Kapitel 12

 

 

»Baby ist durchgeschlüpft wie ein Aal«, berichtete Marrucci und grinste, als er mit den gefalteten Händen einen sich dahinschlängelnden Fisch imitierte. »Zainal ist sehr langsam geflogen, und das war vielleicht der ganze Trick. Wenn man mit Macht dagegen anstürmt, wird man wohl zurückgeworfen, wie es damals beim ersten Mal geschah, als wir unser Glück versucht haben.«

»Ich glaube, beim Wiedereindringen waren wir etwas schneller«, sagte Beverly nach einiger Überlegung.

»Wir hätten die Orbitalkugel der Eosi abschießen können. Baby ist schließlich bewaffnet. Es wäre eine nachdrückliche Warnung gewesen«, sagte Balenquah so übelgelaunt wie eh und je. »Wir hätten es tun sollen, wissen Sie! Damit hätten wir ihnen bewiesen, daß wir aktiv etwas gegen ihre Überwachung unternehmen können! Und sie hätten uns so gut wie nichts anhaben können.« Er fügte noch ein lautes selbstzufriedenes »Ha!« hinzu, ehe er sich eines der vorbereiteten Sandwiches vom Tisch holte und das Büro verließ.

»Gut, daß Sie mitgeflogen sind, General«, sagte Marrucci leise. »Dieser Kerl kostet mich noch den letzten Nerv.«

»Er ist ein guter Pilot«, meinte Beverly, doch er zeigte wenig Begeisterung.

Scott lehnte sich über den Tisch und bedeutete den beiden, das gleiche zu tun. »Trifft zu, was Balenquah gesagt hat? Sie waren nicht lange genug außerhalb der Blase, um von der Kugel gesehen zu werden?«

Beverly grinste. »Natürlich wurden wir gesehen. Zainal hat uns sogar am geosynchronen Satelliten vorbeigelenkt. Zainals wesentliche Absicht bestand nämlich darin, festzustellen, ob er die Blase überwinden könnte, und dafür zu sorgen, daß Austritt wie auch Eintritt registriert würden.«

»Würde das die Eosi denn nicht erst recht in Rage bringen?«

»Offen gesagt, hoffe ich das sehr. Jetzt, wo die Farmer uns beschützen …«

»Moment mal.« Scott richtete sich ruckartig auf. »Wie kommt Zainal darauf, daß sie das auch dann tun werden, wenn wir uns solche lächerlichen Heldenstückchen leisten?«

»Wenn man lichtjahreweit oben an der Spitze steht, dann braucht man sich nicht unbedingt der ›Rassenschädigung‹ zu bedienen, um diese Position zu halten – nicht mit der Technologie, über die die Farmer verfügen. Aber die Eosi nicht. Das wird sie laut Zainal wurmen, und ich denke, er sieht das durchaus richtig. Wenn sie weiterhin Botany attackieren, werden die Farmer dem nicht irgendwann Einhalt gebieten?«

»Dieser verdammte Zainal. Auf die eine oder andere Art und Weise kommt er doch noch zu seiner Phase Drei.« In Scotts Stimme schwang ein Hauch von Bewunderung mit. »Aber verdammt noch mal, er sollte uns bei solchen Entscheidungen doch lieber ins Vertrauen ziehen. Wir müssen schließlich das Wohl der Gemeinschaft im Auge behalten. Und wo ist Zainal überhaupt? Ich habe eine ganze Menge mit ihm zu besprechen.«

»Ach, er hat uns abgesetzt und ist zum Catteni-Tal weitergeflogen, um nachzuschauen, ob die Farmer auch dort waren. Ich dachte, das wüßten Sie.«

»Ich? Auf die Idee wäre ich ganz bestimmt nicht gekommen.« Scotts Miene verfinsterte sich. »Dieser verdammte Catt!«

»Offen gesagt, Ray, würde ich schon gerne wissen, ob die Farmer denen auch erschienen sind. Wohlgemerkt, ich fühle mich hier auf Botany sehr wohl, aber es gab auf der Erde noch eine ganze Reihe von Dingen, die unerledigt geblieben sind, und ich möchte, wenn irgend möglich, daran beteiligt sein«, sagte Beverly und nickte bekräftigend.

»Die Pflicht eines Soldaten, auf jeden Fall und egal wie zu seiner Einheit zurückzukehren?« fragte Scott mit einem leicht herablassenden Lächeln.

»Sie haben es erfaßt. Was mich betrifft«, Beverly faltete die Hände, »so werde ich nicht abwarten, bis die Erde von der Herrschaft der Eosi befreit ist. Viele von uns empfinden genauso. Und ich nehme an, daß weitaus mehr Leute, als Sie wahrhaben wollen, Zainal jederzeit dabei unterstützen würden, die Farmer um aktive Hilfe zu bitten.«

Scott ließ sich das durch den Kopf gehen und seufzte. »Wenn wir doch …« Dann fuhr er mit völlig veränderter Stimme und einem traurigen Lächeln fort: »Nicht daß ich hier auf Botany nicht einige sehr wertvolle Lektionen gelernt hätte.«

»Das haben wir alle«, stimmte Beverly ihm mit dem Anflug eines Lächelns zu und betrachtete sinnend die Schwielen an seinen Händen.

Als Zainal zurückkehrte, meldete er Ray Scott umgehend, daß die Farmer auch bei den Catteni erschienen wären und sie derart erschreckt hätten, daß zwei Talbewohner immer noch unter Schock stünden. Die anderen weigerten sich zu glauben, daß sie keinen Besuch von den Eosi erhalten hatten, und flehten ihn an, daß er sie an einen sichereren Ort bringen sollte.

»Ich habe ihnen erklärt, dies wären keine Eosi, sondern die wahren Eigentümer des Planeten gewesen, und daß ihnen noch viel Schlimmeres zustoßen würde, wenn sie das Tal verließen.«

»Was wäre denn schlimmer als die Eosi?« fragte Scott.

»Was sie nicht kennen, ist immer schlimmer«, meinte Zainal und zuckte die Achseln. »Sie werden niemals das Tal verlassen.«

»Haben Sie es denn schon mal versucht?«

Zainal hatte auch dafür nur ein Achselzucken übrig. »Nein. Der Drassi hat nur auf dem Schiff Befehlsgewalt über sie. Sie werden gar nichts tun.«

»Haben Sie sich lange genug außerhalb der Blase aufgehalten, so daß beide Satelliten Sie genau haben sehen können?«

»Das hat John Ihnen doch schon erzählt«, sagte Zainal.

»Meinen Sie, Zainal«, Scott lehnte sich lässig zurück, »daß es besonders klug ist, die Eosi auf diese Art und Weise zu reizen? Wie können wir sicher sein, daß die Farmer uns helfen, wenn wir unseren Feind ständig herausfordern? Wir wissen nur sehr wenig von ihrer Philosophie und Gesellschaft, oder auch von ihrer Technologie, außer daß sie allem überlegen ist, was wir irgendwann einmal gesehen haben.«

Zainal grinste, und der Ausdruck seiner Augen war drohend. »Zur Zeit herrscht bei den Eosi große Unruhe. Irgendeine andere Gruppierung ist weiterentwickelt als sie. Das werden sie nicht auf sich beruhen lassen. Sie werden zwei Dinge tun: nach den Farmern suchen und gleichzeitig versuchen, technologisch so weit wie möglich voranzukommen.«

»Ja, aber sind sie dazu fähig? Ich meine, Materietransmission, wie die Farmer sie einsetzen, ist doch ein Riesenschritt vorwärts, würde ich meinen«, sagte Scott.

»Gewöhnlich geschieht es während des Kriegs, daß Technologien weiterentwickelt werden«, sagte Beverly. »Das sollte uns noch mehr als anderen bewußt sein, Ray.«

»Unsere ach so hochentwickelte Technologie hat uns auch ganz toll geholfen, als die Catteni gelandet sind«, stellte Scott mit einem bitteren Lachen fest.

»Haben sie denn die Unterseeboote aufgespürt?« fragte Beverly.

Scott warf ihm einen beschwörenden Blick zu und deutete mit einer Kopfbewegung auf Zainal.

»Auf wessen Seite ist er, Ray?« fragte Beverly.

»Auf meiner eigenen«, antwortete Zainal grinsend, ohne gefragt worden zu sein. »Ich gehe jetzt nach Hause.«

Kris schlief schon, und sie wachte kurz auf, als sie spürte, wie er neben ihr unter die Decke schlüpfte.

»Du hast schon feste Pläne für Phase Drei, nicht wahr?« murmelte sie, und ehe er es zugeben konnte, war sie schon wieder eingeschlafen.

Zane weckte sie, als die Nacht hereinbrach, und wollte essen und anschließend ein wenig spielen.

»Nun, du hast doch, oder nicht?« sagte sie, als sie das Baby vor dem Kamin stillte. Zainal saß in seinem Sessel und schaute ihnen zu. Mit einer Hand strich er über die Armlehne.

»Was habe ich?«

»Phase Drei geplant.«

Er grinste sie an. »Es ist doch nur logisch, das zu beenden, was Mitford begonnen hat. Die Farmer auf uns aufmerksam zu machen, damit sie herkommen und sich ansehen, was wir mit ihrer Welt getan haben. Daß die Eosi herkamen, ist sehr gut. Wir haben ihre Pläne nachhaltig gestört, und das war schon seit vielen Generationen nötig.«

»Erzähl mir bloß nicht, daß schon andere Catteni versucht haben, die Eosi loszuwerden.« Das überraschte sie.

»Es wurde heimlich darüber gesprochen«, gab er zu und trommelte mit den Fingern auf der Armlehne. »Ich war auf Barevi, um mit … einer Gruppe über einen entsprechenden Plan zu reden.«

»Tatsächlich? Und ich habe dir all das verdorben, oder?« Kris errötete vor Scham. »Hast du darüber mit Chuck gesprochen? Oder mit jemand anderem?«

Zainal hob die Schultern. »Ich hatte keinen Grund dazu, bis jetzt.«

»Wolltest du deshalb in der Lage sein, den Planeten zu verlassen?«

»Ich denke, daß es schon sehr günstig wäre, wenn diejenigen, die sich gegen die Eosi wehren, eine Basis hätten.«

»Noch mehr Catteni hier?« Kris wußte genau, daß es mehrere hundert Leute gab, die dagegen etwas einzuwenden hätten. Vielleicht aber auch nicht, da den Leuten nun eigentlich klar sein müßte, daß es die Eosi waren, die die Aktionen der Catteni steuerten. Das Problem war, daß viele Catteni viel zu sehr genossen, was die Eosi den Angehörigen anderer Rassen antaten.

»Das gäbe Ärger, wenn es bekannt würde«, stimmte Zainal ihr zu, indem er ihrem Gedankengang folgte. »Es gibt diesen Wüstenkontinent. Niemand geht normalerweise dorthin.«

»Das stimmt. Und wenn die Leute nicht wüßten, daß dort Catteni sind … aber du kannst das nicht vor den Militärs verbergen, Zainal. Sie vertrauen dir jetzt. Sie würden niemals …«

»Keine Sorge, ich weiß ihr Vertrauen zu würdigen. Ich werde es ihnen erzählen, wenn ich denke, daß ich schaffe, was ich tun möchte. Ich brauche dazu viel Unterstützung von Beverly, Scott, Easley, Yowell, Bert, Raisha. Wir müssen auch von der Erde noch viele retten.«

»Das Transport-Schiff?« Sie hatte Zane erschreckt und mußte ihn wieder beruhigen.

Zainal nickte. »An Bord der KDL befindet sich vieles, was wir brauchen. Die Sternenkarten, die verschiedenen Codes …«

»Würden die Eosi die Codes denn nicht ändern? Nur für den Fall, daß du von hier wegkommst?«

Zainal schüttelte den Kopf. Seine gelben Augen funkelten im Feuerschein.

»Die Drassi lernen viel zu langsam, um so schnell zu reagieren.«

»Demnach mußt du schnell und möglichst bald handeln. Stimmt's?«

Er nickte. Ihr Herz klopfte heftig aus Angst um ihn.

