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Seraph gestattete sich nicht zurückzuschauen, sondern stapfte rasch durch das vom Unwetter halb zerstörte Lager auf ihrem Feld und ignorierte dabei die Leute, die sich ihrerseits beeilten, ihr auszuweichen. Sie starrte zu Boden, um ihnen ihren Blick zu ersparen, bis sie den Wald erreichte, der an den Hof grenzte.
Was hatte sie tun wollen?
Sie blieb lange Zeit stehen.
Sie musste sie schützen … bei Lerche und Rabe, sie war machtkrank! Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
Der Schutzzauber. Sie sollte den Schutzzauber neu setzen. Langsam ging sie zu der Stelle, an der er verlaufen war, und kniete sich auf den Boden.
Es gibt zwei Möglichkeiten, Schutzzauber zu setzen. Die Stimme ihres alten Lehrers war so klar, als stünde er hinter ihr. Für eine Nacht genügt ein schlichter Bann, ein Seil, das die Zelte und Wagen umgibt und für ihre Sicherheit sorgt. Aber wenn man sich irgendwo länger aufhält, oder wo die Gefahren größer sind, wird ein Schutzzauber an besten als eine Kette mit miteinander verbundenen Gliedern angelegt, jedes ein wenig anders als das vorangehende, damit die anderen immer noch schützen können, selbst wenn ein einzelnes Glied bricht.
Sie drückte die Hände in den Boden, fing an zu arbeiten und ignorierte die hässliche, flüsternde Stimme, die sie verleiten wollte, die Macht, die in ihr rauschte, zu behalten. Wenn sie einen Troll mit einem Flüstern töten konnte, wie viel Gutes würde sie dann mit der Macht erreichen können, über die sie jetzt verfügte?
Ihre Hände kribbelten, als sie vorsichtig eine gebogene Linie in den Dreck zog. Sie hatte noch nie solche Macht gehabt.
Erst als der schreckliche Rausch des Todes vergangen war, hatte sie verstanden, wie alt der Troll gewesen war. Sie spürte sein Alter im Brennen der Magie, die nicht geringer wurde, selbst als sie mit der Erneuerung des Schutzzaubers begann, der den Schatten für Generationen fernhalten sollte.
Sie fürchtete, selbst den Schutzzauber neu einzurichten, würde nicht genügen, um so viel Macht zu absorbieren, also begann sie, einen Teil davon in den Wald zu leiten. Wenn sie zu viel entsandte, würde sie mehr Schaden anrichten als helfen, aber ein kleines Rinnsal von Magie sollte keine schlechten Auswirkungen haben.
Nach und nach versank sie im Erschaffen. Schutzzauber einzurichten hatte ebenso viel mit Mathematik wie mit Kunst zu tun und verlangte genügend Aufmerksamkeit, dass der Teil von ihr, der sich immer noch den Machtrausch zurückwünschte, zu einem Gemurmel schrumpfte, welches sie ignorieren konnte.
Sie wurde sich seiner nur nach und nach bewusst - eine helle Gestalt, die friedlich neben ihr graste. Das Plätschern des Regens wurde vom Knirschen von Zähnen auf Gras begleitet. Dieses vertraute, friedliche Geräusch half ihr irgendwie, und sie spürte eine tiefe innere Zufriedenheit.
Sie war zu Hause.
Sie beendete das Kettenglied, an dem sie arbeitete, lehnte sich zurück und drückte sich die Fäuste gegen den schmerzenden Rücken, als sie sich streckte.
»Du siehst nicht sonderlich gut aus«, sagte sie.
»Eines der besudelten Geschöpfe hat den Priester angegriffen«, erwiderte das helle Pferd, das Jes’ Waldkönig war. Seine Stimme war samtig und sehr tief. »Ich habe ihn gerettet, aber es war knapp. Karadoc ist nicht mehr jung, nicht einmal nach Rederni-Maßstäben, und jetzt ist er auch noch krank. Und ohne einen Priester war es erschöpfend, gegen die Besudelten zu kämpfen, selbst mithilfe deiner Tochter.«
Sie dachte über das nach, was er gesagt hatte, und ging ihre Fragen noch einmal durch. Dass sie immer noch nur langsam denken konnte, erinnerte sie daran, dass sie die Machtkrankheit noch lange nicht losgeworden war.
»Der Troll war nicht das erste vom Schatten besudelte Geschöpf, das hierherkam?«, fragte sie. Sie brauchte Lehr oder Jes nicht, die ihr sagten, dass der Troll besudelt gewesen war. Anders als ein Nebelmahr war ein Troll von vornherein schattengeboren, ein Geschöpf, dessen einziges Ziel darin bestand, zu zerstören und zu töten.
»Nein, es gab auch andere Dinge, Wesen, wie ich sie seit dem Fall des Schattens nicht mehr gesehen hatte, wenn auch keines so gefährlich war wie der Troll. Sie kamen, um zu zerstören und den Schatten zu nähren.«
Seraph saß reglos da. »Ich hatte gehofft, dass wir uns irrten. Bist du sicher, dass es einen anderen Schatten gibt? Volis hätte ihn ganz bestimmt nicht heraufbeschwören können.«
Das Pferd schnaubte. »Geschöpfe wie dieser Troll würden nur dem Ruf eines Schattens folgen.« Er rieb sich die Nase am Knie.
»Du meinst, der Schatten ist hier?«, fragte Seraph, dann schauderte sie, als ihre Magie sich aufbäumte, weil die Beherrschung ihrer Gefühle ins Schwanken geriet. Sie holte mehrmals tief Luft, bis alles sich wieder beruhigte.
Der Waldkönig wartete, bis sie fertig war, dann sagte er: »Jetzt nicht mehr, denke ich. Aber er ist hier gewesen. Er hat eine Rune im Tempel zurückgelassen, die vor ein paar Wochen ausgelöst wurde.« Er hob den Kopf, um zu wittern, dann schüttelte er die Mähne und sah sie wieder an. »Ich kümmere mich nicht genügend um die Stadt. Wenn Karadoc mich nicht gerufen hätte, als die ersten Geschöpfe erschienen, hätte ich vielleicht zu lange gebraucht, um die Rune selbst zu finden. Selbst so konnte ich kaum mehr tun, als sie zu zerstören; ich konnte in den Steingebäuden des Dorfes nichts weiter ausrichten, daher rief ich die Leute hier heraus, wo dein Schutzzauber einen Teil der Arbeit leisten konnte, während ich mich um die besudelten Geschöpfe kümmerte. Ich hatte allerdings keinen Troll erwartet, also verbrauchte ich meine Kraft, indem ich versuchte, den Priester zu heilen und die kleineren Geschöpfe zu vertreiben. Ein Troll …« Er seufzte. »Ein normaler Troll wäre nicht allzu schwierig gewesen, aber dieser da … Deine Schutzzauber haben ihn bis heute überwiegend von den Dorfleuten ferngehalten.«
»Es gab eine Rune im Tempel«, murmelte Seraph.
»Um diese Geschöpfe, die dem Schatten gehorchen, zu wecken und anzuziehen«, erklärte der Waldkönig. »Der Priester brachte mich in den Tempel, und wir haben die Rune zerstört. Aber es war beinahe zu spät.«
Runen waren überwiegend Solsenti-Zauberei. Seraph kannte sich kaum mit der zugehörigen Theorie aus - aber es gab ein paar nützliche Runen, die sie manchmal gebrauchte. Sie wusste, dass sie gezeichnet und dann veranlasst werden konnten zu warten, bis etwas sie auslöste. Der neue Tempel war jedoch erst im vergangenen Winter gebaut worden, also musste der Schatten sich seitdem irgendwann in Redern aufgehalten haben.
Zusammen mit Volis, dem Zauberer-Priester, den sie im neuen Tempel getötet hatte, waren verschiedene Zauberer des Pfades nach Redern gekommen. Diese Männer hatten Tier entführt und ihn dann nach Taela gebracht. Der Schatten war womöglich einer von ihnen gewesen.
Vielleicht hatte die Rune ja auch den Nebelmahr, der die Tochter des Schmieds getötet hatte, aus seinem Versteck und in Richtung Redern gelockt. Nachdem der Waldkönig den Ruf unterbrochen hatte, hatte das Wesen sich im Brunnen des Schmieds niedergelassen. Seraph fragte sich unglücklich, wie viele andere Geschöpfe im Augenblick harmlosen Dorfbewohnern auflauerten - vielleicht war Benroln deshalb in den Kampf gerufen worden.
Das Brennen der Macht verlangsamte Seraphs Gedanken immer noch, und sie wandte sich wieder ihrem Schutzzauber zu. Der Waldkönig folgte ihr, wenn sie weiterzog, und graste, während sie arbeitete.
Es wurde langsam dunkel, aber Seraph konnte dort, wo der Wald nicht zu dicht war, immer noch ein wenig Licht sehen. Die Vögel schwiegen nun und ließen sich zum Schlafen nieder, aber vom Bauernhof her erklang Musik. Sie lächelte. Wenn mehr als zwei Rederni zusammen waren, gab es immer Musik.
Kritisch betrachtete sie den Fortschritt ihrer magischen Arbeit und war zufrieden mit dem, was sie sah. Ihre Gedanken waren jetzt ein wenig klarer und die Schutzzauber stark und fest gewoben.
