Vierzehn
NACHHER, KOMMEN EIN paar Freiwillige, um die Einladungen für Hexen mögen's heiß für die Post fertig zu machen“, sagte Kira. Sie stand in der Tür zu ihrem Büro. „Zuerst hatte ich gedacht, ich lade nur weibliche Sponsoren ein, aber dann ist mir klar geworden, dass Männer Melody bestimmt eher heiß finden.“ Während sie sprach, hatte sie sein Büro wieder betreten.
„Das sind ungefähr zweihundertfünfzig Einladungen und fünfhundert mögliche Gäste“, fuhr Kira fort. „Aber der große Ballsaal in Kingston führt ja auf einen Innenhof mit einem Pool hinaus. Also haben wir genügend Platz. Selbst wenn jeder kommt, den wir einladen - was nicht passieren wird -, kriege ich das hin.“ Jason war langsam überzeugt, dass sie einfach alles hinbekommen würde. Obwohl er sich einige Dinge davon nicht zu deutlich vorstellen durfte, wenn er nicht in echte Schwierigkeiten geraten wollte.
„Ich weiß, das ist nicht dein Lieblingsthema, aber ...“ Kira lenkte ihn ab, weil sie hinüber zu seinem Schreibtisch ging und dabei ihr entzückendes Hinterteil vor ihm hin- und herschwenkte. Leider lehnte sie sich dann damit gegen die Tischplatte und entzog es so seinen Blicken.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und durchbohrte ihn mit einem entschlossenen Blick.
„Oh nein ..sagte er.
„Du hast schon richtig vermutet“, sagte Kira. „Uns bleibt nichts anderes mehr übrig, als die Auktion der prominenten Junggesellen am letzten Freitag im November im Summerton zu veranstalten. Also ... wenn du nichts dagegen hast, entwerfe ich heute die Einladungen und bringe sie spätestens morgen Nachmittag zur Druckerei. Was bedeutet, dass du dich ans Telefon hängen musst - spätestens ab heute Nachmittag -, um deine Kollegen dazu zu überreden, ihre Zeit für eine gute Sache zu opfern. Ich möchte gern noch ein paar mehr heiße Typen auf die Einladung schreiben.“
Jason erhob sich. „Du findest, ich bin ein heißer Typ?“
„Das habe ich nicht gesagt.“ Kira wurde rot, aber Jason verkniff sich das Grinsen. Langsam ging er auf sie zu.
Sie sah aus, als wäre sie am liebsten weggelaufen, aber der Schreibtisch hinter und seine Hände rechts und links neben ihr verhinderten einen Rückzug. Seine Position erlaubte es ihm auch, sich sozusagen über sie zu beugen. „Ich finde, du bist heiß“, erklärte er. „Besonders in hauchdünnen türkisfarbenen Boxershorts.“
Sie trat ihm fest auf den Fuß. „Kaninchenbau!“
„Autsch! Stimmt. Tut mir leid. Gib es zu, du findest mich auch heiß.“
„Den Teufel finde ich.“
„Danke“, meinte er und wärmte ihr Ohr mit seinem Atem. „Beim Teufel ist es nämlich ziemlich heiß.“
Blitzartig tauchte sie unter seinem Arm hindurch und stand schon wieder an der Tür zu ihrem Büro. „Fang lieber an zu telefonieren, Goddard.“
Jason fragte sich für einen Moment, wer hier eigentlich der Boss war, aber immerhin hatte sie vorhin gesagt: Wenn du nichts dagegen hast.
Er seufzte, richtete sich auf, ging mit so viel Würde um seinen Schreibtisch herum, wie seine Erektion es ihm erlaubte, setzte sich und griff zum Telefon.
„Warte noch! Du musst wissen, dass deine Großmutter gesagt hat, die Junggesellen könnten in Cloud Kiss übernachten, wenn sie mit dem Flugzeug kommen. Außerdem müssen sie sich für den folgenden Tag oder Abend ein tolles Rendezvous ausdenken.“
„Okay. Stimmt.“ Jason machte sich Notizen, während sie redete.