»Hast du vor, auf der Erde zu landen?«

Er schüttelte den Kopf. »Barevi ist für mich sicherer. Dort herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, und wir können uns bei den neuen Gefangenen viele Informationen holen. Und die ›transportieren‹, die wir brauchen.«

»Du, Emassi Zainal, kannst einfach reingehen und die Herausgabe der schlimmsten Gefangenen verlangen, und sie werden dir übergeben?« Die Angst verlieh ihrer Stimme einen sarkastischen Unterton. »Du mit einer Mannschaft von …«

»Deski und Rugarianern und Freunden, die sich vor den Emassi und den Drassi verstecken.«

»Ich wußte gar nicht, daß auch Deski und Rugarianer bei den Mannschaften der Catteni sind.«

»Sie bilden nicht die gesamte Mannschaft, sondern es sind nur die, die am häufigsten zu sehen sind«, sagte Zainal. Dann erhob er sich mit einer für einen so grobknochigen Mann eleganten, fließenden Bewegung und begann auf und ab zu gehen. »Wir sind kein Transport-Schiff. Wir kommen von den Bergwerken auf K’dasht Nik Sot Fil«, sagte er, während er den Raum durchmaß. »Wir brauchen bestimmte Arbeiter, stark, vielleicht mit ein wenig technischer Erfahrung. Wir kriegen, was wir brauchen – und bestimmte Dinge, die Botany braucht …«

»Und niemand wird etwas bemerken?«

»Dieses Zeug, um die Haut grau zu machen? Wie lange hält es sich auf dem Gesicht eines Mannes?«

»Keine Ahnung«, sagte sie, aber sie fing allmählich an zu erkennen, wie er es schaffen könnte. »Aber du kannst so viel mitnehmen, wie du brauchst.« Sie ging in Gedanken all jene durch, die als falsche Catteni aufgetreten waren, als die KDL gekapert wurde. »Aber werden denn die Eosi nicht alles genau beobachten? Was ist, wenn sie schon beobachtet haben, wie das Scout-Schiff aus- und einflog?«

Zainal lachte verhalten, blieb neben ihrem Stuhl stehen, um ihre Wange zu streicheln, und schaute auf das hungrige Baby hinunter.

»Ich hoffe doch, daß sie es gesehen haben.«

»Ja, aber du kannst doch nicht mit ihnen zusammentreffen, wenn du dich durch die Hintertür hinausschleichst, oder?«

»Bert Put geht raus und sieht nach, ob … die Luft klar ist?« Er hob fragend die Augenbrauen.

»Ob die Luft rein ist …«

»Gut, und ich nehme auch Catteni-Sprecher mit.« Er ging wieder auf und ab, rieb sich die Hände, während er laut nachdachte. »Hast du alles Barevi vergessen?« fragte er in dieser Sprache.

Erschrocken antwortete sie auf Barevi und bejahte. Könnte sie ihn begleiten? Wollte sie ihn begleiten? Sie wollte ganz gewiß nicht alleine zurückbleiben. Aber Zane?

»Chuck wäre nützlich«, fügte sie hinzu. »Und Jay Greene …«

Er war neben ihr stehengeblieben und schaute auf Zane hinunter, der mittlerweile eingeschlafen war. »Ich brauche dich auch.« Ihr kamen beinahe die Tränen. Ihr Herz war so voller Liebe für sie beide, und ihre Verantwortung zog sie in zwei Richtungen gleichzeitig.

»Sandy hat mehr Milch als eine Kuh«, sagte sie und wagte es nicht, Zainal in diesem Moment in die Augen zu schauen. Sie gab sich einen Ruck und redete schnell weiter: »Und das ist doch genau die Situation, für die wir dieses Krippensystem überhaupt eingerichtet haben, nicht wahr?«

Sie hörte, wie Zainal Rufnummern tippte. »Chuck? Haben Sie heute abend Zeit, um mit mir über eine Idee zu reden?«

Chuck Mitford entschied sofort, daß sie auch die hohen Militärs davon in Kenntnis setzen müßten. »Aber nur ein paar von ihnen«, meinte er weiter und rieb sich zufrieden grinsend die Hände, weil Zainal ihn als Crew-Chef mitnehmen wollte. Chuck hatte das noch nicht mal als besondere Gunst angesehen, denn er hatte tatsächlich den Körperbau und die Größe vieler Catteni. Er sah jedoch besser aus als die meisten, wie Kris zugeben mußte.

Scott mußte zu Rate gezogen werden – zumal Chuck wollte, daß er ebenfalls einen Catteni spielte. Und John Beverly, Gino Marrucci. Ninety Doyle, Dowdall, Mack Su wegen seiner elektronischen Kenntnisse, Yuri Palit und mehrere andere, die zur ursprünglichen Kommandogruppe gehört hatten, weil sie über Kenntnisse der cattenischen Sprache verfügten.

»Ich sehe keinen Grund, weshalb wir nicht sofort zur Erde starten können«, lautete Scotts erster Einwand.

»Ich habe keine Codes für die Erde … die KDL ist auf Barevi stationiert. Ich denke, daß wir mit den letzten Transporten von der Erde reden …«

»Und wenn wir ein anderes Schiff mit den richtigen Codes stehlen?« fragte Marrucci und spreizte die Finger, als säße er bereits in einem Cockpit und als wäre er im Begriff, jeden Moment zu starten. »Ich würde wirklich gerne auf die gute alte Terra Firma zurückkehren.«

Zainal grinste. »Das wäre auch eine Möglichkeit. Wenn ein Schiff zufälligerweise startbereit ist.«

»Sie können doch nicht die Mannschaft so einfach hierlassen …«, wandte Scott ein.

»Es gibt hier andere Täler«, sagte Zainal. »Die KDL kann problemlos auf Barevi landen und von dort aus wieder starten. Das ist wichtig. Ich weiß, daß wir die Dinge, die wir brauchen, ohne Schwierigkeiten übernehmen können.«

»Können wir eine Wunschliste aufstellen?« fragte Rastancil, und seine Miene hellte sich auf.

»Nein, eine Liste mit allem, was wir dringend brauchen.«

»Medizinisches Gerät?« fragte Chuck hoffnungsvoll und holte Notizblock und Bleistiftstummel hervor.

»Wenn wir welches finden, immer«, erwiderte Zainal und erinnerte Mitford daran, daß die Medizin der Catteni noch ziemlich primitiv war. »Guten Stahl, wenn wir ihn finden«, meinte er weiter, da er wußte, daß die Experten bessere Materialien brauchten, um geeignete chirurgische Instrumente herzustellen.

Chuck notierte ›Stahl‹ und unterstrich das Wort.

»Kriegen wir denn diesmal saubere Catteni-Uniformen?« fragte Yuri Palit und rümpfte die Nase.

Zainal schüttelte den Kopf. »Sie müssen auch riechen wie ein Catteni, und das tun Sie nicht.« Yuri verzog das Gesicht und seufzte. »Tragen Sie, was Sie immer während der Reise tragen, dann ziehen Sie sich auf Barevi um«, fügte Zainal grinsend hinzu. »Und jetzt« – damit holte er die Karten vom Raumhafen auf Barevi und seiner Umgebung hervor, um sie Chuck zu zeigen – »sollten wir uns ansehen, wohin wir müssen und was wir auf eventuelle Fragen erwidern müssen. Wenn Sie schnell gehen, als wüßten Sie genau, wohin Sie wollen, um dort zum Beispiel eine Nachricht loszuwerden, wird niemand Sie aufhalten und mit Fragen belästigen. Also müssen Sie sich dort auskennen!«

Dem stimmten sie sofort zu, aber im Laufe des Sprachunterrichts kamen Fragen auf, vor allem von all denen, die nicht auf Barevi gefangengenommen worden waren und die den Planeten überhaupt nicht kannten. An diesem Punkt schaltete Kris sich ein, denn sie war mit ihrem Besitzer häufig durch die Stadt geflogen.

»Können wir nicht ein paar Flitzer stehlen, anstatt uns dort zu Fuß vorwärts zu bewegen?« fragte Dowdall.

»Sie können Flitzer mieten«, korrigierte Zainal ihn. »Wir müssen uns entweder anpassen, oder wir fallen auf. Wenn wir uns nahtlos anpassen, können wir vielleicht sogar noch einmal zurückkommen.«

»Hey, das gefällt mir«, sagte Ninety Doyle und grinste. »Es gibt ein paar Tudos …«

Zainal deutete mit dem Bleistift auf Ninety. »Sie werden ein guter Tudo sein und die Befehle Ihres Drassi befolgen.«

»Ja, klar, Boß, schon verstanden, Boß Drassi«, sagte Ninety gutmütig, tippte gegen seine imaginäre Mütze und nickte gehorsam.

»Chuck, können Sie sich noch daran erinnern, wo genau die Sklaven festgehalten wurden?«

»Ich denke schon.« Damit holte auch Chuck ein Blatt Papier mit einer Skizze hervor, die er schon früher angefertigt hatte. »Wir sollten uns lieber ein paar Catteni-Symbole einprägen, um den Markierungen in den Fluren folgen zu können …«

Die Vorbereitungen nahmen zehn Tage in Anspruch, wobei diejenigen, die mitfliegen sollten, lange Lektionen über sich ergehen lassen mußten. Die Auswahl beschränkte sich auf die, deren äußere Erscheinung den Catteni am nächsten kam und die bereits Kenntnisse von der Sprache hatten und sich ein wenig auf Barevi auskannten. Scott, Marrucci und Yuri gehörten zwar nicht dazu, aber sie konnten denen zugeteilt werden, die sich zurechtfinden würden wie Chuck, Ninety Doyle, Dowdall und Mack Su. Coo, Slav und Pess waren ein wenig nervös, angesichts der Aussicht mitzugehen, aber sie müßten sich bei ihren eigenen Artgenossen melden und mögliche Neuigkeiten in Erfahrung bringen. Kris spielte aufgrund ihrer Kenntnis der Stadt und der Flitzer und ihrer Bedienung eine besondere Rolle. Die Beine ihrer Catteni-Uniform mußten verlängert werden, damit sie ihr paßte, doch nachdem ihr Haar mit grauem Schlamm, der die terranischen Locken verdeckte, zugekleistert und ihr Gesicht mit dem grauen Puder-Make-up geschminkt worden war, sah sie durchaus überzeugend aus. Sie beherrschte auch genügend Catteni und Lingua Barevi, um Flitzer zu mieten und überzeugend zu feilschen. Jemand, der mit barevischen Händlern nicht zu feilschen versuchte, hätte sich sofort verdächtig gemacht. In der KDL und im Scout-Schiff wurde genügend cattenische Währung gefunden. Zainal erklärte ihnen, daß Lieferscheine und Rechnungen auf die Registrierungsnummer der Schiffe ausgestellt und daß die Rechnungen an die Zentralbank geschickt wurden, von wo aus die jeweiligen Zahlungen vorgenommen wurden.

»Und ehe sie irgend etwas wittern, sind wir schon längst wieder weg«, sagte Doyle glucksend und rieb sich voller Vorfreude die Hände.

»Was geschieht, Zainal«, fragte John Beverly eines Morgens während der Planungsbesprechung, »wenn jemand Sie erkennt?« Alle am Tisch – Sandy Areson machte sie an diesem Morgen mit der grauen Schminke und ihrem Gebrauch vertraut – drehten sich zu ihm um.

»Ich bin tot«, sagte Zainal und verwarf diese Möglichkeit. »Niemand wird erwarten, mich zu sehen, vor allem nicht in einer Drassi-Uniform«, meinte er abschließend.

Sandy legte den Kopf schief. Dann erhob sie sich halb, streckte den Arm über den Tisch, legte die Hand unter sein Kinn und drehte seinen Kopf prüfend hin und her.

»Kein Problem«, sagte sie. »Wir fügen ein paar Wangenpolster hinzu, so daß er ein wenig fetter aussieht, dann kommen ein paar weitere Falten in sein Gesicht, damit er älter wirkt, und schon würde ihn noch nicht einmal seine eigene Mutter wiedererkennen.«

»Was ist das? Polster?« fragte Zainal und war offenbar ein wenig entsetzt.

»Ich war mal als Maskenbildnerin für eine Theatertruppe tätig, Zainal. Vertrauen Sie mir. Sie werden sich selbst nicht mehr wiedererkennen. Ich bringe ein paar zur Hütte und zeige sie Ihnen.« Als sie weitere skeptische Mienen sah, meinte Sandy: »Sie alle werden ihn auch nicht erkennen. Glauben Sie mir.«

Als sie Kris und Zainal später an diesem Abend zeigte, was sie meinte, staunten sie darüber, welche Wirkung die paar Veränderungen hatten.

»Ich würde an Ihrer Stelle ein wenig gebeugt gehen«, riet Sandy ihm. »Drassi sind ziemlich klein und gehen nicht in stolzer Haltung wie ein Emassi, wissen Sie.«

Zainal grinste und bedankte sich bei ihr. Es war ein Grinsen, das, bedingt durch die Wangenpolster, sehr fremd aussah.

»Nimm sie raus«, verlangte Kris, nachdem Sandy gegangen war. »Ich teile diese Hütte nicht mit einem Fremden. Einem sehr unattraktiven Fremden, möchte ich noch hinzufügen.« Und sie schüttelte sich vor Abscheu, bis er die Polster entfernt hatte und wieder aussah wie immer.

Die Ankunft des Ix Mentat und seiner zwei jungen Begleiter auf dem größten cattenischen Erd-Raumhafen in Texas in der Nähe dessen, was früher Houston gewesen war, verursachte umfangreichere Sicherheitsprobleme. Der Grund für sein Kommen führte zu erheblicher Verunsicherung, da der militärische Gouverneur einigermaßen sicher war, daß er wohl gezwungen würde, auf ehrenhafte Art und Weise sein Leben selbst zu beenden, da er es nicht geschafft hatte, trotz der strengen Maßnahmen, die er durchgesetzt hatte, die Rebellion unter der eingeborenen Bevölkerung einzudämmen. Er hatte gewissenhaft sämtliche Befehle, die ihm von den Mentats auf Catten übermittelt worden waren, ausgeführt, schien jedoch mit dem Kampf gegen die allgemeine Revolte und mit der Zutageförderung des auf diesem Planeten verfügbaren Reichtums nicht weiter zu sein als in den ersten Monaten der Besetzung.

