Büros und ging hinüber zu ihrem Papierkorb. Der Inhalt stank so sehr, dass er den Atem anhalten musste. Dann fischte er einen kaum verbrannten Fetzen heraus ... Es war eine Einladung zu ihrer Hochzeit... Für gestern! Oh verfl... Zerrissene Briefumschläge mit Adressen. Hochzeitseinladungen, die nie zur Post gegangen waren, also war die Hochzeit abgesagt worden.
Jason fragte sich, warum, aber er wusste instinktiv, dass Charlies Unterleib irgendetwas damit zu tun hatte.
Kein Wunder, dass sie manchmal so unausgeglichen war, in der einen Minute kämpfte sie, und in der nächsten schien sie so verletzlich.
Arme kleine Hexe... bleib mir bloß mit deinem rachelüsternen Zauberstab vom Leib.
„Er ist einunddreißig, Single und reines Dynamit“, erklärte Michaela Dennison gerade, als Kira den Sitzungsraum betrat.
Die Entwicklungsdirektorin sprach offenbar von Amerikas bestem Küsser und grübelte ohne Zweifel darüber nach, wie sie ihn als ihren - sehr persönlichen - Assistenten einsetzen konnte.
„Ja“, erwiderte Kira und sah in ihrer Mappe nach, ob sie die Einladung für die Geistertour mitgebracht hatte. „Aber pass auf, seine Menschenfuhrung ...“
Jason betrat den Raum und warf ihr einen schrägen Blick zu. „... seine Führungsqualitäten sind nicht zu schlagen“, beendete Kira ihren Satz.
Was für ein Blick. Geradezu geladen vor Elektrizität. Er betrachtete sie mit einem kurzen Knurren und einer angehobenen Augenbraue. Okay, er nahm ihr den Spruch also nicht ab.
Sie musste ernsthaft darüber nachdenken umzuziehen, denn so würde sie nicht einmal abends Ruhe vor ihm haben, wenn sie zu Hause war. Allerdings war es für sie wichtiger, Ruhe vor der nächsten Miete zu haben als vor dem Wolf.
Natürlich hatte ihr bescheuerter Bräutigam sich geschickt aus der Affäre gezogen, als es um die nicht rückerstattbaren Ausgaben für die geplatzte Hochzeit ging - was für eine Überraschung! und sie konnte sich damit kaum an ihre Eltern wenden, die gerade ihr sechstes Kind durch die Privatschule bringen mussten.
Nachdem alle an dem Sitzungstisch aus grünem Marmor Platz genommen hatten - Goddard war der einzige Mann im Raum -, räusperte sich Bessie, stand auf und schien ihm die Show stehlen zu wollen.
Jedenfalls schien er das zu glauben, denn er musterte sie erstaunt.
„Sie alle kennen meinen Enkel“, begann sie, „allerdings wissen Sie nicht, dass er neben seinem Job als Direktor des Bereichs Veranstaltungen auch der stellvertretende Vorstandsvorsitzende ist.“
Goddard warf Bessie einen Blick zu, der Bände sprach. Aber die alte Dame lächelte nur und gab ihm ein Zeichen, dass er übernehmen solle.
Goddard ergriff das Wort, aber er verhielt sich nicht wie der große Wohltäter, der gekommen war, um die Stiftung zu retten. Er erwähnte weder seinen Ruhm noch seine Verbindungen oder was er damit alles würde erreichen können.
Eins zu null für den Sportler.
Als er dann erklärte, wie er die Stiftung einschätzte, begriff Kira plötzlich, warum Bessie der Meinung war, er könne genau der richtige Mann sein, um Pickering aus der Talsohle herauszuführen.
Jason Goddard wusste, wovon er sprach, und er wirkte äußerst entschlossen. Er strahlte Charisma aus, schwor, hart arbeiten zu wollen, bat alle um ihre Mithilfe. Mindestens acht der zehn Frauen am Tisch begannen sich allmählich von ihm umgarnen zu lassen, sodass eigentlich nur Jasons Großmutter und Kira noch gesunden Menschenverstand an den Tag legten.
Für sich selbst würde Kira allerdings nicht für immer die Hand ins Feuer legen wollen.