„Wir verkünden, was sie sich ausgedacht haben, wenn wir sie vorstellen“, fuhr Kira fort. „Außerdem senden wir ihnen innerhalb einer Woche einen Fragebogen über ihre Interessen zu, damit wir darüber etwas bei der Auktion berichten können. Falls sie Fragen haben, können sie mich anrufen.“
Jason musste den Telefonhörer erst einmal wieder hinlegen, um sich zu sammeln. Alles, was sie gerade gesagt hatte, gefiel ihm. Teufel, diese Frau packte die Dinge richtig an! Da auf jeden Fall sie ihn gewinnen würde, begann er sich sofort Gedanken zu machen, wo er mit ihr hingehen wollte.
Aber hatte sie nicht einmal zu ihm gesagt: kein Rendezvous? Und dann später, dass sie ihn als Sexsklave benutzen wolle? Jason grinste. Okay ...!
„Oh, noch eine Sache“, sagte Kira und steckte den Kopf erneut in sein Büro. „Deine Freunde sollten wissen, dass auf der Veranstaltung Abendgarderobe erwünscht ist. Die Rendezvous können aber so zwanglos und ausgefallen sein, wie sie wollen. Und so ungern ich es auch sage, ich glaube, du solltest dein kleines schwarzes Notizbuch herausholen und einige deiner wasserstoffblonden Tussis einladen, damit sie mitbieten.“
Kira zog den Kopf zurück in ihr Büro wie eine Schildkröte, die sich in ihren Panzer verkroch, während er seinen Fantasien nachhing, was er in diesem Panzer gern alles mit ihr anstellen würde.
Jason fing gerade an zu wählen, als Billy in ihr Büro geschlendert kam. Er schlang seine Arme um sie und drückte ihr einen langen, Vertrautheit verratenden Kuss auf die Lippen.
„Kira!“, brüllte Jason. Doch als sie sich aus Billys Armen befreit hatte und zu ihm herüberkam, tat er so, als habe er vergessen, was er sagen wollte.
„Was?“, fragte sie nach einer Minute.
„Kannst du mir noch einmal meine Rechte vorlesen?“
An ihren Fingern zählte sie noch einmal die Regeln für die Auktion auf, und während sie das tat, trafen auch schon die freiwilligen Helferinnen ein. Sie würden Billy ein wenig von Kira ablenken.
Als sie ging, grinste Jason zufrieden und wählte.
„Hallo Seth“, sagte er kurz darauf. „Wie geht’s den Rogues, und was würdest du davon halten, wenn du und noch ein paar andere von euch, die man sonst gegen ein Honorar mieten kann, sich für eine gute Sache kostenlos zur Verfügung stellen würdet?“
Während Jason mit dem berühmten Baseballspieler Santiago the Stealer telefonierte, konnte er hören, wie der Hofnarr drüben in Kiras Büro die Frauen unterhielt. Sie kicherten wie Schulmädchen.
Kira warf einen Blick zu Jason hinüber, erkannte, dass ihn der Lärm störte, und schloss die Tür. Vorher aber sahen sie sich noch einmal in die Augen, und der Funke sprang wieder über.
Das reichte ... vorläufig.
Jason lächelte, während er weiter mit seinem besten Freund telefonierte.
An diesem Abend ging Kira vor ihm, erschien nicht zum Abendessen bei Gram und war am nächsten Tag schon wieder im Büro, als er kam.
Er lehnte in der offenen Verbindungstür und beobachtete, wie konzentriert sie arbeitete. Sie trug wieder Schwarz, einen eleganten einteiligen Hosenanzug im Stil der Siebzigerjahre mit Matrosenkragen und einem Paar schwarzer Sandalen, das ihm bekannt vorkam. Aber das Wetter war besser geworden, deswegen hatte er ohnehin nicht erwartet, dass sie die Gummistiefel tragen würde.