Als Hoch-Emassi Bulent von den Geräten erfuhr, die die Mentats mitgebracht hatten, wurde er aschfahl, bis er erfuhr, daß die Geistsonden bei Menschen und nicht bei uneffektiven Emassi eingesetzt werden sollten.

Daher hörte er sich die Wünsche des Ix Mentats aufmerksam an, organisierte die Suche und trieb so viele von den gewünschten Objekten zusammen, wie gefunden wurden. Einige konnten als tot gestrichen werden, andere konnten bereits abtransportiert worden sein, da sie in den fünfzig Städten residiert hatten, die während der ersten Welle der Besetzung durch die Catteni entvölkert worden waren.

Bulent hatte beinahe so etwas wie Mitleid mit den Männern und Frauen, die zusammengetrieben und in die offenen Sklavenställe gepfercht wurden, denn die sommerliche Hitze war drückend, obgleich er selbst sich bei solchen Temperaturen besonders wohl fühlte. Durch die Hitze und die drangvolle Enge kam es zu Verlusten. Er hatte nun die nicht gerade beneidenswerte Aufgabe, dem Ix Mentat zu erklären, daß Menschen nicht in gleicher Weise wie die Catteni Sonneneinstrahlung ertragen konnten, vor allem keine Vertreter der vorgerückten Altersgruppe, zu der die meisten Gefangenen gehörten. Daher wurden sie in einen geräumigen Schuppen gebracht, der vorher ausgeräumt worden war.

Bulents Leute mußten nun den jeweiligen Spezialisten, die Ix befragen wollte, Nummern entsprechend des Rangs zuweisen, den sie im Wissenschaftsbetrieb der Menschen innegehabt hatten.

Ix, Co und Se führten Testuntersuchungen bei weniger bekannten Individuen durch und erhielten unterschiedliche Ergebnisse. Nach vier Todesfällen und nur wenigen Informationen aus den geplatzten Gehirnen mußte das Instrument neu kalibriert werden. Ursprünglich war es dazu benutzt worden, die geistige Leistungsfähigkeit der Catteni zu erhöhen, indem damit zerebrale und kortikale Bereiche erweitert und bestimmte Zentren in beiden Sphären stimuliert wurden. Das Ergebnis war die intelligente Emassi-Teilmenge der Catteni gewesen, die ursprünglich primitiv und kaum mehr als aufrecht gehende Tiere gewesen waren. Aber was verstärkt werden konnte, konnte auch geschwächt werden. Das war der Zweck des Einsatzes des Geräts bei den Menschen.

Die eigentliche Untersuchung konnte bis zu einem halben Tag in Anspruch nehmen, falls die ersten Informationen aus den leichter zugänglichen Bereichen des Geists interessant erschienen. Das heißt, falls das Objekt es wert war, behutsam behandelt zu werden. Anderenfalls reichte eine Stunde an Untersuchung aus, aber das Objekt gewann kaum nennenswerte Teile seiner Persönlichkeit und seiner Erinnerung zurück. Inkontinenz ergab sich als häufigstes Problem, und einige erlangten noch nicht einmal genügend Intelligenz zurück, um selbständig zu essen. Diese wurden in aller Stille aus dem Weg geschafft.

Mittels eines behutsameren Einsatzes der Geistsonde erlangten das Ix und seine jungen Helfer die Zugriffcodes für private Datenspeicher und Forschungslabors, doch dieses Material behandelte vorwiegend menschliche Aspekte. Die Mentats fanden auch höchst geheime Codes, doch sie interessierten sich nicht für politische Entwicklungen, da sie diese als alltäglich und leicht vorhersagbar ansahen – obgleich es auch ein oder zwei raffinierte Schachzüge gab, die das Ix hätte benutzen können, falls es sich als notwendig erweisen sollte.

Unter den Opfern befanden sich die restlichen hochrangigen Führer des Staats, die bisher weder einem Transport zugeteilt noch hingerichtet worden waren. Sie enthüllten die Namen weiterer wichtiger Beamter, deren Gehirne voll von manchmal sogar amüsanten, wenngleich unwichtigen Details waren. Einige Untersuchungen erwiesen sich als fruchtbarer, lieferten sie den Mentat doch Hinweise auf spezielle in Arbeit befindliche wissenschaftliche Studien. Das war es, was das Ix gesucht hatte, und es erstellte für den Hoch-Emassi eine entsprechende Liste.

Der Hoch-Emassi Bulent schickte seine Lakaien aus, um diese Leute zu suchen. Häufig kehrten sie mit leeren Händen und mit dem Hinweis zurück, daß die betreffende Person gestorben oder möglicherweise abtransportiert, aber auf jeden Fall nicht aufzufinden sei. Mehrere von diesen, entschied das Ix, müßten gesucht werden, solange ihr Tod nicht zweifelsfrei festgestellt werden könnte. Daher erteilte Bulent seinen besten Leuten, darunter auch mehreren abtrünnigen Menschen, entsprechende Instruktionen und versprach ihnen, im Falle des Erfolgs, verlockende Belohnungen. Dann ließ er sie die bekannten Verstecke und Zufluchtsorte durchkämmen.

Das Ix nutzte alle Möglichkeiten, um in Erfahrung zu bringen, wie wenig die Menschen über die Galaxis und das Universum wußten, welche unglaublich primitiven Methoden der Raumfahrt sie beherrschten und welche Theorien sie während ihrer bisherigen Existenz untersucht und bestätigt gefunden oder verworfen hatten.

Das Menschenmaterial, das diese Untersuchungen überlebt hatte, wurde in Transportschiffe verladen und nach Barevi geschickt, um dort als Sklaven, oder zu welchem Zweck auch immer die nahezu intelligenzlosen Hüllen nütze waren, verkauft zu werden.

Dann schloß das Ix sich in sein Raumschiff ein und begann damit, alles, was es erfahren hatte, noch einmal gründlich zu durchforsten, in der Hoffnung, daß es vielleicht auf eine Theorie stieß, die seinem hochentwickelten Geist einen erfolgversprechenden Weg weiterer Forschungen andeutete.

Auf die vage Chance hin, daß sie vielleicht ein weiteres Schiff kapern könnten, sollten Bert Put und Balenquah als Reservepiloten mitkommen. Raisha fiel die Aufgabe zu, das Scout-Schiff zur Blase zu bringen und sich zu vergewissern, ob die Luft rein war. Beverly und Marrucci hatten die nächsten fünf Fenster berechnet, durch die sie den Kontakt mit dem umlaufenden Satelliten vermeiden würden, daher brauchte die Umgebung nur noch auf die Existenz von cattenischen Schiffen überprüft zu werden. Kris fiel es gleichermaßen schwer und leicht, Zane in Sandys Obhut zurückzulassen. Sie hatte es geschafft, ihn teilweise zu entwöhnen, und er nahm bereits feste Nahrung in pürierter Form zu sich. Aber Sandy versprach, daß sie ihm nichts verweigern würde, falls er sich etwas anderes wünschte. Und Kris konnte sich auf sie verlassen. Pete Easley erschien, als sie Zane in die Kinderkrippe brachte, wobei sie sich vorkam wie eine Verräterin, denn einerseits hungerte sie geradezu danach, an dieser Mission teilzunehmen, andererseits wußte sie schon jetzt, daß sie ihren Sohn schrecklich vermissen würde.

»Er ist ganz gut beieinander, nicht wahr?« bemerkte Pete, als Kris Anstalten machte, ihren Sohn bei Sandy abzugeben. Der Kleine war wach und brabbelte fröhlich vor sich hin. »Gib ihn mir mal«, sagte Pete, und Kris hatte keine Chance, ihm diese Bitte zu verweigern.

Da Zane sehr anpassungsfähig war, prustete er Pete Easley genauso selig ins Gesicht, wie er es bei Zainal getan hätte.

Kris begriff plötzlich, daß Pete ihr auf diese Weise klarmachte, er würde sich während ihrer Abwesenheit um seinen leiblichen Sohn kümmern. Diese Demonstration seines Besitzanspruchs war sowohl willkommen wie auch beunruhigend. Aber sollte das Undenkbare wirklich eintreten, dann wußte Kris, daß Pete Easley die volle Verantwortung für Zane übernehmen würde, und dazu hatte er, wie sie zugeben mußte, jedes Recht.

Mit einem dankbaren Kopfnicken in seine Richtung und nach einer Umarmung mit Abschiedskuß für Sandy verließ Kris die Kinderkrippe. Ihre widerstreitenden Gefühle ließen allmählich nach, als sie begann, sich innerlich auf die Mission vorzubereiten.

Raisha startete mit dem Scout, um den Raum außerhalb der Blase zu kontrollieren, während Zainal die KDL zur ›Hintertür‹ lenkte. Sie drang mit dem Schiff gerade lange genug durch das Hindernis, um eine eindeutige Bestätigung dafür zu erhalten, daß in nächster Nähe nichts im Raum zu sehen war. Zainal lenkte die KDL über der Südpolregion durch die Blase. Er war nicht der einzige, der mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung feststellte, daß das Manöver nicht behindert wurde und daß die KDL die Blase verlassen durfte. Dann lenkte er das Schiff in die Richtung des nächsten der fünf Monde und ging, indem er ihn dazu benutzte, um seine Flugbahnüberwachung zu verbergen, bis zu diesem Punkt auf Höchstgeschwindigkeit. Dort angekommen, berechnete er den Kurs aus dem System hinaus und weiter nach Barevi.

Selbst bei der Geschwindigkeit, zu der die KDL fähig war, würde die Reise drei Wochen dauern. Daher blieb nun mehr Zeit, in der sie ihre Catteni-Rollen vervollkommnen und lernen konnten, auf Befehle und Fragen automatisch zu reagieren. Die armselige Bibliothek der KDL enthielt Raumhafenkarten für die Planeten, die sich unter cattenischer Vorherrschaft befanden. Diese wurden zur eingehenden Betrachtung vor allem durch Bert und Balenquah vergrößert, die rechtzeitig wissen wollten, ob sich die Chance zu einer weiteren Schiffseroberung ergäbe. Scott zeigte an einem solchen Vorhaben noch kein großes Interesse.

»Er möchte ein Kriegsschiff«, vertraute Mitford Zainal und Kris an. »Feuerkraft.«

Zainal zog das in Erwägung. »Es könnte vielleicht möglich sein, Waffen zu stehlen, aber sogar die Catteni betreiben auf ihren Kriegsschiffen einen Wachdienst. Wir haben nicht genug Leute für eine Mannschaft. Vielleicht ein anderes Mal.«

Chuck und Kris starrten ihn überrascht an, und er grinste zurück.

»Wer hat mal gesagt: ›Denk großräumig^«

»Dick Aarens?« schlug Kris vor.

Es gab außerdem Pläne von Barevi-Stadt, die die Erinnerung all jener anregten, die sich dort schon mal aufgehalten hatten. Und wieviel ein Flitzer zum einen oder anderen Bestimmungsort kostete. Und wie man sich gegen Betrüger durchsetzte und wie man reagierte, wenn man in eine handgreifliche Auseinandersetzung verwickelt wurde.

»Catteni kämpfen immer«, sagte Zainal. »Sie verarbeiten auf diese Art und Weise ihren Zorn. Um jeden Preis vermeiden.«

»Hey, es ist ganz leicht, einen Catteni umzuwerfen«, sagte Yuri und demonstrierte am völlig ahnungslosen Zainal einen Jiu-Jitsu-Griff.

Gerade hatte der Emassi noch gestanden, und schon lag er auf dem Rücken und wirkte überrascht und verärgert zugleich.

Als Yuri ihm eine Hand reichte, um ihm beim Aufstehen behilflich zu sein, ignorierte er sie, aber er lächelte, als er wieder auf den Füßen stand.

»Bringen Sie uns das bei!«

Also wurden Jiu-Jitsu, Karate und andere Kampftechniken ins tägliche Trainings- und Ausbildungsprogramm aufgenommen.

»Es ist besser, wenn wir keine …« Und an dieser Stelle grinste Zainal. »… Rassenschädigung begehen.«

»Als ob die Farmer das bemerken oder sich daran stören würden«, meinte Balenquah spöttisch.

»Wir wissen es, und wir stören uns daran, daß Schaden zugefügt wurde«, sagte Zainal und machte dem stets mürrischen Piloten seinen Standpunkt unmißverständlich klar.

»Im Reden sind Sie ganz toll«, erwiderte Sev Balenquah streitsüchtig.

»Viel toller bin ich noch in ganz anderen Dingen«, lautete Zainals Erwiderung.