»Tier erzählte mir einmal, er glaube, Jes’ Waldkönig habe viel mit Ellevanal gemeinsam«, sagte sie beiläufig.
Ellevanal war der Gott, den die Bewohner der Berge, darunter auch die Rederni, anbeteten. Seraph hatte ihn heute erst zum zweiten Mal gesehen, aber Jes hatte, seit er alt genug gewesen war, um laufen zu können, viele seiner sommerlichen Wanderungen in Gesellschaft eines Geschöpfs verbracht, das er den Waldkönig nannte.
»Barden sehen Dinge, die anderen verborgen bleiben«, stimmte der Waldkönig zu und riss einen Büschel Gras ab.
»Was würden die Rederni sagen, wenn sie ihren Gott des Waldes Gras fressen sähen?«, fragte Seraph.
»Sie sind keine Reisenden«, erwiderte der Gott, nachdem er fertig gekaut hatte. »Sie würden nicht sehen, was du siehst.«
Sie musste einfach lachen. »Das ist wirklich eine gute mystische Antwort.«
»Das dachte ich ebenfalls«, bestätigte er. »Aber sie ist dennoch wahr.«
»Götter sehen für ihre Anbeter nicht krank und ausgemergelt aus?«
»Du glaubst nicht an die Götter«, stellte Ellevanal fest. »Woher solltest du also wissen, was sie tun oder nicht?« Dann verlor seine Stimme den spöttischen Unterton. »Es heißt, die Reisenden glauben nicht an Götter, weil sie die ihren getötet und verschlungen haben.«
»Das habe ich noch nie gehört.«
»Selbstverständlich nicht«, sagte Ellevanal. »Du bist eine Reisende, die nicht an Götter glaubt.«
»Wie lange bist du schon hier und bewachst den Wald?«
Das Pferd hob den Kopf erneut und witterte, und sein Brustkorb hob und senkte sich, als wäre es gerannt und hätte nicht nur eine Stunde oder länger friedlich an ihrer Seite gegrast. Es hatte Schlamm an Beinen und Bauch.
»Schon lange«, sagte er. »Ich war schon hier, bevor der Schattenkönig kam und die Welt verwüstete. Bevor die Überreste der ruhmreichen Armee der Menschheit nach dem Fall hier eintrafen, eine sichere Zuflucht fanden und mich in ihrer Dankbarkeit zum Gott ernannten.« Er warf ihr einen schalkhaften Blick zu. »Bevor das Undenkbare geschah und Tieragan, der Bäcker, mit einer Weisung geboren wurde und die Welt der Reisenden auf den Kopf stellte.«
»Er hat die Welt der Reisenden nicht auf den Kopf gestellt«, widersprach sie.
»Ach ja?« Das Pferd schnaubte und warf den Kopf hoch. »Warte ab und sieh, was ein Rederni mit einer Weisung tun kann. Der Wind trägt das Wort bereits umher, und einige werden kommen und vernichten wollen, was aus euch werden könnte.«
Seraph zog eine Braue hoch.
Er senkte listig den Kopf. »Ein Gott darf in Rätseln sprechen, wenn er will.«
Sie schüttelte den Kopf und machte sich wieder an die Arbeit, weil die Macht erneut angefangen hatte zu flüstern. Der Waldkönig begann wieder zu weiden.
Als sie eine Stelle erreichte, von der aus sie den Bauernhof sehen konnte, stellte sie erfreut fest, dass das Lager wohlgeordnet und entspannt wirkte.
Eine Gruppe von Männern befestigte die Zelte neu und hängte schlammig gewordene Planen zum Trocknen auf. Eine andere Gruppe kümmerte sich um die Lagerfeuer - so viele Menschen konnten nicht allein aus ihrer Küche ernährt werden. Seraph entdeckte niemanden von ihrer Familie, aber die Bewegungen der Dorfbewohner hatten alle etwas Vergnügtes, Energisches an sich, das ihr sagte, dass niemand ernstlich verletzt worden war; und außerdem gab es Musik.
»Wenn du ein Gott bist«, sagte Seraph, »solltest du dann nicht viel besser imstande sein, mit einem Troll fertig zu werden, als wir?«
»Ich bin nur ein kleiner Gott«, erwiderte das Pferd belustigt. »Ich konnte den Troll nicht vernichten - nicht diesen Troll, der ein Diener des Schattens war und aus der Schlacht floh, um Hunderte von Jahren länger zu leben, als ein Troll leben sollte -, denn sonst hätte ich meinen Priester nicht am Leben erhalten können. Der Tod gibt das, was ihm rechtmäßig zusteht, nicht gern wieder her, und Heilen fällt eigentlich nicht in meine Zuständigkeit.«
»Warum hast du ihn nicht sterben lassen?«, fragte sie, obwohl sie sich wirklich nicht wünschte, dass Karadoc starb. »Niemand hat je gesagt, die Priester Ellevanals seien unsterblich.«
Er lachte über ihren kritischen Ton. »Er ist ein hervorragender Skiri-Spieler, und das sind Priester selten. Die meisten kümmern sich mehr um Dinge des Geistes als um geistreiche Spiele.« Das Bild eines Priesters, der sich mit seinem Gott bei einem Brettspiel die Zeit vertrieb, kam Seraph sehr seltsam vor, aber bevor sie weiterfragen konnte, wurde der Waldkönig wieder ernst. »Es gibt keinen anderen, der seinen Platz einnehmen könnte. Sein Lehrling wird in ein paar Jahren dazu in der Lage sein, aber ich brauchte meinen Priester jetzt
Der Regen hatte aufgehört, und die aufsteigende Wärme verwandelte die Feuchtigkeit im Gras zu Nebel, während das letzte Sonnenlicht die kleine Lichtung erhellte, auf der der Gott stand. Dampf stieg von den Flanken und Rippen des weißen Pferdes auf, von Rippen, die nun erheblich weniger vorstanden als bei ihrer ersten Begegnung.
»Du hast gefressen«, sagte sie.
Das Pferd steckte die Nase in ein kniehohes Grasbüschel und riss ein paar Halme ab. Es hob den Kopf und kaute demonstrativ.
Seraph schüttelte den Kopf. »Kein Gras kann Rippen so schnell polstern.«
»Was glaubst du denn, wohin die Macht geht, die du dem Wald zuleitest?« Er lachte erneut. »Bevor der erste Rederni-Barde hier geboren wurde, war ich kaum mehr als ein sehr alter Hirsch, der im Wald umherwanderte. Aber ein Barde ist sehr mächtig, wenn auch auf raffinierte Art. Es gibt vielleicht mehr als nur einen einzigen Grund, wieso Reisende nie lange an einer Stelle verweilen.«
Seraph starrte ihn an. Selbstverständlich war Tier nicht der erste Rederni-Barde, nicht, wenn man bedachte, dass Musik diese Leute wie Blut durchfloss.
»Du lebst von Magie?«, fragte sie und schob die Frage nach weiteren Solsenti mit einer Weisung beiseite.
»Habe ich das gesagt?«, fragte das Pferd. »Ich würde dich nie belügen, Rabe. Ich lebe von dem, was das Land mir gibt.« In seinem Blick stand ein schelmisches Lachen, weil sie enttäuscht schnaubte. »Pass auf, Rabe! Zorn und Magie sind eine explosive Mischung. Ich verstehe es selbst nicht so recht.«
»Was verstehst du denn?«, fragte sie.
»Es sind seit langer Zeit keine Reisenden mehr hierhergekommen«, sagte er. »Nicht seit dem Fall, und auch davor waren sie selten. Erst als du herkamst, um mit Tier zusammenzuleben, fiel mir auf, dass es an den Weisungen etwas gibt, was das Land … lebendiger macht. Es ist keine Magie, jedenfalls sehe ich das nicht so. Da.« Er schüttelte die Mähne. »Ich habe dir so viel gesagt, wie ich weiß. Der Wald ist mein Reich, und die Geheimnisse des Waldes gehören mir. Reisende beten keine Götter an, und ich glaube, sie haben mehr Geheimnisse als die meisten.«
Er blieb bei ihr, bis sie den schützenden Kreis vollendet hatte, dann wanderte er weiter und schnippte dabei verärgert mit dem Schwanz nach einem dreisten Insekt.
Seraph kam beinahe taumelnd auf die Beine und musste an Tier denken, weil ihre Knie so wehtaten, und ihr Rücken ebenfalls. Sie hatte sich ein Loch in die Hose gerissen, aber das war unwichtig. Jetzt, nachdem sie zu Hause war, würde sie wieder die Röcke einer Redernifrau tragen.