Ihm war durchaus klar, dass er sie nicht einfach ansprechen durfte, weil sie sonst vor Schreck ein paar Zentimeter in die Luft springen würde. Darum wartete er geduldig darauf, dass sie hochblickte. Aber das tat sie nicht, nicht ein einziges Mal in den zehn Minuten, in denen er dort stand und ihre Mimik und selbst jede noch so kleine Bewegung mit großer Freude verfolgte. Also trat er näher an den Schreibtisch, damit sie ihn aus den Augenwinkeln wahrnehmen konnte ... und sie zuckte zusammen und schrie auf.
„Zum Teufel noch mal!“, fluchte er. „Was kann ich denn tun, um dich auf mich aufmerksam zu machen, ohne dich zu Tode zu erschrecken?“
„Tut mit leid, ich tauche immer vollkommen in das ein, was ich gerade tue, und blende dabei die Welt um mich herum völlig aus.“
„Du liebe Güte.“
„Was gibt’s?“, wollte sie wissen.
„Nach meiner Berechnung haben wir weniger als zwei Wochen, um dieses verborgene Treppenhaus auf Rainbows Edge zu finden. Und ich möchte gern sehen, wie die Leute vorankommen, die versuchen, den Grabstein zu heben. Das Ding ist so mächtig, dass ihre Maschinen offenbar immer wieder ausfallen. Hast du Lust, heute Morgen ein bisschen nach Treppenhäusern zu suchen?“
„Gott, ja, hol mich bloß raus hier. Ich hab die Nase voll von dem ganzen Bürokram.“
Ich genauso. Benutzen wir den Hummer?“
Sie hob eine Augenbraue.
Er lachte leise, als ihm die Doppeldeutigkeit bewusst wurde. „Ich mag es, wie du denkst, Fitzgerald.“
„Du wärst schockiert, wenn du wüsstest, wie ich denke.“ „Mich kann nichts schockieren. Ich bin Hockeyspieler.“ „Dann testen wir deine nach oben offene Richterskala doch bei Gelegenheit einmal aus, ja?“
„Sag einfach Bescheid.“ Er griff nach dem Türknauf. „Bescheid.“
Er hielt inne, wandte sich um und sah sie fragend an.
Sie zuckte die Schultern. „Ich wollte nur sichergehen, dass du mir zuhörst. Wir sollten lieber getrennt fahren, wenn wir heute Abend mit beiden Autos nach Hause kommen wollen. Nach der Schule ist Hockeytraining.“
„Musstest du mich daran erinnern?“
Sie nahm ihren Mantel vom Garderobenständer, und er half ihr hinein. Er nutzte jede Geste der Höflichkeit, um sie zu berühren. Sie schien es auch zu tun, und es gefiel ihm.
„Schwester Margret sagt, die Jungen hätten seit dem letzten Training über nichts anderes als über dich gesprochen“, erzählte sie und zog ihre Locken aus dem Mantelkragen. „Drei von ihnen haben einen Aufsatz über dich geschrieben, und einige haben etwas in ihre Religionshefte eingetragen.“
„Was war so religiös an dieser Erfahrung? Ich werde für die Dinge, an die ich an dem Nachmittag gedacht habe, wahrscheinlich eher in die Hölle kommen.“
„Du bist ein Erwachsener, der ihnen seine ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt hat. Das ist für diese Kinder sehr wichtig. Du kannst dir selbst auf die Schulter klopfen.“
„Das kann ich nicht. Ich bin immer noch viel zu zerschlagen. Aber wenn du behauptest, dass ich meine Sache gut gemacht habe, dann bin ich zufrieden. Okay, wo hast du deinen Besen geparkt, Fitzgerald?“
War es Jason wirklich wichtig, fragte sich Kira, während sie mit ihrem Jetta nach Rainbows Edge fuhr, ob sie fand, dass er seine Sache mit den Jungen gut gemacht hatte? Und was hatte es zu bedeuten, dass er ihr gestern im Büro ins Ohr gepustet hatte? Sie erschauerte und lächelte ein wenig. Konnte es sein, dass Jason so verrückt nach ihr war wie sie nach ihm?