In diesem Moment rammte Mitford dem Piloten, der direkt neben ihm saß, einen Ellbogen so heftig in die Seite, daß er nach Luft schnappte.

»Auf diesem Schiff gibt es eine Arrestzelle«, sagte Beverly. »Wollen Sie den Rest unserer Reise dort zubringen?«

»Machen Sie doch, was Sie wollen«, sagte Balenquah, stand auf und entfernte sich.

Als Beverly ihn zurückrufen wollte, schüttelte Scott den Kopf.

»Wir sollten lieber ein Auge auf ihn haben«, meinte Marrucci leise zu Beverly. Der General und Scott nickten. »Keine Ahnung, was mit ihm nicht stimmt. Dabei hat er sogar Gelegenheit gehabt, wieder zu fliegen.«

Sie wechselten sich in der kleinen Küche ab und kümmerten sich nicht um die Lebensmittelvorräte der Catteni, da sie noch schrecklicher schmeckten als die Proviantriegel, die an die transportierten Gefangenen verteilt wurden. Die KDL hatte ursprünglich drei Gefrierkammern gehabt: zwei mittelgroße und eine große für längere Aufbewahrungszeiten. Diese diente nun als Messe, während eine der mittelgroßen ins Krankenhaus geschafft worden war. Die letzte reichte für die Reise aus, da Zainal die Absicht hatte, sie auf dem Markt auf Barevi mit verderblichen Gütern aufzufüllen. Überraschenderweise verfügte die Catteni-Küche über das Äquivalent eines Mikrowellenherds, so daß die vorbereiteten Suppen, das Brot und die Mahlzeiten, die die Kantine zu der Mission beigesteuert hatte, schnell erhitzt werden konnten. Als der erste Kontakt mit den planetaren Autoritäten von Barevi hergestellt wurde, waren alle optimal darauf vorbereitet. Sogar Balenquah konnte die richtigen Antworten auf Anhieb geben. Trotz seiner offensichtlichen charakterlichen Mängel verfügte er über eine hohe Sprachbegabung, und Zainal hoffte, ihn zusammen mit Kris auf die geplante Einkaufstour schicken zu können.

»Er blickt genauso finster wie mein alter Boß«, sagte Kris, »der typische unangenehme Tudo. Pardon, nicht Tudo, Foto«, korrigierte sie sich.

Sie hatte den Begriff ›Foto‹ schon gekannt, noch ehe sie den Unterschied zwischen Emassi und Drassi kannte.

Als sie von den barevischen Grenzwachen begrüßt wurden, bellte Zainal, der als Drassi Kubitai auftrat, die Antworten, und Kris verstand jedes Wort, daß er sagte, und alles, was der diensthabende Offizier von sich gab. Die KDL operierte nun offiziell als KDI, da die KDL sicherlich als vermißt galt. Hinsichtlich dieses Codes gab es keinerlei Probleme.

»Sehr schlampig«, murmelte Zainal halblaut, obgleich er wahrscheinlich genau deshalb dankbar war.

Er überflog die Stadt, um allen einen flüchtigen Überblick und eine Orientierungshilfe zu verschaffen. Dabei lieferte er während ihres Flugs zum Landeplatz zu jedem Sektor eine kurze Beschreibung.

Mack Su fungierte als Navigator, und Yuri hatte den Posten des Flugingenieurs inne. Sie hatten sofort alle Hände voll zu tun. Matt Dargle erledigte den Papierkrieg mit der Raumhafenverwaltung und legte das Logbuch vor, das Zainal vorbereitet hatte, während Yuri sich um das Auftanken, den Trinkwassernachschub und die weiteren Aufenthaltsformalitäten kümmerte. Zainal hielt sich wohlweislich im direkten Landebereich auf, damit sie nicht auf unvorhergesehene Schwierigkeiten stießen, während die verschiedenen Teams zu ihren jeweiligen Missionen aufbrachen.

Coo und Slav gingen als erste und mimten große Erleichterung darüber, daß sie nicht mehr bei den Drassi sein mußten, während Pess, Matt, Bert und Beverly an Bord blieben. Die beiden letzten sollten sich nicht blicken lassen. Pess und Matt beherrschten Barevi und ein wenig Catteni, daher waren sie am geeignetsten, zurückzubleiben und ein unbefugtes Eindringen ins Raumschiff zu verhindern. Ninety und Dowdall würden sich darüber informieren, ob auf dem Sklavenmarkt Menschen angeboten würden. Zainal, Mitford und Scott würden sich ins Zentrum von Barevi begeben, dort eine Mahlzeit und ein paar Drinks einnehmen und sich anhören, was allgemein geredet wurde und welche Gerüchte in Umlauf wären. Dann, nachdem Mack und Yuri ihre Aufgaben erfüllt hätten, würden Yuri und Marrucci sich mit Kris und Balenquah treffen, um auf dem Markt Vorräte zu beschaffen. Einiges davon könnte dem Schiff in Rechnung gestellt werden, so daß sie für das cattenische Geld, das sie zur Verfügung hatten, andere Dinge erstehen konnten wie zum Beispiel das ›Plursaw‹-Additiv, das die Deski brauchten. Deren Vorrat ging allmählich zur Neige, und es gab neue Deski-Babys, die es dringend brauchten. Zainal hatte eine Einkaufsliste aufgestellt, die sie vorzeigen konnten, da die meisten Tudo nicht mehr als ihren Namen lesen und schreiben konnten, und hatte sie mit ›Drassi Kubitai‹ unterschrieben. Er hatte Kris außerdem das Zeichen für ›Kubitai‹ üben lassen für den Fall, daß sie irgendwelche Bestellungen oder Quittungen abzeichnen mußte.

Kris fühlte sich in ihren schweren Catteni-Stiefeln mehr als unwohl und hatte schreckliche Angst. Sie waren für sie ein wenig zu groß, obgleich sie dafür sorgten, daß ihre Trägerin in einem viel authentischeren Catteni-Gang daherstampfte. Sie würde sich trotz der Planzenfaserbüschel, die sie sich hineingepackt hatte, bestimmt Blasen an den Fersen holen, aber sie marschierte genauso zackig wie die anderen aus dem Schiff hinaus und betrat das Raumhafengelände. Ein paar Catteni lungerten herum und schauten zu, wie Rugarianer und Deski mit Kisten herumhantierten und auf anderen Landeplätzen Güter aus- und einluden. Das Schiff, das von ihrer KDI drei Plätze entfernt stand, schien zur gleichen Klasse zu gehören. Es war so neu, daß es nur wenige Meteoreinschläge oder andere Dellen in seinem Rumpf aufwies, und die Farbe schien ganz frisch zu sein.

Marrucci versetzte Kris mit dem Ellbogen einen leichten Rippenstoß und deutete mit einem Kopfnicken auf das Schiff als mögliche Beute eines Kaperversuchs. Sie grinste und flüsterte: »Niemals, mein Freund!« Er grinste nur.

Sie hatten das Hauptgebäude verlassen und hielten nach einem Flitzer Ausschau. Nirgendwo sahen sie einen Terraner. Zainal hatte gesagt, daß immer irgendwelche Flitzer herumstanden und auf Passagiere warteten. Sie näherten sich dem ersten. Sein Fahrer war ein verhutzelter alter Catteni, dessen Gesicht von häßlichen Narben übersät war. Balenquah gab ihm seine Anweisungen im typisch unfreundlichen Ton der Catteni, schob jeden an Bord, wobei seine Hand ein wenig zu lange auf Kris’ Hüfte ruhte und drängte sie zur Eile, damit sie endlich weiterkämen. Er zwängte sich neben Kris auf den harten, breiten Sitz und preßte seinen Oberschenkel an sie, so daß sie ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben hätte. Im Augenblick konnte sie nichts weiter tun, als still dazusitzen und seine Nähe zu ertragen. Hatte der Mann denn überhaupt kein Feingefühl? Konnte er sich nicht denken, daß sie sich so etwas von ihm niemals gefallen lassen würde? Warte, bis wir wieder zur KDL … nein, KDI – sie mußte sich das unbedingt merken – zurückgekehrt sind, dachte sie. Dank der ruckartigen Manöver des Flitzers, der sich zügig durch den dichten Verkehr schlängelte, genoß Balenquah sicherlich die Fahrt, verhalf sie ihm doch zu reichlichem Körperkontakt mit Kris. Marrucci fing einmal ihren Blick auf und reagierte mit einem Kopfnicken, womit er ihr signalisierte, daß ihm Balenquahs Dreistigkeit nicht entgangen war.

Dann befanden sie sich über dem Marktbereich, wo ihr Fahrer geschickt anderen Flitzern in einer Weise auswich, die Kris in ihrer Sklavenzeit stets beinahe einen Herzinfarkt beschert hätte. Sie landeten einigermaßen sicher, und der Fahrer raffte das Fahrgeld zusammen, das Balenquah ihm reichte, und ließ sein Vehikel gleich wieder aufsteigen, um anderen landenden Fahrzeugen Platz zu machen.

»Hören Sie auf, mich herumzuschubsen, Balenquah«, verlangte Kris halblaut, als sie losgingen.

»Wer? Ich?«

Marrucci klopfte ihm auf den Rücken und ermahnte ihn in Catteni, die richtige Sprache zu benutzen, dann fragte er Kris, ebenfalls auf Catteni, welche Richtung sie einschlagen sollten.

»Hier ist der Lebensmittelmarkt für Deski-Zusätze. Wenn wir genug kaufen, liefern sie frei Schiff.«

»Wir kaufen eine Menge«, sagte Marrucci. »Wo?«

Kris hatte sich umgeschaut und eine Gruppe Deski entdeckt. »Dort!«

»Deski! Was?« Kris war sich nicht sicher, ob Balenquah lediglich seine Rolle spielte oder ob er wieder einmal demonstrierte, was für ein unangenehmer Mensch er war.

Auf ihrem Weg kamen sie an einer Bude vorbei, in der alkoholische Getränke verkauft wurden, die nur ein Catteni vertragen konnte, aber Balenquah bestand darauf, anzuhalten und eins zu kosten, da er durstig wäre, wie er meinte.

»Nicht gut«, sagte Kris stirnrunzelnd, denn das war die beste Methode, Balenquah dazu zu bringen, tatsächlich ein Getränk zu kosten. Alle waren entsetzlich, aber das sollte er selbst rausfinden.

Lachend und sie durch das Gedränge schiebend, deutete er auf die bernsteinfarbene Flasche und ein großes Glas. Sogar der Budeninhaber machte ein überraschtes Gesicht. Unter schallendem Gelächter schlug Balenquah Kris so heftig auf den Rücken, daß sie beinahe das Gleichgewicht verlor, aber da sie wußte, was kommen würde, hielt sie sich gerade und wartete ab.

Balenquah war sogar dumm genug, die gesamte Menge in einem Zug zu trinken.

Er hätte auf einen anderen Catteni achten sollen, der dasselbe im Glas hatte, aber nur sehr vorsichtig davon trank.

Als die scharfe Flüssigkeit in seiner Kehle brannte, traten ihm die Augen aus dem Kopf, und seine graue Haut färbte sich so intensiv rot, daß Kris einen ziemlichen Schreck bekam, aber irgendwie schaffte er es, das meiste aus dem Glas tatsächlich runterzubekommen.

»Hab’ doch gesagt, nicht gut«, sagte Kris und verlieh ihrer Stimme einen tieferen Klang. »Besser da drüben!« Und sie deutete in eine Ecke, wo ihr Herr an Markttagen zu trinken pflegte. Sie ließ Balenquah stehen, damit er sich von dem Pilth – aha, sie erinnerte sich jetzt auch an den Namen dieses speziellen Teufelszeugs – erholte, und ging weiter zu den Deski. Sie hielt außerdem wachsam Ausschau nach irgendwelchen Gruppen von Catteni, die über den Markt streunten und Unfrieden stiften wollten. Marrucci wartete mit Balenquah, während Yuri sich zu ihr gesellte.

»Gut gemacht«, murmelte er auf Englisch, und sie stieß ihm leicht in die Seite. »Sehr elegant«, fügte er auf Catteni hinzu.

Sie konnten beide Balenquah husten und spucken hören. Er schnappte krampfhaft nach Luft, während sein Organismus versuchte, das Catteni-Getränk, das auf der Erde allenfalls als Frostschutzmittel Verwendung gefunden hätte, zu verarbeiten. Zumindest roch es genauso. Der Pilth hatte außerdem Balenquahs Stimmbänder in Mitleidenschaft gezogen, und er brachte nichts anderes hervor als seltsam gurgelnde, unverständliche Laute, als er und Marrucci ebenfalls an den Deski-Stand kamen, wo der Händler nichts anderes als Plursaw verkaufte. Sie feilschte mit ihm wegen der Lieferkosten, erhöhte dann jedoch ihr Angebot für einen umgehenden Transport zur KDI. Das war tatsächlich der Artikel, den sie am dringendsten brauchten. An zweiter Stelle stand Salz, um Fleisch haltbar zu machen. Zucker war bei den Catteni nicht bekannt, daher müßte sie genügend Essig zum Einlegen mitnehmen. Das war einfach, da sie für den Küchennachschub zuständig war und wußte, wo alles zu finden war. Am selben Verkaufsstand entdeckte sie in einem Sack zu ihrer Überraschung etwas, das aussah wie Zimtrinde, und ein Fäßchen mit Muskatnüssen. Ihr würziger Duft war so vertraut und weckte so manche Erinnerung. Sie nahm ein Stück brauner Rinde aus dem Sack und hielt es sich an die Nase, um sich zu vergewissern, daß es tatsächlich Zimt war, aber was dieses Gewürz auf Barevi zu suchen hatte, war ihr ein Rätsel.

