Zwei

EINEN TAG, NACHDEM sie hätte heiraten sollen, saß Kira Fitzgerald mit dem Rücken zu ihrem Schreibtisch in der Pickering-Stiftung und entledigte sich des Heinis, den sie dabei erwischt hatte, wie er ihre Schwester vögelte, sowohl systematisch als auch symbolisch.

Sie räumte alles aus ihren Schubladen und ihrer Tasche, was sie auch nur im Entferntesten an diese Pfeife erinnern konnte. Dann warf sie die Trümmer ihrer Beziehung mit einem befriedigenden Schlag in ihren metallenen Papierkorb und zerschmetterte voller Inbrunst einen kleinen, aber teuren Flakon seines Lieblingsparfüms. Sie nahm jede einzelne der auf ungebleichtem Pergament geschriebenen Hochzeitseinladungen, die sie in geradezu masochistischer Weise aufgehoben hatte, und warf sie ebenfalls hinterher.

Diesen Job anzunehmen war ein erster Schritt gewesen, sich aus der Asche ihres Lebens zu erheben. Dieses Ritual zu vollziehen war der zweite. Sie würde alles, was sie an diesen Mistkerl noch band, verbrennen.

Sie gab noch eine Prise Heilkräuter aus einem Säckchen dazu, zündete ein Streichholz an und hielt es an die Reste ihrer geplatzten Träume. „Ich hasse Sportler!“ Als die ersten perlenbesetzten Lilien und lächerlich romantischen Briefe sich schwarz färbten und zu brennen begannen, hob Kira ihren mit einem Amethyst besetzten Zauberstab und war versucht, dem Idioten genau das zu geben, was er verdiente. „Möge dir dein liebster Körperteil verdorren, Charlie!“ Aber wie jede Hexe, die ihren Titel verdiente, würde sie niemandem etwas zuleide tun.

Dann schwenkte Kira ihren Zauberstab.

Oh Charlie Tillinghast, du treuloser Hahn, wohin führte dich nur dein böser Wahn!

Zwar verwünsch’ ich dich nicht, denn ich habe ein Herz.

Doch nie mehr bekommst du mich, das wird dein Schmerz!

So soll es sein!

Whuusch! Hell loderte das Feuer auf, und ein ekelhaft süßlicher Duft breitete sich aus. „Mist!“ Sie hatte vergessen, dass Parfüm brennbar war.

Als die Flammen und der Rauch weniger wurden, griff Kira nach dem Blumenstrauß, den sie als Trostpflaster bekommen hatte und der neben ihrem Computer stand. Sie rettete die gelben Rosen und schüttete das Wasser kurzerhand ins Feuer. Damit war das kleine Fegefeuer gelöscht.

In dem Moment sah sie die Einladung aus blauem Pergament, die ohne Umschlag zuoberst auf ihrer Post lag und sie zu verspotten schien.

„Himmel, nicht noch eine Hochzeit.“ Sie beugte sich vor, um den Text zu lesen.

SIE SIND HERZLICH EINGELADEN

ZU JASON PICKERING GODDARDS

GEISTER- & FRIEDHOFSTOUR AUF RAINBOW’S EDGE,

NARRAGASETT UND OCHRE POINT AVENUES

NEWPORT RHODE ISLAND

SONNTAGABEND, 30. OKTOBER, 19.OO UHR

SPENDE: 1000 DOLLAR PRO PERSON

„Welcher Schwachkopf hat sich das denn ausgedacht? Auf Rainbow's Edge gibt es überhaupt keine Geister.“

„Verflucht!“, ertönte plötzlich eine tiefe und äußerst erotische Stimme. „Daran hätte ich denken sollen.“

Kira schrie auf und fuhr herum, um sich plötzlich Auge in Auge einem wahren Mannsbild gegenüberzufinden. Ihr Herz schlug auf einmal doppelt so schnell.

Wie lange hatte er schon dort gestanden?

Er erinnerte sie an einen Wolf, hungrig und gelassen gleichzeitig.

Seine scharf geschnittenen Züge waren edel. Seine silbergrauen Augen leuchteten, und in der Mitte seines Kinns saß ein tiefes, missbilligendes Grübchen.

Wie ein träges Raubtier lehnte er am Türpfosten zwischen ihrem und dem sich anschließenden Büro, die Arme verschränkt, die wohlgeformten Lippen geschlossen. Neben ihm an der Wand lehnte ein altertümlicher Gehstock.

