mindestens zwei Schichten nicht mehr hier an Deck sehen.«
»Aye, aye, Sir«, sagte sie und brachte mühsam ein mattes Lächeln und einen müden Salut zustande.
Zainal half ihr vom Sessel hoch und brachte sie in ihr Quartier. Er mußte sie auf die obere Schlafkoje hieven, und als er sie in die rauhe cattenische Armeedecke einwickelte, waren seine großen Hände überaus sanft.
Sie mußten während der nächsten zwei Wochen einige heikle Begegnungen vermeiden, bis sie endlich in den verkehrsärmeren Raumsektor gelangten, der zum Botany-System führte. Vorwiegend handelte es sich um routinemäßige Funksprüche von Schiff zu Schiff, die Zainal in der falschen KDI und Mitford in der KDM führten.
Sie besprachen außerdem, wie sie die Leute, die sie gerettet hatten, in die Botany-Kolonie integrieren könnten.
Kris ertappte sich dabei, wie sie Admiral Ray Scott verblüfft musterte: Unter all diesem Marinedrill und Militärgehabe kam ein Mann von ungewöhnlicher Empfindsamkeit zum Vorschein. Und von hoher moralischer Integrität. Sie war nicht die einzige, die ihm versicherte, daß diese Leute den Planeten niemals mit cattenischen Sklavenschiffen hätten verlassen dürfen.
»Verdammt noch mal, Ray«, sagte Beverly am zweiten Abend, »es ist ja nicht so, daß es mehr sind als wir! Dann müssen wir eben öfter auf die Jagd gehen und ein paar zusätzliche Felder bestellen. Wenn es sein muß, richten wir einen Hilfs- und Pflegedienst für diejenigen ein, die sich nicht selbst helfen können. Wir wissen noch nicht einmal, wie gründlich einige von ihnen geist-gelöscht wurden. Es könnte noch etwas vorhanden sein, das unsere Psycho-Experten vielleicht wecken und wiederherstellen können. Und schließlich könnten allein die Tatsache, wieder Mensch unter Menschen sein zu dürfen … nichts für ungut, Zainal … und gute Verpflegung und Fürsorge einige von ihnen wieder zu sich bringen.«
»Fast jeder hat jetzt so etwas wie ein Haus. Wir können ihnen Unterkunft, Nahrung und … sehr viel Fürsorge geben«, sagte Dowdall und räusperte sich. Er gehörte ebenfalls zu denen, die sich von ihren Gefühlen nicht überwältigen ließen.
»Und wir werden die Farmer informieren«, sagte Zainal.
»Meinen Sie, sie könnten irgendeinen psychischen Eingriff vornehmen und einiges von dem ersetzen, was gelöscht wurde?« fragte Dowdall.
Zainal zuckte die Achseln. »Das ist durchaus möglich, da sie wissenschaftlich viel weiter sind als wir. Warum nicht auch auf diesem Sektor?«
»Ich denke, wir können keine Wunder erwarten«, sagte Ray Scott, obgleich das kurze Aufflackern von Hoffnung in seinen Augen bei dem Gedanken einer möglichen Wiederherstellung niemandem am Tisch entging.
»Wir werden sie informieren«, wiederholte Zainal.
»Was mich ganz persönlich betrifft«, sagte Kris, »so können sie einem nicht mehr Arbeit machen als ein Baby, und wir könnten einen von ihnen in unserem Haus aufnehmen, nicht wahr, Zainal?«
Er nickte. »Solange er oder sie durch den Anblick eines Catteni nicht zu sehr aufgeregt wird.«
»Nun, ich denke«, fuhr Kris standhaft fort, »jeder sollte die Erfahrung machen, daß es in diesem Universum mindestens einen guten Catteni gibt!«
Sie näherten sich der Heliopause, als Zainal – ganz beiläufig, wie Kris meinte – erwähnte, es bestünde durchaus die Möglichkeit, daß sie Probleme haben könnten, das zweite Schiff durch die Blase zu schleusen.
»Weshalb?« fragte Kris. »Sie sind einander doch völlig gleich.«
»Es sind zwei, und nur eins hat die Blase verlassen.«
»Die KDL war schwanger, als sie startete. Die KDM ist ihre Tochter«, sagte Kris und mußte über ihre eigene Scharfsinnigkeit staunen.
Die anderen, die am Tisch in der Offiziersmesse saßen, lachten höflich.
»Es ist ein Problem«, sagte Beverly.
