Zwei Schüsse fielen kurz hintereinander. In der Stille der anbrechenden Morgendämmerung hatte das berstende Krachen auf die Siedler in der Wagenburg die Wirkung von Kanonendonner aus nächster Nähe. Die Schüsse rissen im Lager auch diejenigen jäh aus dem Schlaf, die noch nicht erwacht waren.
Andrew, der bis zu diesem Moment noch im tiefen Schlaf der Erschöpfung gelegen hatte, fuhr wie von einem Peitschenhieb getroffen von seinem Nachtlager auf und stieß dabei in der Dunkelheit mit dem Kopf schmerzhaft gegen eines der Rundhölzer, über denen sich die feste Segeltuchplane spannte.
»Verdammt!«, fluchte er.
»Die Banditen müssen uns gefunden haben!«, rief Abby bestürzt.
»Die werden sich blutige Köpfe holen!«, stieß Andrew hervor. Er griff zu seinem Gewehr, hängte sich hastig den Ledergurt um, in dessen Taschen und Beuteln sich Kugeln, Pulver und Zündkapseln befanden, und stolperte nach vorn zum Vorhang. Mit dem Gewehrlauf schob er die Plane zur Seite und sprang auf den Kutschbock. Dabei stieß er mit dem Fuß gegen den Korb, in dem ihr Baby lag. Sofort begann Jonathan, laut zu schreien.
Sosehr Abby auch versucht war, ihr Baby aus dem Korb zu heben und es an ihrer Brust zu beruhigen - sie unterdrückte ihr mütterliches Verlangen mit aller Kraft. Stattdessen zog sie die beiden geladenen Pistolen, die Andrew für den Fall eines unverhofften Überfalls am Kopfende ihres primitiven Nachtlagers in einem Lederbeutel bereitgelegt hatte, hervor und beeilte sich, ihrem Mann zu folgen und irgendwo ihren Platz in der Verteidigungslinie der Wagenburg einzunehmen. Sie wusste, dass bei einem Angriff nicht nur jeder Mann, sondern auch jede Frau gebraucht wurde, die über eine Feuerwaffe verfügte und damit auch umzugehen verstand. Und auf sie traf beides zu.
Das Lager befand sich in heller Aufregung. Männer, Frauen und Kinder stürzten aus ihren Wagen, bewaffnet mit Gewehren, Schrotflinten und Pistolen, aber auch mit Äxten, Messern und Forken. Die Leute liefen kopflos hin und her. Ein wildes Stimmengewirr machte das Durcheinander komplett. Keiner wusste, was genau geschehen war, wer auf wen gefeuert hatte und wo er sich aufstellen sollte, um den Angriff der Buschbanditen zu erwarten.
»Von woher sind die Schüsse gekommen?«
»Drüben von der Hügelkette im Osten!«
»Nein, sie kamen von Süden, von der Baumgruppe!«
»Wo sind unsere vorgeschobenen Wachposten? Hat jemand Watling und McGregor gesehen?«
»Verflucht, jemand soll sich um die Pferde und Ochsen kümmern! Wenn die in Panik geraten, haben wir von ihnen mehr zu befürchten als von einer Bande Buschbanditen!«
»Ich brauche Pulver und Blei!«
Silar Mortlock, Andrew und der baumlange Terence Rigby, die einen kühlen Kopf bewahrten und mit ruhigem, aber energischem Tonfall Anweisungen erteilten, brachten allmählich Ordnung in das allgemeine Durcheinander. Sie sorgten dafür, dass sich die Männer, die über Feuerwaffen verfügten, nicht alle an einer Stelle zusammendrängten, sondern sich so verteilten, dass das gesamte Gelände rund um ihre Wagenburg abgesichert war.
»Achtung, zwei Reiter!«, schrie plötzlich ganz aufgeregt der junge Stanley, der Sohn von Arthur und Deborah Watling, der neben Abby mit einer Schrotflinte hinter dem Wagenrad eines Fuhrwerks kauerte und die Hügelkuppe im Osten unter Beobachtung hielt. Er riss seine Flinte hoch.
»Nicht schießen!«, rief Abby, die sofort den Apfelschimmel von Thomas McGregor erkannte, als sich die beiden herangaloppierenden Reiter aus den tiefen Schatten der Nacht herausschälten. »Das sind unsere Wachposten Watling und McGregor!«
Die beiden Männer preschten heran und passierten Augenblicke später den Durchgang zwischen zwei Wagen, deren Deichseln hochgeklappt waren.
