Kapitel 7

 

 

Sobald sich die Aufregung um Erobern und Verstecken von KDL gelegt hatte, verbrachten Scott und andere Angehörige des Oberkommandos, Abteilung Militärische Angelegenheiten, Stunden damit, die letzten Neuankömmlinge von der Erde zu befragen, um sich aus den fragmentarischen Berichten ein Bild von wichtigen Ereignissen zu machen. In einer Welt, die früher rund um die Uhr mit Neuigkeiten versorgt wurde, gab es kaum noch aktuelle Nachrichten.

»Katastrophen zu jeder Tages- und Nachtzeit«, hatte Kris erzählt.

»Tun sie das auch auf Catten oder auf Barevi?« hatte Sarah von Zainal wissen wollen. Sie saßen nach dem Abendessen in Narrow noch an ihrem Tisch zusammen.

»Allen alles erzählen? Nein.« Zainal lachte über diese Frage. Sein graues Haar war mittlerweile so lang, daß er es zu einem Pferdeschwanz zusammengerafft hatte, eine Frisur, die ihm besser stand als den meisten. Kris hatte ihm angeboten, es nach Indianerart zu flechten, wie sie es mit ihrem eigenen Haar tat, aber er hatte abgelehnt. »Nur denen, die es wissen müssen, wird es mitgeteilt.« Dann zuckte er die Achseln. »Und abends Lügen über die neue Welt und das tapfere Catten.«

»Zur Rekrutierung?«

Zainal dachte über das Wort nach und drückte dabei Kris’ Hand, um anzudeuten, daß er die Bedeutung selbst herausfinden würde. »Ja, um der Raumarmee beizutreten.«

Er erhielt ein Lob für die korrekte Wortwahl von den anderen am Tisch – von seinen Erkundungspartnern und den Mitgliedern von Astrids Team. Sie verbrachten sehr viel Zeit zusammen und lernten, die amphibische Maschine zu lenken, damit jeder sie beherrschte. Die Techniker hatten sich ebenfalls damit beschäftigt und sich mit ihrer Ausrüstung, ihren Motoren, Systemen, Kommunikationseinrichtungen und der lebenserhaltenden Technik vertraut gemacht. Obwohl Mitford einen hohen Rang im Oberkommando für die Siedler bekleidete, mußte er trotzdem eine ›Sondererlaubnis‹ einholen, um ein so wertvolles Stück Technik zu übernehmen. Er brauchte außerdem Scotts Zustimmung, um Zainal als Begleiter zu behalten.

»Sie tun alles, absolut verdammt alles, denken aber nicht daran, uns wie ein geschlossenes Team agieren zu lassen«, hatte Mitford am Tag vorher geschimpft. »Beide Kommandobrücken sind bemannt, und die KDL arbeitet mit Sonnenenergie, und wir haben immer noch die Deski, die an den Lagergrenzen die Ohren spitzen. Praktisch nichts kann sich unbemerkt an uns anschleichen. Wenn sie Zainal wirklich brauchten, könnte Marrucci mit einem dieser Atmosphärenflugzeuge rüberfliegen, die zu lenken er gelernt hat. Und es hinterläßt keine Spur, die der Beobachtungssatellit aufzeichnen könnte.«

Zainal konnte dazu nichts Beruhigendes mitteilen, da er nicht wußte, wie leistungsfähig die Technik des neuen Satelliten war. Er wußte nur, daß er sich auf einer globalen Umlaufbahn befand und die Planetenoberfläche alle halbe Stunde einer Überprüfung unterzog. Er war sich sicher, daß die umgebauten Luftkissenfahrzeuge der Farmer nicht von dem Satelliten bemerkt würden, weil sie nur mit Sonnenenergie arbeiteten. Das Amphibienfahrzeug könnte durchaus zu sehen sein – obwohl es angeblich längst nicht mehr existierte –, daher hatte man einen Kurs berechnet, und sie würden sich lediglich bewegen, wenn der Satellit sich über einer anderen Region des Planeten befand. Es könnte etwas länger dauern, die Küste zu erreichen, aber sobald sie im Wasser wären, dachte er, wäre das Tub nicht mehr aufzuspüren, da Wasser nicht nur die Außenhülle kühlte, sondern auch seine Strahlung tarnte. Kris’ Hand war immer noch leicht gerötet, aber ihre Füße waren verheilt, auch wenn sie weiterhin ihre Sohlen mit weichen Pflanzenfaserbüscheln schützte. Sie versuchte sich einzureden, daß es nur die Wanderlust war, die sie unruhig machte, denn sie glaubte nicht, daß sie so etwas wie eine Vorahnung hatte, aber sie wünschte sich sehr, endlich aufzubrechen, um den benachbarten Kontinent zu erforschen.