Kiras Herz begann langsam zu übersteuern. Eine Sekunde lang hatte sie gedacht, er sei einfach umwerfend, makellos. Aber nein! Er brauchte dringend einen vernünftigen Haarschnitt, ein Höcker verunstaltete die gerade Linie seiner Nase, und das quadratische Kinn wirkte irgendwie stur, ganz zu schweigen davon, dass er unrasiert war.

Die kleine Narbe, die seine linke Augenbraue durchzog, faszinierte sie. Seine Lippen - viel zu perfekt für einen Mann -schienen aus Granit gemeißelt, und das bacchantische Versprechen in seinen Augen war waffenscheinpflichtig. Trotzdem fügte sich all das Unpassende zu einem sehr attraktiven Ganzen zusammen. Kira schnappte nach Luft und rieb sich die Arme, weil sie plötzlich fror. „Wie lange stehen Sie da schon?“

„Lange genug, um froh zu sein, dass ich nicht Charlie heiße.“ „Mist!“

„Hübsch gesagt. Haben Sie Hormonprobleme?“

Kira stellte die Stacheln auf. „Haben Sie Höflichkeitsprobleme?“

„Tut mit leid. Aber was Sie Charlie da eben gewünscht haben, war schon etwas erschreckend.“

„Wer sind Sie?“

Der Eindringling streckte ihr mit einem wölfischen Grinsen die Hand entgegen, und sie fragte sich, warum er eigentlich keine Reißzähne hatte. „Ich bin der neue Veranstaltungsdirektor“, erwiderte er. „Und Sie?“

„Kira Fitzgerald“, antwortete sie und war nicht in der Lage, ihm die Hand zu reichen, weil sie in der einen eine leere Vase und in der anderen einen tropfenden Rosenstrauß hielt.

Sie stellte die Blumen in die Vase, warf einen Blick auf ihren rauchenden Papierkorb und öffnete das darüberliegende Fenster. Dann wischte sie ihre Hände am Rock ihres Etuikleids ab - zum Glück war es schwarz - und warf ihrem dazu passenden Blazer einen sehnsüchtigen Blick zu. „Ich koordiniere die Veranstaltungen“, erklärte sie.

„Da soll doch der Teufel ... ich meine, es freut mich, Sie kennenzulernen.“ Der Wolf musterte sie unverhohlen, und als sie über den Schreibtisch hinweg seine Hand ergriff, loderte das Feuer, das sein Blick in ihrem Innern entzündet hatte, nur noch heftiger auf.

Er ließ ihre Hand so schnell wieder los, dass sie glaubte, er habe die Hitze ebenfalls gespürt.

„Ich schätze ... Sie sind mein neuer Boss.“ Kira nahm den Blazer von der Rückenlehne ihres Sessels und schlüpfte hinein. „Da schätzen Sie richtig“, erwiderte er.

„Ich sitze seit zwei Wochen allein in diesem Büro“, sagte sie. „Ich hatte nicht erwartet..."

„In der letzten Woche nicht, das stimmt nicht. Ich habe letzte Woche angefangen.“

„Nun ja, nein, ich war letzte Woche ... im Urlaub. Um etwas Persönliches ... zu erledigen.“ Wie zum Beispiel endlich ihre Sachen aus dem Apartment dieses blöden Sexprotzes zu holen.

Ihr neuer Boss sah sie schweigend an. Offenbar erwartete er eine weitere Erklärung, vermutete Kira. Aber sie zog es vor, sich nicht ausführlicher darüber auszulassen. „Ich hätte das eigentlich nicht weggeworfen ... Ich meine, ich dachte, ich sei allein ...“ Sie deutete über ihre Schulter auf den Papierkorb.

„Ah ...“ Er verzog das Gesicht. „Ist sein Penis jetzt für immer weg?“

„Nein. Ich bin sicher, er vögelt längst eine andere.“

„Na dann...“

Kira biss sich auf die Unterlippe und verlagerte ihr Gewicht auf das andere Bein. „Gibt es irgendetwas Bestimmtes, was ich tun kann ... Ich meine, heute Morgen?“

„Wenn Sie mich so fragen.“ Ihr Boss schenkte ihr ein weiteres tödliches Wolfsgrinsen, aber glücklicherweise schaffte sie es, dieser anbrandenden Männlichkeit zu widerstehen.