Dann fragte sie mit der rauhen Stimme, die sie immer benutzte, wenn sie etwas auf Catteni sagte: »Was ist das?« Sie ließ die Rinde wieder in den Sack fallen und wischte sich die Hände an ihrer Uniform ab, wie jeder Catteni es getan hätte.

Sie verstand nur die Hälfte von dem, was der Standinhaber erklärte, erfuhr aber immerhin, daß es von Terra stammte und zum Kochen gebraucht wurde. Sie sollte mal etwas davon ausprobieren. Sie spielte die Unentschlossene, bis Marrucci ihr auf die Schulter klopfte und ihr zu Hilfe kam.

»Drassi Kubitai ist immer für etwas Neues zu haben. Versuchen Sie’s.«

In dieser Situation harten sie Glück, denn die beiden Artikel waren so ungewöhnlich, daß der Standinhaber noch nichts davon hatte verkaufen können und nun überzeugt war, ein schlechtes Geschäft gemacht zu haben. Sie feilschten ausgiebig, und am Ende erhielt sie die Gewürze – den ganzen Sack und das Fäßchen – und schwatzte ihm auch noch einen großen Sack Pfefferkörner ab, auf denen er ebenfalls bisher sitzengeblieben war. Kris fiel es nicht schwer, den Verkäufer zu überreden, alles zur KDI zu liefern, und konnte kaum ihre Freude darüber verbergen, daß sie die Gewürze aufgestöbert hatte. Die Messe würde ihr dafür auf Knien danken. Sie erstand außerdem noch einige Gallonen Essig von guter Qualität.

In der nächsten Abteilung fand Kris Stoffe aller Art in sämtlichen Farben, Mustern und Materialien, von denen einige aus terranischer Produktion stammten, was sie gleichermaßen erfreute wie auch entsetzte. Die Catteni schienen die Erde wirklich in jeder erdenklichen Weise auszuplündern. Sie verdrängte ihre Abscheu und feilschte um mehrere Ballen Stoff in unterschiedlichen Farben und Qualitäten, um daraus Kinderbekleidung anzufertigen. Ihre eigene Stofferzeugung reichte für alle Frauen aus, die etwas tragen wollten, das nicht aus cattenischen Overalls zusammengeschneidert worden war, aber die Kinder hatten andere Bedürfnisse, was ihre Kleidung betraf. Kris kaufte soviel, daß der Ladeninhaber sie fragte, ob sie selbst auch Händlerin wäre.

»Ich nicht, aber Drassi«, sagte sie in einem Ton, als mißbillige sie diese Nebentätigkeit zutiefst, und deutete eher gleichgültig auf die Ware, die sie kaufte. Im letzten Laden gab es außerdem Nadeln, und sie legte gleichgültig ein paar Pakete auf die Theke und ließ sich vom Händler eine Rechnung schreiben. »Drassi braucht alles.« Mehr brauchte sie nicht zu sagen. »Lieferung bis Sonnenuntergang, und Sie kriegen Bonus«, sagte sie und zwinkerte ihm zu, wie sie es früher von Zeit zu Zeit bei ihrem Herrn hatte beobachten können.

Dann schaute sie sich nach ihren Gefährten aus dem Schiff um und fand sie in der Nähe eines Obststands, wo Balenquah versuchte, die Schmerzen in seiner Speiseröhre zu lindem.

»Ich sagte ihnen doch, nicht gut«, wiederholte sie und nahm eine Gorubirne von einem kunstvoll aufgeschichteten Stapel. Sie drehte den Kopf ein wenig zur Seite, damit der Händler nicht sehen konnte, daß sie keine so großen Zähne hatte, wie sie für die Catteni typisch waren, als sie die zähe Schale damit abriß, wie jeder anständige Catteni-Soldat es zu tun pflegte, und sie einfach auf die Straße spuckte. Eins war sicher, sie hätte niemals angenommen, noch einmal in ihrem Leben diese leckeren saftigen Früchte zu essen. Mein Gott, sie hatte seit jenem Wald einen weiten Weg zurückgelegt. Sie deutete auf ein Netz mit Birnen und erkundigte sich nach dem Preis.

»Vier«, sagte sie und feilschte dann um einen Rabatt, wie sie es früher immer getan hatte. Sie erhielt die Birnen für einen guten Preis – es waren genug, so daß jeder auf dem Rückflug nach Botany sich daran erfreuen konnte –, band die Netze zusammen und schwang sie sich über die Schulter. Yuri und Marrucci beobachteten sie fragend. »Ich erkläre später«, sagte sie auf Catteni. »Dort entlang.«

Sie bogen in einen anderen Gang ein, wo Türen offenstanden zu den Auslagen und Waren ortsfester Händler und wo sie hoffte, auch Metallwaren zu finden. Die Messe hatte Bedarf an einigen großen Kochtöpfen und Brat- und Backblechen angemeldet. All das fand sie tatsächlich, und sie kaufte fünf große Kochkessel und einige Backbleche. Sie sah auch andere Artikel, die – wie die Stoffe – eindeutig von der Erde stammten. Wenn die Plünderungen auf Terra dieses Ausmaß angenommen hatten, hätten sie vielleicht sogar noch das Glück, einige medizinische Geräte zu finden. Leon Dane hatte sorgfältig alle Instrumente aufgezeichnet, die er brauchte. Wenn ihre Suche in dieser Richtung Erfolg hätte, wären die für diesen Tag geplanten Einkäufe vollständig erledigt worden. Sie wollte den Markt so schnell wie möglich verlassen. Nach der Wachablösung hätte eine ganze Menge Soldaten dienstfrei, sie würden anfangen zu trinken und Streit suchen und Unruhe stiften. Ehe es dazu käme, wollte sie von dort verschwunden sein.

Messer in der Form und Größe, wie Leon Dane sie wünschte, gab es in einem der Läden tatsächlich zu kaufen, aber zu einem höheren Preis, als Zainal geschätzt hatte. Sie gab an Geld aus, was sie bei sich hatte, und erhielt bündelweise Skalpelle, Lanzetten und Wundhaken, Chirurgenhämmer, Knochensägen. Aus dem Angebot konnte man den Schluß ziehen, daß die Krankenhäuser auf der Erde gründlich leergeräumt worden waren. Trotzdem feilschte sie so verbissen, daß der Händler wissen wollte, weshalb sie soviel terranische Instrumente brauchte.

»Terranisch? Was ist das?« Sie tat so, als suchte sie den Namen auf dem Griff eines Skalpells.

»Wo waren Sie?«

»Überall und nirgends«, sagte sie mit einem gleichgültigen Achselzucken.

»Beeilen Sie sich«, drängte Marrucci in unwirschem Tonfall und deutete mit einem Kopfnicken über die Schulter auf eine Bande Catteni, die den Gang betraten. Sie gingen zu sechst nebeneinander und schoben jeden beiseite, der ihnen im Weg war.

»Packen Sie alles zusammen. Wir haben heute noch mehr zu erledigen«, sagte sie und sammelte genug Speichel, um in die Gosse zu spucken. Dabei drehte sie den Kopf zur Seite und konnte in etwa berechnen, wie schnell die Bande sich vorwärts bewegte. »Bringen Sie Bai zu einem Flitzer«, wies sie Marrucci an. »Yuri bleibt hier.«

Sie wußte nicht, wie Balenquah reagieren würde, wenn diese Catteni ihn gewaltsam beiseite drängten.

»Warum trödeln Sie so, Foto?« fauchte sie den Ladeninhaber an, der umständlich die Instrumente einpackte, aber die Klingen waren wirklich haarscharf.

Es gelang Marrucci, Balenquah in Sicherheit zu bringen. Dank dem Pilth befand er sich in einem Zustand, in dem ihm kaum nach Widerrede der Sinn stand. Sie streckte gerade die Hand nach dem Paket aus, das der Ladeninhaber ihr reichen wollte, als Yuri gegen sie gestoßen wurde und sie gegen eine Vitrine schob, woraufhin die Hälfte des Inhalts herauspurzelte und mehrere Teile – da die Vitrine auf seiner Seite offenstand -sich in den Körper des Ladeninhabers bohrten und steckenblieben. Er heulte vor Schmerzen und Wut laut auf, während er die scharfen und spitzen Objekte aus seinen Oberschenkeln herauszog.

Yuri reagierte, duckte sich unter dem ersten Schwinger eines gedrungenen Catteni-Wächters weg und versetzte dann der Kniescheibe des Angreifers einen Doppeltritt, woraufhin der Wächter unter lautem Schmerzensgeschrei zu Boden ging. Der Ladeninhaber rief um Hilfe und packte Kris, wobei er ihr beinahe das wertvolle Paket aus den Händen wand. Doch sie riß sich los. Als er um die Vitrine herumkam, die Oberschenkel von den Einstichen blutüberströmt, versetzte sie ihm einen Karatetritt in die Magengrube und schleuderte ihn nach hinten in eine andere Glasvitrine. Sie hörte ihn brüllen, als sich ihm eine Scherbe in den Hintern bohrte, aber sie blieb nicht stehen.

»Nichts wie weg«, rief sie in gutem Catteni. Die Angst lähmte ihre Stimme. Sie krallte ihre Hände in Yuris Uniform, als er gerade einen weiteren Catteni zu Boden schickte.

Mehrere seiner Gefährten reagierten auf seine Flüche und Schmerzenslaute und machten Anstalten, sie anzugreifen, aber Catteni waren keine guten Läufer, und Yuri und Kris hatten gute Chancen, so schnell wie möglich das Weite zu suchen.

Sie rannten beinahe Marrucci über den Haufen, der ihretwegen zurückgekommen war, und so eilten sie jetzt alle zu dem Flitzer, in dem Balenquah, armseliges Opfer seiner allzu kühnen Pilth-Probe, schlaff in den Sitzen hing.

Sein Zustand – oder eher der Geruch, der ihm entströmte und sich mit dem der Gorubirnen mischte, die in den Netzen, die Kris über der Schulter trug, aufgeplatzt waren – ließ den Flitzerlenker keine Zeit verlieren, und es brachte sie schnellstens zum Raumhafen. Als sie eintrafen, war Pess mit den Waren ebenfalls dort. Sie hatte in jedem Arm einen Stoffballen und war mit dem Beladen des Schiffs beschäftigt.

»Ist das Plursaw auch schon eingetroffen?« fragte Kris und rannte die ausgefahrene Gangway hinauf.

Pess grinste. Sie nickte und erwiderte auf Barevi: »Schon sehr früh. Sieht mich, stellt Fragen. Ich sage, Drassi hat bestellt. Keine Ahnung, was er bestellt.«

Nun, sie konnten nur hoffen, daß niemand sie Englisch sprechen gehört hatte. Marrucci und Yuri hievten den bewußtlosen Balenquah aus dem Flitzer. Kris ging wieder nach unten, um den Flitzerchauffeur zu entlohnen.

»Wir die ersten?« fragte sie Pess, während sie ihr dabei half, den Stoff zu verstauen, wobei sie sich vergewisserte, daß man auch die Nadeln eingepackt hatte.

Pess nickte. »Was ist mit Pilot? Nicht in Ordnung?«

»Er hat Pilth getrunken«, erwiderte Kris. Dann fügte sie grinsend hinzu: »Ich hab’ ihm gesagt, es wäre nicht gut.«

Pess lachte und schaffte es, den Blick von der klaffenden Mundhöhle mit ihrem grünlichen Zahnfleisch abzuwenden, ohne daß ihr schlecht wurde.

Beverly und Bert Put kamen aus ihrem Versteck. Obgleich sie ein wenig durcheinander wirkten, hörten sie sich die Abenteuer ihrer Gefährten an und lachten über Balenquahs Mißgeschick. Sie freuten sich über ihre Einkäufe, vor allem über die Gewürze, das Salz, den Essig und den Pfeffer.

»Wir mußten verschwinden, weil eine Bande Catteni Streit suchte«, erzählte Yuri. »Wir besorgen die Elektronikteile morgen«, meinte er weiter und schaute Kris fragend an, die bestätigend nickte.

Kris verteilte nun die Gorubirnen, und alle waren sich darin einig, daß die Frucht wirklich sehr wohlschmeckend war. »Wir können die Kerne aufbewahren und auf Botany eigene Büsche heranziehen«, sagte sie und schaute sich um auf der Suche nach einem Behälter, in dem die Kerne aufbewahrt werden könnten. Gleichzeitig erkundigte sie sich, ob die anderen Trupps sich schon gemeldet hätten.

