Abby rann der Schweiß nur so über das Gesicht. Sie mühte sich mit schmerzendem Rücken, dem immer wieder neu aus der Erde schießenden und scheinbar unverwüstlichen Unkraut Herr zu werden, das im Gemüsegarten wucherte, den sie gleich nach der Errichtung ihres Blockhauses auf der Rückfront angelegt hatte. Dann und wann warf sie einen Blick zum Waldstück hinüber, wo Andrew einen Sägebock aufgebaut hatte und wieder einmal stundenlang Stämme zu Brettern zerschnitt. Er wollte eine ihrer Weiden einzäunen, damit ihre Schafe und die drei Ziegen sich bei ihrer Futtersuche nicht immer so weit vom Haus entfernten. Der kleine Jonathan kroch derweil im Haus um die Füße von Rosanna, die Arbeiten im Haus zu erledigen gehabt hatte und sich mittlerweile wohl schon an die Zubereitung des Abendessens machte.
Nicht eine einzige Wolke zeigte sich an diesem späten Oktobernachmittag, und die Sonne brannte seit zwei Tagen mit einer Kraft herab, als wäre schon der heiße australische Sommer angebrochen. Dabei befanden sie sich nach dem Kalender doch mitten im Frühling. Wenn diese ungewöhnlich frühe Hitze noch länger anhielt und auch noch der Regen schon im Oktober ausblieb, war es um die Frucht der Felder und Äcker schlecht bestellt. Dabei war die Saat prächtig aufgegangen. Aber noch stand der Weizen gut im Halm. Und vielleicht kehrte das Wetter ja bald wieder zu milderen Temperaturen zurück, wie es der Jahreszeit entsprach.
Als ihr Rücken zu sehr schmerzte, legte sie eine Pause ein, wischte sich den Schweiß ab und stützte sich auf ihre Harke, während sie ihren Blick über das Land ihrer Farm schweifen ließ, der sie den Namen Bungaree gegeben hatten, was in der Sprache der Aborigines Mein Land bedeutete. Wie verändert das Land nach den gut fünf Monaten aussah, die seit ihrer Niederlassung im Frangipani Valley nun schon vergangen waren!
Gemeinsam mit Rosannas und Emilys tatkräftiger Unterstützung hatten sie in den ersten Wochen die Anhöhe gerodet und ein solides und vergleichsweise geräumiges Blockhaus errichtet, das ihnen allen reichlich Platz bot und dessen Konstruktion so angelegt war, dass sie es später ohne allzu große Schwierigkeiten erweitern konnten. Einige wenige Bäume, darunter auch mehrere Frangipani und drei hohe Eukalyptusbäume, waren von ihren Äxten verschont geblieben. Sie warfen nun ihren höchst willkommenen Schatten auf das Farmhaus.
Auch einen provisorischen Stall für ihre beiden Kühe und das andere Vieh hatten sie noch vor Einbruch des Winters gebaut. Aus Zeitgründen hatten sie jedoch erst einmal darauf verzichtet, für den Bau der Seitenwände Baumstämme zu verwenden. Das hätte sie allzu lange aufgehalten. Deshalb hatten sie sich mit einem dichten Geflecht von Zweigen begnügt, dessen Außenseiten sie mit einer Lehmschicht abgedichtet hatten, um Wind und Regen abzuhalten. Keine Lösung von Dauer, aber fürs Erste doch ausreichend, insbesondere im Angesicht der vielen anderen, dringend notwendigen Arbeiten, die sie in Angriff hatten nehmen müssen, wobei die Urbarmachung der zukünftigen Felder und Äcker ihnen am meisten Kraft und Zeit abverlangt hatte.
Abby erschien es wie ein kleines Wunder, dass sie diesen Wettlauf mit der Zeit gewonnen und noch rechtzeitig die Saat in den Boden bekommen hatten. Aber was waren es auch für harte Monate unermüdlicher Plackerei gewesen! Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang hatten sie sich abgeplagt, oft sogar noch weit darüber hinaus. Keiner von ihnen hatte sich geschont, auch Rosanna und Emily nicht, die Abby wie eine junge Schwester längst ans Herz gewachsen war und ihre Zuneigung und die ihres Mannes erwiderte. Rosanna hatte in diesen Monaten erheblich an Gewicht verloren. Nicht dass sie sich aus einer fülligen Matrone in eine gertenschlanke Frau verwandelt hätte. Ein solches Wunder war auch bei aller Mühsal nicht eingetreten. Aber ihr Körper hatte immerhin zu einer recht ansehnlichen Figur zurückgefunden, auf die sie nun sichtlich stolz war.
