»Verdammt und zugenäht, Parkers Hütte muss doch irgendwo hier sein!«, fluchte Silas Mortlock, als sie wieder einmal auf einer Anhöhe eine kurze Rast einlegten und das Gelände vor ihnen nach der einsamen Handelsstation absuchten. Gute fünf Stunden waren sie nun scharf geritten und die Sonne würde höchstens noch eine Stunde über dem westlichen Horizont stehen. Aber noch immer konnten sie nirgendwo im Buschland auch nur einen Hinweis auf Joshua Parkers Handelsposten entdecken.
»Bist du dir auch sicher, dass wir in die richtige Richtung geritten sind?«, fragte Andrew, der nach den Strapazen eines langen Tages im Sattel alle Knochen im Leib spürte.
»Ganz sicher!«
»Sieht mir eher so aus, als hättest du dir einen Bären aufbinden lassen und diesen Parker mit seinem Laden gibt es überhaupt nicht«, sagte Henry Blake.
Silas schoss einen ungehaltenen Blick zu ihm hinüber. »Ich weiß, was ich gehört habe. Und ich lasse mir keinen Bären aufbinden, von keinem!«, erwiderte er gereizt. »Der Mann wusste, wovon er sprach!«
»Aber wenn deine Information und die Richtung stimmen, dann hätten wir diesen Needle Mountain doch schon längst sehen müssen!«, hielt Henry Blake ihm mit bissigem Unterton in der Stimme vor.
Silas Mortlock presste ärgerlich die Lippen zusammen, schwieg und starrte in das Buschland hinaus.
»Das Pulver und Blei, das wir uns holen wollten, können wir jedenfalls abschreiben«, fuhr Henry Blake fort. »Oder wollt ihr vielleicht noch länger durch den Busch irren? Sogar wenn es diese Station wirklich geben sollte, können wir noch tagelang durch die Gegend reiten, ohne darauf zu stoßen!«
Auch Andrew plagten heftige Zweifel, ob sie die Handelsstation wohl noch finden würden, bevor es dunkel wurde. Aber andererseits schätzte er Silas Mortlock als einen verlässlichen Mann ein. Er gehörte ganz gewiss nicht zu jenen Männern, die leichtfertig etwas daherredeten. Und die Chance, ihren kläglichen Vorrat an Pulver, Blei und Zündhütchen aufzufüllen, rechtfertigte es allemal, dass sie die Suche noch eine Weile fortsetzten.
»Auf eine Stunde mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr an«, sagte er deshalb. »Wir haben noch gut anderthalb Stunden, bis die Sonne untergeht und wir irgendwo einen Lagerplatz für die Nacht suchen müssen, und die sollten wir nutzen!«
Henry Blake zuckte die Achseln. »Wie du meinst, Chandler«, sagte er, aber seine Miene ließ keinen Zweifel, dass er jede weitere Suche für zwecklos hielt.
»Gib mir noch mal das Fernrohr, Andrew!«, forderte Silas Mortlock ihn auf.
Andrew reichte ihm das zusammenschiebbare Messingfernrohr, während Henry Blake die Augen verdrehte, hatten sie das Gelände doch schon einmal sorgfältig damit abgesucht, ohne einen Hinweis auf die Station oder den Berg mit der nadeiförmigen Felsspitze finden zu können.
Silas Mortlock setzte das Fernrohr ans Auge und führte es ganz langsam von Westen nach Osten über den Horizont und ebenso langsam wieder zurück.
»Ich sage euch...«, begann Henry Blake leicht genervt und wollte wohl seine Unlust an weiterer Zeitverschwendung zum Ausdruck bringen.
»Wartet mal!«, rief Silas Mortlock in diesem Moment und hielt in der Schwenkbewegung inne.
»Hast du etwas entdeckt?«, stieß Andrew hoffnungsvoll hervor und spähte in die Richtung, in die das Fernrohr zeigte. Aber alles, was er in der Ferne ausmachen konnte, war eine Gruppe von hohen Eukalyptusbäumen.
»Ja, ich glaube, da ist was!«, sagte Silas Mortlock aufgeregt. »Aber die Kronen der Bäume links von den runden Felsbrocken verwehren mir die Sicht. Ich bräuchte eine höhere Position, um Genaueres ausmachen zu können. Kommt näher und haltet mein Pferd. Dann steige ich auf den Sattel!«
»Na, dann wollen wir dem gelenkigen Akrobaten doch mal zur Hand gehen«, sagte Henry Blake spöttisch und führte sein Pferd ganz nahe an den gescheckten Wallach von Silas Mortlock heran, während Andrew ihn von der anderen Seite mit seinem Apfelschimmel in die Zange nahm.