„Ich nehme nicht an, dass Sie zufällig für Rainbow's Edge ein paar Geister auftreiben könnten“, meinte er. „Sie wissen schon, irgendetwas sagen, das sich reimt, und mit dem Ding da herumfuchteln ... so wie Sie Charlie fertiggemacht haben.“ Amüsiert funkelte er sie an.

„Glauben Sie wirklich an Magie?“, wollte Kira wissen.

„Ich bin da mit meinem Urteil noch vorsichtig, aber wenn Sie das Lieblingsorgan eines Mannes bedrohen, dann wird er Ihnen normalerweise alles glauben, was Sie ihm erzählen.“

Kira dachte nach. Sie wollte dem Charme des Kerls einfach nicht erliegen. „Haben Sie diese Einladung drucken lassen?“ „Es schien mir zu dem Zeitpunkt eine gute Idee zu sein“, erwiderte er. „Woher wissen Sie eigentlich, dass es in Rainbow's Edge keine Geister gibt?“

„Ich habe die Entstehungsgeschichte all unserer Landsitze nachgelesen.“

Er legte den Kopf schräg. „Vielleicht sollten Sie einfach nur mal ein bisschen leben?“

Kira schlug aufgebracht die Einladungskarte gegen ihre Handfläche. Beiß mich!, dachte sie. „Wie gut, dass sie noch nicht verschickt worden sind.“

„Oh, das sind sie aber.“

Sie warf einen Blick auf ihren Tischkalender. „Sie haben sie bestellt, bevor Sie überhaupt Ihren Job angetreten haben? Was sind Sie denn für ein Streber?“

„Ich wollte einen kleinen Vorsprung haben, allerdings hatte ich nicht vor, Sie in Verlegenheit zu bringen. Trotzdem war ich überzeugt, dass Sie ... äh ... Wunder vollbringen und jede Veranstaltung organisieren können, die der Stiftung Geld einträgt.“ Kira überlegte, wie sie ihn vielleicht in Verlegenheit bringen konnte, um Geld für die Stiftung hereinzubekommen. Zum Beispiel könnte man ihn ... an den Höchstbietenden versteigern. Hmmm. Rache war süß und konnte teuer verkauft werden.

Sie lächelte und überflog noch einmal die Einladung. „Der Geist ist tatsächlich ein Problem, obwohl die Veranstaltung genau für den Vorabend von Allerheiligen passen würde. Aber wenn jeder Gast bereit ist, einen Tausender als Eintritt zu bezahlen — was ich ernsthaft bezweifle dann wird er zumindest erwarten, dass dieser Hallodri von einem Playboy auftaucht. Und ich glaube nicht, dass wir uns auf ihn verlassen können, selbst wenn er Bessies ...“

„Ich sehe, Sie beide haben sich schon kennengelernt.“ Bessie Pickering Hazard, Vorstandsvorsitzende der Stiftung, kam in Kiras Büro gefegt und sorgte für einen kleinen Augenblick der Unruhe, da Kira gerade dabei gewesen war, ihren pflichtvergessenen Enkel in die Ecke zu stellen.

„Ich bin extra heruntergekommen, um Sie einander vorzustellen“, erklärte Bessie. „Aber wie ich sehe, ist das gar nicht mehr nötig.“

Kira und Bessie umarmten sich. Sie waren im vergangenen Monat richtige Freundinnen geworden. Heute war Kiras erster Arbeitstag nach einer Woche, in der sie versucht hatte, die Folgen der abgesagten Hochzeit einigermaßen in den Griff zu bekommen. „Ich habe Sie vermisst, Bessie. Wie geht es Ihnen?“ „Schön, dass Sie wieder da sind. Als Sie gestern Abend gar nicht nach Hause kamen, hab ich mir Sorgen gemacht. Ist alles in Ordnung? Geht es Ihnen gut?“

„Ich bin heute Morgen von Bosten herübergefahren“, erwiderte Kira. „Alles ist so ... wie erwartet.“

„Was meinst du damit, sie sei gestern Abend nicht, nach Hause' gekommen?“, fragte der Wolf und blinzelte irritiert. „Gram?“ Gram? Kira wurde ganz kalt. Sie wünschte sich, dass es einen Zauberspruch gab, mit dem sie auf der Stelle verschwinden konnte. Aber es gab ihn wohl nicht, denn sie blieb ziemlich sichtbar, wenn die Blicke, die Mr Dunkelhaarig, Hochgewachsen und Überwältigend-gut-aussehend ihr zuwarf, ein Beweis dafür waren.