»Habt ihr die Schüsse abgegeben?«, rief Silas Mortlock ihnen zu. »Seid ihr auf Banditen gestoßen?«
»Nein, bei uns war alles ruhig«, antwortete Thomas McGregor, ein schwergewichtiger, säbelbeiniger Mann, der vor zwei Jahren bei einem verheerenden Buschbrand seine Frau und seine beiden zehn-und zwölfjährigen Söhne verloren und sich mit seinem einzigen überlebenden Kind, seiner vierzehnjährigen Tochter Emily, am Treck beteiligt hatte. »Die Schüsse müssen von der anderen Seite des Lagers gekommen sein!«
Die Verwirrung im Lager über die beiden Schüsse, und wer sie wohl auf wen abgefeuert hatte, wuchs. Nirgendwo tauchten Banditen auf, um die Wagenburg anzugreifen. Nichts rührte sich im Gelände, das im Licht der aufgehenden Sonne allmählich die Dunkelheit der Nacht abschüttelte. Es schien, als wollte sie ein Spuk zum Narren halten.
Bis plötzlich Jane Blake auffiel, dass nicht nur ihr Mann fehlte, sondern auch sein schwarzer Hengst Thunder. »Der Teufel soll mich holen, wenn die Schüsse nicht von ihm gekommen sind!«, rief sie.
Kaum hatte ihre Vermutung im Lager die Runde gemacht und empörtes Stimmengewirr hervorgerufen, als Henry Blake wie gerufen im Süden über eine Anhöhe geritten kam - ganz gemächlich und ein erlegtes Känguru quer über den Rücken seines Hengstes gebunden.
Es hätte nicht viel gefehlt, und die Leute, allen voran Silas Mortlock und Terence Rigby, hätten Henry Blake vom Pferd gezerrt und ihn auf der Stelle verprügelt.
»Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?«, brüllte ihn Silas Mortlock an. »Wie konntest du bloß so verantwortungslos sein, dich einfach aus dem Lager zu stehlen und auf Jagd zu gehen? Mit deinem Verhalten hast du uns nicht nur in Angst und Schrecken versetzt, sondern uns auch noch in Gefahr gebracht. Du weißt doch, wie weit deine Schüsse zu hören sind!«
Diese und andere empörte Vorwürfe prasselten von allen Seiten auf Henry Blake nieder. Sogar seine Frau beschimpfte ihn.
Er war sich jedoch keiner Schuld bewusst und wies alle Vorwürfe mit selbstherrlicher Großspurigkeit zurück. »Nun regt euch mal wieder ab, Leute!«, rief er. »Es sind weit und breit keine Banditen in der Nähe. Ich glaube sowieso nicht daran, dass die Burschen uns gefolgt sind. Ihr solltet mir lieber dankbar sein, dass ich das Vieh hier erlegt habe und wir frisches Fleisch in die Pfanne hauen können. Das schont unsere Vorräte! Und ich wüsste nicht, dass irgendjemand mir verboten hätte, auf die Jagd zu gehen. Einmal ganz davon abgesehen, dass ich hier ja nicht unter der Knute der Rotröcke stehe, sondern mein eigener Herr bin!«
»Dein eigener Herr bist du nur so lange, wie du mit deinem Verhalten nicht die Gemeinschaft gefährdest!«, fuhr Andrew ihn ergrimmt an. »Das hier ist kein Picknick, wo jeder tun und lassen kann, was ihm gerade in den Sinn kommt!«
Spöttisch zog Henry Blake die Augenbrauen hoch. »Was du nicht sagst! Willst du mir vielleicht Befehle erteilen, Chandler? Wundern würde es mich nicht, denn Leuten wie dir liegt das Befehlen ja im Blut. Möchtest wohl gern das Kommando an dich reißen, was? Aber damit gerätst du bei mir an den Falschen. Ich habe mich lange genug von deinesgleichen auspeitschen, demütigen und herumstoßen lassen. Ich lasse mir nicht länger Vorschriften machen, darauf kannst du Gift nehmen! Und die meisten anderen hier wollen bestimmt auch nicht nach deiner Pfeife tanzen, Chandler!«
Er hatte wohl damit gerechnet, zumindest bei einigen der ehemaligen Sträflinge auf Zustimmung zu stoßen. Doch niemand pflichtete ihm durch einen Zuruf oder ein Nicken bei. Im Gegenteil, die Mienen verdüsterten sich nur noch mehr. Ganz offensichtlich stand er mit seiner abschätzigen Meinung über Andrew Chandler allein auf weiter Flur.