Als Seraph müde den Hang hinunterstieg, kam Jes ihr entgegen. Sie hörte ihn schon, bevor sie ihn sehen konnte, denn er sang leise vor sich hin. »Ich habe sie gefunden.«
Er lachte, als er vor ihr stehen blieb. »Ich habe dich gefunden«, sagte er. »Ich habe dich schneller gefunden, als Lehr es konnte.«
Sie berührte leicht seine Schulter. »Das hast du. Geht es allen gut?«
Er nickte und ging neben ihr her. »Hennea hat uns ausgeschickt. Sie sagte, es sollte inzwischen in Ordnung sein, dich zu suchen. Sie befürchtete, wenn wir es nicht täten, würde Papa noch alles ruinieren, was sie für seine Knie getan hat, indem er dich selbst suchen ginge.«
Seraph erinnerte sich daran, wie der Troll die Faust um Tiers Beine geschlossen hatte. »Geht es ihm gut?«
Jes nickte. »Er beschwert sich wegen seiner Knie, also müssen sie ziemlich in Ordnung sein.«
Seraph lächelte. »Wahrscheinlich.« Wenn der Troll ihn ernstlich verletzt hätte, wäre kein Wort über Tiers Lippen gekommen. »Und Rinnie?«
»Sie ist neben Papa eingeschlafen, der mit Ciro singt. Sie hat eine Beule am Kopf und einen etwa so großen …«, Jes zeigte die Größe mit den Händen an, und Seraph konnte nur hoffen, dass er übertrieb, obwohl das im Allgemeinen nicht zu Jes’ Fehlern zählte, »blauen Fleck an der Schulter.
Lehr sagt, er beneidet sie«, fuhr er fort. »Er sagt, er hätte noch nie einen so großen blauen Fleck gehabt. Ich schon. Erinnerst du dich, wie ich von der Scheune gefallen bin? Danach hatte ich einen größeren blauen Fleck als Rinnie.«
»Ich hoffe, dass niemand von uns je wieder einen so großen haben wird.«
Jes nickte. »Ich auch. Und hier kommt Lehr. Ich habe sie zuerst gefunden, Lehr! Wir sehen uns daheim.« Jes verschwand in der Dunkelheit, und Seraph blieb allein mit ihrem jüngeren Sohn.
»Nachdem ich aufgehört habe, Spuren zu lesen, und nur dem Geräusch von Jes’ Stimme folgte, wart ihr nicht schwer zu finden. Jes freut sich, wieder zu Hause zu sein«, sagte Lehr. »Du siehst müde aus, Mutter. Ist alles in Ordnung?«
Seraph nickte. »Ja. Ich bin nur ein wenig erschöpft. Schließlich bin ich nicht daran gewöhnt, mit so viel Magie umzugehen. Jes sagte, dein Vater und Rinnie seien nicht schwer verletzt?«
»Sie sind nur ein bisschen zerschlagen«, antwortete Lehr, und etwas in Seraph entspannte sich. »Ciro hat Papa allen erzählen lassen, was passiert ist, während wir weg waren.«
Ciro, der Vater des Gerbers, war ein guter Freund von Tiers Großvater gewesen und hatte Tier geholfen, die Musik lieben zu lernen. Nicht, dass er viel Ermutigung gebraucht hätte.
»Ciro sagte, er werde ein Lied aus Papas Geschichte machen. Und dann fingen sie einen Wettstreit an, wem die komischsten Strophen einfielen.« Er wandte die Aufmerksamkeit einen Moment dem unwegsamen Boden zu, dann sagte er: »Es gab hier in den vergangenen Wochen einigen Ärger. Der Troll war das Schlimmste, aber es sind auch Kobolde und andere Wesen hergekommen.«
»Der Waldkönig suchte mich auf, als ich versuchte, die Todesmagie des Trolls loszuwerden«, sagte Seraph. »Er erzählte, der Zauberer-Priester Volis habe etwas getan, um die Diener des Schattens hierherzurufen. Es muss Hennea und mir entgangen sein, als wir den Tempel durchsuchten. Karadoc unterbrach offenbar den Ruf, aber er wurde krank davon.« Sie warf ihrem Sohn einen Seitenblick zu.
Lehr nickte. »Ja, er ist in unserem Haus.« Er räusperte sich. »Tatsächlich schläft er in deinem Zimmer. Papa sagte, wir sollten ihn heute Nacht dort lassen. Er sieht ziemlich schlecht aus, blass und zerschlagen, aber sie haben ihn nach draußen getragen, damit er die Musik hören kann, also wird es nicht gar so schlimm sein.«
Seraph war müde, ihre Kleidung war nass, und sie hatte sich schon darauf gefreut, in ihrem eigenen Bett schlafen zu können. »Karadoc ist kein junger Mann mehr. Wenn er verletzt ist, sollte er lieber in unserem Bett bleiben, bis sie ins Dorf zurückziehen - was nicht allzu lange dauern sollte. Der Waldkönig sagte mir, Karadoc habe geholfen, die Rune zu zerstören, die all die besudelten Ungeheuer herbeirief. Der Troll war hoffentlich das letzte dieser Wesen. Ich denke, die Leute aus dem Dorf werden morgen oder übermorgen alle nach Redern zurückkehren.« Das hoffte sie jedenfalls.
»Jes wird sich freuen, das zu hören«, sagte Lehr. »Er hat einen einzigen Blick auf Tante Alinath geworfen und sich hinter Hennea versteckt.«
»Sie hat sich für uns um Rinnie gekümmert«, erwiderte Seraph und stolperte über einen Ast, den sie nicht gesehen hatte.
Lehr nahm ihren Arm. »Ich weiß. Aber sie hat nie gewusst, wie sie mit Jes umgehen soll.«
»Sie wäre nicht so schlimm gewesen, wenn Jes sich ihr gegenüber nicht absichtlich immer von der schlechtesten Seite gezeigt hätte.«
Lehr schnaubte. »Papa sagt das Gleiche von Tante Alinath und dir.«
 
Eine kleine Gruppe von Personen hatte sich vor dem Haus niedergelassen, wo sie trotz der Feuchtigkeit ein Lagerfeuer angezündet hatten. Tier, ein Knie fest verbunden und das Bein lang ausgestreckt, spielte die Laute, die er aus Taela mitgebracht hatte. Rinnie war in eine Decke gewickelt und eingeschlafen, den Kopf auf Tiers unverbundenem Knie.
Ciro hatte eine kleine Trommel mitgebracht, und er und Tier sangen gemeinsam. Die Stimme des alten Mannes war so klar wie eh und je, und Tier … Seraph hatte immer gesagt, er habe die anpassungsfähigste Stimme, die sie je gehört hatte. Wenn er Liebeslieder sang, klang es wie zerlassene Butter mit Zucker, und dann stimmte er ein raues altes Kriegslied an, und seine Stimme hörte sich an, als könne sie durch Stein schneiden. Im Augenblick überließ er dem alten Sänger die Melodie und sang die Oberstimme dazu, leiser, um Ciros Stimme zu schmeicheln - die das kaum gebraucht hätte.
Direkt außerhalb des Feuerlichts blieb Seraph stehen. »Habt ihr euch unter den Rederni nach Besudelten umgesehen?« Der Schatten könnte schließlich auch jemand sein, den sie kannten.
Lehr nickte. »Hennea hat Jes und mich dazu ausgeschickt. Aber selbst Onkel Bandor hatte keine Anzeichen davon. Hennea meint, wahrscheinlich hätte jemand, wenn er besudelt war, den Schutzzauber nicht überqueren können - und das ganze Dorf ist hier.«
»Gut.« Sie hatte sich nicht wirklich Sorgen gemacht, ein Rederni könne besudelt sein, obwohl sie das vielleicht hätte tun sollen. Immerhin hatte der Schatten bis zum letzten Augenblick vor Lehr und Jes verbergen können, was er war. Es war durchaus möglich, dass er sich selbst vor ihren Söhnen verstecken konnte.
Sie hielt es allerdings für unwahrscheinlich, dass der Schatten jemand aus dem Dorf war, den sie kannte. Also schob sie diese Gedanken erst einmal beiseite und nahm sich vor, darüber nachzudenken, wenn sie weniger müde war.
Tiers Stimme bebte ein wenig, als er seine Frau sah, und dann schwieg er und beendete die Vibration der Lautensaiten mit der Hand. Nach ein paar Takten schwieg Ciro ebenfalls.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Ciro.
Tier schüttelte den Kopf, aber er sah weiterhin Seraph an. »Ich bin heute Abend müde. Ich überlasse dir die Musik.«
»Wenn Karadoc in unserem Bett liegt, brauchen wir einen anderen Schlafplatz«, sagte Seraph leise, um Ciros Musik nicht zu stören. Sie beugte sich vor, um Rinnies Gesicht zu berühren, dann blickte sie auf zu Tier. Selbst im Dunkeln sah er blass und abgehärmt aus - seine Knie mussten wirklich wehtun.
»Irgendwo, wo wir allein sein können«, stimmte Tier zu. »Aber das Haus ist voll.«
Seraph warf einen prüfenden Blick zum Himmel, das Unwetter war weitergezogen. »Ich könnte vielleicht einen Platz finden. Lehr, würdest du unser Bettzeug und mein Gepäck holen? Und suche für dich, Hennea, Jes und Rinnie Schlafplätze.«
Er nickte. »Ich komme sofort wieder.«
Das tat er, und er reichte Seraph beide Bettzeugrollen, bevor Ciro mit seinem zweiten Solostück fertig war.
»Rinnie hat immer noch ihr Bett im Haus. Ich werde sie reintragen.« Lehr sprach leise, obwohl Ciro einen Augenblick aufgehört hatte zu singen. »Wir anderen müssen mit der Scheune vorliebnehmen. Brauchst du Hilfe, Papa?«
Tier kam selbst auf die Beine und schüttelte den Kopf. »Solange wir nicht weit gehen müssen, ist es in Ordnung.«
Seraph nickte Lehr zu und beugte sich vor, um Rinnie einen Kuss auf den Kopf zu drücken. »Wir sehen uns morgen früh«, sagte sie zu ihrem Sohn.