Kein Wunder, dass er auf sie wie ein Wolf wirkte. Im Fernsehen nannten sie ihn den Eiswolf. Jetzt, da sie wusste, wer er war, begriff sie, dass seine Haltung, sein ganzes Auftreten einfach typisch war für diese arroganten Sportler-Pfeifen, die sie bisher kennengelernt hatte.

Hatte ihr Ex nicht sogar irgendwie zu diesem Typ aufgesehen? Weniger wegen seines Könnens auf dem Eis als vielmehr wegen des Geldes, der Frauen und der Autos. Es stimmte, aber was konnte man schon von einem Sexfixierten anderes erwarten?

Sie war offenbar in ihrem schlimmsten Albtraum gelandet. „Hatte ich dir das nicht gesagt?“, erkundigte sich Bessie mit einer dermaßen unschuldigen Stimme, dass Kira plötzlich genauso misstrauisch wurde wie ihr Enkel. „Ich konnte Kira nicht so viel zahlen, wie ich eigentlich wollte“, fuhr die alte Dame fort, „daher habe ich ihr ein Apartment in Cloud Kiss zur Verfügung gestellt, mietfrei, als kleine Zugabe. Sie wohnt jetzt seit einem Monat bei mir.“

„Nein, das hast du mir nicht erzählt, aber ich finde, du hättest es erwähnen können, bevor ich meine Eigentumswohnung untervermietet habe und nach Hause zurückgezogen bin.“

„Oh nein“, sagte Kira.

„Oh doch“, erwiderte Goddard. „Es scheint so, Ms Fitzgerald, als ob wir Nachbarn seien. Sowohl bei unserer Arbeit als auch bei uns zu Hause.“

Bessie lächelte die beiden an und fand offensichtlich alles in schönster Ordnung. Kira begann langsam, die unterschwellige Wut des Wolfs zu verstehen.

„Tatsache ist jedenfalls“, fügte Bessie hinzu, „dass ihr beide euch eine Küche teilt.“

„Moment mal“, riefen die beiden wie aus einem Mund. Überrascht hielt Kira inne und sah den Arrogantling an, der noch aufgebrachter schien als sie.

Doch Bessie wischte ihre Bedenken einfach beiseite. „Macht euch keine Sorgen. Ihr werdet euch schon nicht in die Quere kommen. Keiner von euch beiden kocht gern.“ Sie tätschelte Kiras Hand. „Die Küche liegt in der Mitte zwischen den Wohnräumen, da werden Sie kaum bemerken, dass er überhaupt da ist.“ Aber sie würde es wissen. Sie würden es beide wissen. Schließlich hatte sie ihn bis ins Mark beleidigt. Schlimmer noch! Seit er den Mund aufgemacht hatte, spielten bei ihr die Hormone verrückt. Wie ein Topf Popcorn auf höchster Heizstufe. Und das beunruhigte sie ganz schön, denn anscheinend hatte er recht. Sie hatte ein Hormonproblem.

Und wenn sie um Mitternacht tatsächlich einmal über den Kühlschrank herfiel - was sie natürlich nur im Schlaf tat -, konnte es ihr passieren, dass sie ...

Kira rief sich zur Ordnung. Wenn man ihrem Verflossenen glauben konnte, war ihr neuer Boss der seit dreißig Jahren beste Torwart der Wizards, ein Wolf auf dem Eis und auch außerhalb. Genau das, was sie brauchte! Noch einen Sportler. Ein Mann, der Frauen wie Kleingeld sammelte. Und hatte Bessie nicht gesagt, er sei zum besten Küsser von Amerika ernannt worden?

Luft! Sie brauchte frische Luft. Es hätte ihr auffallen müssen, dass die Narbe in seiner Augenbraue und der Höcker auf seiner ansonsten perfekten Nase bedeutete, dass er nicht nur von Schlägern und Pucks geküsst worden war, sondern auch von jeder Menge Starlets.