An seine neue äußere Form gewöhnt, langweilte sich das Eosi Mentat Ix. Es hatte sich wieder Vergnügungen hingegeben, die seine geschwächte ehemalige Hülle nicht hatte vollziehen können, und nun befriedigte sie seine Suche nach ungewöhnlichen Erfahrungen nicht mehr. Die neue Form war relativ beschränkt, da sie nicht die Ausbildung des jungen Männlichen genossen hatte, der ursprünglich aus dieser Blutlinie ausgewählt worden war. Das war, als es sich an die Animosität und die Bitterkeit des Catteni-Geistes im Augenblick der Übernahme erinnerte. Ix verschaffte sich Zugang zu seinem Gedächtnis. Eine kurze Untersuchung würde den Nachweis erbringen, ob die Vermutungen der Entität zutreffend gewesen waren. Ix erschrak ein wenig, als es erfuhr, daß ein leistungsfähigerer Satellit in eine Umlaufbahn um den Testplaneten gebracht worden war. Die Reste der Entität innerhalb des Mentat gerieten in Panik, als der jüngste Bericht von den Diensthabenden mental abgeschöpft wurde.

Das Scout-Schiff war verschwunden, und keine Spur wurde im Eosi-Raum gefunden. Es hatte weder auf einem Planeten noch im Raum getankt. Ebensowenig konnte der Satellit diese Art von metallener Form auf dem Testplaneten aufspüren. Die Frage nach dem Wrack des Transport – Schiffs wurde durch die Kommunikation zwischen KDL und dem gestrandeten Schiff aufgeklärt. Die KDL, das neueste Modell der Transportflotte, war nach Abwurf ihrer Ladung gestartet und hatte dieses Sonnensystem verlassen. Und die Bandaufnahme von ihrem letzten Notruf und von der Explosion lag vor.

Ix hörte sich das Band aufmerksam an, lauschte ihren letzten Momenten und den Bemühungen der Mannschaft, den Defekt zu beheben. Ix untersuchte den Defekt außerdem im Hinblick auf die Schwesterschiffe von KDL, die laufend in Dienst gestellt wurden, und stellte fest, daß eine solche Störung im Antriebssystem zwar möglich, aber eher unwahrscheinlich war.

Das Eosi Mentat ordnete an, das Logbuch der KDL zu suchen. Es müßte eigentlich im Raumschrott zu finden sein. Es wurde gefunden. In den winzigen Bereichen von Ix’ großem Geist deutete ein fast nicht wahrnehmbarer Schrei an, daß solche Ereignisse verdächtig waren.

Ix inspizierte die Datenspeicher des umlaufenden Satelliten und fand nur das Wrack, das immer noch dort lag, wo es gelandet war. Dann wurde Eosi Mentat Ix zu einer Konferenz mit seinen Kollegen gerufen, um zu beraten, wie die zunehmenden Probleme der cattenischen Besatzungsmacht auf dem jüngsten Planeten zu lösen wären, den sie erobert hatten. Ein derart lange andauernder Widerstand war einmalig, ja geradezu bizarr, und Ix mußte entscheiden, welche Strafmaßnahmen ergriffen werden mußten, um dieses Problem endgültig zu lösen. Alle Eosi waren jedoch fasziniert von Umfang und Qualität der Opposition gegen ihre milde Herrschaft.