»Weshalb?« wollte Scott wissen. »Wenn wir ganz langsam fliegen, wie wir es beim Verlassen der Blase getan haben, und uns regelrecht hineinstehlen.«
Zainal war nicht überzeugt.
»Zu schade, daß wir uns nicht bei unseren Freunden bemerkbar machen und Raisha im Scout-Schiff rufen können, damit sie für uns ein Loch bohrt«, sagte Bert. »Vielleicht können wir huckepack hineingelangen«, schlug er vor, verwarf jedoch diese Idee sofort wieder mit einer Handbewegung. »Zu riskant.«
Zainal pflichtet ihm mit einem ratlosen Achselzucken bei.
»Das wäre wirklich schlimm, wenn wir die Leute bis vor die Tür brächten, sie aber nicht hineinbekämen«, meinte Dowdall.
»Es muß doch eine Möglichkeit geben«, sagte Scott und schaute Zainal an, als ob dieser ihn zu einer Idee inspirieren könnte.
»Wenn es eine gibt, dann finden wir sie auch«, entschied der ehemalige Emassi.
Aber es war offensichtlich, daß sich jeder an Bord der KDL während der restlichen Reise durch das Sonnensystem zu seinem dritten Planeten darüber den Kopf zerbrach.
»Maschinen«, sagte Kris, als sie auf der Kommandobrücke saß und ihren Anflug auf Botany verfolgte.
»Was?« fragte Scott. Er schaute von den letzten Kursberechnungen hoch, die sie unbemerkt sowohl am Satelliten als auch an der Orbitalkugel vorbeiführen würden.
»Gibt es hier an Bord vielleicht so etwas wie einen Traktorstrahl?« wollte sie von Zainal wissen.
»Einen was?« Er runzelte die Stirn, weil er diesen Begriff in seinem nunmehr beachtlichen Vokabular nicht finden konnte.
»Etwas, das ein anderes Schiff hinter sich herziehen kann, ein Schiff ohne Antrieb.«
»Sie hat die Lösung gefunden!« rief Scott. »Hat die KDL einen Traktorstrahl?«
Zainal brauchte ein wenig Zeit, um genau zu verstehen, was sie meinten, aber dann verzog seine Miene sich zu einem breiten Grinsen.
»Keinen Traktorstrahl, aber das Schiff kann Verbindung herstellen.« Er drückte beide Fäuste gegeneinander. »Ein Schiffsrumpf ist negativ, der andere positiv. Sehr einfach zu erreichen. Ich sage Bert Bescheid.«
Sie hatten nicht sehr viele Gespräche von Schiff zu Schiff geführt, weil sie befürchteten, abgehört zu werden. Aber so nahe bei Botany konnten sie es riskieren. Die Orbitalkugel könnte zwar etwas von dem Funkverkehr aufschnappen, aber es würde nicht ausreichen, um einen Alarm auszulösen. Es sei denn, hinter den Monden hätten sich Eosi versteckt und warteten auf sie.
»Oh, er meint, man sollte den Rumpf magnetisieren«, sagte Bert, als er begriff, um was es ging. »Okay, dann erklären Sie mir mal die Prozedur.«
Der leichte Ruck, als die KDM sich magnetisch hinter die KDL hängte, war von jedem deutlich zu spüren. Begleitet wurde dieser Vorgang von einem seltsamen Vibrieren in der Luft. Die KDL würde zuerst durch die Blase gedrückt, angeschoben von der KDM. Alle schauten nervös zu, als die glatte Außenhaut der Blase näher und näher kam und dahinter ein leuchtender Halbmond, als welcher Botany sich darstellte, sichtbar wurde. Bert hatte auf die geringste mögliche Vorwärtsgeschwindigkeit abgebremst, während Zainal, der sich vor ihm befand, ihn leitete. Die Nase der KDL stieß gegen die Blase, die weit genug aufklaffte, um das Schiff durchzulassen. Die gesamte KDL befand sich schon bald innerhalb der Blase, und sie spürten keinen Widerstand und auch keinen Ruck der Trennung von der KDM.