Silas Mortlock übergab Andrew die Zügel seines Pferdes, das zwar unruhig schnaubte, als dieser nun auf den Sattel stieg, jedoch ruhig stehen blieb.
»Ich wusste doch, dass ich mich nicht geirrt habe!«, rief Silas Mortlock im nächsten Augenblick triumphierend. »Das ist er! Das muss der Needle Mountain sein. Gar keine Frage! Aber zu einem richtigen Berg fehlt ihm noch einiges an Höhe.« Er ging in die Hocke, glitt wieder in seinen Sattel zurück und sagte, zu Henry Blake gewandt: »Das zum Thema >Richtige Richtung und sich einen Bären aufbinden lassen<, mein Freund!«
Henry Blake verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen, zog seinen speckigen Lederhut und presste ihn in einer spöttischen Geste der Demut vor die Brust. »Ich nehme alles zurück und werde mich zukünftig hüten, an deinen Worten zu zweifeln.«
Andrew lachte. »Na, dann lasst uns losreiten und sehen, was uns dieser Parker verkaufen kann!«
Im Galopp ritten sie auf die Baumgruppe zu, schlugen einen Bogen um sie und sahen dahinter nicht nur den Needle Mountain, der bloß den ersten Teil seines Namens wirklich verdiente, sondern keine Viertelmeile von dem kleinen Waldstück entfernt auch die Handelsstation.
Das L-förmige Gebäude war aus rohen Baumstämmen errichtet. Die Lücken zwischen den einzelnen Stämmen bedeckte ein sehr nachlässig aufgetragenes Gemisch aus Lehm und Gras, das an vielen Stellen schon wieder herausgebröckelt war. Ein dichtes Geflecht aus Zweigen und Gras diente zusammen mit einigen Bahnen Segeltuch als Dach. Ein schwerer Hauklotz und ein Sägebock standen vor dem Haus. In dem Stamm, der über den Böcken lag, steckte eine doppelseitige Säge mit einem Holzgriff an jedem Ende. Überall lagen Zweige und Holzscheite herum sowie ein umgekippter Eimer und andere Gerätschaften, die für ein Leben im Busch von Nutzen waren, Joshua Parker und seiner Frau jedoch wenig Sorgfalt wert zu sein schienen. Ein großer billabong, ein Wasserloch von gut zwanzig Yards Durchmesser, befand sich links hinter dem Haus. Drei Schweine wühlten am Rand des niedrigen Teiches im Dreck und vor dem Haus liefen einige magere Hühner herum. An der Rückfront des kurzen Traktes, bei dem es sich allem Anschein nach um einen Stall handelte, war ein Fuhrwerk abgestellt. Eine Menschenseele war jedoch weit und breit nicht zu erblicken. Auch stieg kein Rauch aus dem mit Feldsteinen erbauten Kamin auf.
»Nicht gerade das Musterbeispiel für eine Heimstätte«, sagte Silas Mortlock spöttisch, als sie näher kamen und ihre Pferde in den Schritt fallen ließen. »Alles mehr recht und schlecht zusammengezimmert. Und das Wort >Ordnung< scheint für diesen Parker und seine Frau auch ein Fremdwort zu sein.«
»Was willst du auch von einem Kerl erwarten, der sich von einem Bastard mit jeder Menge Aboriginesblut das Bett wärmen lässt«, sagte Henry Blake abfällig.
Solche verächtlichen Bemerkungen über die australischen Eingeborenen verabscheute Andrew und sie weckten seinen heftigen Widerspruch. »Die Aborigines sind nicht besser und nicht schlechter als jeder andere Mensch«, sagte er deshalb sofort, hatten er und Abby doch nur gute Erfahrungen mit ihnen gemacht. Abby verdankte ihnen sogar ihr Leben.