Die allgemeine Wartungskugel erreichte den Zielplaneten und stellte fest, daß sein nächster Raumbereich von zwei technologischen Gebilden beherrscht wurde: einer bewegte sich auf einer Umlaufbahn, die dreißig Stunden dauerte, der andere war geosynchron. Diese Objekte wurden gründlich untersucht, ehe die Kugel bis auf eine Höhe hinuntersank, in der sie ermitteln konnte, weshalb eine Zielflugrakete ohne irgendeine Nachricht von der Kommandoeinrichtung abgefeuert worden war. Die Kugel entdeckte einige Lebensformen in der Einrichtung, aber sie war nicht darauf programmiert worden, herauszufinden, zu welchem Zweck sie dort waren. Immerhin wurde ihre Anwesenheit aufgezeichnet. Die Kugel fuhr mit ihrer ordnungsgemäßen Inspektion der landwirtschaftlichen Einrichtungen auf den urbar gemachten Kontinenten fort und entdeckte in einem weiten Bereich Anomalien, die auf eine Fehlfunktion der intelligenten Apparaturen in einem noch nie dagewesenen Maße hinwiesen. Indem die Kugel das Maschineninventar mit dem verglich, was zu diesem Zeitpunkt der Ackerbausaison des Planeten nicht im Einsatz hätte sein dürfen, konnte sie verschiedene Ausrüstungsteile aufspüren, die jedoch nicht die übliche bekannte Form aufwiesen. Diese Abweichung wurde vorschriftsmäßig vermerkt. Es schienen mehr Lebensformen zu existieren, als durch die natürliche Vermehrung der eingeborenen Arten hätten entstehen können. Es war absolut unmöglich, daß eine solche geistig träge Spezies die Maschinen, die sie versorgten, beschädigen geschweige verändern konnte. Die Kugel war lediglich auf mechanische Einrichtungen, Bestandsaufnahme und Versorgung programmiert. Sie untersuchte keine Lebensformen. Das gehörte in eine andere Abteilung.

Die Kugel beendete die nötigen Kreisbahnen in der für maximale Effizienz der verlangten Untersuchungen festgelegten Höhe, schickte die ermittelten Daten zur Heimatwelt und setzte den routinemäßigen Wartungsdienst fort.

Die Deski verhüllten die Augen, duckten sich, schafften es aber trotzdem, ihren Basen zu berichten, daß ein schrecklicher Lärm herrschte. Die Anzeigeinstrumente auf beiden Brücken meldeten ein räumliches Objekt, das mit enormer Geschwindigkeit unterwegs war und mit einem Tempo knapp unterhalb der Lichtgeschwindigkeit, wie Marrucci stotternd durchgab, über Botany dahinraste. Es stellte sich auf den Anzeigen der Brücken als ein Lichtmuster dar, das Botany einhüllte.

»Dann kann es nicht cattenischen Ursprungs sein«, entschied Rastancil, der hinter Marrucci stand und ihm über die Schulter blickte. »Sie verfügen noch nicht über die Fähigkeit …«

»Noch nicht«, bemerkte Marrucci leise.

Das Team am Kommandoposten meldete eine erschreckende Wahrnehmung.

»Ich hatte das Gefühl, als würde ich von E.T’s überprüft«, gab der im allgemeinen gelassen reagierende Colonel Salvinato mit einer Stimme durch, die hörbar zitterte.

»Nun, Sie sind nicht alleine. Jemand sieht sich uns verdammt genau an«, erwiderte Rastancil, womit er den Colonel zu beruhigen hoffte. Sein Körper kribbelte immer noch von dem, was ihn berührt hatte, was immer es gewesen sein mochte.

Salvinato berichtete weiter, daß es nun zwei Zielfluggeräte gebe, wo früher nur eins gewesen sei.

»Ersatz durch Materietransmitter?« fragte Rastancil gönnerhaft.

»A la ›Beam mich rauf, Scotty‹ meinen Sie bestimmt«, zitierte Marrucci einen klassischen Befehl aus der terranischen Fernsehserie Raumschiff Enterprise, und diesmal senkte er nicht die Stimme. »Auch die Catteni besitzen nichts, das dazu fähig wäre.«

»Das wäre aber eine Erklärung dafür, daß die Schiffe der Farmer so schnell beladen wurden«, sagte Mitford, als er gebeten wurde, seine Deutung des seltsamen Vorfalls kundzutun. »Ich habe es auch gespürt. Es war wie ein leichter elektrischer Strom, der mich durchfloß.« Dann lächelte er. »Die Farmer haben uns endlich bemerkt.«