Ja, seit ihrem Eintreffen im Frangipani Valley im Mai hatte sich nicht nur auf ihrem Land, sondern überall in diesem Teil des Tals die Landschaft grundlegend verändert und rasch das Aussehen einer zwar noch sehr jungen, aber sich doch rasch entwickelnden Siedlung angenommen. Denn auf den anderen Farmen, die am Emu Creek und Stony River entstanden, legten sich die Familien nicht weniger ins Zeug als sie auf Bungaree.
Eine Ausnahme gab es jedoch, und die betraf die Farm der Blakes unten an der Biegung des Flusses. Zwar hatten Jane und Henry in den ersten Wochen nicht weniger hart geschuftet, um ein anständiges Haus zu errichten. Aber bis auf einen Gemüsegarten, der für jeden Siedler einfach überlebenswichtig war, und ein recht bescheidenes Weizenfeld befand sich der Rest der Blake-Farm noch in demselben Zustand wilder Natur, in dem sie das Land im Mai vorgefunden hatten.
Die Erklärung dafür, warum Henry Blake und seine Frau keine größeren Anstrengungen unternahmen, mehr Land urbar zu machen, hatte nicht lange auf sich warten lassen.
Es war ihr Freund und Nachbar Terence, von dem Abby und Andrew in der ersten Juniwoche zu ihrer großen Verblüffung erfuhren, womit Henry Blake und seine Frau ihr Überleben im Frangipani Valley sichern wollten.
»Ich komme gerade von Henry Blake. Ihr werdet es nicht glauben, was dieser krumme Hund ausgeheckt hat!«, rief Terence, noch bevor er aus dem Sattel gesprungen war.
»Was ist es denn diesmal?«, fragte Andrew. Es erstaunte ihn wenig, dass Henry mit seiner Eigenwilligkeit wohl wieder einmal für Aufregung sorgte.
Erst bei ihrer letzten Siedlerversammlung hatte sich Henry Blake als Einziger dagegen ausgesprochen, sich demnächst an jedem zweiten Samstag nach dem Mittag zu einem gemeinsamen Arbeitseinsatz zu treffen, um auf halbem Weg zwischen den beiden Flüssen eine Kirche zu errichten. Er vertrat die Meinung, dass es noch früh genug sei, sich darüber Gedanken zu machen, wenn ihre Gemeinde groß genug war, um auch einen Geistlichen zu ernähren. Und bis dahin würden wohl noch Jahre ins Land gehen. Wer bis dahin an Gebet und Gottesdienst interessiert sei, könne sich dem ebenso gut in seinem eigenen Haus widmen. Denn da sie ja alle der anglikanischen Kirche angehörten, sei ein geweihter Geistlicher für eine richtige Messe nun mal unabdingbar.
»Henry hat den vorderen Raum seines Hauses mit einer primitiven Theke versehen und schenkt dort nun Rum aus!«, eröffnete ihnen Terence.
Im ersten Moment glaubten Andrew und Abby, sich verhört zu haben.
»Wie bitte?«, fragte Abby. »Er will in seinem Farmhaus so etwas wie eine Taverne einrichten?«
»Er will es nicht, sondern es gibt sie bereits! Und er hat auch schon einen Namen für seine Kaschemme! Settler's Rest soll sie heißen! Das schnitzt er gerade in ein Brett, das er schon morgen über der Tür aufhängen will!«
»Aber das ist doch lächerlich!«, sagte Andrew. »Von den wenigen Siedlern hier kann er doch gar nicht leben, auch wenn so manch einer gegen einen Schluck Rum wohl nichts einzuwenden hätte. Außerdem: Woher will er den Rum denn nehmen?«
»Er hat ihn mitgebracht!«, berichtete Terence. »Ein Großteil der Fässer auf seinem Wagen war nicht so wie unsere mit Saatgut und anderen wichtigen Vorräten gefüllt, sondern mit Rum, den er nun natürlich längen und zu einem saftigen Preis verkaufen wird.«
»So etwas kann auch nur einem wie Henry Blake in den Sinn kommen!«, sagte Andrew und schüttelte verständnislos den Kopf.