»Zainal hat von sich hören lassen, als er und Mitford das Restaurant erreichten. Desgleichen Coo und Slav«, klärte Beverly sie auf. »Aber sie hatten unangenehme Neuigkeiten.«

»Wie unangenehm?«

Beverly und Bert wechselten nervöse Blicke.

»Sie werden durch euer Schweigen nicht besser.« In Kris’ Magengrube breitete sich allmählich ein Gefühl der Übelkeit aus.

»Hier gibt es im Augenblick eine große Zahl Terraner, die auf den Abtransport warten.«

Eine Pause trat ein.

»Was ist daran neu?« fragte Kris.

»Coo sagt, sie wären beschädigt.« Beverly tippte sich gegen den Kopf. »Sie sitzen oder stehen und reden kein Wort.«

»Wie bitte?«

Sie, Yuri und Gino reagierten gleichzeitig und starrten Beverly entsetzt an.

»Coo sagt, er hätte gehört, daß ihnen der Geist genommen wurde.«

»Die Eosi haben Geistlöscher?« flüsterte Kris erschrocken.

»Weiß Zainal davon?« fragte Marrucci, der mindestens genauso entsetzt war.

»Coo erzählt, alle reden darüber – stumm. Sogar die Catteni. Zainal wird ebenfalls davon hören.«

Marrucci stieß zahlreiche Flüche aus, ohne sich ein einziges Mal zu wiederholen.

Yuri war unter seiner grauen Schminke kreideweiß geworden. Sie wurde an den natürlichen Gesichtsfalten bereits rissig, und Kris nahm sich geistesabwesend vor, ihn daran zu erinnern, die Farbe aufzufrischen, ehe er das nächste Mal hinausging.

»Zainal wird nichts Auffälliges unternehmen, ohne sich vorher mit Ihnen beraten zu haben, nicht wahr?« wollte Kris von Beverly wissen. »Was wollen die Eosi denn aus den Geistern herausholen? Sie wissen doch gar nichts von uns.«

»Coo sagte, es wären vorwiegend ältere Männer und einige Frauen …«

»Sicherlich Wissenschaftler«, vermutete Kris, und Beverly nickte traurig. »O Gott, was haben wir da in Gang gesetzt?«

Beverly ergriff ihre Hand und drückte sie. »Wir haben eine Rebellion ins Leben gerufen, Kris, wie wir es auf der Erde hatten tun wollen, aber nicht konnten. Zainal wußte wie, und er hat es getan.«

»Aber um welchen Preis!« Sie rang die Hände, überwältigt von Schuldgefühlen.

»Wann hat es jemals einen Krieg ohne Verluste gegeben?« fragte Yuri mit heiserer Stimme und fuhr mit dem Finger so lange durch einen Wassertropfen auf der Tischplatte, bis er die Form eines Rorschach-Klekses hatte.

»Was ist mit Ninety und Dowdall?«

»Sie berichten, die Ställe seien voller Menschen. Sie haben auch von Zombies gehört«, antwortete Beverly. »Sie sind auf dem Rückweg, ehe die Wachablösung stattfindet.«

»Daran hat Dowdall sich erinnert, nicht wahr?« sagte Kris und nickte zufrieden.

Zainal, Scott und Mitford kamen niedergeschlagen zurück, und ihr Schweigen berichtete viel eindringlicher von der Tragödie, als sie es mit Worten vermocht hätten. Das erste, was Zainal tat, war, daß er die Wangen- und Kinnpolster herausnahm, die sein Äußeres verändert hatten.

»Wir kamen in ein Gefängnis hinein«, sagte Scott, ließ sich in einen Sessel fallen und griff nach dem Glas Schnaps, das Kris auch für ihn gefüllt hatte. »Ich habe ein paar Gesichter aus Artikeln und Zeitungen erkannt. Sie, John und Gino, würden wahrscheinlich noch mehr erkennen. Diejenigen, die ich wiedererkannte, waren Experten in Quantenphysik, Organtransplantation und Lasertechnik.«

»Laser können als Warfen eingesetzt werden«, murmelte Kris.

»So etwas haben die Eosi bereits«, erwiderte Zainal mit leiser Stimme.

»Werden Sie sich … erholen?« fragte Kris.

Zainal schüttelte den Kopf, meinte aber: »Es hängt davon ab, wie lange sie mit der Sonde bearbeitet wurden. Die Eosi kennen nur wenig Mitleid.«

»Andere Neuigkeiten sind dafür besser«, sagte Scott und verdrängte die bedrückende Vision. »Die Erde rebelliert in großem Rahmen, und die Catteni plündern, was das Zeug hält.«

»So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht«, sagte Kris. »Ich habe Muskat, Zimt, Pfeffer, Salz, auf der Erde hergestellten Stoff und Nadeln und medizinische Instrumente gekauft, zweifellos alles ebenfalls zusammengeplündert. Ich hatte nicht genug Geld bei mir, um alles zu kaufen, was Leon so dringend braucht. Haben wir denn noch etwas, das wir ausgeben können?« wollte sie von Zainal wissen, welcher nickte.

»Keine Elektronikteile?« fragte Scott beunruhigt. »Die brauchen wir fast noch dringender als medizinische Instrumente.«

»Wenn die Catteni so gründlich geplündert haben, wie es offensichtlich geschehen ist, finden wir alle terranischen elektronischen Bauteile, die wir brauchen. Aber wir sind mit einem Trupp dienstfreier Wächter zusammengestoßen«, sagte Kris, und Zainal knurrte drohend. »Und daraufhin lieber abgehauen.«

»Wir auch«, sagte Dowdall. »Es wimmelt im Raumhafen davon. Wir hatten Glück, daß wir überhaupt noch einen Landeplatz gekriegt haben.«

»Irgendwelche Schäden?« fragte Zainal.

»Nicht bei uns.« Kris grinste. Dowdall ebenfalls.

»Wo ist Balenquah?« fragte Scott und schaute sich suchend um.

»Er schläft ein ganzes Glas Pilth aus«, erwiderte Kris und grinste immer noch schadenfroh.

Zainal brach in brüllendes Gelächter aus.

»Ich habe ihn gewarnt, es wäre nicht so gut«, sagte Kris. Yuri und Marrucci kicherten vor sich hin.

»Das geschieht ihm nur recht«, sagte Marrucci, aber Kris warf ihm einen beschwörenden Blick zu, und er äußerte sich nicht weiter dazu.

»Habt ihr das Plursaw für die Deski gekriegt?« erkundigte Zainal sich. Sie nickte.

»Und sogar zu einem günstigen Preis. Ich habe so viel wie möglich liefern lassen. Pess hat das meiste bereits verladen. ›Drassi sagt so.‹«

Sie mußte über die Wirksamkeit dieser rätselhaften Bemerkung immer noch lachen.

Coo und Slav kamen in diesem Moment zurück. Slav hatte einen Hautriß über dem Auge, und Coos schlanke Gestalt wies einige Hautabschürfungen auf.

»Ärger?« fragte Zainal und sprang auf.

Coo hob beschwichtigend eine Hand. »Eine Catteni-Bande. Sie hassen Aliens.«

»Sie hassen jeden«, sagte Dowdall heftig. »Kommen Sie, Slav, ich verbinde Sie.« Er ging mit ihm hinüber zu dem Schrank mit dem wenigen medizinischen Material, das sie zur Verfügung hatten. Slav ertrug die Behandlung, obgleich das braune cattenische Desinfektionsmittel wie Feuer brannte – sogar für die Catteni selbst.

»Schlechte Neuigkeiten«, sagte Coo und gesellte sich zu den anderen am Tisch.

Mitford bereitete Kräutertee zu, als Coo höflich den Alkohol ablehnte, der bereits auf dem Tisch stand.

»Sind sie auch hinter Ihrem Volk her?« fragte Scott.

Coo schüttelte den Kopf. »Wir bauen keine Maschinen.«

»Mein Volk muß immer dort arbeiten, wo es besonders laut ist«, sagte Slav und kraulte sich erregt die Haare auf seiner Brust. »Wir sind stark.«

»Ihre Erde kein guter Arbeitsplatz«, sagte Coo grinsend. »Zuviel Verdruß.«

»Wir machen auch Verdruß«, sagte Slav, »wenn es verlangt wird.« Dabei schaute er Mitford herausfordernd an.

»Wenn alle unterdrückten Minderheiten gleichzeitig rebellieren würden, hätten die Eosi Schwierigkeiten, den Überblick zu behalten«, sagte Scott, der die Idee sofort weiterspann.

Zainal gab jedoch einen mißbilligenden Laut von sich und schüttelte den Kopf.

»Mehr Rassenschädigung.«

Scott schlug mit einer Faust so heftig auf den Tisch, daß die Schnapsflasche hüpfte. »Verdammt noch mal, Zainal, mein Volk wird ständig rassengeschädigt. Sie haben sie doch selbst gesehen. Wie viele sollen diese Tortur denn noch über sich ergehen lassen? Um dann als geistlose Zombies verkauft zu werden und wer weiß wo zu sterben?«

Kris hatte Scott noch nie so erregt gesehen, aber es mußte auch entsetzlich gewesen sein, geistig brillante Leute auf den Grad von Schwachsinnigen reduziert zu sehen.

»Die Eosi suchen bei euren Leuten nach Ideen«, sagte Zainal – seinem gewöhnlich unergründlichen Gesicht war das Mitgefühl deutlich anzusehen, daß er für die Opfer empfand – und schloß sich Scotts Meinung an.

»Wenn sie nichts finden, das sie gebrauchen können, hören sie auf.«

»Wann …«, wollte Scott wissen und dehnte das Wort, um die Dringlichkeit zu unterstreichen, »wird das sein?«

»Heute habe ich nichts gehört. Morgen können wir woanders hingehen und lauschen – und vielleicht sogar Fragen stellen.«

»Und was ist mit all diesen … geschändeten Leuten?« fragte Scott. Er war so aufgewühlt, daß Kris Tränen in den Augen des Admirals glitzern sah.

»Wir können etwas tun«, sagte Zainal entschlossen. Dann wandte er sich an Kris und Marrucci. »Morgen früh holt den Draht, das Plastik, die elektronischen Teile, die gebraucht werden. Haltet euch startbereit, wenn ich …«

»Was haben Sie vor?« unterbrach Mitford ihn, obgleich sein Gesichtsausdruck Kris verriet, daß er bereits irgend etwas ahnte.

»Zu helfen, so gut es geht. Den Farmern werden«, und Zainal betonte das Wort, »Rassenschädigungen nicht gefallen. Wir zeigen ihnen, was in dieser Richtung passieren kann.«

»Wir nehmen sie mit zurück?« fragte Scott, und seine Miene hellte sich für einen kurzen Moment auf, bis der gesunde Menschenverstand wieder die Oberhand gewann. »Wie können wir so vielen geschädigten Menschen helfen?«

»Irgendwie werden wir es schaffen«, erklärte Kris so heftig, daß Coo sich unwillkürlich duckte. »Wie viele sind es?«

»Hunderte«, antwortete Scott und hob hilflos eine Hand.

»Nicht alle sind geschädigt«, sagte Zainal. »Aber sie werden in Bergwerken und auf Feldern sterben, wenn nicht für sie gesorgt wird.«

»Wir können sie unmöglich hier lassen«, erklärte Dowdall mit Nachdruck und schaute seine Gefährten beifallheischend an. Sogar die beiden Deski und Slav stimmten ihm zu.

»Zainal, haben Sie das andere Schiff aus dieser Klasse ein paar Landeplätze von uns entfernt gesehen?« fragte Marrucci, und seine Augen funkelten unternehmungslustig.

Bert Put, der während der Diskussion die meiste Zeit geschwiegen hatte, richtete sich mit einem erwartungsvollen Gesichtsausdruck auf. Er schaute Zainal fragend an.

Dieser nickte, und ein Grinsen ließ seine Mundwinkel nach oben schnellen.

»Vielleicht besuche ich heute den Wächter – und trinke mit ihm ein wenig Pilth.«

»Nein«, sagte Mitford mit einem bösen Grinsen, »daran könnte er gewöhnt sein. Nehmen Sie unseren Schnaps.«

Am nächsten Morgen, als sie sich zum Frühstück trafen, hatte Zainal gute Neuigkeiten nach seinem abendlichen Gespräch. Die meisten Besatzungsmitglieder der KDM hatten Landurlaub, nachdem sie soeben eine lange Reise mitsamt einem Abstecher zur Erde beendet hatten. Sie hatten zwei Decks voll geist-gelöschter Menschen für die Sklavenmärkte und Plünderungsgut mitgebracht, das schon bald auf den Märkten von Barevi zum Verkauf angeboten würde. Nur zwei Angehörige der Crew waren an Bord und hielten abwechselnd Wache. Sie waren nicht sehr glücklich über diesen Dienst, hofften jedoch, in zwei Tagen abgelöst zu werden. Wie bei Catteni-Schiffen allgemein üblich, war die KDM bereits aufgetankt und mit allen nötigen Vorräten versehen worden. Die beiden Angehörigen der Crew meinten, sie würden wieder zur Erde fliegen, um weitere Fracht aufzunehmen, da die Catteni alle Lagerhäuser und Aufbewahrungseinrichtungen systematisch ausräumten, ganz gleich, ob sie die Güter gebrauchen konnten oder nicht.