»Haben wir das denn auch tatsächlich gewollt?«

Mitford dachte einige Sekunden lang darüber nach und zuckte dann die Achseln. »Keine Ahnung, General«, sagte er. Die Generäle hatten ihm die Kontrolle über Botany entzogen, aber er fühlte sich noch immer verantwortlich. »Es war die einzige Möglichkeit, die ich damals hatte. Sie erscheint mir immer noch gut. Nur war niemand lange genug hier, um mit uns zu reden. Also, was geschieht als nächstes?«

Scott berief sofort eine Versammlung all seiner Leute aus Camp Rock ein, die den Vorbeiflug des Raumschiffs der Farmer und Mechano-Bauern verfolgt hatten. Gerüchte überschlugen sich und wurden mit jeder weiteren Planetenumkreisung des Scanners unwahrscheinlicher, törichter und beängstigender. Es hieß nun, daß jeder mit einer tödlichen Krankheit infiziert worden wäre, die die gesamte Bevölkerung innerhalb von vierundzwanzig Stunden ausrotten würde. Andere Gerüchte besagten, daß die Farmer sie gezählt hätten und in Kürze kommen und sie zusammentreiben, sie in Schlachthäuser bringen, dort ›verarbeiten‹ und sie als Delikatesse wegschaffen würden. Oder alle würden ›markiert‹ werden und als Sklaven eingesetzt oder in sechsbeinige Luh-Kühe oder in Aasfresser verwandelt.

Es herrschte eine allgemeine Gespanntheit, als die Angehörigen des ersten Abwurfs sich am späten Nachmittag in der Messe von Camp Narrow versammelten. Bänke – zusammengefügt aus alten Maschinenteilen -und Hocker bildeten einen Halbkreis um einen Tisch, an dem Jim Rastancil, Geoffrey Ainger, Bull Fetterman, Bob Reidenbacker, John Beverly, Pete Easley, Yuri Palit und der ehemalige Richter Iri Bempechat saßen. Letzterer kümmerte sich seit kurzem um die disziplinarischen Maßnahmen im Kampf gegen Drückebergerei und Leistungsverweigerung. Ray Scott, begleitet von seinem unerträglichen Helfer Beggs, der sich Notizen machte und die Zahl der Anwesenden feststellte, erhob sich, als feststand, daß alle, die hatten kommen wollen, sich auch eingefunden hatten. »Ich hoffe, daß keiner die lächerlichen Gerüchte ernstgenommen hat, die nach unserem letzten Erlebnis aufgekommen sind«, begann Scott mit einem Ausdruck des Bedauerns.

Er sah zu Chuck Mitford, der zwischen Zainal und Kris saß. Dann folgten Dowdall, Cumber, Esker, Murphy und Tesco – seine ursprünglichen Helfer während des Rückzugs vom ersten Abwurffeld. Sie hatten den Sergeant vor möglichen Störungen abgeschirmt. Weitere Angehörige des ersten Abwurfs bildeten die zweite Reihe. Direkt hinter ihm Patti Sue, gefolgt von Jay Greene, Sandy Areson, Bart, Coo, Pess, Slav, Bass, Matt Su und Mack Dargle. Weitere zuerst Abgeworfene nahmen schließlich die Plätze dahinter ein: Janet, Anna Bollinger und ihr Sohn, die Doyles, Joe Latore und Dick Aarens. Mitford hatte die Arme vor der Brust verschränkt. »Sie und ich kennen die Probleme mit Gerüchten, Admiral, aber ich werde mich davon nicht behelligen lassen, gescannt oder nicht gescannt. Vor allem dann nicht, wenn jeder morgens genauso aufwacht, wie er eingeschlafen ist.«

»Schön, damit wäre dieses Problem gelöst, aber wir stehen vor größeren Schwierigkeiten«, sagte Scott. »Ich gehe davon aus, daß dieses grandiose Schauspiel nicht mit einem Eosi- oder Catteni-Raumschiff in Zusammenhang stand.«

»Ganz und gar nicht. Die Satellitenberichte werden einen ziemlichen Wirbel auslösen. Das weiß ich sicher«, erwiderte Zainal. »Den Eosi wird nicht gefallen, was da geschah. Sie werden sich große Sorgen machen.«

»Sie waren doch mal als Scout tätig, nicht wahr, Zainal?« fragte Bull Fetterman. »Haben sie jemals Spuren von ihnen in dieser Galaxis gefunden?«