Sie drehte die Heizung hoch. Wenn es ihr schon nicht gelungen war, den Sexprotz bei der Stange zu halten, warum zum Teufel bildete sie sich dann ein, sie könne den Eiswolf für sich interessieren? Selbst wenn er sie anziehend fand, wie sollte sie weiterleben, wenn er nach kurzer Zeit genug von ihr hatte?
So etwas wollte sie sich auf keinen Fall noch einmal antun.
Jason wartete bereits auf sie, als sie Rainbows Edge erreichte. Zusammen gingen sie hinüber zum Friedhof der Familie Winthrop, wo sechs bullige Männer mit Schultern so breit wie Türen und Armen so dick wie Baumstämmen herumstanden und sich fragten, warum sie es nicht schafften, Addies Grabmal aufzurichten.
„Die sind ja unglaublich effizient“, murmelte Kira, während sie auf die Männer zuging.
Einer der Kerle zog an seiner Zigarette, und als er die beiden sah, benutzte er sie als Zeigestock, um ihre Aufmerksamkeit auf den umgestürzten Marmorgiganten zu lenken. „Wussten Sie, dass das Scheißding seit mehr als achtzig Jahren da liegt?“ Während er sprach, drang Rauch aus seiner Nase und seinem Mund. Er glich einem alten Drachen, der üble Dämpfe von sich gab. Kira schüttelte sich vor Ekel.
„Durchaus“, erwiderte Jason. „Meine Großmutter hat gesagt, dass er schon so dalag, als sie klein war.“
„Er hat sich damals nicht gerührt", erklärte der Mann, rollte die Schultern und spuckte ins Gras. „Und wird es jetzt auch nicht tun. Ende der Geschichte. Tut mit leid. Da kann man nichts machen.“
„Sie sollten nicht so schnell aufgeben!“, fuhr Kira ihn an. „So kompliziert kann das doch nicht sein.“
Ein Vogel in dem Baum über ihnen keckerte laut. Es klang, als würde ein altes Weib lachen.
Der Ungeschlachte wandte sich ab, sagte etwas zu den anderen Vierschrötigen, die daraufhin roh lachten. Dann gingen die Männer wieder an die Arbeit.
Jason nahm Kira am Arm und führte sie weg.
„Was machen wir nur, wenn sie ihn nicht hochbekommen?“, fragte sie. „Vielleicht sollten wir eine andere Firma bestellen?“ „Gute Idee“, erwiderte Jason. „Wenn es diesen Typen nicht gelingt, heute noch den Stein aufzustellen, sagen wir ihnen, dass wir sie nicht mehr benötigen. Meine Güte, dieser Kerl war wirklich ein Gorilla.“
Sie schnippte mit den Fingern. „Genau, jetzt sehe ich auch die Ähnlichkeit.“
Jason blieb stehen. „Stichelst du jetzt?“
„Du meinst, ich verspotte dich? Würde mir nie einfallen.“
Mit Daumen und Zeigefinger strich er über ihr Genick. „Mmmm.“ Sie zog die Schultern hoch, um seine Hand zu fangen. Deswegen machte er weiter.
„Versprich mir, dass sie nicht bezahlt werden, wenn sie es nicht schaffen“, sagte Kira.
„Ich werde mein Möglichstes tun, das zu verhindern“, erklärte er. „Aber wenn es hart auf hart kommt, musst du mir beistehen.“ „Toll. Danke.“ Sie schüttelte seine Hand ab.
„Also“, meinte er, „ich dachte, du würdest dich gleich in den Kerl verbeißen.“
Ich habe ernsthaft darüber nachgedacht“, erwiderte sie, aber ich habe einen zu starken Würgereflex.“
„Erinnere mich dran, dass ich dich nie verärgere.“
Auch wenn es Jason vielleicht noch nicht aufgefallen war, wusste Kira, dass sie sich zu einem guten Team entwickelt hatten. Er brauchte sie, und das schien ihm nicht einmal etwas auszumachen. Beflügelt lief sie weiter. Ihr neuer Job und vielleicht auch ihr neuer Boss gediehen prächtig.
Okay, er konnte vielleicht jede Frau haben, die er wollte, aber er schien sie zu wollen. Zumindest in diesem Job, und das war genug. Fürs Erste.