»Wir haben es geschafft!« jubelte Bert über den offenen Kanal. »Wir haben es geschafft! Und wie trenne ich uns jetzt voneinander? Entschuldigung, es war nur ein Scherz.«
Dann öffnete Rastancil einen Kanal und erkundigte sich, ob es allen gutging. Und was das andere Schiff auf seinem Bildschirm zu bedeuten hätte. »Was habt ihr getrieben, Leute?«
»Nun, wir mußten unsere Rettungsmission ordnungsgemäß abschließen«, sagte Scott, bei dem die Euphorie über die Überwindung des letzten Hindernisses auf ihrem Heimweg schlagartig nachließ. »Wir konnten sie nicht einfach …« An dieser Stelle versagte seine Stimme für einen kurzen Moment, dann fuhr er mit fester Stimme fort, »auf Barevi zurücklassen.«
»Sie haben jemanden gerettet? Wen? Was?«
»Sie werden es schon rechtzeitig sehen«, erwiderte Scott beinahe zornig. »Einige sind in einem ziemlich schlechten Zustand. Rufen Sie alle Mediziner und auch jeden anderen, der Erfahrung in Krankenpflege hat, schnellstens zusammen. Vor allem die Psychiater. Wir haben ein paar weitere Catteni-Gefangene, die ins Tal geschickt werden. Raisha soll sich bereit halten, sie auszufliegen. Dann brauchen wir ein weiteres Tal für ein paar Turs, die wir mitnehmen mußten. Raisha sollte zum Schutz ein paar Wächter mitnehmen, falls diese Bande zu früh aufwacht.«
»Ärzte? Psychiater? Was für Schäden haben sie denn?« Rastancil klang entsetzt.
»Das werden Sie schon in Kürze sehen«, erwiderte Scott mit gepreßter Stimme, »und wir brauchen nahrhafte Suppe oder irgend etwas anderes zum Essen.«
Er unterbrach die Verbindung, und sein Gesicht zeigte einen düsteren, brütenden Ausdruck.
»Es wird schon klappen, Ray«, sagte Kris und legte eine Hand auf seinen Arm. »Sie werden es sehen.«
»Botany kann es mit jeder Herausforderung aufnehmen«, fügte Dowdall mit dem Stolz eines Überlebenden des ersten Abwurfs hinzu.
Als die beiden Schiffe auf dem großen Feld vor dem Hangar landeten, hatte Rastancil Fahrzeuge, medizinisches Personal und genügend Helfer mobilisiert, um die Schläfer schnellstens auszuladen.
Jim Rastancil, Geoffrey Ainger, Bob Reidenbacker, Bull Fetterman – also all jene, die den Kolonierat bildeten -warteten geduldig auf Scott und Zainal, die mit der KDM kurz vor ihrem Schwesterschiff gelandet waren.
»Es hätte eine einstimmige Entscheidung aller Bewohner von Botany geben müssen«, meinte Scott, strich sich nervös mit den Fingern die Haare aus der Stirn und massierte dann seinen Nacken.
»Es wäre sicher eine einstimmige Entscheidung aller Botanybewohner gewesen«, erklärte Beverly mit Nachdruck.
»Verdammt, klar«, schlossen Dowdall, Kris und Mitford sich unisono an.
»Wer? Was?« fragte Rastancil, überrascht über Scotts Zögern.
»Die, die von den Eosi geist-gelöscht wurden«, sagte Scott knapp. »Sie sollten Gott weiß wohin geschafft und als Sklaven verkauft werden.«
»Mein Gott! Natürlich mußten Sie sie herbringen!« Rastancil erhob die Stimme. »Leon, Mayock, sehen Sie zu, daß die Leute schnellstmöglich rausgeschafft werden.« Dann rannte er mit dem medizinischen Personal die Rampe hinauf.
Kris begab sich noch vor ihm auf ihren Posten an den Deckkontrollen.
»Okay, jetzt muß alles schnell gehen«, hörte sie Bull Fetterman brüllen. »Holt den großen Schlitten hoch, die Träger mit den Bahren sollen zuerst kommen. Außerdem soll jemand Decken bereithalten, als Behelfstragen …«
Die Türen zu den Frachtabteilen öffneten sich, und obgleich mehrere Leute ein leichtes Würgen verspürten, als eine Wolke fauligen Gestanks herauswallte, gingen sie tapfer hinein und blieben stehen.
»Herrgott im Himmel …«, flüsterte Rastancil, starrte auf den menschlichen Müll, der kreuz und quer herumlag. Nur wenige hatten es geschafft, sich auszustrecken, ehe die Wirkung der Droge einsetzte.
»Und ich dachte, uns wäre es richtig schlecht ergangen«, murmelte Leon, kniete sich neben dem ersten bewußtlosen Körper hin und legte prüfend einen Finger auf die Halsschlagader. Gleichzeitig ließ er seinen Bück durch den Laderaum wandern.