»Aber damit nicht genug, Freunde!«, fuhr Terence fort. »Dieser raffinierte Kerl hat natürlich schon lange vor Beginn unseres Trecks gewusst, dass sein Vorrat an Rum irgendwann aufgebraucht sein wird und er nicht alle paar Monate mit seinem Gespann zurück in die Kolonie fahren und neue Fässer mit Rum herankarren kann, schon allein wegen der Gefahr, in die er sich damit begeben würde.« Er machte eine kurze Pause, um ihre Erwartung zu steigern, was Henry Blake wohl als Lösung dieses Problems eingefallen war. »Deshalb hat er gleich alles mitgebracht, was man braucht, um hier vor Ort eine eigene kleine Destillerie aufzubauen. Und wie wenig man dafür braucht, wisst ihr ja selber.«
»Nein!«, entfuhr es Abby unwillkürlich.
»Oh ja!«, bekräftigte Terence. »Ich habe die beiden Kessel und die Kupferrohre, die er auf dem Treck vor uns versteckt gehalten hat, mit meinen eigenen Augen gesehen. Er wird eigenen Schnaps brennen. Offenbar versteht er was davon. Wie er mir erzählt hat, hat er mit seinem Vater in den Wäldern von Wales heimlich Schnaps gebrannt. Dieser Schwarzbrennerei verdankt er auch seine Verbannung nach Australien, wie er mir voller Stolz erzählt hat. Wildhüter der Lordschaft, der das Land gehört, sind ihnen auf die Spur gekommen. Es kam zu einer Schießerei, bei der Henrys Vater tödlich getroffen und einem der Wildhüter die rechte Hand zerschossen wurde. Dass Henry dafür nicht am Galgen gelandet ist, war sein großes Glück - und unser Pech!«
Andrew schüttelte erneut den Kopf und sagte dann: »Das ist mal wieder eine deutliche Erinnerung, dass es das Paradies auf Erden nicht gibt.«
»Und was unternehmen wir jetzt?«, wollte Terence wissen.
»Nichts«, antwortete Andrew. »Was könnten wir denn auch schon unternehmen? Mir gefällt das zwar ebenso wenig wie dir, aber so liegen die Dinge nun mal. Wir sind nicht mehr als eine lockere Gemeinschaft von Siedlern, die über die wenigen Regeln, die wir beschlossen haben, hinaus keinem irgendwelche Vorschriften machen wollen und auch nicht machen dürfen. Niemand kann Henry das Recht verwehren, sein Haus in eine Taverne zu verwandeln. Und Schankwirt zu sein ist nichts Anstößiges und Unehrenhaftes, wenn man mal von jenen Halsabschneidern absieht, die in den Rocks und anderswo ihr Unwesen treiben.«
Abby schloss sich seiner Meinung an, und als sie wenig später wieder mit ihrem Mann allein war, sagte sie: »Wenn man es recht betrachtet, ist das gar keine so dumme Idee von Henry gewesen, hier die erste Taverne zu eröffnen. Ich bin sicher, dass so manch einer von den Siedlern sich gern zu einem Glas bei ihm einfinden wird, wenn sich die erste Aufregung einmal gelegt hat. Das sind alles doch recht raue Burschen, die es mit uns nach Australien verschlagen hat. Und wenn später einmal andere Siedler unserem Beispiel folgen und sich hier niederlassen, kann er sicher sein, dass seine Taverne nicht unter mangelndem Zuspruch leiden wird.«
Andrew seufzte. »Ich fürchte, dass du Recht hast. Hoffen wir nur, dass Henry seine Schenke wenigstens ehrlich führt und den Leuten nicht irgendeinen fürchterlichen selbst gebrannten Fusel auftischt, der ihnen das Hirn zerfrisst und das Augenlicht zerstört, wie es so mancher von den skrupellosen Schankwirten in Sydney tut!«
Es kam, wie Abby vermutet hatte. Die allgemeine Aufregung und Empörung, dass Henry sie über seine wahren Absichten die ganze Zeit getäuscht hatte, legte sich schnell. Und als dann seine Frau wenige Wochen später im Juli beim Roden eines Dickichts von einer giftigen Schlange gebissen wurde, noch am selben Tag starb und für sie das erste Grab im Frangipani Valley ausgehoben werden musste, spülten die Betroffenheit und das Mitleid mit Henry auch noch den letzten Rest ihrer Vorbehalte hinweg. Sogar Andrew und Terence begaben sich nach der Beerdigung auf ein Glas in die primitive Taverne an der großen Schleife des Stony River.
Abby nahm ihre Arbeit im Gemüsegarten wieder auf, während sie darüber nachdachte, was sich seit jenem Gespräch im Juni und seit Janes Tod im Juli nicht noch alles in ihrem Tal ereignet hatte - und gottlob überwogen dabei die erfreulichen Ereignisse!