Zainal schüttelte den Kopf. »Dies ist ein neues Sonnensystem für Eosi und Catteni. Deshalb sollen wir«. -und er betonte dieses Pronomen, während er sich umschaute –, »es kolonisieren. Ich weiß nur, daß ihre Technologie dem weit überlegen ist, was die Eosi bisher aufbieten können. Ich habe auch nicht soviel Angst vor ihnen wie vor den Eosi.«

»Wie bitte?« Scott war nicht der einzige, der über dieses Geständnis überrascht war. »Wie kommen Sie nach dem, was geschehen ist, zu dieser Schlußfolgerung?«

»Aufgrund dessen, was gerade geschah«, entgegnete Zainal, als läge es auf der Hand. »Niemand wurde bei der Überprüfung geschädigt. Eine Zielflugeinheit wurde ersetzt. Nein, von den Farmern befürchte ich nichts. Ich fühle es …« Er legte eine Hand auf seine Magengegend, »… im Bauch.«

»Fühlen andere … das gleiche?« fragte Scott eher amüsiert als überheblich.

»Nachdem ich dieses Tal gesehen habe, würde ich dem zustimmen«, meinte Kris. Der Charakter des Tals war sicherlich auch den anderen aufgefallen: seine Ruhe, die durch den versperrten Zugang geschaffene Sicherheit und Abgeschiedenheit. »Sie sind keine Mörder wie die Eosi. Sie gehen mit dem Planeten eher behutsam um.«

»Was ich wissen möchte«, sagte Dowdall mürrisch, »ist, weshalb sie diese nächtlichen Aasfresser nicht ausgerottet haben.«

»Sie sorgen überaus zuverlässig für die Vernichtung von Müll und Abfällen«, sagte Kris.

»Sie haben Orte geschaffen, um darin etwas festzuhalten oder um davon etwas fernzuhalten. So etwas tun die Eosi nicht. Die Farmer unterscheiden sich grundlegend von den Eosi … und den Catteni.«

Lenny Doyle meldete sich grinsend. »Ich würde ihm noch viel eher glauben, wenn die Mechanos … oder die Farmer … uns wegen der Kisten nicht beinahe vernichtet hätten. Aber Zainal hat uns rausgeholt, ehe sie uns erwischten, und außerdem waren die Maschinen darauf programmiert, zwischen uns und den Luh-Kühen zu unterscheiden.«

Dick Aarens äußerte einen leisen Widerspruch.

»Könnte das kein Hinweis darauf sein, daß die Farmer keine Zweibeiner sind?« fragte Scott.

»Nein, es ist lediglich ein Beweis dafür, daß die Maschinen der Farmer nicht darauf programmiert waren, zwischen warmblütigen Rassen zu unterscheiden«, sagte Kris.

»Könnten die Mechanos nicht der äußeren Form ihrer Erbauer nachempfunden sein?« fragte Janet blinzelnd.

Lenny brach bei dieser Vorstellung in Gelächter aus, das er sofort zu unterdrücken versuchte, als er erkannte, daß er Janet damit verletzte.

»Ich bitte Sie, Janet«, sagte Aarens abfällig, »ersparen Sie uns diesen religiösen Unsinn … geschaffen nach dem Ebenbild ihrer Schöpfer? Quatsch, nein! Jedes Stück Technik auf diesem Planeten ist ein absolutes Meisterwerk, bedient sich erneuerbarer Energiequellen und läßt sich auf einfachste Art reparieren oder warten. Niemand hat bisher herausfinden können, welche Art von metallischer Legierung benutzt wurde, aber die Maschinen sind praktisch unzerstörbar.«

»Bis Sie daherkamen«, sagte Janet spitz, die sich über Aarens’ höhnischen Tonfall ärgerte.

»Das liefert uns jedoch«, ergriff Ray Scott schnell wieder das Wort und bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, sich wieder zu setzen, »keinerlei Hinweise darauf, welche Maßnahmen die Farmer ergreifen, wenn diese Zauberkugel am Himmel meldet, daß ihre Maschinen in einem großen Gebiet ihrer Anbaugebiete nicht mehr einsatzfähig sind.« Kris hielt sich eine Hand vor den Mund, um ihr Grinsen zu verbergen. Sie hätte ein derartiges Geständnis von dem Admiral niemals erwartet.