»Was immer die Eosi auf der Erde zu finden hoffen, haben sie nicht gefunden«, sagte Zainal. »Noch nicht einmal Informationen. Vielleicht ziehen sie sogar ab.«

»Wie bitte?«

»Sie verlassen die Erde?«

»Hurra, wir haben es ihnen gegeben, und sie konnten es nicht aushalten.«

»Nicht so eilig«, sagte Zainal und hob die Hände. »Ihre Erde ist vielleicht nicht mehr so, wie Sie sie in Erinnerung haben.«

»Dann bauen wir sie wieder auf, wenn wir zu Hause sind«, sagte Beverly mit glänzenden Augen.

Zainal äußerte sich ganz bewußt nicht dazu. »Ich habe auch erfahren, daß der Hafenmeister bei dem ständigen Hin und Her der Schiffe sehr beschäftigt ist.«

»Was bedeutet, daß er die Schiffe gar nicht so genau überprüft?«

Zainal nickte. »Wir sind zu einem günstigen Zeitpunkt hergekommen.«

»Dann sollten wir die Gunst der Stunde auch zum Abflug nutzen«, sagte Mitford rauh. »Wenn wir alles finden, was wir brauchen, können wir dann heute noch starten? Ich habe das seltsame Gefühl, als würden wir das Glück, das wir bisher hatten, über Gebühr strapazieren. Während unseres Rückwegs habe ich einfach zu viele von diesen umherstreifenden Banden gesehen, die betrunken durch die Gegend torkeln. Nur gut, daß wir nicht zu Fuß waren.«

Alle blickten erwartungsvoll auf Zainal. Er zögerte, dann nickte er. »Früher ist sicher besser als später, aber«, und er hob warnend einen Finger, »wir fliegen nicht leer zurück!«

»Hey, wenn sich nur zwei Angehörige der Besatzung in der KDM aufhalten, könnten wir sie dann nicht einfach kapern?« fragte Marrucci voller Eifer.

Mitford schüttelte den Kopf und verwarf diese Idee sofort, aber Scott beugte sich interessiert vor.

»Könnten wir?«

»Ich denke, es wäre sehr leicht. Marrucci kann Kapitän sein. Balenquah …« Zainal schaute sich suchend um.

»Ihm war die ganze Nacht schlecht«, erklärte Mitford ungehalten. »Er ist zu gar nichts nütze. Ich habe niemals mehr als nur einen winzigen Schluck Pilth getrunken, und der hat mir schon völlig gereicht, so daß ich das Zeug seitdem gemieden habe.«

»Ich sagte ihm, es wäre nicht gut«, wiederholte Kris mit einem betont unschuldigen Gesichtsausdruck.

»Woraufhin er noch schärfer darauf war, es auszuprobieren, nicht wahr?« fragte Mitford und schenkte ihr einen vielsagenden Blick.

»Er hat es verdient …«, begann Marrucci, aber Kris versetzte ihm unterm Tisch einen Tritt gegen das Schienbein. »Er ist ein sturer Bastard«, sagte der Pilot statt dessen.

»Na schön«, sagte Scott und wandte sich wieder dem augenblicklichen Stand der Dinge und dem zu, was unternommen werden mußte, »dann stellen wir erst einmal fest, was wir mit den … Behinderten tun können. Okay?« Er schaute zu Zainal, und dieser nickte. »Sie haben doch die gestrige Liste zusammengekauft, nicht wahr, Kris? Begleiten Sie daher heute Mack Su, Ninety und Marrucci, um alles an elektronischen Teilen zu kaufen, was wir finden können …«

»Wir werden eine ganze Menge finden«, sagte Kris mit finsterer Miene. »Ich konnte mich nur flüchtig umsehen, aber überall konnte ich irgendwelche Dinge sehen, die aus unserer Heimat stammen müssen.«

»Gut«, sagte Mack, »das bedeutet, daß wir gute Chancen haben, das zu finden, was wir brauchen. Wir haben uns so gut wie möglich mit dem Material der Farmer beholfen. Aber wir könnten sehr viel mehr mit vertrauten Komponenten erreichen, oder nicht, Dowdall?«

»Wir brauchen auch noch mehr Handys.« Dabei klopfte Zainal auf seine cattenische Komm-Einheit. »Wir brauchen alles, was wir kriegen oder herstellen können.«

Kris reichte ihm einen Bleistift und die dünne Plastikfolie, die die Catteni für Notizen verwendeten. »Dann stellen Sie uns mal eine weitere Einkaufsliste zusammen, Drassi Kubitai!«

Zainal verzog das Gesicht. »Ich kenne die cattenischen Symbole nicht«, gab er unverblümt zu.

»Gibt es kein Wort für ›Ersatzteile‹ in Catteni?« fragte Mack grinsend.

»Ach ja …« Und Zainal zeichnete schnell das entsprechende Symbol und fügte kleine Striche und Kringel hinzu. »Das bedeutet alles, um elektronische Reparaturen auszuführen.« Er betrachtete die Zeichnung. »Zumindest nehme ich das an.«

»Haben wir es endlich geschafft, einen anständigen, aufrechten Catteni gründlich zu verderben?« fragte Mack und lieferte ein weiteres Beispiel für seinen skurrilen Humor.

»Offenbar«, stimmte Zainal ihm aus tiefstem Herzen zu. »Wir sollten schnellstens …«

»Notfall-Pläne aufstellen?« beendete Kris für ihn den Satz.

»Genau. Für den Fall, daß zwei Schiffsladungen Menschen für die Bergwerke oder Kolonien oder wohin auch immer sie sie schicken, bestimmt sind. Wir sind startbereit und würden die Problemfälle sofort mitnehmen«, sagte Zainal. »Ich sage Chuck Bescheid und erkläre ihm, wohin er die KDM bringen soll. Dann, Sergeant, werden Sie für den diensthabenden Wächter noch eine Flasche Schnaps mitnehmen. Der andere dürfte schlafen. Sie wissen, was Sie zu tun haben. Dann gehen Marrucci, Beverly, Coo, Pess und Slav als Mannschaft an Bord. Bert, Gino, Sie halten sich bereit, um das Schiff an den Ort zu bringen, den ich Ihnen noch nennen werde.« Er blätterte den Stapel Karten und Pläne durch, bis er fand, was er suchte. »Da sind die Sklavenställe, aber Sie müssen um die Stadt herumfliegen, nicht über sie hinweg.«

»Müssen wir uns nicht vorher bei der Raumhafenverwaltung eine Starterlaubnis holen?« erkundigte Marrucci sich.

Zainal schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und sog zischend die Luft ein.

»Wenn wir erst mal die KDM fest in unserer Hand haben, kann ich zurückkommen und das übernehmen, Zainal«, bot Mitford sich an. »Sagen Sie mir nur, was ›Sklavengefängnis‹ auf Catteni heißt. Ich beherrsche nur Barevi.«

»Dann benutzen Sie es ruhig, wenn es sein muß«, sagte Zainal und winkte ab, um anzudeuten, daß die Raumhafenbehörden beides verstanden. Danach erhob er sich. »Viel Glück.« Er reckte beide Daumen nach oben und grinste, als sein Blick auf Kris fiel.

»Das gleiche für dich«, sagte sie, als alle anderen sich ebenfalls erhoben. »Und achten Sie auf die Gesichtsfarbe, wenn Sie zu schwitzen anfangen. Und denken Sie vor allem daran, stets die Mützenschirme tief herunterzuziehen. Ich habe noch nie einen Catteni mit blauen oder braunen Augen gesehen!«

»Slav, Pess, Sie bewachen Schiff«, lautete Zainals letzte Anweisung, ehe er sich durch die Luke hinausschwang.

Kris, Dowdall, Mack und Ninety ergatterten den letzten freien Flitzer vor dem Raumhafen. Als er das Fahrtziel hörte, meinte der Chauffeur unfreundlich, der Markt wäre noch nicht geöffnet.

»Ich soll einkaufen«, erwiderte Kris auf Barevi. »Befehl von Drassi.«

Das beendete sämtliche neugierigen Fragen von Seiten des Catteni. Er hatte an Stelle der linken Hand eine hakenförmige Prothese, aber ein Flitzer ließ sich ohne Schwierigkeiten auch einhändig lenken. Bekamen eigentlich nur behinderte Catteni auf Barevi eine Taxilizenz?

Während das Vehikel in Richtung Markt schwebte, bemerkten sie, daß an verschiedenen Punkten der Stadt Qualm aufstieg.

»Viele Kämpfe?« fragte Ninety auf Barevi und grinste, achtete aber trotzdem darauf, auf keinen Fall seine Zähne zu entblößen.

»Viele«, erwiderte der Catteni in seiner eigenen Sprache und mit unfreundlichem Tonfall. »Neun Schiffsbanden. Der schlimmste Kampf seit Wochen.«

Was bedeutete, daß die Überlebenden anschließend sowohl wegen zu maßlosen Pilthgenusses oder wegen ihrer im Kampf kassierten Blessuren schlafen würden. Oder sich für die geforderten vierundzwanzig Stunden verstecken würden. Das Glück war schon wieder auf ihrer Seite, so hoffte sie, wagte aber nicht, diese Hoffnung laut zu äußern.

Der größte Teil des ersten Marktplatzes, den sie überflogen – es war der, auf dem sie am Vortag eingekauft hatten – war ein Durcheinander von zerstörten Ständen, sonstigem Müll und Laden- und Standinhabern, die in den Trümmern nach allem suchten, was sie noch verkaufen konnten. Während sie mit dem Flitzer die Apartmentbauten überquerten, die die beiden Marktplätze voneinander trennten, sah Kris, daß bunte Stoffstreifen -wahrscheinlich aus einem der Läden, die sie aufgesucht hatte – den gesamten Bereich schmückten.

»Die Jungs hatten offenbar eine Menge Spaß«, murmelte Ninety und handelte sich von Kris einen heftigen Rippenstoß ein, weil er Englisch gesprochen hatte. Er verdrehte die Augen, um sich dafür zu entschuldigen, aber der Fahrer hatte offenbar gar nichts mitbekommen.

Auf dem dritten Platz, den sie mit dem Flitzer ansteuerten, waren die Schäden nicht so umfangreich. Wahrscheinlich deshalb, weil dort nicht so viele Getränke-und Imbißbuden standen. Aber ein Abschnitt war praktisch dem Erdboden gleichgemacht worden, und Kris hoffte inständig, daß dort nicht ausgerechnet die Buden gestanden hatten, deren Angebot sie am dringendsten brauchte.

»Ein Ticco zusätzlich, wenn Sie warten«, erklärte sie dem Chauffeur mit ihrer rauhen Catteni-Stimme. Sie konnte ihre Stimme mittlerweile auf Kommando verstellen, auch wenn ihre Kehle vom ausführlichen Feilschen am Vortag immer noch ein wenig wund war.

»Nur ein Ticco?« beschwerte sich der Catteni.

»Warten Sie ab«, sagte sie und überließ ihm, was er zu tun gedachte. Sie gab ihm eine kleinere Münze und deutete auf den Stand, an dem heiße Getränke und das nahezu ungenießbare Catteni-Brot angeboten wurden.

Das stimmte ihn sofort milder, und sie marschierte mit ihren Gefährten los, um die gewünschten Ersatzteile zu suchen.

Vier Läden, in deren Auslagen Kisten mit losen Chips standen, waren nicht geöffnet. Sie gelangten zu einem fünften Laden auf der langen Seite der rechteckigen Marktfläche. Der Ladeninhaber fegte gerade alle möglichen elektronischen Komponenten und Chips zusammen, ohne auf die Beschädigungen zu achten, die diese nachlässige Behandlung den Bauteilen zufügte. Mack und Dowdall stöhnten gequält auf, und Kris zischte sie an, weil sie völlig aus ihren Catteni-Rollen fielen.

»Verkaufen Sie?« fragte sie und mimte die dumme Catteni-Tudo.

»Was soll ich denn sonst damit tun?« erwiderte der Ladeninhaber zornig und deutete auf das Durcheinander in seinem Laden und davor. Er schimpfte weiter und wechselte dabei in seiner Wut von Barevi in Catteni um.

Kris hielt Zainals beschriebenen Zettel hoch. »Haben Sie das?«

Der Ladeninhaber hielt lange genug in seiner Schilderung dessen inne, was er der Bande antun würde, die seine Waren zu Schrott zerschlagen und zertrampelt hatte, betrachtete sie mißtrauisch und wandte sich dann zu Mack und Dowdall um, die begeistert dies oder das aufhoben, das noch nicht beschädigt war.