»Du sagst es«, stimmte Silas Mortlock ihm zu. »Ich für meinen Teil würde jederzeit mit Freuden einen Stamm Aborigines gegen das New South Wales Corps eintauschen!«
»Für den Handel wäre ich auch zu haben«, erwiderte Henry Blake und ließ es damit bewenden, merkte er doch, dass seine Gefährten seine Verachtung für die Eingeborenen nicht teilten. »Und jetzt lasst uns zusehen, dass wir an unser Blei und Pulver kommen!«
Als sie vor der primitiven Handelsstation von ihren Pferden stiegen und ihre Gewehre an sich nahmen, klappte die Brettertür auf und ein stämmiger Mann um die dreißig erschien im Eingang. Er trug weite, verschmutzte Drillichhosen und über seiner nackten muskulösen, dicht behaarten Brust eine Weste aus Opossumfell. Im breiten Ledergürtel steckte links und rechts je eine Pistole. Die Zündhütchen unter den Hähnen verrieten, dass die Waffen geladen waren. Sein kantiges Gesicht war von Wind und Wetter gegerbt wie altes, rissiges Leder. Ein buschiger Walrossbart wucherte über seine Oberlippe und verdeckte fast den ganzen Mund. Ein ebenso buschiges Dickicht bildeten die Brauen über seinen Augen, die wachsam auf sie gerichtet waren.
»Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches, Gentlemen?«, fragte er mit sanftem Spott und ohne sie aus den Augen zu lassen. Wie zufällig stützte er seine Hände auf die Griffstücke seiner Pistolen.
»Wir sind auf der Jagd und wollen unsere Vorräte an Pulver und Blei auffrischen, Mister Parker«, ergriff Andrew das Wort. Nicht nur die Qualität seiner Kleidung und Ausrüstung verriet, dass er wohl kaum zum Heer der mittellosen Emanzipisten gehörte, sondern auch seine gehobene und dialektfreie Aussprache wies deutlich darauf hin, dass er eine gute Ausbildung genossen hatte. »Und ein paar Schachteln Zündhütchen könnten wir auch gebrauchen.«
»So, die Gentlemen sind an Zündhütchen, Pulver und Blei interessiert«, sagte Joshua Parker und hob leicht die buschigen Augenbrauen. »Darf ich fragen, was Sie in eine Gegend so fern von den Siedlungen unserer glorreichen Kolonie geführt hat, dass Sie mir hier Ihre Aufwartung machen?«
»Wie ich schon sagte, die Jagd«, antwortete Andrew kühl. »Aber wenn Sie kein Pulver und Blei für gutes Geld zu verkaufen haben, dann sagen Sie es uns. Dann hat man uns offensichtlich eine falsche Auskunft über Sie und Ihre Handelsstation gegeben!«
»Und von wem haben Sie diese Auskunft?«, wollte Joshua Parker wissen.
Silas Mortlock griff nun in das Gespräch ein. »Von einem Jagdfreund, dem ein Feuer die linke Gesichtshälfte verbrannt hat. William Cole ist sein Name. Aber er hat mir nichts davon erzählt, dass Sie Ihre Kunden erst einem Verhör unterziehen, bevor Sie mit ihnen Geschäfte machen!«, sagte er mit ärgerlichem Tonfall.
Joshua Parker grinste nun. »Schau an, von Billy Scarface haben Sie die Empfehlung. Na, wenn das so ist, dann lassen Sie mich doch mal sehen, was ich für Sie tun kann, Gentlemen! Kommen Sie, nur hereinspaziert!« Er stieß die Tür hinter sich mit dem Fuß auf und machte kurz eine einladende Bewegung, legte die Hand jedoch sofort wieder auf das Griff stück der Pistole zurück.
Andrew, Silas Mortlock und Henry Blake banden ihre Pferde an und blieben wachsam, als sie an ihm vorbei ins Haus traten. Augenblicklich umfingen sie Dämmerlicht und eine Vielzahl von nicht gerade angenehmen Gerüchen.
Unwillkürlich packte Andrew sein Gewehr fester. Hier draußen im Busch war es ratsam, stets auf der Hut zu sein - auch auf einer solchen Handelsstation.
Es dauerte einige Sekunden, bis sich ihre Augen an das Halbdunkel im Innern der Handelsstation gewöhnt hatten und sie Einzelheiten ausmachen konnten. Der große Raum, in dem sie sich befanden, diente den Parkers offensichtlich gleichzeitig als Laden, Lagerraum und Wohnbereich. Zu ihrer Rechten stand quer zur Länge des Raums so etwas wie eine Ladentheke. Joshua Parker hatte dazu vier Böcke aufgestellt und rohe Bretter darüber gelegt. Primitive Regale befanden sich dahinter sowie rechts von der Tür. Sie waren mit Säcken, Dosen, Flaschen, Schachteln und Kisten unterschiedlicher Größe in kunterbunter Unordnung voll gestellt. Es standen auch größere Tonnen und Kisten im Raum herum. An der Wand gegenüber dem Eingang waren Felle von Opossums, Kängurus, Wombats und anderen Tieren aufgestapelt und verbreiteten einen intensiven, unangenehmen Geruch nach verwesten Fleischresten.