Kris hatte die matte Beleuchtung eingeschaltet.
»Bahre hierher«, sagte Leon und deutete auf den Mann, um schließlich weiter in den Laderaum vorzudringen und sich um den nächsten reglosen Körper zu kümmern. »Mayock, wir sollten am besten alle erst einmal raustragen.«
Und damit begann die letzte Phase der Rettungsaktion.
Sechzehnhundert Menschen, glücklicherweise nicht alle von ihnen geist-gelöscht, doch viele mit mißhandelten Körpern und kleineren Verletzungen, wurden aus den beiden Schiffen herausgeholt. Dazu zweihundert Deski, einhundertvierzehn Rugarianer, neunzig Dginish und zwölf Turs.
Die Turs wurden auf einem der unteren Decks abgelegt, wo sie eingeschlossen wurden, für den Fall, daß sie aufwachten, ehe Raisha von ihrem Flug mit den Catteni zu ihrem neuen Lebensraum zurückkehrte. Die beiden Mannschaftsangehörigen aus der KDM waren während der Reise in ihrem tristen Schiffsgefängnis untergebracht gewesen und hatten nur Coo und Mitford in ihren Catteni-Rollen zu Gesicht bekommen. Ihnen war erklärt worden, ihr Schiff wäre beschlagnahmt worden. Einer von ihnen protestierte jedes Mal, wenn ihm das Essen gebracht wurde, gegen diese Behandlung. Er beschwerte sich sogar über die gute Verpflegung, die er erhielt, weil sie nicht dem entsprach, woran er gewöhnt war. Der andere Catteni schlief fast die ganze Zeit und stand lediglich auf, um seinen natürlichen Bedürfnissen nachzukommen und um zu essen. Ihnen wurden die Augen verbunden, ehe man sie aus der Zelle herausholte, so daß sie den Informationen, die die anderen Gefangenen haben würden, nur wenig hinzuzufügen hätten.
Dank der zahlreichen Helfer konnte Leons Teams diejenigen unter den Passagieren sehr schnell finden, die der größten Fürsorge bedurften. Die meisten anderen brauchten nur Ruhe, etwas Anständiges zu essen und Trost. Mittlerweile hatten viele das Bewußtsein wiedererlangt, und man konnte ihnen Wasser und eine Suppe anbieten, die eilig aus der Kantine herangeschafft wurde. Sogar ohne ausdrücklichen Befehl war plötzlich bei jedem Opfer ein Helfer, der ihm einen Empfang bereitete, der Kris’ Herz erfreute. Scott hätte mehr Vertrauen in die Großzügigkeit der Gemeinschaft haben sollen. Er hatte ja bei jedem neuen Abwurf, den die Catteni durchführten, dafür entsprechende Beispiele sehen können.
Einige wachten auf und waren völlig passiv, die leeren Gesichter ausdruckslos. Ihnen mußte beim Trinken geholfen werden, allerdings konnten sie schlucken oder essen, sobald ihre Lippen mit Nahrung in Berührung kamen. Andere erwachten schreiend oder hilflos schluchzend, und das war beinahe genauso herzzerreißend, auch wenn es andeutete, daß noch ein winziger Rest der ursprünglichen Persönlichkeit vorhanden war.
»Redet mit ihnen, Leute«, rief Leon. »Sie sollen die englische Sprache hören, menschliche Gesichter sehen. Füttert sie, aber laßt sie das Essen nicht hinunterschlingen.«
»Wer weiß, wann sie das letzte Mal eine anständige Mahlzeit hatten«, murmelte Anna Bollinger und versuchte die stark lädierte Frau neben sich daran zu hindern, die Suppenschüssel in einem Zug zu leeren. »Nur schlückchenweise. Es ist soviel da, wie Sie haben wollen.«
»Mein Gott, das ist ja wie nach einer Naturkatastrophe, nach einem Erdbeben oder so«, sagte Joe Latore und half einem Mann auf die Füße, der die ganze Zeit verzweifelt aufzustehen versuchte. »Was zum Teufel tun Sie da, Zainal? Müssen Sie denn ausgerechnet jetzt diese armen Leute fotografieren?«
»Ich zeige den Farmern, was die Eosi mit Leuten tun. Und ich zeige den Farmern, wie Menschen helfen«, sagte er und brachte die schwache Lampe dicht vor die leeren Augen von Joes Mann.
Dann drehte Zainal die Kamera, um auch die Frau aufzunehmen, die am ganzen Körper Blutergüsse hatte. Er ging weiter zu einer Gruppe von drei Frauen, deren Gesichter völlig ohne Ausdruck und deren Augen stumpf und leer waren.