Jessica Rigby, die unter der Fehlgeburt sehr gelitten hatte, befand sich wieder in anderen Umständen und würde ihr Kind, sofern die Schwangerschaft weiterhin so problemlos verlief, gegen Ende des Sommers zur Welt bringen. Und auch Megan hatte vor einigen Wochen voller Freude verkündet, dass sich auch bei ihr wieder Nachwuchs einstellte. Nach den beiden Töchtern Jennifer und Henriett, die nun schon drei und viereinhalb Jahre alt waren, hofften sie und Timothy nun auf einen Sohn, einen Stammhalter. Zudem waren bei den Siedlern ein halbes Dutzend Lämmer geboren worden, die Kuh der Browns hatte gekalbt und bei ihnen auf Bungaree war ihre Stute Lucy trächtig.
Andrew kam mit dem Fuhrwerk vom Waldrand zurück, entlud die Bretter und Pfähle, die er dort in stundenlanger Arbeit gesägt hatte, ließ den Ochsen auf die Weide und kam dann zu ihr herüber.
Voller Stolz und Liebe sah sie zu ihm auf, als er über die Anhöhe kam, dabei den Hut abnahm und sich im Gehen mit der gespreizten Hand durch die Haare fuhr. Er hatte mit nacktem Oberkörper gearbeitet, der so braun gebrannt war wie sein Gesicht und seine Arme. Seine Muskeln glänzten im Sonnenlicht. Wie gut ihr Mann doch aussah! Und wie kräftig und selbstbewusst er doch war und mit welch unbändiger Lebensfreude erfüllt. Manchmal erschien es ihr wie ein unwirklich schöner Traum, dass ausgerechnet sie, das Sträflingsmädchen Abby Lynn, seine Liebe errungen hatte und mit dem einzigartigen Glück gesegnet worden war, das Leben mit ihm zu teilen - und das Wunder der Leidenschaft, die ihnen ihren Sohn geschenkt hatte und hoffentlich noch weitere Kinder schenken würde.
»Lass es für heute gut sein! Morgen ist auch noch ein Tag!
Du hast dich heute wahrlich genug abgerackert!«, rief er ihr zu, noch bevor er die ersten Reihen ihres Gemüsegartens erreicht hatte.
Nur widerstrebend ließ Abby von der Arbeit ab. »Manchmal denke ich, es nimmt einfach kein Ende. Hat man das eine erledigt, warten schon längst ein halbes Dutzend anderer Aufgaben, die danach schreien, in Angriff genommen zu werden! Und wie man sich auch plagt, es bleibt immer noch so viel liegen, was eigentlich getan werden müsste«, sagte sie mit einem schweren Seufzer. »Der Tag müsste achtundvierzig Stunden haben, um mit all dem mithalten zu können!«
Andrew lachte. »Ein Glück, dass er sie nicht hat. Denn sonst würdest du ja gar keine Ruhe mehr geben und ich hätte noch viel weniger von dir als jetzt schon! Und das wäre schlimmer als alles andere, mein Schatz«, sagte er, nahm sie liebevoll in den Arm und gab ihr einen Kuss.
Für eine ganze Weile standen sie in inniger Umarmung zwischen den Gemüsebeeten und schauten schweigend am Haus vorbei hinunter zum Fluss, während hoch über ihnen ein bunter Vogelschwarm auftauchte und schnell gen Süden dahinflog.
»Das ist es, was ich mir immer erträumt habe...«, brach Andrew schließlich das einträchtige Schweigen, und eine tiefe Zufriedenheit und Ruhe sprachen aus seiner Stimme.
Fragend sah Abby zu ihm auf, obwohl sie sehr gut zu wissen glaubte, was in diesem Moment in ihm vor sich ging und was er damit meinte.