„Gehen wir erst einmal ums Haus herum“, schlug er vor, „und sehen nach, ob wir irgendwelche Unregelmäßigkeiten in der Konstruktion entdecken, die groß genug sind, dass sich ein Treppenhaus dahinter verbergen könnte.“
Während sie das taten, benannte er jeden einzelnen Raum nach seiner Funktion, und sie waren sich einig, dass die Fassade mit der Aufteilung im Innern übereinzustimmen schien. „Das Treppenhaus muss sich in der Mitte des Gebäudes befinden“, sagte er mehr zu sich selbst. „Das wäre möglich.“
„Wo fangen wir an?“, wollte sie wissen, als sie hineingingen. „Hast du die Bauzeichnungen gefunden?“
„Ich habe das ganze Archiv auf den Kopf gestellt, aber nichts über dieses Haus gefunden. Was hältst du davon, wenn wir auf dem Dachboden anfangen und uns dann langsam bis in den Keller Vorarbeiten?“
„Klingt gut.“
Kira winkte den laut durcheinanderkreischenden Vögeln in der Voliere zu, bevor sie das kleine Treppenhaus betrat, das nach oben auf den Dachboden führte.
„Die Vögel machen immer nur so einen Lärm, wenn du auftauchst.“ Jason stieg hinter ihr die Stufen hinauf.
„Vielleicht versuchen sie, mit der Hexe in mir zu sprechen“, erwiderte sie mit zitternder Stimme und aufgesetztem Krächzen. Dabei drehte sie sich um und spreizte ihre Finger zu Klauen, als wollte sie ihm an die Gurgel fahren.
Da sie sich eine Stufe höher befand, standen sie einander Auge in Auge gegenüber — es war eigentlich der richtige Augenblick für einen Kuss. Kira ließ sich hinreißen, mit den Locken in seinem Nacken zu spielen.
Jasons Seufzer sprach Bände, und als er ihre Hände in seine nahm, spürte sie das Feuer, das sich plötzlich zwischen ihnen entzündete. Und sie sehnte sich danach, seine Lippen auf den ihren zu spüren.
„Haben Hexen nicht immer Haustiere? So ganz besondere?“, fragte er und betrachtete ihren Mund.
Kira seufzte, schob seine Hände zur Seite und zog sich etwas von ihm zurück. „Du meinst einen sogenannten Schutzgeist?“ „Genau. Wo ist denn deiner?“
„Du meinst, ich sollte mit einer Krähe auf der Schulter herumlaufen wie die seltsame alte Addie Winthrop?“
„Das könnte ein schlechtes Licht auf die Stiftung werfen.“ „Nein.“ Kira blieb hartnäckig. „Eine Krähe verheißt nichts Gutes für den, dessen Begleiterin sie ist.“
„Wie meinst du das?“
„Eine einzelne steht für Leid“, erklärte sie.
„Jetzt mal im Emst“, meinte er. „Du hattest nie Haustiere?“ „Doch, einen Hund. Spooky. Aber ich habe ihn Melodys Sohn Shane geschenkt, als ich nach Cloud Kiss gezogen bin. Ich wollte deine Großmutter gar nicht erst fragen, ob ich ein Tier mitbringen dürfe. Nach Cloud Kiss passen einfach keine Haustiere. Aber Shane lässt mich Spooky jederzeit besuchen.“
„Ich dachte immer, Hexen hätten Katzen.“
„Irgendwann möchte ich gern einmal eine haben. Aber bisher habe ich noch nicht die richtige gefunden. Oder sollte ich sagen, sie hat mich noch nicht gefunden?“, sagte Kira, während sie vergebens nach einem Lichtschalter tastete. „Meine Schwester Regan hat eine Katze, die braucht einen Exorzisten.“
Erstaunt sah Jason sie an.
Kira zuckte die Schultern. „Bei uns scheinen immer die Tiere zu landen, die kein anderer haben will... obwohl wir bestimmt nicht danach suchen.“
„Wie war das mit Spooky?“
„Er hat eines Tages vor meiner Tür gesessen und gebellt wie eine Eule auf Steroiden.“
„Klingt spooky“, meinte Jason.