Sie führte Tier hinters Haus, wo das Land sich zu einem flachen, mit Gras bewachsenen Sims erhob, das von kleinen Bäumen und Büschen umgeben war. Tier hinkte schwer, und Seraph zuckte innerlich bei jedem seiner Schritte zusammen.
Sie legte das Bettzeug auf einen Stein, wo es nicht zu nass werden sollte, aber sie hielt Tier auf, als er seines entrollen wollte. »Nein. Warte kurz, und ich finde etwas viel Besseres für uns.«
Sie legte ihren Rucksack hin und holte die Tasche mit ihren Mermori heraus. Es gelang ihr schnell, Isoldas Mermora zu finden, und sie steckte das zugespitzte Ende in den Boden. Dann trat sie zurück und murmelte die Worte, die das uralte Haus von Isolda der Schweigsamen heraufbeschwören würden.
Es dauerte einen Augenblick, in dem die Magie sich ordnete. Seraph konnte das vertraute Gewebe von Hinnums Bann spüren, das sich entfaltete, sich an das Muster von Isoldas Haus erinnerte und Räume neu erbaute, die längst verrottet sein mussten. Für Seraph war das Entstehen des Hauses im Schutz des Waldes ebenso ein körperliches Gefühl wie ein Anblick.
Isoldas Haus war nicht sonderlich groß gewesen, vor allem nicht für Colossae, aber größer als das Haus, das Tier für Seraph gebaut hatte. Die Vorderseite von Isoldas Heim war entworfen, um einen angenehmen Eindruck zu machen, und hatte dekorative Backsteinmuster. Die Seitenmauern hingegen verliefen gerade und schlicht - so gerade, das Seraph davon ausging, dass es direkt an die Nachbarhäuser angebaut gewesen war und nicht frei gestanden hatte. Der Kontrast zwischen der schönen Fassade und den Seiten ließ es ein wenig seltsam wirken, besonders wenn es allein im Wald stand statt an einer lebhaften Straße.
»Wir können heute Nacht hier schlafen«, sagte sie.
»Ich dachte, das würdet ihr nicht tun«, erwiderte Tier, aber er folgte ihr eine kleine Treppe hinauf und durch die Ebenholztür.
»Es kann gefährlich sein«, antwortete sie und richtete ihre Aufmerksamkeit vor allem auf sein langsames Vorankommen. »Das hier ist eine Illusion - eine sehr gute Illusion, aber bei unangenehmem Wetter kann man in diesem Haus erfrieren, ohne es auch nur zu merken. Doch es hat aufgehört zu regnen, und wir haben unsere eigenen Decken.«
»Warum haben wir die Häuser dann auf dem Heimweg nicht benutzt?«, fragte Tier.
»Magie - jede Magie - neigt dazu, diverse unangenehme Geschöpfe anzuziehen, die ich lieber nicht wecken wollte«, sagte Seraph und zog einen Stuhl weg, um den Tier sonst hätte herumgehen müssen. »Und die Illusion ist gut genug, dass man nicht hören kann, wenn etwas draußen herumschleicht. Aber heute Abend - nun, es gab hier genug Magie, um ohnehin alles in der Umgebung anzulocken, also wird Isoldas Haus keinen Unterschied mehr machen. Und mit meinem frischen Schutzzauber kann nicht viel durchkommen. Wir werden hier sicher und allein sein.«
Das Haus wurde von kleinen Laternen beleuchtet. Tier hinkte hinter ihr durch das Wohnzimmer und in das kleinste Schlafzimmer. In diesem Raum gab es weniger persönliche Gegenstände als in den anderen Schlafzimmern. Seraph hatte es immer für ein Gästezimmer gehalten und fühlte sich hier wohler, weniger wie ein Eindringling und mehr wie ein Gast.
»Es kommt mir irgendwie falsch vor, diese schmutzigen Decken aufs Bett zu legen«, sagte Tier.
Sie verstand, was er meinte - Isoldas Bettzeug war makellos weiß. »Schon gut. Der Schmutz wird beim nächsten Mal, wenn die Mermora ins Leben gerufen wird, nicht mehr da sein.«
Tier schüttelte den Kopf, aber er löste die Schnur um seine Decken und rollte sie auf dem Bett aus. Seraph konnte sehen, dass ihn an diesem Abend mehr beunruhigte als seine Knie.
»Du hast Schmerzen«, sagte sie. »Zieh dich aus und lass mich sehen, was los ist.«
Er musste wirklich müde sein, denn er befolgte ihre Anweisung ohne ein scherzhaftes Widerwort. Sie drehte den Docht an der Nachttischlampe höher, damit sie besser sehen konnte.
Er bewegte sich langsam, und sie sah, dass er zu der neuen Verletzung an seinen heilenden Knien auch noch eine Wunde an der linken Schulter hatte. Als er ausgezogen war, ging sie einmal um ihn herum, um sich den Schaden mit Augen anzusehen, die durch drei Kinder geschult waren, die alle nur zu gern auf Bäume, Scheunen und an andere Orte kletterten, die für Vögel erheblich geeigneter waren als für Menschen.
»Nichts, das ein paar Tage Ruhe und ein gutes heißes Bad nicht heilen könnten«, stellte sie schließlich erleichtert fest. Ganz gleich, was Lehr gesagt hatte, Tiers offensichtliche Schmerzen hatten sie beunruhigt. »Leg dich hin«, bat sie ihren Mann, »und ich werde sehen, was ich tun kann.«
Er setzte sich mit einem erleichterten Grunzen aufs Bett, und sie half ihm, die Beine auf die Matratze zu heben.
»Also gut«, sagte sie, nachdem sie ihre nasse Überkleidung ausgezogen hatte. »Ich werde sehen, ob ich es dir bequemer machen kann. Wenn du Brewydd davon erzählst, wird sie mir das nie verzeihen. Mit Schmerzen will dein Körper dir mitteilen, dass du Ruhe brauchst, wenn du dir keinen dauerhaften Schaden zufügen willst. Und nichts, was ich tun kann, wird dich schneller heilen lassen, aber ich kann dir für die Nacht den Schmerz nehmen.«
Sie berührte den Spann seiner Füße, dann die Fußknöchel und arbeitete sich mit nur einer Spur von Magie weiter nach oben. Als sie seine Knie berührte, entspannte er sich vollkommen.
»Das fühlt sich wunderbar an«, flüsterte er.
»Es wird noch besser werden«, versprach sie und küsste ihn auf den Mund. »Aber morgen früh, wenn ich die Magie wieder gehen lasse, wirst du mich verfluchen.« Sie fuhr mit den Händen an der Außenseite seiner Oberschenkel entlang und über seine Hüften.
»Habe ich dir heute schon gesagt, dass ich dich liebe?«, fragte er und schloss verzückt die Augen.
»Du hast nur Angst davor, was ich dir antun könnte, wenn du es nicht tust«, antwortete sie zerstreut, denn sie musste sich auf die Magie konzentrieren, die sie vorsichtig über seine Wunden ausbreitete.
Er öffnete die Augen wieder und legte ihr eine Hand unters Kinn. »Ich habe keine Angst vor dir«, sagte er und zog sie zu einem weiteren Kuss herunter, einem sehr sinnlichen, vielsagenden. »Ich liebe dich«, sagte er, als sie den Kopf wieder hob.
Sie musste feststellen, dass sie unwillkürlich lächelte, bevor sie sich wieder an die Arbeit machte. »Der Waldkönig erzählte mir, die besudelten Geschöpfe seien von einer Rune im Tempel hierhergerufen worden. Er sagte, nur der Schatten selbst habe diese Rune herstellen können.«
»Ah«, sagte Tier. »Ich weiß, dass du gehofft hast, es wäre nicht wahr.«
Sie hielt mit ihrer Magie inne und blies sich eine Haarsträhne, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, aus dem Auge. »Ein Schatten bringt Kummer mit sich, gehüllt in eine Decke aus Tod.«
»Ist es der namenlose König, der zurückkehrt?«, fragte Tier.