Diejenigen, die zwar verwundet waren, aber aus eigener Kraft laufen konnten, wurden mit Anweisungen für die weitere Pflege und Betreuung zu den Häusern freiwilliger Helfer geschickt.
»Möchte baden!« verlangte jemand mit lauter Stimme. »Mal sehen, was unter all dem Schmutz und Dreck zum Vorschein kommt!«
Alle waren geradezu begierig zu helfen, so daß einige fast enttäuscht waren, als allen Opfern eine Bleibe zugewiesen worden war.
Leon und die anderen Angehörigen des medizinischen Personals gaben allgemeine Ratschläge, die ersten wichtigen Notmaßnahmen betreffend. »Halten Sie sie warm, geben Sie ihnen reichlich zu trinken, aber seien Sie mit fester Nahrung vorsichtig, bis ihre Körper sich daran gewöhnt haben. Sie sollen soviel wie möglich schlafen. Aber überlassen Sie sie nicht sich selbst. Wir werden in Kürze Untersuchungsteams zusammenstellen, die sich ansehen sollen, wer von den Leuten sich vielleicht für eine Rehabilitation eignet.«
»Schaffen Sie das, Leon?« fragte Scott ernst.
»Ich denke schon, Ray«, erwiderte Leon nicht ohne einen scharfen Unterton. »Wir können es schaffen, und wir haben es schon geschafft.« Dabei deutete er mit einer ausholenden Geste auf die umstehenden Gebäude. »Wer weiß? Gute Verpflegung, frische Luft, freundliche Gesichter …« Er deutete ein Lächeln an. »… und eine gründliche Trauma-Therapie bewirken vielleicht sogar bei einigen eine vollkommene Genesung.«
»Meinen Sie wirklich?« Scott war offensichtlich dankbar für jede Rechtfertigung seiner Entscheidung, der Kolonie soviel Verantwortung aufgeladen zu haben.
»Aber immer!« sagte Leon in einem derart zuversichtlichen Tonfall, daß Scott sich schließlich innerlich entspannte. »Sie hätten sie auf keinen Fall zurücklassen dürfen! Bei uns geht es ihnen allemal besser als anderswo.«
»Das stimmt«, bekräftigte Kris. »Sie sehen ziemlich geschafft aus, Ray.«
»Ich sollte auch einen mit zu mir nehmen. Mein Haus ist fertig«, sagte Scott und schaute den letzten Paaren nach, die den Platz verließen.
»Wir lassen die Leute rundgehen, Ray. Ich sorge dafür, daß Sie auch ganz sicher an die Reihe kommen«, versprach Leon mit einem Hauch leiser Ironie. »Im Augenblick, Ray Scott, verordne ich Ihnen jedoch erst einmal ausgiebige Ruhe. Ihnen auch, Kris. Sie haben ein Baby in der Kinderkrippe abgegeben, aber das scheint schon mindestens ein Jahr zurückzuliegen, oder?«
»So kommt es mir vor«, sagte sie. Sie war einfach zu beschäftigt gewesen, um an Zane zu denken. Aber er schien sich dort wohlzufühlen. Eine der in der Krippe beschäftigten jungen Frauen hatte ihr erzählt, daß es ihm wirklich gutginge.
»Das denke ich auch. Aber gehen Sie jetzt zu ihm.« Und Leon schob sie in die richtige Richtung. Dann, als er bemerkte, daß Kris nach Zainal Ausschau hielt, fügte er hinzu: »Als ich ihn das letzte Mal sah, begleitete er die letzte Schlittenladung.«
Zu ihrer großen Freude traf sie ihn kurz vor der Krippe, wo er ihr mit Zane auf dem Arm entgegenkam. Zane kreischte vor Freude, als er seine Mutter sah, und wäre beinahe aus Zainals Armen gerutscht, als er die Arme ausstreckte und sich seiner Mutter entgegenreckte. Zainal gab ihn gerne weiter, wobei er darauf achtete, daß seine Kamera, die an einem Riemen über seiner Schulter hing, nicht hin und her baumelte.
»Ich habe Sie filmen gesehen«, sagte Scott und änderte die Richtung, um mit ihnen zu gehen. Er brachte sogar ein mattes Lächeln zustande, als er die Begeisterung sah, mit der Zane seine Mutter umarmte.