Vor diesem Stapel Felle lag ein nackter Aborigine mit dreck-verfilztem Haar, der mit weit geöffnetem Mund dort am Boden schlief. Das einzige Kleidungsstück war ein dreckiger Felllappen, der seine Scham bedeckte. Sein hagerer Körper trug Spuren der typischen Eingeborenenbemalung mit rotbrauner und weißer Lehmfarbe. Seine rechte Hand hielt den Hals einer leeren Flasche umfasst. Hinter ihm lehnte ein langer Speer an der Wand.
Einen Schritt weiter rechts von den Fellen und dem schlafenden Aborigine baumelten zwei Hängematten, die mit Ketten oben an den Dachbalken befestigt waren und in denen Decken in einem unordentlichen Durcheinander lagen. Jenseits dieser Schlafgelegenheit machte Andrew eine Kochstelle am Kamin und davor zwei primitive Sitzgelegenheiten sowie eine Tür aus, die wohl in den angrenzenden Stall führte.
»Murtamoo2!«, brüllte Joshua Parker in die Richtung der Hängematten. »Hoch mit deinem fetten Arsch!... Akamarie!... Hoch mit dir!... Na los, sieh zu, dass Taipan seinen Rausch gefälligst draußen ausschläft! Der Schmarotzer hat mal wieder mehr Rum gesoffen, als die verdammten Felle wert sind, die er angeschleppt hat!«
Sofort geriet in der zweiten Hängematte Bewegung in das Durcheinander der Decken und eine junge Frau in einem billigen, geblümten Kattunkleid kam darunter zum Vorschein. Trotz ihrer strähnigen blonden Haare sah man ihr auf den ersten Blick an, dass viel Aboriginesblut in ihren Adern floss und sie das Mischlingskind eines weißen Vaters oder einer weißen Mutter war.
»Cull-la!... Mach ich ja schon, Master Parker«, nuschelte die Frau schläfrig. Mit nackten Füßen ging sie zu dem betrunkenen Eingeborenen namens Taipan hinüber, rüttelte ihn mühsam wach und half ihm auf die Beine. »War i atyan, Taipan!«
Leise redete sie in der Aboriginesprache auf ihn ein und zog den taumelnden Mann zur Tür.
»Ihre Frau?«, fragte Henry Blake sarkastisch und überflüssigerweise.
Der Händler bedachte ihn mit einem scharfen Blick, würdigte ihn jedoch keiner Antwort, sondern begab sich hinter den langen Brettertisch. »Also, kommen wir zum Geschäft, Gentlemen. Sie wollen Pulver, Blei und Zündkapseln. Gut, damit kann ich Ihnen dienen. Wie viel soll es denn sein?«
»So viel Sie entbehren können«, antwortete Andrew und trat mit seinen Gefährten zu ihm vor den Tisch.
Joshua Parker lachte spöttisch auf. »Das klingt mir ja mehr danach, als wollten Sie eine kleine Armee von Aufständischen ausrüsten, statt sich Vorrat für einen Jagdausflug zulegen.«
Andrew hielt seinem scharf forschenden Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken. »Aufstand und Meuterei überlassen wir den korrupten Rotröcken«, erwiderte er trocken.
»Pulver und Blei sind für unseren Eigenbedarf. Einen ordentlichen Vorrat zu haben, ist immer gut, wenn man fernab von Sydney lebt und sich nicht sonderlich gut mit den Rotröcken steht«, warf Silas Mortlock ein. »Man weiß in diesen unruhigen Zeiten nie, wann man mehr Munition als nur zum Jagen braucht.«
»Sie sagen es, Mister«, pflichtete ihm der Händler bei. »Aber Pulver und Blei haben gerade deshalb und zumal hier draußen einen hohen Preis.«
»Ich bin sicher, dass wir handelseinig werden, Mister Parker«, sagte Andrew, zog seinen gut gefüllten Geldbeutel hervor und legte ihn vor sich auf den Tisch. »Also, zur Sache! Was verlangen Sie?«
Joshua Parker nannte ihnen einen Preis für die Unze Blei und Pulver und die Schachtel Zündhütchen, der mehr als dreimal so hoch war wie der, den man in Sydney bei einem Händler bezahlen musste, der einem diese illegalen Waren zu verkaufen gewillt war.