»Nein«, sagte sie. »Wie andere vor ihm, ist er ein Mann, der sich zum Sklaven des Pirschgängers gemacht hat, um Macht und Unsterblichkeit zu erlangen.«
»Es hat schon andere gegeben?«
Sie nickte und fuhr mit dem Finger über eine verblasste Narbe an Tiers Brust, die von einem Kampf gegen die Fahlarn stammte, aus der Zeit, bevor sie und Tier sich kennengelernt hatten. Die Wunde wäre beinahe tödlich gewesen, und Tier sprach selten darüber. »Ein paar.«
»Der Pirschgänger ist das Wesen, das die Zauberer von Colossae gefangen gesetzt haben, indem sie ihre Stadt zerstörten.«
Seraph legte ihm die flache Hand auf die Brust und wärmte sie an seiner Haut. »Sie haben die Stadt nicht zerstört, Tier. Sie haben sie geopfert.«
Er verlagerte ruhelos das Gewicht. »Das hast du mir schon einmal gesagt. Sie haben mit Ausnahme der Zauberer, die den Bann wirkten, alle umgebracht, die dort lebten.«
»Ja und nein.« Es war eine alte Geschichte, aber keine, über die die Reisenden oft sprachen. »Jeden Morgen steht Alinath auf und zündet das Feuer im Backofen an, wie es deine Familie schon getan hat, seit die Bäckerei vor Jahrhunderten errichtet wurde. Alle im Dorf haben ihre Aufgaben, die sie jeden Tag erfüllen - Rituale des Alltagslebens. Auch darin liegt Macht, Tier, ebenso wie Macht in dem Lebensfunken liegt, der den Unterschied zwischen deinem Körper und einem Tontopf bildet. Die Zauberer nahmen die Macht aus diesen täglichen Ritualen, aus Generationen des Lebens, ebenso wie aus dem Tod ihrer Familien und Freunde, die ihnen vertraut hatten. Sie töteten die Menschen, die sie liebten, und auch darin lag Macht - mehr, als Tod an sich gebracht hätte. Sie nutzten all diese Macht und wussten, dass es immer noch nicht genügen würde, um ihre Schöpfung zu vernichten; sie konnten sie nur gefangen nehmen.«
»Was will der Pirschgänger denn?«, fragte Tier, stets der Geschichtenerzähler. »Was hat er getan, um den Zauberern solche Angst einzujagen, dass sie ihre Familien töteten?«
»Das Reisendenwort, das dem Begriff der Allgemeinen Sprache für Pirschgänger entspricht, lässt sich auch mit ›Töten einer verfolgten Beute‹ gleichsetzen - nicht, um von dieser Beute zu leben, sondern allein aus Freude am Zerstören.« Sie zuckte unglücklich die Schultern. »Das ist alles, was wir darüber wissen - dass die Zauberer von Colossae ihn den Pirschgänger nannten und dann ihre eigenen Leben zerstörten, um ihn gefangen zu setzen.«
»Der namenlose König hätte beinahe die ganze Menschheit vernichtet.«
Seraph nickte. »Nebelmahre leben für gewöhnlich von kleinen Tieren. Sie spielen nicht mit ihrem Fressen, wie es eine Katze tut. Der besudelte Mahr, den wir gefunden haben, hat den Schmied bewusst terrorisiert, weil es ihm Spaß machte. Vielleicht treibt der Pirschgänger ja jene, die ihm dienen, auf die gleiche Weise zu schrecklichen Taten. Und ganz bestimmt folgt dem Schatten und denen, die besudelt sind, der Tod.«
»Du sagtest, Bandor war umschattet«, sagte Tier.
Sie nickte. »Ja, und das ist ungewöhnlich. Der größte Teil der Besudelung, den wir Reisende zu sehen bekommen, stammt immer noch vom namenlosen König.«
»Wie kann es also geschehen sein?«
»Ich dachte zuerst, Volis hätte es getan«, sagte sie. »Er war ganz bestimmt selbst besudelt, wie alle Meister des Pfads. Aber mein alter Lehrer Arvage sagte mir einmal, er glaube, dem Pirschgänger sei verboten, anderen seinen Willen aufzuzwingen - eine Einschränkung, die dem Schatten nicht auferlegt ist. Wenn das stimmt, dann war der Schatten verantwortlich für die Besudelung des Pfads und für die von Bandor.«
»Worin besteht der Unterschied zwischen einem Menschen, der vom Schatten besudelt wurde, und dem Schatten selbst?«
»Eine Besudelung wird dir auferlegt«, sagte Seraph. »Du brauchst kein großer Sünder zu sein; es genügen versteckte Ablehnung und Zorn, und darauf baut die Besudelung auf, bis diese Empfindungen weiter nach vorn gezerrt werden. Bandor hat deine Schwester geschlagen - ganz ruhig, Tier, es war nicht seine Schuld! Ich nehme ihn nur als Beispiel dafür, wie sehr eine Besudelung die Persönlichkeit verändern kann. Wenn du dagegen ankämpfst, wird sie dich zerfressen, bis du kaum mehr bist als ein wildes Tier und deinen Wahnsinn nicht mehr verbergen kannst. Aber soweit ich sagen kann, lebten die Meister damit schon seit Jahren.«
»Und die Schatten?« »Wir wissen nicht, wie sie entstehen. Wenn wir das wüssten, könnten wir vielleicht verhindern, dass es noch einmal passiert. Alle Schatten waren Zauberer. Ich denke, sie müssen sich irgendwie mit dem Pirschgänger in Verbindung setzen - vielleicht gibt es einen Bann, der irgendwo in einem Buch der Solsenti-Magie aufgezeichnet wurde. Oder vielleicht kann der Pirschgänger einen Zauberer, der für seine Zwecke geeignet ist, zu sich rufen. Wie auch immer, der Schatten opfert freiwillig die Leben der Menschen in seiner Umgebung, um Macht und Unsterblichkeit zu erlangen. Ich weiß nicht, was der Pirschgänger davon hat oder was er über Tod und Zerstörung hinaus haben will. Vielleicht genügt ihm das. Menschen, die vom Schatten besudelt sind, werden oft innerhalb eines Jahres oder vielleicht sogar innerhalb von Monaten verrückt, aber mit dem Schatten passiert das nicht.«
Tier schwieg, und einen Augenblick später begann Seraph erneut, ihm seine Schmerzen zu erleichtern. Es brauchte nicht viel Magie, nur Feingefühl.
Sie berührte einen rötlichen Fleck an seinen Rippen, der am nächsten Tag eine Prellung sein würde, und ließ den Schmerz mit einem magischen Streicheln geringer werden. Tier mochte verwundet und zerschlagen sein, aber sie liebte seinen sehnigen, zähen Körper, der sowohl alte als auch neue Narben hatte.
Als sie fertig war mit der Magie, berührte sie ihn immer noch mit den Fingerspitzen und fuhr sanft über seine Haut.
Er war wieder zu Hause. Endlich zu Hause und in Sicherheit.
Sie streichelte ihn weiter mit den Fingerspitzen, und er packte ihre Hand und murmelte: »Wenn du willst, dass wir heute Nacht schlafen, würde ich vorschlagen, dass du dich neben mich legst, statt mich anzufassen.«
Sie setzte sich auf seine Hüften, der Stoff ihrer Unterwäsche nur ein dünner Schleier zwischen ihrer Haut und der seinen.
»Mhm«, sagte sie. »Es fühlt sich aber nicht an, als wäre dir nur an Schlafen gelegen.«
Er lachte, ein tiefes Lachen aus dem Bauch, das es nicht ganz bis zu seinem Mund schaffte.
»Beweg dich nicht«, sagte sie und beugte sich vor, bis sie seinen Mund mit ihren Lippen berühren konnte. »Du könntest dir wehtun, wenn du dich bewegst.«
 
Eine lange, befriedigende Weile später sagte Tier: »Das hat mir gefehlt.«
»Mir auch«, sagte sie. Widerwillig stand sie auf und verdunkelte das Licht. »Es wird nicht vollkommen ausgehen. Kein Raum in einer der Mermora kann vollkommen verdunkelt werden - ich glaube, das hat etwas mit dem Wesen der Illusion zu tun.«
»Schon in Ordnung«, sagte er. »Ich wollte ohnehin noch ein wenig mit dir reden, und wenn es dunkel wäre, könnte ich wahrscheinlich nicht wach bleiben.«
»Oh.« Sie nahm ihr eigenes Bettzeug und breitete die Decken über Tier, bevor sie sich wieder neben ihn legte. Mit einem Seufzen schmiegte sie sich an seine Wärme und gähnte. »Dann rede schnell.«
»Erzähl mir von Hennea«, sagte er.
Sie hob den Kopf, aber das Licht befand sich hinter Tier, und sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. »Hennea?«
Er lachte. »Wenn du nur deine Stimme hören könntest! Mir sind nur ein oder zwei merkwürdige Dinge aufgefallen, und da unser Sohn sich so sehr für sie interessiert, wüsste ich gerne mehr über sie.«
Sie lehnte sich an ihn. »Merkwürdige Dinge? Was für merkwürdige Dinge?«
Er lachte. »Erzähl mir einfach etwas über sie«, bat er. »Dann werde ich dir sagen, wieso ich frage.«
»Sie ist ein Rabe des Clans von Rivilain mit dem Mondhaar«, begann Seraph zögernd. »Das ist eine bekannte Abstammung bei Reisenden. Ich habe gehört, dass es drei oder vier von Rivilains Clans im Kaiserreich gibt und anderswo noch ein paar mehr. Sie kam zu uns …« Sie hielt inne. »Willst du, dass ich dir die ganze Geschichte erzähle? Das habe ich doch schon einmal getan.«
»Bitte erzähl es mir noch einmal«, sagte er.
Sie zuckte die Achseln. »Sie kam zu uns, weil sie festgestellt hatte, dass du vom Pfad entführt worden warst. Sie hatte zusehen müssen, wie diese Zauberer ihren Geliebten umbrachten. Sie wollte Rache, und sie wollte den Pfad aufhalten.«
»Aber sie kam nicht direkt zum Bauernhof«, sagte er.
»Stimmt. Sie ging zunächst zu der Stelle, wo du angeblich gestorben warst. Sie war auf dem Weg zum Hof, als der Waldkönig sie in Schlaf versetzte und dann Jes ausschickte, um sie herzubringen.«
»Der Waldkönig wollte sie nicht in seinem Reich?«, fragte Tier scheinbar unbeteiligt.