»Du redest solch einen Schwachsinn, dass man dir eigentlich mal dein großes Maul stopfen sollte!«, rief Terence Rigby aufgebracht, dessen körperliche Überlegenheit in einem Zweikampf mit Henry Blake so augenfällig war, dass jener es vorzog, diese Herausforderung zu überhören.
»Du sprichst mir aus der Seele, Terence!«, pflichtete ihm Silas Mortlock bei. »Und wenn du dir noch einmal solch eine verantwortungslose Eigenmächtigkeit erlaubst, dann kannst du was erleben. Und darauf kannst du Gift nehmen, Henry Blake!«
Mit trotzigem Stolz starrte dieser ihn an, verzichtete jedoch wohlweislich darauf, ihn durch eine weitere Bemerkung noch mehr zu reizen.
»Aber es gibt da etwas, was mich im Augenblick noch mehr beschäftigt als deine Dummheit«, fuhr Silas Mortlock fort. »Und zwar die Frage, wie du es überhaupt fertig gebracht hast, dich aus dem Lager zu schleichen, ohne dass die Wachen etwas davon mitbekommen haben.«
»Ja, heraus damit! Wer von den Wachen ist auf seinem Posten eingeschlafen?«, rief Stuart Fitzroy.
Henry Blake verzog das Gesicht zu einem verschlagenen Grinsen. »Damit kann ich dir leider nicht dienen, Holzbein. Es war ja noch dunkel, als ich mein Pferd aus der Wagenburg geführt habe.
Aber auch wenn ich es wüsste, würde ich es nicht sagen. Ich bin doch keiner, der jemanden anschwärzt. So, und jetzt habe ich genug von dem blödsinnigen Palaver!«
Er glitt aus dem Sattel und forderte seine Frau herrisch auf, nicht länger bei den anderen herumzustehen, sondern Feuer zu machen und Teewasser aufzusetzen.
»Du solltest dich schämen! Was du gemacht hast, ist eine Schande!«, warf sie ihm wütend an den Kopf.
Er versetzte ihr eine schallende Ohrfeige. »Wage es nicht noch einmal, in solch einem Ton mit mir zu reden!«, schrie er sie an, packte sie mit brutalem Griff am Arm und zerrte sie mit sich fort zu ihrem Wagen.
Niemand griff ein, auch wenn sich viele empörte, ja sogar feindselige Blicke auf Henry Blake richteten. Aber was zwischen zwei Eheleuten vorfiel, das ging keinen etwas an. Das mussten die beiden mit sich selber ausmachen. Denn keiner von den andern wollte, dass sich irgendjemand in ihre eigenen Familienangelegenheiten mischte.
Die Menge löste sich langsam und unter grollendem Gemurmel, das Henry und den Wachen galt, auf. Vor dem Aufbruch gab es noch viel zu tun.
»Das darf nicht noch einmal geschehen!«, sagte Andrew, der mit Silas Mortlock und einigen anderen stehen geblieben war. »Weder können wir uns leisten, dass jeder tut, was ihm gerade in den Sinn kommt, noch dass jemand, der Wache halten soll, auf seinem Posten einschläft. Beides kann zu einer Katastrophe führen !«
»Das sehe ich auch so, Chandler«, sagte Terence Rigby. »Wer auf dem Wachposten seine Pflicht verletzt, muss wissen, dass er mit einer schweren Strafe zu rechnen hat! Und das gilt auch für Eigenmächtigkeiten, wie Henry Blake sie sich heute erlaubt hat.«
»Wir brauchen unsere eigenen Gesetze«, warf Abby ein. »Und so etwas wie einen Rat, besser gesagt eine Führung, die von allen akzeptiert ist und gegebenenfalls auch nötige Strafen verhängen kann.«
»Das stimmt«, sagte Stuart Fitzroy unter beifälligem Nicken der anderen. »Wir können uns nicht länger darauf verlassen, dass jeder das Richtige tut und immer das Wohl der Gemeinschaft im Augen behält. Es müssen klare Regeln her, die notfalls auch erzwungen und bei Zuwiderhandlungen bestraft werden.«
»Das geht aber nur, indem wir eine Versammlung abhalten und darüber reden, wie wir uns organisieren und welche Verbote wir aufstellen wollen«, gab Terence Rigby zu bedenken. »Und wir brauchen in diesen Dingen Einstimmigkeit. Auch müssen diejenigen, die wichtige Entscheidungen treffen und Strafen verhängen sollen, von den anderen gewählt werden, damit alles seine Richtigkeit hat und sie auch die nötige Unterstützung und Autorität haben.«
»Ja, das ist unabdingbar! Aber daran hätten wir schon viel eher denken müssen, nämlich bevor wir aus der Kolonie aufgebrochen sind«, sagte Silas Mortlock, der einer der Initiatoren des Trecks und von der ersten Stunde an dabei war.