»Wir sollten uns nicht in fruchtlosen Spekulationen verlieren«, sagte Scott. »Werden die Eosi mit Botany irgend etwas anstellen, während sie diese Bericht studieren? Vielleicht so etwas wie eine Blockade errichten?«

»Oder wenigsten den Hertransport von weiteren Kolonisten für eine Weile einstellen?« fragte Pete Easley voller Hoffnung.

»Das dürfte schon wahrscheinlicher sein«, sagte Zainal.

»Ich hatte eher an die Entsendung eines Teams gedacht, um einen Planeten zu erforschen, auf dem ein Scout-Schiff und zwei Transporter verschollen sind.«

»Könnten sie die Schuld am Verschwinden der Schiffe den E.T’s geben?« fragte Lenny Doyle.

»Das wäre zu schön, um wahr zu sein«, sagte Jim Rastancil, doch er schien ernsthaft über diese Möglichkeit nachzudenken.

»Den Eosi ist es gleichgültig, was mit einer Kolonie wie dieser geschieht«, erklärte Zainal. »Aber ihnen wird nicht gefallen, was heute geschah, wenn sie erstmal die Berichte gelesen haben. Die Eosi glauben, daß ihre Technologie die beste ist.«

»Und sie haben Schwierigkeiten, einzugestehen, daß es nicht der Fall ist«, sagte Rastancil, dem diese Denkrichtung offensichtlich gefiel.

»Demnach sind also die Eosi die Erfinder?« fragte Ainger.

»Ja. Sie liefern die Pläne. Catteni bauen danach.«

»Sind Sie sicher, daß sie nicht nach Botany kommen, weil es hier solche …« Rastancil hielt inne und suchte nach dem passenden Begriff, »stellaren Erscheinungen gab?«

Zainal zuckte die Achseln.

»Wie zum Teufel soll Zainal das wissen, General?« fragte Mitford bissig. »Bisher haben die Eosi den Raum beherrscht. Zumindest haben die Catteni es so dargestellt, und ich habe ihre Geschichten gehört, als ich auf Barevi festsaß.«

»Es herrscht sicher große Sorge, und viele Versammlungen finden statt«, sagte Zainal, dem es offenbar gefiel, die Eosi derart verunsichert zu sehen. »Sie alle«, und er deutete mit einer umfassenden Geste auf diejenigen, die erst kurze Zeit auf Botany lebten, »begreifen nicht, wie niedrig die Catteni von den Eosi angesehen werden.« Er blickte zu Kris, um sich zu vergewissern, ob er die richtigen Worte benutzt hatte. »Sie werden viel Mühe und Zeit aufwenden, um herauszubekommen, wer dieses sehr schnelle Raumfahrzeug geschickt hat, aber nicht …« Er machte eine Pause, um seine Worte zu unterstreichen, »weshalb es hier in direkter Nähe ihrer Strafkolonie aufgetaucht ist.«

»Das ist ja beruhigend«, murmelte Anna in der Reihe dahinter.

»Und wie beruhigend das ist«, schloß Rastancil sich ihr an.

»Demnach können wir die Reaktion der Eosi einstweilen außer acht lassen«, stellte Scott fest. »Aber ich bezweifle, daß wir die Reaktion der Farmer ignorieren können.«

»Er meint, wenn er sie ›Farmer‹ nennt, machen sie uns nicht soviel Angst«, meinte Janet zu Anna.

Kris lächelte Janet über die Schulter an, die gegen ihre eigene Unsicherheit ankämpfte. Ihre Augen waren angstvoll geweitet, und ihr Kinn zitterte leicht. Anna Bollinger, die ihren Sohn anläßlich dieses Treffens in der Obhut von jemand anderem zurückgelassen hatte, wirkte sogar noch verängstigter.

»Ich hatte gehofft, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, Admiral. Es war für mich die einzige Chance, diesen Planeten zu verlassen und nach Hause zurückzugelangen. Am besten wäre es, wenn die Farmer über das Zusammenwirken von Eosi und Catteni Aufschluß erhalten«, sagte Mitford.

»Das war ein wenig naiv von Ihnen, nicht wahr, Sergeant?« meinte Geoffrey Ainger.