„Um eines klarzustellen“, erklärte Kira und hob ihr Kinn, während sie ihm fest in die Augen sah. „Ich wusste nicht, dass Sie Bessies Enkel sind.“

„Die Tatsache, dass ich Bessies Enkel bin, hat keinerlei Einfluss auf meine Fähigkeiten in diesem Job.“

Kira machte einen Rückzieher. „Okay.“

„Und was ist mit Ihnen? Wie ist es möglich, dass Sie nicht wussten, wer ich bin? Sie lesen wohl keine Zeitungen, und Sie sehen auch nicht fern?“

„Nicht den Sportteil und auch keine Realityshows, nein. Ich gucke mir lieber Filme an.“

„Also hassen Sie Sportler und Realityshows?“

Verdammt, er war schon eine ganze Weile bekannt.

„Lassen Sie uns etwas klarstellen'', bemerkte er scharf. Er schien jetzt ziemlich verärgert. „Mit wem auch immer ich verwandt bin, was immer ich mal war oder vielleicht wieder sein werde, bei Gott, im Moment sitze ich im Vorstand der Pickering-Stiftung, um sie wieder auf die Beine zu bringen. Und solange ich hier bin, habe ich vor, aus mir selbst und auch aus jedem anderen hier das Letzte herauszuholen. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?“

„Sicher. Natürlich. Ganz klar.“

„Freut mich zu hören, " Die Pfeife drehte sich auf dem Absatz um. Er wollte sich wohl einen guten Abgang verschaffen, aber er keuchte auf vor Schmerz, kam ins Straucheln und klammerte sich an seinen Stock.

Den Abgang hast du vergeigt, dachte Kira und wünschte, sie hätte es nicht gesehen.

„Gram, rief er. „In mein Büro. Sofort !“

Bessie zwinkerte Kira zu. Ja, Lieber.“

„Jason!“, fuhr er sie an. „Du wirst mich Jason nennen! Nein, vielleicht solltest du mich bei der Arbeit mit Mr Goddard ansprechen und ich dich mit Mrs Hazard."

„Ja, Lieber.“

„Sechs Monate“, sagte er nicht minder bissig. „Du kannst sechs Monate über mich verfügen und nicht einen Tag länger.“ „Natürlich, Lieber”, erwiderte Bessie und lächelte Kira noch einmal zu, bevor sie die Tür zu seinem Büro hinter sich zuzog.

Wenn Kira nicht so erschüttert gewesen wäre, hätte sie vielleicht gelacht - Bessie hatte so naiv und unschuldig gewirkt, bevor sie dem knurrenden Wölf in sein Büro gefolgt war.

Aber als sich die Tür mit einem leisen Klicken schloss, wusste Kira, dass sie ihr Herz schützen musste. Sechs Monate, in denen diese Augen auf sie herabstarrten.

Würde sie sachlich mit ihm umgehen können? Nüchtern? Zumindest im Büro, sechs Monate lang - täglich? Mit einem Mann, der aussah wie der Traum einer jeden Frau? Ein Mann mit den Augen eines Jägers. Ein verantwortungsloser Spieler, der von jeder umjubelten Schönen der freien Welt gejagt worden war. Und auch erlegt.

Kira war sich nicht sicher, aber in keinem Fall würde sie die Hitze, die Goddard Tag und Nacht zu verströmen schien, ertragen können. Sie hatte keine Ahnung, was sie auslöste: irgendein persönlicher Konflikt, dass er sich auf Vetternwirtschaft eingelassen hatte, die gute alte Antipathie oder ihr Zauber. Was es auch immer war, es war egal, denn sie mussten von nun an Zusammenarbeiten, und am besten würden sie es so reibungslos wie möglich hinter sich bringen.

Zumindest hatten die Funken, die da offenbar zwischen ihnen flogen, nichts mit Sex zu tun. Den Test hatte sie ja schon hinter sich und verpatzt. Ihre erotische Anziehungskraft hatte nicht einmal ausgereicht, ihren eigenen Bräutigam zu halten. Ganz zu schweigen von einem geradezu unverschämt reichen und gut aussehenden Playboy.

Sie wusste aufgrund von Goddards Ruf und durch die Schwärmerei ihres Ex, dass der Eishockey-Wolf nur mit den Fingern zu schnippen oder sein Lächeln anzuknipsen brauchte, um jede Frau in sein Bett zu bekommen. Aber nicht mit mir, mein Freund.

Der Mann war verwöhnt - daran gab es nichts zu rütteln verwöhnt und reich und so perfekt zusammengebaut, dass Frauen ihm folgten, als wären sie kleine Hunde und er hätte einen Knochen in der Tasche.