»Noch ist es nicht zu spät dazu«, antwortete Andrew. »Ich schlage deshalb vor, dass wir die Versammlung jetzt sofort abhalten. Ob die Buschbanditen uns nun auf den Fersen sind oder nicht, diese Entscheidungen haben einfach Vorrang, wenn wir in Zukunft in Krisensituationen handlungsfähig sein wollen und damit jeder weiß, wer welchen Anweisungen zu folgen hat!«
Sein Vorschlag fand in der kleinen Gruppe ungeteilte Zustimmung. Und schon wenig später, während die ersten Strahlen der aufsteigenden Sonne auf die Planen der Wagen fielen, fand die Versammlung dann auch statt. Henry Blake nahm getrennt von seiner Frau in der hintersten Reihe Platz und beteiligte sich nicht an der Diskussion.
Einen der ersten Vorschläge machte Abby. »Ich beantrage, dass jeder, der älter als sechzehn Jahre ist, Rede-und Stimmrecht besitzt. Und dass auch Frauen in das Gremium gewählt werden können, das unsere Führung übernehmen und Übertritte der Vorschriften, die wir beschließen werden, ahnden soll!«
Niemand erhob dagegen Einspruch, und damit durften auch der siebzehnjährige Stanley und Jeremy Brown, der erst vor wenigen Wochen sechzehn geworden war, gleichberechtigt an den Beratungen und Abstimmungen teilnehmen.
Als Nächstes stellte Terence Rigby den Antrag, dass Silas Mortlock die Leitung der Beratungen übernehmen und verhindern sollte, dass alle durcheinander sprachen und sich die Diskussionen endlos im Kreis drehten.
Es erhob sich keine Gegenstimme.
Und noch bevor Silas Mortlock diese Rolle übernehmen konnte, meldete sich Andrew mit einem eigenen Vorschlag zu Wort. »Wir sollten nicht vergessen, dass wir jederzeit in eine Situation kommen können, in der es darum geht, einen Angriff oder sonst eine Gefahr abzuwehren. Denn dieser Fall kann schon während dieser Beratung eintreten. Deshalb bin ich dafür, dass wir nun zuerst jemanden aus unserer Mitte wählen, der in solch einer Situation das Kommando übernimmt. Und da Silas Mortlock mehrere Jahre Dienst auf einem Kriegsschiff gemacht hat...«
»Ja, bis man ihn wohl wegen Feigheit vor dem Feind, Desertation oder was weiß ich durch die gesamte Flotte gepeitscht und gnädiger Weise nicht an der nächsten Rah aufgeknüpft, sondern in ein Verlies gesteckt und dann in die Verbannung geschickt hat!«, kam es höhnisch von Henry Blake.
Andrew überging diese bösartige Bemerkung, indem er ruhig fortfuhr: »...und damit wohl der Einzige von uns ist, der über militärische Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, schlage ich ihn für diesen Posten vor.«
»Ja, wer dafür ist, hebe die Hand!«, rief Terence Rigby.
Alle bis auf Henry Blake sprachen sich mit Handzeichen für Silas Mortlock als ihren militärischen Führer aus - auch Jane Blake, die fernab von ihrem Mann ganz vorn in der Runde Platz genommen hatte.