»Ich hab’ alles für Reparaturen. Und noch mehr … falls nicht alles zertrümmert wurde.«

Er stellte den Besen beiseite und führte sie durch den Laden, drückte eine Tür im hinteren Teil auf und zeigte ihnen ungeöffnete Kartons, die allesamt mit einem Strichcode versehen waren und mit Aufschriften in Englisch, Französisch, Deutsch und entweder Japanisch oder Chinesisch – Kris konnte den Unterschied nicht erkennen –, die Auskunft über den jeweiligen Inhalt gaben.

»Und viele unversehrt!« rief sie aus. »Drassi will haben!«

»Alles?« Der Ladeninhaber war begeistert und mißtrauisch zugleich.

»Drassi Kubitai handelt«, sagte Dowdall mit einem Augenzwinkern, während er die Kartons aus den Regalen holte und in der Mitte des Raums aufstapelte. Seine Augen leuchteten derart freudig erregt, daß Kris wie wild an ihrem eigenen Mützenschirm herumzerrte, um ihn zu warnen. »Kubitai mit uns zufrieden«, sagte er auf Barevi und wandte das Gesicht ab.

»Nicht alles, aber Proben, um zu zeigen. Wieviel?« begann Kris und klopfte auf die Kartons, die Dowdall ausgesucht hatte und auf die Mack weitere Kartons stapelte. Dabei atmete er heftig, vergaß aber nicht, den Kopf gesenkt zu halten. »Sie liefern?«

»Ha! Ausgerechnet jetzt, wo ich erst aufräumen und abschließen muß, ehe sie wieder zurückkommen?«

»Kubitai wünscht Komm-Einheiten, Drassi?« fragte Mack und kam mit einer Kiste von einem der hinteren Regale zurück. »Und Kabel?«

Kris tat so, als würde sie einen Blick auf die Liste werfen. Der Ladeninhaber deutete auf das Symbol auf der rechten Seite.

»Da, Dummkopf«, sagte er, und in seine gelben Augen trat ein verschlagener Ausdruck, als ihm die Idee kam, sie bei den Preisen zu übervorteilen.

»Ich zähle gut«, sagte sie, zog an ihrer Mütze, um die Augen abzuschirmen, musterte ihn aber eindringlich. »Ich bald Drassi. Sie werden sehen.«

»Ha!« lautete seine Antwort, aber er begann immerhin die ausgewählten Kartons in den vorderen Teil des Ladens zu schaffen. »Haben Sie Transportmöglichkeit?«

»Flitzer«, sagte sie. »Ich ruf ihn her.«

Sie mußte den Flitzerchauffeur holen, der sich tatsächlich mit ihrer Münze eine Mahlzeit gekauft hatte. Als er sah, wieviel in den Trümmern vor dem zerstörten Laden aufgestapelt war, schüttelte er den Kopf.

»Rufen Sie einen anderen«, verlangte sie von ihm und deutete auf sein Armaturenbrett. »Drassi Kubitai sehr zufrieden mit uns. Wir kriegen langen Landurlaub.« Sie schlenderte zum Laden zurück, wo Dowdall wartete. Er war sichtlich nervös.

»Wird er nicht mißtrauisch, wenn wir so viel bestellen?

Und die KDI überprüfen?« Er stellte die Frage in einem kaum hörbaren Flüsterton.

»Das hat er wahrscheinlich längst getan, und falls die Raumhafenverwaltung die Zeit findet, seine Fragen zu beantworten, wird er auch wissen, auf welchem Platz die KDI steht«, murmelte sie zurück. Dann, als sie den Ladeninhaber aus dem Augenwinkel herankommen sah, boxte sie Dowdall gegen den Arm. »Arbeiten! Nicht arbeiten, kein Urlaub!«

Aber die Geldgier – und möglicherweise der Anruf im Kontrollturm, um sich zu vergewissern, daß tatsächlich eine KDI mit einem Drassi Kubitai im Raumhafen stand – brachten den Ladeninhaber dazu, den umfangreichen Auftrag auszuführen.

Kris feilschte verbissen mit ihm, weil es zu ihrer Rolle einer nicht ganz dummen Tudo-Botin gehörte. Sie hatte keine Ahnung, was die Ersatzteile auf der Erde gekostet hätten, aber Mack war ziemlich verblüfft über die Warenmenge.

Dazu gehörten sogar Laptops, die sich immer noch in ihren Originalverpackungen befanden. Welchen Nutzen hätten die Catteni wohl von solchen Geräten? Sie konnten noch nicht einmal die Bedienungsanleitungen lesen und hatten erst recht keine Ahnung von der Bedeutung der kons. Kris hatte schon genug Probleme mit ihrem 286er IBM-Klon auf dem College gehabt. Sie zählte ein Dutzend Geräte mit sämtlichem Zubehör plus Werkzeug und mehrere Kartons Disketten. Sie hoffte inständig, nicht erklären zu müssen, weshalb auch diese Geräte zu ihrem Großeinkauf gehörten. Ihre Sprachkenntnisse in Barevi und Catteni hätten dazu auf keinen Fall ausgereicht.

Sie handelte und setzte schließlich ihr Zeichen unter die Reihe von Symbolen, die seine elektronische Registrierkasse ausspuckte. Sie fügte außerdem das Symbol für Kubitai hinzu, das Zainal ihr gezeigt hatte, und war dankbar für seine Voraussicht.

Dann luden sie die Kartons und Kisten in die Flitzer. Ihr Chauffeur hatte das ungefähre Frachtvolumen geschätzt und gleich zwei, nicht nur einen Flitzer herbeigerufen.

Während des Flugs über die Stadt hinweg zwang Kris sich zu fröhlichen Gedanken. Dabei hatte sie entsetzliche Angst, daß irgend etwas passieren könnte und daß sie von einem Armeeposten oder einer Hafenpatrouille oder durch irgendein anderes Mißgeschick aufgehalten würden. Aber sie kehrten sicher zu ihrem Landeplatz zurück und begannen mit dem Ausladen ihrer Einkäufe. Mitford, Marrucci, Slav, Coo und Pess kamen eilig heraus, um zu helfen. Marrucci stieß einen leisen Pfiff aus, als er sah, was sie alles eingekauft hatten.

»Catteni können nicht pfeifen«, sagte Kris im Innern des Schiffs, wo sie relativ sicher waren.

»Autsch.«

»Irgendein Lebenszeichen von Zainal?«

Er schüttelte den Kopf, trottete zurück zur Rampe, gab unverständliche Laute von sich, die wie gedämpfte Catteni-Flüche klangen, und fügte ein unfreundliches »Sagt Drassi« hinzu.

Sie waren mit dem Ausladen beinahe fertig, als Balenquah in die offene Einstiegsluke stolperte. Seine graue Gesichtsfarbe hatte sich mit Schweiß vermischt und war völlig verschmiert, und sein Haarlehm war im Laufe der Nacht abgefallen und auf dem Kopfkissen liegengeblieben, so daß er auch nicht mehr entfernt wie ein Catteni aussah.

Mitford erholte sich als erster von dem Schreck. »Krank! Zurück! Dow, Nine, bringen Sie ihn weg!« Die beiden rissen den Piloten zurück, und er brachte nur einen halberstickten Protest über die Lippen, ehe jemand ihn bewußtlos schlug. Mitford verdrehte die Augen und schaute zu Kris hinüber, die den völlig verblüfften Flitzerchauffeuren gegenüberstand.

Indem sie Mitfords Hinweis aufnahm, schüttelte sie den Kopf und fühlte sich plötzlich ebenfalls ausgesprochen krank.

»Sehr krank. Terrakrank«, sagte sie, immer noch den Kopf schüttelnd. Dabei zwang sie sich, trotz ihrer wackligen Beine die Rampe hinunterzugehen. Es waren nur noch wenige Kartons übrig, die verstaut werden mußten.

»Weiß Hafenmeister Bescheid?« fragte der einhändige Catteni, und seine gelben Augen spiegelten nacktes Mißtrauen wider.

»Hafenmeister sagt, wir sollen Kranken an Bord festhalten und ihn zurück nach Terra bringen«, sagte Mitford und hielt das Gesicht gesenkt, so daß der Catteni ihm nicht in die Augen blicken konnte. »Und ihn dort zurücklassen.«

»Drassi sagt, wir starten heute«, fügte Kris hinzu. »Ich nehme Landurlaub dort! Hab’ Bai erzählt, dort nicht gut.«

Sie gab den Chauffeuren gerade genug, daß sie zufrieden waren, keine so magere Summe, die sie vielleicht beleidigt hätte, aber doch nicht genug, um als Bestechung gewertet zu werden. Im Geiste dankte sie Gott für jene schrecklichen Einkaufsreisen mit ihrem Catteni-Butler, wodurch sie den Unterschied kannte.

Nachdem sie den Landebereich verlassen hatten, marschierte sie direkt zu der Schnapsflasche und schenkte sich großzügig ein. Dowdall und Ninety leisteten ihr Gesellschaft und nahmen ihr stumm die Flasche aus der Hand.

»Wir haben ihn gefesselt und eingesperrt«, sagte Dowdall. »Dieser verdammte, vor Arroganz stinkende Bastard hätte uns beinahe verpfiffen.«

»Das hätte er immer noch tun können«, sagte Mitford und streckte die Hand nach der Flasche aus. »Ich bin mir nicht sicher, ob der einhändige Bursche unsere Erklärung wirklich geschluckt hat.«

»Ja, aber warum sollte er den Verdacht haben, daß als Catteni gekleidete Soldaten etwas anderes als Catteni sein könnten?« sagte Kris. Sie brauchte unbedingt eine Stärkung.

»Das ist richtig«, stimmte Mitford zu.

»Ist alles klar?« fragten Beverly und Bert Put im Flüsterton aus ihrem Abteil.

»Noch«, sagte Kris und setzte sich, weil ihre Beine sich noch nie so weich angefühlt hatten. Sie vergrub das Gesicht in den Händen. »So etwas möchte ich nie mehr durchmachen müssen.«

Ein aufgeregtes Summen von der Komm-Tafel auf der Kommandobrücke schreckte sie auf. Beverly und Mitford versuchten beide zur gleichen Zeit, durch die Türöffnung zu stürmen, wobei der Sergeant sich grotesk verrenkte, um dem General doch noch den Vortritt zu lassen.

»Schkelk?« fragte Beverly nach echter Tudoart, während er sich meldete. »Oh, Gott sei Dank.«

Als Kris den Kopf reckte, um die Brücke sehen zu können, konnte sie erkennen, wie er sich sichtlich entspannte. Für nur einen winzigen Moment – dann straffte er sich wieder und winkte den anderen aufgeregt, sie sollten hereinkommen. »Ja, ja, ich habe Sie verstanden. Wie sieht ›siebenundvierzig‹ auf Catteni aus, um Gottes willen? … Oh.« Er hatte nach einem Schreibblock gegriffen, den Mitford nun für ihn festhielt, da er das Handy am Ohr hatte. »Dicker Strich nach oben, zwei Querstriche, dreimal nach unten und ein kleines nach rechts geneigtes Quadrat zwischen den beiden abwärts gerichteten Strichen. Verstanden. Ist dies das Zeichen für die KDI?« Beverly begann zu lächeln und gab einen Seufzer der Erleichterung von sich, die seinen gesamten Körper zu erfüllen schien. »Gott sei Dank«, flüsterte er. »Okay, dann gibt es eine Änderung nur im letzten Zeichen, nämlich ein Kreis an Stelle eines Quadrats zwischen den beiden Strichen nach rechts unten? … Schon klar. Wir sind da, sobald wir starten dürfen. Halten Sie schon mal Ausschau nach uns.«

Er unterbrach die Verbindung.

»Notfall-Plan ist angelaufen. Mitford, nehmen Sie sich eine neue Flasche Schnaps und machen Sie Ihre Besuchstour. Gino, Coo, Slav, Pess, Ninety lungern draußen herum, als hätten sie schreckliche Langeweile. Wir retten ein paar Leute. Und Gott gebe, daß noch ein letzter Funke Geist in ihnen übriggeblieben ist. Wir räumen die Gefängnisse aus.«

»Ich weiß, wie man in die Abteilungen kommt«, sagte Kris und ergriff Ninetys Hand. »Ich zeige es Ihnen lieber. Hoffentlich geht es genauso wie im Wrack.«

Die Kontrollen befanden sich an der gleichen Stelle neben der Luke, allerdings schienen sie in einem viel besseren Betriebszustand zu sein.

»Ob sie wohl betäubt sind?« fragte Ninety nervös.

»Das hoffe ich. Dann ist nämlich ihre Überlebenschance um einiges höher«, sagte Kris und dachte ganz bewußt nicht an diesen Prozeß und an die Körper, die schon bald die vier Ebenen des flachen Decks füllen würden. »Schauen Sie gelegentlich mal hinaus, Ninety, für den Fall, daß wir ungebetenen Besuch erhalten«, sagte sie und reichte ihm die Komm-Einheit von ihrem Gürtel.