„Genau. Daher der Name. Was tust du da?“
Er tastete die Wand in einer Weise ab, dass Kira sich wünschte, sie wäre die Wand.
„Irgendwo muss doch der Eingang zu diesem geheimen Treppenhaus sein“, meinte er.
„Da ist was dran. Aber ich dachte, du hättest gesagt, es müsse irgendwo in der Mitte des Hauses sein. Das da ist aber eine Außenwand.“
„Wir können es uns nicht leisten, irgendetwas zu übersehen. Komm her, fang neben mir an und arbeite dich langsam vor. Ich gehe in die andere Richtung“, schlug Jason vor, „und in der Mitte treffen wir uns dann wieder.“
Kira zwinkerte ihm zu. „Ich soll dich also in der Mitte treffen.“ So machten sie es, doch auf halber Strecke drehte sich Kira um und schrie auf.
„Was?“, fragte Jason und kam herüber.
Kira schüttelte den Kopf. „Da ist eine Frau.“
„Unsinn, das ist eine Schneiderpuppe.“
„Einen Augenblick lang hätte ich schwören können, dass es eine Frau mit dunklem Haar war, die ein Kleid aus ganz alten Zeiten trug.
Sie ... sie ist in meine Richtung getaumelt, als ob
sie ... ganz verzweifelt... meine Hilfe suchte.“
„Es ist eine Schneiderpuppe. Hast du heute schon genug gegessen?“
„Wieso?“, fragte Kira. „Hast du Angst, dass ich dich anknabbere?“
„Du könntest mich nicht glücklicher machen.“
Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht. „Was hast du gesagt?“
„Ich sagte, du hast Glück, dass sie nicht eine Krähe auf der Schulter hatte“, schwindelte er.
„Wer?“
„Die Frau.“
„Du glaubst, dass es Addie war?“
„Nein, du glaubst, dass es Addie war. Ich glaube, dass es eine Schneiderpuppe ist. Zurück an die Arbeit.“
Drei Stunden später hatten sie wohl jede Wand, jedes Stück Boden, jede Verkleidung, jedes Bücherregal, jeden Herd, jeden Kamin, jeden Schrank im Haus untersucht und immer noch kein geheimes Treppenhaus entdeckt.
„Das war's“, meinte Kira. „Wir sind fertig. In diesem Haus gibt es kein verstecktes Treppenhaus. Die Deerings hatten recht.“
„Sie haben nur nie danach gesucht und auch keins durch irgendeinen Zufall gefunden.“
„Ich weiß, aber sie macht doch hier sauber, und er kümmert sich um alle Reparaturen. Und das - wie lange schon? Seit zwanzig Jahren? Glaubst du, wenn es ein geheimes Treppenhaus gäbe, wäre nicht einer von den beiden irgendwann darüber gestolpert?“
Jason schürzte die Lippen, als sie sich der Treppe näherten, die zur Voliere führte. „Weißt du, wo wir nicht nachgesehen haben?“
„Wir haben keinen Zentimeter ausgelassen. Gib auf. Die Geschichte von dem falschen Gespenst war reine Fantasie, und so müssen wir sie auch darstellen.“
Jason schüttelte den Kopf. „Wir haben die Wände innerhalb der Voliere noch nicht untersucht.“
„Das soll wohl ein Witz sein.“
Jason machte ihr ein Zeichen, vor ihm die Treppe hinaufzugehen, und Kira tat es zögernd und ohne rechte Überzeugung. „Diese Vögel sind nicht glücklich“, sagte sie. „Sie hören uns kommen, und sie wissen - sie wissen -, dass wir in ihr Revier eindringen werden. Das gefällt mir nicht. Sie werden uns zu Tode picken.“
Jason lachte und zog sie von hinten an den Haaren. „Vielleicht kacken sie uns auf den Kopf, aber ich glaube kaum, dass ihre Schnäbel groß genug sind, um uns zu töten.“