Abby warf ihrem Mann ein verstohlenes Lächeln zu. Sie wusste genau, warum er es so eilig gehabt hatte, Silas Mortlock vorzuschlagen. Gewiss wollte er nicht, dass die Leute aufgrund des Respektes, den sie ihm als dem einzigen freien Siedler in ihren Reihen entgegenbrachten, auf die Idee kamen, ihm diese verantwortungsvolle Position anzutragen. Henry Blake mochte zurzeit wenig Sympathien bei den Mitgliedern des Trecks genießen. Aber sie würden noch viele Monate, wenn nicht sogar Jahre, zusammenbleiben und aufeinander angewiesen sein. Spannungen und Auseinandersetzungen waren damit so sicher wie Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Und in derartigen Konflikten konnte es doch leicht dazu kommen, dass die alten Animositäten zwischen einstigen Sträflingen und freien Siedlern, die das Leben in der Kolonie vielfach prägten, auch in ihrem Kreis auflebten. Dem hatte Andrew schon jetzt vorbeugen wollen. Man sollte ihm nicht vorwerfen können, er hätte seinen Status missbraucht, um sich Macht über die anderen zu verschaffen. Und sie hielt sein Vorgehen für einen sehr klugen und weitsichtigen Schritt.
Silas Mortlock nahm die Wahl an und schlug nun die Wahl eines Fünfer-Rates vor, der als Richtergremium in Streitfällen aller Art angerufen werden und vor allem bei der Verhängung von Strafen das letzte Wort haben sollte. Andrew war der Erste, der in diesen Fünfer-Rat gewählt wurde und auch die meisten Stimmen erhielt. Jemand schlug auch Abby vor, doch sie lehnte es dankend ab, diesem Rat anzugehören. Sie begründete ihre Ablehnung damit, dass es nicht angebracht sei, dass aus einer Familie gleich zwei Personen in eine solch wichtige Position gewählt wurden. Die Wahl fiel danach auf Silas Mortlock, Terence Rigby, Timothy O'Flathery, den Mann von Abbys Freundin Megan, und Deborah Brown, die Frau des einstigen walisischen Waldarbeiters. Sie war eine ebenso resolute und tatkräftige wie hilfsbereite Person, die sich wegen ihrer schier unerschöpflichen Energie und ihres fröhlichen Wesens großer Beliebtheit erfreute.
Man kam überein, sich an diesem Morgen nur auf die aller-notwendigsten Regeln zu verständigen und die Beratung über alle weiteren Belange von untergeordneter Wichtigkeit auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.
Zu den wichtigsten Übereinkünften, auf die sich die Versammlung fast einstimmig einigte, gehörten das Verbot, sich während des Trecks eigenmächtig zu entfernen, und die Verhängung von einem Dutzend Rutenschlägen für jeden, der auf seinem Wachtposten einschlief. Henry Blake war der Einzige, der bei jeder Abstimmung weder dafür noch dagegen die Hand hob, sondern sich seiner Stimme enthielt.
»Ein Letztes, aber doch sehr Entscheidendes«, sagte Silas Mortlock am Ende der Beratung. »Wer meint, unter diesen Bedingungen, auf die wir uns eben geeinigt haben, am Treck nicht weiter teilnehmen zu können, der soll sich jetzt melden und seines eigenen Weges ziehen. Wer dagegen mit uns weiterzieht, verpflichtet sich damit, all das zu respektieren, was der Fünfer-Rat und die Versammlung aller Siedler beschlossen haben und noch beschließen werden, und sich bei Nichtbefolgen der Strafe zu unterwerfen, die der Fünfer-Rat nach gewissenhafter Anhörung von Anklage und Verteidigung und ebenso gewissenhafter Beratung über ihn verhängt. Noch ist es jedem freigestellt, den Treck zu verlassen.«
Er blickte in die Runde, während sich ein langes, gespanntes Schweigen über die Männer, Frauen und Kinder legte. Jeder sah sich um, ob wohl jemand der Aufforderung folgen und sich von ihnen trennen würde. Aber niemand stand auf - auch nicht Henry Blake.
»Gut, wir sind uns also alle einig!«, stellte Silas Mortlock zufrieden fest. »Dann an die Arbeit! Sehen wir zu, dass wir so schnell wie möglich aufbrechen!«
Als Abby mit Andrew zu ihrem Wagen ging, sah sie, wie Henry Blake verächtlich in Richtung von Silas Mortlock ausspuckte, der ihm den Rücken zugekehrt hatte.
Andrew war ihrem Blick gefolgt. »Ein unangenehmer Zeitgenosse. Ich wünschte, er würde uns verlassen. Aber vermutlich sind wir besser dran, wenn er bei uns bleibt und wir ihn unter unserer Kontrolle haben. Ich will mich ja nicht versündigen und keinem etwas Schlechtes nachsagen, aber wenn ich jemanden kenne, der das Zeug zum Judas hat, dann ist das Henry Blake!«