»Ich weiß nicht, was er wollte«, sagte Seraph. »Du kannst ihn ja fragen und sehen, ob er dir eine direktere Antwort gibt. Wenn der Waldkönig geglaubt hätte, dass sie uns etwas Böses wollte, hätte er sicher Jes nicht geholt, um sie zu uns zu bringen.«
Tier widersprach nicht, also entspannte sich Seraph und schmiegte sich wieder an ihn. »Auf dem Weg nach Taela half sie mir, den Jungen so viel wie möglich beizubringen. Sie hat Jes gerettet.«
»Das hast du vorher nicht erzählt. Wie das denn?«
»Weißt du, was ein Foundrael ist?«, fragte sie.
»Nein … warte mal. Ist das nicht dieses Hüter-Ding, das du einmal erwähnt hast? Das, was die Hüter beherrschen sollte, sie aber stattdessen in den Wahnsinn getrieben hat?«
Sie nickte. »Es gab ursprünglich zehn von ihnen - jetzt sind es nur noch neun. Benroln - ich habe dir doch erzählt, dass sein Clan einer von denen war, die die Solsenti ausnutzen. Er war der Meinung, gute Gründe dafür zu haben; Solsenti hatten seinen Vater und andere Clanmitglieder getötet. Er glaubte, mich zwingen zu können, ihm zu helfen, indem er Jes mit einem Foundrael festhielt. Während ich mich um Benroln kümmerte, ist es Hennea gelungen, das Foundrael zu zerstören.«
»Es war also schwierig?«, fragte Tier mit neutraler Stimme.
Seraph schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich habe so etwas nie versucht.«
»Wie mächtig ist Hennea eigentlich?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht. Es gibt keine Maßstäbe für Magie«, sie runzelte die Stirn und fuhr dann verärgert fort, »obwohl Solsenti -Zauberer offenbar denken, dass es so etwas geben sollte. Ausbildung ist ebenso wichtig wie Macht - wenn auch weniger für Raben als für Zauberer ohne Weisung. Hennea ist gut ausgebildet; das merkt man ihr an. Die Leute sagen: ›beherrscht wie ein Rabe‹, und es ist genau diese Gelassenheit, die sie damit meinen.« Unwillkürlich klang sie bei diesen Worten ein wenig sehnsüchtig.
Tier hörte es offenbar, denn er rieb ihr spielerisch die Nase.
»Du kannst dich gut genug beherrschen, dass die meisten Leute denken, du wärest kein bisschen aufbrausend. Was mich angeht, habe ich hier und da nichts gegen eine laute Auseinandersetzung.«
Sie lachte. »Welch ein Unsinn! Es ist unglaublich schwer, einen guten Streit mit dir anzufangen.« Sie wartete einen Herzschlag oder zwei. »Was hältst du also von Hennea?«
»Wie alt ist sie?«, fragte er.
Diese Frage hätte sie nicht erwartet, obwohl es Hennea offenbar störte, älter zu sein als Jes.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Sie sieht etwa zehn Jahre jünger aus als ich. Vierundzwanzig oder fünfundzwanzig vielleicht? Der Altersunterschied ist geringer als der zwischen uns beiden.«
Er drehte sich, bis seine Schulter unter ihrem Kopf lag. »Ich glaube, sie ist erheblich älter, als sie aussieht.«
»Warum sagst du das?«
»Ich sehe es in ihren Augen. Wenn mich meine Augen nicht an ihr offenbares Alter erinnern, habe ich das Gefühl, sie sei eine sehr alte Frau.«
Seraph dachte einen Moment darüber nach, was er gesagt hatte.
»Die Beherrschung, die Raben anstreben, ist für gewöhnlich eine Domäne der sehr Alten«, sagte sie. »Ich habe es auch schon bei anderen Raben erlebt, auch wenn es mir selbst nie gelang, es richtig zu machen.« Seraph wusste, dass die Rederni sie für kalt hielten, aber es war für sie so schwer, ihre Gefühle in Schach zu halten - und wenn sie es nicht täte, könnte sie für alle sehr, sehr gefährlich sein. Magie verlangte einen kühlen Kopf, und sie war eigentlich viel zu aufbrausend. »Henneas Selbstbeherrschung ist, glaube ich, der Grund, wieso Jes es ertragen kann, dass sie ihn berührt, während die meisten anderen Menschen ihn stören.«
»Magie kann das Leben von Menschen verlängern«, sagte Tier. »Ich bin einmal einem siebzigjährigen Zauberer begegnet, der nicht älter aussah als vierzig.«
»Zauberei, ja, aber ich habe dir schon gesagt, dass die Weisungen diese Wirkung nicht haben. Heiler wie Brewydd können vielleicht ihr Leben verlängern, aber nicht extrem lange.«
»Aber du sagtest, dass es Zauberei auch bei den Reisendenclans gibt«, sagte Tier. »Könnte Hennea auch eine Zauberin sein?«
Seraph setzte sich hin, überkreuzte die Beine und starrte ihm in dem trüben Licht ins Gesicht. »Du bist offenbar vollkommen davon überzeugt, dass sie wirklich alt ist.« Eulen konnten feststellen, wenn jemand log, aber weiter ging ihre Fähigkeit, die Wahrheit zu erkennen, nicht - das hatte sie jedenfalls immer angenommen.
»Es ist nur so ein Gefühl«, sagte er beinahe entschuldigend.
»Alle Raben sind auch Zauberer«, erklärte sie. »Genau, wie alle Hüter Empathen sind. Also ja, Hennea ist auch eine Zauberin. Aber ein Rabe, der bei seiner Magie nicht seine Weisung einsetzt … das wäre, als würdest du dir Watte in die Ohren stecken, wenn du singst.«
»Ich weiß, dass der Unterschied zwischen Zauberern und Raben darin besteht, dass Zauberer rituelle Magie einsetzen und Raben nicht darauf angewiesen sind«, sagte Tier. »Aber ich habe auch schon beobachtet, wie du auf Rituale zurückgegriffen hast.«
Seraph nickte. »Stimmt. Zauberei ist Wissen, und Rabesein hat mehr mit Intuition zu tun. Bis zu einem gewissen Grad stimmt das alles, aber am Ende ist es eher das Ergebnis des Unterschieds als der Unterschied selbst. Es ist, als würdest du sagen, der Unterschied zwischen einem Hund und einer Katze bestehe darin, dass ein Hund gehorsam und eine Katze unabhängig ist.«
»Kannst du es mir erklären?«
Sie dachte kurz nach. »Stell dir vor, Magie sei eine Bäckerei, die es nur einigen Menschen erlaubt, Brot herzustellen. Diese Leute können weder riechen noch schmecken.«
»Schwierig, dann zu backen«, stellte Tier fest.
»Sehr schwierig. Aber sie schaffen es, weil sie die Rezeptbücher sehr genau studieren und lernen, jede Tasse Mehl und jedes Zuckerkörnchen abzumessen.«
»Solsenti-Zauberer.« Tier nahm eine ihrer Hände und spielte mit ihren Fingern.
»Stimmt. Und jetzt stell dir vor, dass ein paar von diesen Zauberern einen Ring erhielten, der ihnen gestattete, zu riechen und zu schmecken.«
»Und dieser Ring nennt sich Weisung des Raben.«
»Stimmt.«
»Aber sie könnten den Ring abnehmen.«
Seraph verdrehte gereizt die Augen und sprach schneller. »Nur wie mit einer ätzenden Seife, die ihre Haut verbrennt. Und in der Bäckerei ist es heiß, so heiß, dass einige Leute davon sterben. Andere lernen, mit der Hitze zurechtzukommen, und es gelingt ihnen, lange Zeit dort zu bleiben - aber nur, weil sie nichts anderes tun als Brot backen, und sie können nicht gehen oder aufhören zu backen, denn sonst sterben sie - das sind die Zauberer, die Jahrhunderte alt werden. Aber der Ring schützt vor der Hitze.«
Er legte einen Arm um ihre Taille und rollte sie lachend unter sich. »Also gut, also gut. Kein Rabe würde sich auch nur im Traum einfallen lassen, Zauberei einzusetzen, und Raben werden nicht Jahrhunderte alt.«
»Stimmt«, sagte Seraph und vergrub das Gesicht an seinem Hals. »Hennea ist also keine jahrhundertealte Zauberin - und sie ist auch nicht der Schatten. Das würden wir wissen - Jes würde es wissen.«
Tier rollte sich auf die Seite und schwieg einen Moment. Sie dachte schon, er wäre eingeschlafen, und war selbst dabei einzudösen, als er wieder zu sprechen begann.