Henry Blake protestierte, doch Andrew fiel ihm schnell ins Wort. »Wir akzeptieren Ihren Preis!«
Henry Blake verstummte sofort, machte jedoch ein finsteres Gesicht.
»Na, prächtig«, sagte der Händler, begann im Regal zu kramen und Kisten zu verrücken und legte dann sechzig Bleistangen, zu je einem Dutzend gebündelt und mit dünner Hanfleine umwickelt, auf den Tisch. Aus jeder der Stangen, die fast fingerdick und lang wie eine Hand waren, ließen sich je nach Kaliber der Waffe bis zu einem Dutzend Kugeln gießen. Das Pulver legte Joshua Parker in gut zwei Pfund schweren Beuteln aus dichtem Sackleinen auf die Theke.
»Sauberes Blei und Pulver der besten Sorte, Gentlemen!«, versicherte er.
»Sie erlauben bestimmt, dass wir uns davon überzeugen«, sagte Silas Mortlock trocken.
»Nur zu, Gentlemen. Ich weiß, was ich meiner Kundschaft hier draußen schuldig bin. So, und jetzt fehlen noch die Zündhütchen.« Joshua Parker wandte sich wieder der Unordnung seines Regals zu.
Während Henry Blake einen der Pulverbeutel aufknüpfte, um sich davon zu überzeugen, dass das Schießpulver trocken und nicht mit Asche und Mehl verlängert worden war, machten sich Andrew und Silas Mortlock daran, die Bleistangen einer Prüfung zu unterziehen.
»Keine schlechte Qualität«, stellte Henry Blake fast widerwillig fest, als hätte er fest damit gerechnet, dass der Händler versuchen würde, sie übers Ohr zu hauen.
»Das Blei ist auch in Ordnung«, sagte Andrew zufrieden und hatte auf einmal ein merkwürdiges, beunruhigendes Gefühl. Irgendetwas schien sich im dämmrigen Raum verändert zu haben. Er glaubte, hinter sich ein kaum merkliches Rascheln von Stoff und ein leises Knirschen von Sand zu hören. Und dann sah er, wie Joshua Parker, der sich gerade mit zwei Schachteln Zündhütchen in der Hand wieder zu ihnen umgedreht hatte, in der Bewegung innehielt und mit ungläubig aufgerissenen Augen an ihnen vorbeiblickte.
Jemand hat sich ins Haus geschlichen und steht hinter uns!, fuhr es Andrew alarmiert durch den Kopf. Und er verfluchte sich dafür, dass keiner von ihnen die offen stehende Tür im Auge behalten hatte - und dass sie auch noch ihre Gewehre aus der Hand gelegt und neben sich gegen den Tisch gelehnt hatten, um die Qualität von Pulver und Blei zu prüfen.
Seine Hand wollte nach der Waffe greifen, aber dafür war es schon zu spät.
Denn im selben Augenblick drückte sich etwas Glattes, Rundes in seinen Nacken, bei dem es sich nur um den Lauf einer Pistole oder eines Gewehres handeln konnte, und eine hämische Stimme sagte in seinem Rücken: »Und ob Blei und Pulver gut sind! Andernfalls wäre der gute Josh auch gar nicht mehr am Leben! So, und jetzt schön die Hände weg von den Gewehren, sonst spicken wir euch mit dem guten Blei, das wir in den Läufen haben!«
»Gäbe eine wahre Sauerei auf die kurze Entfernung und das dreckige Halbblut von Weib hätte 'ne Menge zu putzen!«, sagte eine zweite Stimme drohend.
»Los, hoch die Flossen und schön langsam umdrehen!«, befahl eine dritte Stimme, die wie die beiden anderen unüberhörbar einen irischen Akzent hatte. Und mit Genugtuung fügte der Mann, wohl mehr an seine Komplizen gewandt, noch hinzu: »Wusste doch, dass es besser wäre, noch ein bisschen abzuwarten, als sich mit denen da draußen im Busch eine wilde Schießerei mit ungewissem Ausgang zu liefern!«
In diesem Moment wusste Andrew wie auch seine Gefährten, dass sie es mit Buschbanditen zu tun hatten, die sich offensichtlich schon an ihre Fersen geheftet hatten, noch bevor sie auf der Handelsstation eingetroffen waren! Und keiner von ihnen hatte etwas davon bemerkt. Ahnungslos ob der Gefahr, in der sie wohl schon seit Stunden geschwebt hatten, waren sie ihnen in die Falle gelaufen!