»... mit einer Frau, die ich über alles liebe, der Wildnis eine Farm abzuringen«, antwortete er nun auf ihre wortlose Frage. »Und mit eigenen Kräften etwas aufzubauen, das Bestand hat und dem Leben einen tiefen, wahrhaftigen Sinn verleiht und... ja, und Würde. Mein Vater hat einmal gesagt: >Jeder Mensch sollte den Willen und die Möglichkeit haben, sich eine Aufgabe zu stellen, die größer ist als er selbst.< Das ist etwas, was ich nie vergessen und immer beherzigen werde.«
»Hatten wir das nicht auch am Hawkesbury?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich. Dort hat mein Vater den Ton angegeben, und wie du weißt, hat er Melvin in seinem Testament zu seinem Erben bestimmt. Aber auch schon vor seinem Tod wusste ich, dass Yulara für mich nur eine Zwischenstation sein konnte. Daran hätte sich auch nichts geändert, wenn Melvin mir die Führung überlassen hätte. Früher oder später wäre ich doch losgezogen, um mir mein eigenes Stück Land zu suchen. Nun haben uns die Umstände früher als gedacht dazu gezwungen, diesen mutigen Schritt zu wagen. Aber so geht es im Leben nun mal zu. Manchmal bleibt einem keine andere Wahl, als ins kalte Wasser zu springen und zu sehen, wie gut man sich ohne fremde Hilfe über Wasser halten kann.«
»Denkst du manchmal auch darüber nach, wo Melvin und Sarah jetzt sind und wie es ihnen ergeht?«, fragte Abby versonnen. »Und ob sie eines Tages wohl wieder nach Australien zurückkehren werden?«
Er nickte. »Oft genug. Ich mag meine Differenzen mit Melvin gehabt und ihm auch manches vorzuwerfen haben, dabei ganz besonders diese sinnlose Tollkühnheit, sich an der Zerstörung der Destillerien zu beteiligen, in die Männer wie Danesfield und Grenville so viel Geld investiert hatten. Aber ich hänge doch auch an ihm und meiner kleinen Schwester. Und mit Sicherheit werden wir sie hier in der Kolonie wiedersehen, wenn reguläre Truppen und ein neuer Gouverneur Recht und Ordnung in New South Wales wiederhergestellt haben. Allzu lange dürfte es kaum mehr dauern.«
»Aber wie werden wir davon erfahren?«, wollte Abby wissen. »Wir sind doch von allen Nachrichten völlig abgeschnitten.«
Andrew schwieg einen Moment, dann sagte er ernst: »Ja, das ist ein Problem, über das ich auch schon mit Terence gesprochen habe. Auch wegen der vielen lebensnotwendigen Dinge, die wir nicht selber produzieren können und doch tagtäglich brauchen. Unsere Vorräte an Salz, Tee, Nägeln, Seilen, Sägeblättern und vielen anderen Dingen werden bald aufgebraucht sein oder müssen ersetzt werden. Das bedeutet, dass wir schon bald gezwungen sind, uns mit zumindest einem Fuhrwerk zurück in die Kolonie zu wagen, um diese Einkäufe zu tätigen.«
»Und wann soll das geschehen?«, fragte Abby beklommen, wusste sie doch jetzt schon, dass Andrew sich freiwillig für diese gefährliche Aufgabe melden würde.
»Am besten im Hochsommer, also irgendwann im Januar, wenn es lange nicht geregnet hat und der Muddy River nur noch wenig Wasser führt und damit ohne große Probleme zu überqueren sein dürfte, vermutlich sogar ohne das Floß«, sagte Andrew. »Und ich bin mit Terence einer Meinung, dass wir dann keine Zugochsen verwenden sollten, weil sie einfach zu langsam sind, sondern besser vier der kräftigsten Pferde vorspannen. Damit könnten wir die Strecke hin und zurück bestimmt in weniger als drei Wochen schaffen. Zumal der Wagen auf dem Hinweg ja so gut wie unbeladen sein wird.«
Abby schwieg. Was hätte sie auch sagen sollen? Dass sie sich schon jetzt Sorgen machte, weil sie damit rechnen musste, ihn im Sommer wochenlang fern von sich und unbekannten Gefahren ausgesetzt zu wissen?
Andrew ahnte, was sie beschäftigte. »Aber noch ist nichts entschieden. Wir werden erst noch in der Versammlung aller Siedler darüber beraten müssen. Und wer weiß, was dabei herauskommt. Vielleicht halten unsere Vorräte ja doch länger, als wir denken«, sagte er etwas zu hastig und in einem zu beiläufigen Tonfall, um ihre geheimen Befürchtungen zum Schweigen zu bringen. »Zerbrechen wir uns also nicht schon jetzt den Kopf darüber, was vielleicht irgendwann Anfang nächsten Jahres sein wird.« Dann wechselte er geschickt das Thema und verwickelte sie in ein längeres Gespräch über die Projekte, die er nach dem Ziehen des Weidezaunes in Angriff nehmen wollte.
Als sie schließlich zum Brunnen hinübergingen, um sich vor dem Abendessen gründlich zu waschen, blickte Abby noch einmal zum Fluss hinunter, der mit seiner mäßigen Breite von nicht mehr als dreißig Fuß gemächlich dahinfloss, und sagte unvermittelt: »Wir hätten kaum ein schöneres Tal finden können, um eine eigene Farm aufzubauen. Aber eines vermisse ich doch.«
»Und das wäre?«
»Der Hawkesbury mit seiner majestätischen Breite.«