»Wenn Hennea sich mit dir zusammengetan hat, um den Pfad zu stürzen, warum ist sie dann immer noch hier? Warum sucht sie nicht nach ihrem Clan, um sich ihm wieder anzuschließen? Du sagtest, der Pfad habe nicht ihren gesamten Clan umgebracht, nur ihren Geliebten, der ebenfalls Rabe war.«
Seraph setzte zu einer Antwort an, aber er fuhr fort. »Ich stelle diese Fragen wegen Jes. Ich denke, wenn sie glaubte, einfach gehen zu können, hätte sie uns so schnell wie möglich verlassen, schon wegen Jes.«
»Wie meinst du das?«, fragte Seraph stirnrunzelnd. Tier konnte besser mit Menschen umgehen als sie, aber sie war sicher, dass Hennea sich zu Jes hingezogen fühlte. »Sie mag Jes.«
»Sie liebt ihn«, erklärte er mit größerer Sicherheit, als Seraph sie je anderen gegenüber empfinde konnte. »Und deshalb würde sie gehen, wenn es ihr möglich wäre.«
»Das verstehe ich nicht.« Sie konnte es nicht ausstehen, wenn Tier so etwas tat - er hatte so gut wie immer recht, was Menschen anging, aber sie konnte es nicht leiden, wenn er sich bewusst unklar ausdrückte, und genau deshalb tat er es natürlich.
Tier grinste, und seine Zähne blitzten hell in dem trüb beleuchteten Raum. »Nicht du, meine Liebe. Du nimmst die Welt und schüttelst sie so lange, bis sie dir passt. Die meisten von uns haben dafür zu viele Zweifel. Und Hennea macht sich Sorgen um Jes. Nicht nur, weil er zu jung ist, sondern auch wegen seiner Weisung. Er befindet sich mitten in einer Veränderung - das muss dir doch aufgefallen sein.«
»Ja.« Seraph unterdrückte strengstens die Angst, die dieser Gedanke ihr verursachte. »Jes verwandelt sich nun häufiger in den Hüter, und es passiert schneller.« Sie sagte das Nächste sehr rasch, als ob sie damit verhindern könnte, dass es wahr war. »Und ich glaube nicht, dass der Hüter in letzter Zeit wirklich vollkommen verschwunden war.«
»Jes hat mir als Hüter gesagt, was im Brunnen des Schmieds lebte«, erzählte er ihr. »Er sagte, er könne es riechen. Ist Jes jemals einem Nebelmahr begegnet?«
Seraph zupfte nervös an der Decke. »Nicht, dass ich wüsste. Hier in den Bergen gibt es keine Nebelmahre, und auf dem Weg nach Taela haben wir auch keinen gesehen.«
»Das dachte ich mir schon. Ich fragte ihn, wie er das wisse, und der Hüter verschwand willentlich und ließ Jes lange genug herauskommen, um mir zu sagen, er wisse nicht, warum, und dann kehrte der Hüter zurück.«
»Warum sollte er so etwas tun?«
»Ich denke, wenn der Hüter mir gesagt hätte, dass er es nicht wisse, hätte er gelogen.«
»Der Hüter weiß Dinge, die Jes nicht weiß?« Seraph tastete nach Tiers Hand und drückte sie sehr fest, als sie sie fand. »Das ist nicht gut. Wenn Jes überleben soll, müssen er und der Hüter eins sein.« Das hatte ihr Vater jedenfalls ihrem Hüterbruder gesagt.
»Ich werde mit ihm reden«, sagte Tier, als ob Reden alle Probleme lösen könnte.
Seraph gestand sich zumindest zu, sich danach besser zu fühlen. Für Tier löste Reden wirklich viel mehr Probleme als für sie.
Tier bewegte sich und sie, bis ihr Kopf wieder an seiner Schulter lag, dann deckte er seine Frau gut zu.
Hennea liebte Jes. Seraph war ziemlich sicher, dass Jes dasselbe empfand, obwohl so etwas bei ihm manchmal schwer zu sagen war.
»Sie hat nie davon gesprochen, aber ich denke, sie hat vielleicht keinen anderen Platz, wohin sie gehen kann«, spekulierte Seraph. »Ich weiß nicht, was Jes zu ihr gesagt hat, um sie dazu zu bringen, mit uns zu kommen, aber Lehr erwähnte, dass sie eigentlich mit Benroln gehen wollte. Ich weiß allerdings, was sie dazu bringen könnte zu bleiben.«
»Und das wäre?«
»Pflichtgefühl. Sie ist ein Rabe, Tier. Sie hat eine Verantwortung, die über Liebe und Familie hinausgeht. Irgendwo da draußen ist ein Schatten, der uns vernichten will, mein Liebster. Er wird dich zweifellos verfolgen - und es ist ihre Pflicht, hier zu sein, wo sie ihn umbringen kann.«
Tier lachte und wiegte ihren Kopf sanft. »Sie oder ich?«
»Schlaf jetzt gefälligst«, schimpfte sie, um zu verbergen, wie besorgt sie war.
 
Als sie und Tier am nächsten Morgen zum Bauernhof zurückkehrten, saß der Priester auf der Verandabank und hatte die Augen geschlossen.
»Du siehst müde aus, Karadoc«, sagte Tier und winkte ein paar Leuten zu, die ihn vom Feld aus grüßten, wo sie die Zelte abbauten.
Karadoc öffnete die leuchtenden braunen Augen. »Du musst reden! Wenn ich sehe, wie du dich bewegst, würde ich sagen, deine blauen Flecken sind mindestens so schlimm wie meine.«
Tier nickte zu den Feldern hin. »Ist es in Ordnung, wenn die Leute nach Redern zurückkehren?«
Karadoc lächelte; ein geheimnisvolles, erfreutes Lächeln. »Ellevanal sagt ja, also habe ich allen ausrichten lassen, sie sollen packen. Ihr werdet euer Zuhause heute Abend wieder für euch haben.«
 
Karadocs Vorhersage war ein wenig optimistisch gewesen, und Seraph und Tier verbrachten eine weitere Nacht in Isoldas
Mermora-Haus. Die Dorfbewohner interessierten sich mehr dafür, ihren Sieg zu feiern, als gleich nach Hause zurückzukehren. Seraph vermutete, dass sie auch ein wenig nervös waren, was die Rückkehr ins Dorf anging. Es würde eine Weile dauern, bis Redern sich für sie wieder sicher anfühlte, was immer Karadoc ihnen versprach.
»Danke, dass du für uns auf Rinnie aufgepasst hast«, sagte Seraph, als sie Alinath half, ihre Sachen aus der Ecke des Hauses zu holen, in der Lehr und Jes für gewöhnlich schliefen.
Es war der Nachmittag des zweiten Tages seit ihrer Rückkehr, und Seraph hoffte, dass in der kommenden Nacht alle wieder in ihren eigenen Betten schlafen würden. Zu diesem Zweck hatte sie Tier und ihre Kinder ausgeschickt, um auch die letzten Dorfbewohner zu ermutigen, nach Redern zurückzukehren.
»Rinnie ist eine Freude«, sagte Tiers Schwester, faltete ein Hemd ordentlich und steckte es in eine Tasche. »Bevor wir hierherkamen, half sie uns in der Bäckerei.« Sie hielt inne. »Ich danke dir, dass du meinen Bruder gefunden hast. Wenn du und die Reisenden ihn nicht gefunden hätten, wäre er tot.«
Seraph zuckte unbehaglich die Schultern. Sie wusste nicht, was sie Alinath antworten sollte. Die alte Feindseligkeit zwischen ihnen verging nach und nach, aber sie war nicht sicher, womit sie sie ersetzen sollte.
»Tier weiß sich zu helfen«, sagte sie schließlich. »Hat er dir erzählt, dass ihn sogar der Kaiser um seinen Rat bat?«
Alinath lächelte, und die Erleichterung auf ihrer Miene machte Seraph deutlich, dass ihre Schwägerin die Lage nicht einfacher fand als sie selbst. »Ja, er erwähnte es, aber ich dachte, er übertreibt.«
Seraph schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe nie gehört, dass er übertrieben hätte, wenn es um seine eigenen Verdienste ging - eher das Gegenteil.«
»Tatsächlich?« Alinath dachte kurz darüber nach. »Hat er wirklich all die jungen Raufbolde genommen und sie in eine Armee für den Kaiser verwandelt?«
 
»Sie sind immer noch Raufbolde. Jedenfalls die meisten. Aber sie beten Tier an und haben um seinetwillen für den Kaiser gekämpft. Tier kann gut mit jungen Männern umgehen.«
»Da wir gerade von jungen Männern sprechen«, sagte Alinath. »Ist dir aufgefallen, dass mindestens die Hälfte der Dorfmädchen Lehr anschmachten? Er ist ein Held, weil er gegen diesen Troll gekämpft und ihn getötet hat.«
»Er und die meisten Männer aus dem Dorf«, verbesserte Seraph trocken. »Und ich habe den Troll getötet.«
Alinath grinste; das ließ sie Tier sehr ähnlich sehen. Es war kein Ausdruck, den Seraph je zuvor auf Alinaths Zügen gesehen hatte - aber ihre Schwägerin war seit Tiers Heirat auch nur selten in so guter Laune gewesen. »Niemand wird sich diesmal darüber beschweren, dass du Magie verwendet hast. Ich bezweifle allerdings, dass dich jemand anschmachten wird.«
Seraph bediente sich der Lieblingsmiene ihrer Tochter und verdrehte die Augen. »Wahrscheinlich rennen sie lieber weg. Sie haben zwanzig Jahre gebraucht, um zu vergessen, dass ich beinahe die Bäckerei zum Einsturz gebracht habe - denkst du, es wird auch zwanzig Jahre dauern, bis sie den Troll vergessen?«
Alinath steckte das letzte von Bandors Hemden in die Tasche. »Ich glaube nicht, dass sie das jemals vergessen werden«, erklärte sie ernst. »Aber ich denke auch, es ist vielleicht nicht unbedingt schlecht, wenn sie sich erinnern, dass du nicht nur eine Bauersfrau bist.«
»Genau das bin ich doch.« »Nein.« Alinath band die Tasche zu und hob sie hoch. »Du bist eine Reisende, ein Rabe des Clans der Schweigsamen.«
»Des Clans von Isolda der Schweigsamen«, verbesserte Seraph. »Aber ich bin auch Seraph Tieragansweib. Isoldas Clan ist schon seit mehr als zwanzig Jahren tot. Ich war länger Rederni, als ich Reisende war.«
»Seraph«, sagte Alinath. »Du warst immer Reisende - und auch Rabe. Das wissen wir seit dem Tag, an dem du in der Bäckerei deine Kräfte gezeigt hast, wir alle - selbst Tier.«
Sie griff nach ihren Taschen und ließ Seraph stehen.