Kira schlug sich die Hand vor den Mund, als sie merkte, wie doppeldeutig ihr Gedanke war. Einen ziemlich dicken Knochen hatte er da sogar, soweit sie es beurteilen konnte. Charlie sah dagegen aus, als habe er ein Cocktailwürstchen in der Hose, und entsprechend war auch der Sex gewesen.

Goddard hingegen stand in dem Ruf, ein Weltklasse-Liebhaber zu sein, ein nicht zu überbietender Küsser. Und ihn ... für die Stiftung ... zu versteigern, erschien ihr immer mehr als fabelhafte Idee.

Kira grinste, aber innerlich stöhnte sie. Der Gedanke, mit Bessies Weltklasse-Kerl von einem Enkel zu arbeiten, war gefährlich - und zwar gefährlicher als alles, was sie in der Lage war herbeizuzaubern. Ihr würde dabei vor Erregung leicht das Herz aus der Brust springen können. Der Himmel mochte ihr helfen, dass sie niemals die Kontrolle verlor.

Sie hatte sich mit hellem Licht umgeben, damit kein Gefühl sie mehr erreichte. Denn als sie das letzte Mal in der Nähe eines Sportlers nicht auf ihre Deckung geachtet und sich der Situation hingegeben hatte, war sie plötzlich in einem miesen Dreiecksverhältnis gelandet.

Sie mochte ja eine unabhängige weiße Hexe sein, die geschworen hatte, niemandem etwas Böses zu tun. Aber sie war nicht blöd. Sie würde auch darauf achten, dass ihr selbst niemand etwas antat.

Da sie nun begriffen hatte, wie treulos diese Sportheinis sein konnten, würde sie solchen Exemplaren nie wieder trauen.

Trotzdem hätte Kira am liebsten ihren untreuen Ex angerufen und aus reiner Rache ein bisschen damit geprahlt, dass sie jetzt mit seinem Idol zusammenarbeitete.

Vielleicht würde sie es sogar noch tun, wenn sie das Bild von Charlie und ihrer Schwester im Bett zumindest für die Dauer des Gesprächs aus ihrem Kopf verbannen konnte. Regan, dieses Luder von einer Schwester, hatte noch versucht, ihr zu erklären, dass „es“ noch nie vorher passiert sei.

In nackter Harmonie ineinander verschlungen hatten sie dagelegen und sie angestarrt -wie Wild im Scheinwerferlicht, unfähig, den Blick abzuwenden Kira fand, es hatte verdammt danach ausgesehen, als ob die beiden nicht zum ersten Mal probten. Charlie war voller Begeisterung bei der Sache gewesen, wie Kira es nie bei ihm erlebt hatte - bis er sie entdeckte. Und dann hatte er auch noch die Frechheit besessen, sich aufzuregen, weil sie störte.

Das hatte ihr die Augen geöffnet - in vielerlei Hinsicht.

Sicher, ihre Schwester hatte monatelang versucht, ihr auszureden, Charlie zu heiraten. Und außerdem hatte Regan ihr nicht nur die Ehe mit einem Schwachkopf erspart, ihre Schwester hatte sie ebenfalls davor bewahrt, allen, die sie kannte, erklären zu müssen, was für eine Idiotin sie war. Denn glücklicherweise hatte sie die beiden erwischt, bevor sie die Einladungen in die Post gegeben hatte.

Vielleicht würde sie eines Tages ihrer Schwester sogar noch dankbar sein, wie Regan es frech vorausgesagt hatte. Vielleicht würde sie ihr sogar verzeihen können. Vielleicht! Aber Kira wusste, dass sie niemals mehr in der Lage sein würde, ihrem eigenen Urteil zu trauen. Nicht, wenn es um aufgeplusterte Gockel ging. Und ganz besonders nicht in Bezug auf einen ganz bestimmten und sehr berüchtigten silberäugigen Typ von Wolf. „Ms Fitzgerald!“ Goddards Knurren kam knackend über die alte Gegensprechanlage, als wolle er seinen Status als Raubtier noch unterstreichen. „Meeting aller Verantwortlichen in fünf Minuten“, erklärte er knapp. „Im Sitzungszimmer.“

Kira erhob sich und salutierte ... da öffnete Goddard gerade die Tür.