Zainal tätschelte die Kamera und nickte. »Dieser Beweis ist nötig, um den Farmern zu zeigen, wie die Eosi Menschen behandeln. Helfen Sie mir dabei, einen Bericht zu schreiben, Ray?« Als Scott müde nickte, meinte Zainal weiter: »Was mit Worten nicht zu beschreiben ist, wird der Film zeigen.«
»Benutzen Sie eine der Zielflugraketen, die die Farmer im Kommandoposten haben?«
»Die Farmer dulden keine Rassenschädigung. Sobald sie sehen, was die Eosi tun, werden wir sicherlich wieder von ihnen hören.«
»Und was ist, wenn die Farmer nicht darauf reagieren?« fragte Scott.
»Das müssen wir abwarten, oder?« sagte Zainal, aber der Unterton in seiner Stimme verriet Kris, daß er nicht ruhen würde, bis er Phase Drei vollendet hätte, ganz gleich, wie schwierig es würde.
Es gab einige Diskussionen darüber, ob die Farmer überhaupt die Bildsequenzen abspielen könnten, die Zainal, Kris und der ehemalige Kameramann hergestellt hatten. Baxter hingegen hatte Standfotos geschossen, die tatsächlich langatmige Erklärungen überflüssig machten, und diese wurden sorgfältig in die Transportröhre gesteckt.
Die Zielflugrakete hatte keine Schwierigkeiten, die Blase auf ihrem Weg zu ihrem Bestimmungsort zu verlassen. Ihr Start wurde von der Orbitalkugel und dem geosynchronen Satelliten ebenso aufgezeichnet wie ihr abruptes Verschwinden kurz nach der Heliopause. Dieses Ereignis wurde zwecks weiterer Verbreitung sofort zum Hauptquartier der Eosi weitergemeldet.
Das Ix Mentat, das soeben von seinen beinahe vergeblichen Ermittlungen auf dem rebellischen Planeten zurückgekehrt war, reagierte derart rasend, daß seine jungen Helfer befürchteten, es könnte die Verbindung zu seinem Wirt verlieren. Es hatte soeben einen Bericht von Barevi erhalten, in dem das Verschwinden eines neuen Transport-Schiffs und von über zweitausend Sklaven mitgeteilt wurde. Sie waren für die Bergbaukolonie auf Ble Soc Fac Set vorgesehen gewesen, die dringend auf Ersatz für unvermeidbare Verluste durch ein schweres Grubenunglück wartete. Als der Bericht die Zusammensetzung der Lieferung offenbarte, stand das Ix Mentat für kurze Zeit seiner Selbstvernichtung näher als irgendein anderer Angehöriger seiner Klasse in ihrer langen Geschichte.
Die Genesung von einem solchen Anfall erfolgte nur langsam. Sein Wirt hatte körperliche Schäden davongetragen und mußte repariert werden, eine bisher so gut wie nie aufgetretene Komplikation während einer Eosi-Emassi-Symbiose.
Um ihren Chef zu beruhigen, gaben die Mentats Co und Se Anweisungen, daß auf dem innersten Mond des Problem-Planeten eine zusätzliche Einrichtung installiert werden sollte: ein zweiter Orbital-Körper, der auf eine langsamere Rotation programmiert war. Er würde eine ständige Überwachung gewährleisten und die rebellische Bevölkerung davon abhalten, den Planeten erneut heimlich zu verlassen, da es nun offensichtlich war, daß sie über zwei oder gar mehr Raumschiffe verfügten.
Als sich das Mentat Ix von seiner kurzzeitigen Schwäche erholt hatte, begann es die umfangreichste Expedition zu organisieren, die jemals von cattenischen Streitkräften unternommen worden war. Sie würde die schrecklichste Rache an diesem widerspenstigen Planeten üben, die je von einem Eosi Mentat inszeniert worden war. Anschließend gäbe es in der Galaxis keinerlei Opposition mehr, die in der Lage wäre, die Eosi in dieser Weise zu erniedrigen. Aber vorher müßten sie die Waffen oder die Methode finden, um die Barriere um den Kolonialplaneten zu zerstören oder zu durchbrechen. Eines Planeten, wie Mentat Ix all seinen Kollegen versicherte, der ohne Zweifel die Ursache aller Probleme wäre, mit denen Catteni und Eosi sich in jüngster Zeit herumschlagen müßten. Wäre er erst einmal vernichtet, könnten die Eosi wieder ihre normalen Aktivitäten aufnehmen und sich ungehindert ihrer Eroberungen erfreuen.
ENDE