Einen Moment später schüttelte Seraph die Nachwirkung von Alinaths Worten ab. Alinath war nicht Tier, der ausgesprochen zutreffende Beobachtungen machte, wenn es um Menschen ging.
Sie hatte ihr Reisendenerbe aufgegeben und es gegen Tier und ihre Kinder getauscht. Sicher, die Zeit, die sie diesen Sommer bei Benrolns Clan verbracht hatte, war angenehm gewesen, so als hole man ein Hemd heraus, das man jahrelang weggepackt hatte, um festzustellen, dass es immer noch passte. Aber das hier war genau der Ort, wo sie hingehörte.
Nur, dass sie immer noch Reisendenkleidung trug und nicht die Röcke einer Redernifrau.
Mit raschen Bewegungen zog Seraph die Bettwäsche ab, damit sie sie waschen konnte. Sie ging auf die Leiter zu, dann drehte sie sich wieder um. Der Raum war klein und karg, ein Drittel der Zelle, die Tier im Palast in Taela bewohnt hatte. Es war der Raum, in dem sie ihre Kinder zur Welt gebracht hatte.
In ein paar Wochen würde die Erntezeit beginnen. Dieses Jahr würden sie keine Ernte haben, aber das war gut so, denn sie mussten sich um den Schatten und das Problem der Edelsteine mit den Weisungen kümmern. Reisendenangelegenheiten, die sie hinter sich bringen musste, bevor sie sich wieder niederlassen und zur Redernifrau werden konnte.
Dann würde es keine Magie mehr geben; sie würde nur in jeder Jahreszeit den Schutzzauber verstärken.
»Das hier ist mein Heim«, sagte sie laut, um diesem erstickenden Gefühl, das ihre Brust so eng machte, etwas entgegenzusetzen. »Ich gehöre hierher.«
 
Seraph beauftragte Tier und ihre Söhne, den Auszug der Dorfbewohner zu beschleunigen - wobei Tier nur die Aufsicht führte -, und ließ sich von Rinnie helfen, um das Haus sauber zu machen und sich alles in Ruhe anzusehen.
»Es ist gut, dass du dich um den Garten gekümmert hast, als wir weg waren«, sagte Seraph und schrubbte einen neuen Fleck auf dem Boden weg. »Ich hatte schon befürchtet, wir müssten Tier nach Leheigh schicken, damit er dort einkauft, aber mit dem Garten werden wir es schaffen.«
»Tante Alinath, Onkel Bandor und ich sind einmal in der Woche hierhergekommen.« Rinnie stieg auf den Tisch, damit sie den Inhalt der Schränke besser sehen konnte. »Die Arbeit in der Bäckerei ist wirklich schwer. Ich verstehe, wieso Papa lieber Bauer sein wollte.«
»Einen Hof zu bebauen ist ebenfalls schwere Arbeit«, sagte Seraph. »Und die Bäckerei bringt viel Geld ein.«
»Aber in der Bäckerei muss man dauernd im Haus sein.« Rinnie holte einen Krug aus einem Schrank und spähte hinein. »Mir haben Gura und Scheck und der Garten gefehlt.«
»Und wir nicht?«
Rinnie grinste. »Ich habe euch auch vermisst. Wenn ihr das nächste Mal zu einem Abenteuer auszieht, komme ich mit.«
»Es sah für mich ganz so aus, als hättest du dein eigenes Abenteuer gehabt«, stellte Seraph fest.
»Mutter, Kormorane sind für überhaupt nichts gut«, beschwerte sich Rinnie und stellte den Krug ab. »Sieh doch nur, wie Papa, Jes, Lehr und du gegen den Troll gekämpft habt. Ich konnte es nur auf ihn regnen lassen.«
»Die Weisungen unterscheiden sich voneinander«, sagte Seraph. »Wir sind unterwegs einem anderen Kormoran begegnet - hat dein Vater dir das schon erzählt? Er hat einiges Geld verdient, indem er das Wetter manipulierte. Er suchte sich ein reiches Dorf aus und sorgte einen Monat oder zwei für Trockenheit, dann ließ er sie dafür bezahlen, dass er Regenwolken schickte.«
Rinnie richtete sich vollkommen verdutzt auf. »Reisende sollen anderen doch helfen, Mutter!«
»Das habe ich ihm auch gesagt«, erklärte Seraph ernst. »Er tut es jetzt nicht mehr.«
Rinnie grinste. »Ich wünschte, die Leute würden, wenn ich ihnen etwas sage, auf mich auch so hören wie auf dich.«
Die Tür wurde aufgerissen, und Jes kam herein. »Sie sind weg, und wir sind wieder da«, sagte er in einem Atemzug. »Wir haben sie nach Redern begleitet. Ich bin froh, dass sie weg sind.«
Seraph zog die Brauen hoch. »Stiefel?«, fragte sie leise. »Ich habe gerade den Boden gewischt und nicht vor, das so bald wieder zu tun.«
Er wich rasch aus dem Haus zurück und setzte sich auf die Veranda. »Alle mussten mich anfassen, anfassen, anfassen. ›Hallo, Jes‹, sagten sie. ›Schön, dass du wieder da bist.‹ Und dann ging es weiter: grabsch, grabsch, grabsch.«
»Das tut mir leid. Du hättest sie bitten sollen, das nicht zu tun.«
»Hennea sagte: ›Hört auf, den Mann anzufassen, ihr Dummköpfe. Es tut ihm weh‹, und sie haben aufgehört.« Er zog einen Stiefel aus und blickte erfreut auf.
»Hennea ist wütend geworden?«, fragte Seraph überrascht.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, sie sagte es nur sehr entschieden. Aber sie darf mich berühren. Das habe ich ihr auch gesagt.«
»Vor allen anderen?«, fragte Rinnie entsetzt.
Seraph musste sich anstrengen, nicht laut zu lachen.
Lehr und Gura kamen auf die Veranda, als Jes mit seiner Geschichte fertig war.
»Hennea wurde rot und stolzierte davon«, ergänzte Lehr. »Papa lachte und erklärte, es sei unhöflich, einer Frau zu sagen, sie könne einen anfassen, wenn andere Leute zuhören. Alle haben Jes gratuliert, weil er ein so hübsches Mädchen gefunden hat.«
»Arme Hennea.« Es fiel Seraph wirklich schwer, sich ihr Lächeln zu verkneifen.
»Wir sollen dir von Papa ausrichten, dass er heute Abend im Dorf bleibt, um Tante Alinath und Onkel Bandor zu helfen. Er wird morgen früh nach dem Backen zurückkommen. Die Bäckerei war in ziemlich schlechter Verfassung. Es sieht aus, als hätte etwas anderes als der Troll dort alles demoliert.«
»Schlimm?«
Lehr schüttelte den Kopf. »Es wirkte, als wären ein paar Kinder eingebrochen und hätten versucht, so viel Unheil anzurichten, wie sie nur konnten. Einer der Töpfe mit Hefe war umgekippt, aber Papa sagt, sie werden sie wohl retten können. Wenn nicht, kann Alinath mit dem Braumeister um neue verhandeln.«
»Was ist mit Hennea?«
Lehr grinste wieder. »Ich nehme an, sie wird bald hier sein. Ich weiß nicht, wohin sie gegangen ist, aber sie hat ihre Verlegenheit inzwischen sicher überwunden.«
»Wo wird sie schlafen?«, fragte Jes. »Wir werden ein paar Latten aus der Scheune holen«, meinte Lehr nach kurzem Nachdenken. »Dann können wir Rinnies Teil des Raumes mit einem Rahmen abtrennen, den wir mit Stoff bespannen. Rinnie und Hennea können dahinter schlafen. Papa hat ohnehin schon davon gesprochen, dieses Jahr so etwas für Rinnie zu machen.«
»Gute Idee«, sagte Seraph. »Und wir haben noch eine alte Matratze in der Scheune. Sie muss nur neu gestopft werden. Du solltest deine Stiefel vielleicht wieder anziehen, Jes.«
Jes seufzte tief und steckte den Fuß in den Stiefel. »›Zieh die Schuhe aus, Jes, du machst den Boden schmutzig.‹ Und dann heißt es plötzlich: ›Zieh sie wieder an, Jes, ich habe Arbeit für dich.‹«
»Es ist für Hennea«, erinnerte Lehr ihn.
Jes seufzte und band sich den Stiefel wieder zu.
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