»Moment mal, Ainger«, schaltete Kris sich ein, und sie richtete sich mit zornfunkelnden Augen auf. Sie ließ sich nicht durch Easley besänftigen, der sich zur Seite neigte und dem englischen Marineoffizier etwas zuflüsterte.

»Tut mir leid, Miss Bjornsen. Ich hatte vergessen, wie wenig Mittel Ihnen in der Anfangszeit zur Verfügung standen«, sagte Ainger und deutete eine Verbeugung an, indem er sich halb von seinem Platz erhob. »Sergeant Mitford, ich hatte es nicht böse gemeint.«

»Schon gut«, erwiderte Mitford und nahm die Entschuldigung mit einem Kopfnicken an. Er legte Kris eine Hand auf den Oberschenkel, als Zeichen, daß er sich durchaus selbst zu wehren wußte.

»Es war das mindeste, was ein Unteroffizier tun konnte«, sagte Bull Fetterman. »Nämlich eine Fluchtroute zu suchen, auf der man zum Regiment zurückkehren kann.«

»Wir haben sehr viel mehr als das geschafft«, sagte Dick Aarens und sprang auf. »Zum Beispiel die Geräte der Mechano-Bauer für unsere Bedürfnisse umgewandelt. Das war doch auch schon allerhand, oder?«

»Das finden wir auch, Mr. Aarens. Zumal Sie ja so viele Verbesserungen beigesteuert haben …«, begann Reidenbacker.

»Entschuldigen Sie, Sir«, unterbrach Mitford ihn, »aber wir sollten uns jetzt nicht gegenseitig beweihräuchern. Mich interessiert viel mehr, was Admiral Scott vorhat.« Kris dachte bei sich, daß Scott, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, überhaupt nichts vorhatte … noch nichts.

»Was ich gerne wüßte … Freunde« – Scott hatte offensichtlich Schwierigkeiten, eine passende, nicht allzu distanzierte Anrede für die Versammelten zu finden, »ist, welchen Eindruck Sie von der Ankunft des Riesenschiffs hatten, das zum Einsammeln der Ernte hier war.«

»Sie meinen, ob wir in diesem Moment gescannt wurden«, sagte Kris. »Nein, das wurden wir nicht.«

»Zum Teufel, Admiral, das Schiff wußte überhaupt nicht, daß wir hier waren«, sagte Jay Greene. »Es flog über uns hinweg wie …« Er hob die Schultern und deutete nach oben. »… wie ein monströser Saurier.«

»Und es ist nicht gelandet?«

»Wir haben jedenfalls nichts Derartiges beobachtet«, erwiderte Mitford.

»Zainal hat eine Gruppe hierhergeführt, weil wir annahmen, daß es hier in der Luft stehenblieb«, erzählte Ninety Doyle. »Wir waren gar nicht so weit hinter ihm, als es wieder aufstieg. Von dem Kistenberg, den wir mühsam überklettern mußten, um von dort zu verschwinden, war nichts mehr übrig.«

»Demnach war von dem Tempo und der Wendigkeit des Objekts, das uns abgetastet hat, nichts zu bemerken?« fragte Beverly.

»Nein.« Ninety schüttelte mit Nachdruck den Kopf. »Es war völlig anders.«

»Damals nahmen wir an«, sagte Jay Greene, »daß das Schiff von einem Programm gesteuert wurde. Es gab an Bord keinerlei organisches Leben.«

Rastancil stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Also völlig automatisch?«

»Und wahrscheinlich von einer Kultur geschickt, die Materietransmitter erfunden hat …«, sagte Scott und räusperte sich.

»Das wäre die einzige Möglichkeit, wie die Masse Fracht in der kurzen Zeit, die das Schiff in der Luft verharrte, eingeladen wurde«, meinte Ninety. »Genau wie beim Raumschiff Enterprise.«

»Demnach ist es sehr wahrscheinlich, daß der Scanner von heute ebenfalls ein Automat war«, sagte Easley.

»Wir erhielten keinerlei Angaben über die Masse des Scanners«, sagte Rastancil. »Ich war auf der Brücke, als das Objekt in seine Umlaufbahn einschwenkte, und das Transportschiff hat kaum empfindliche Anzeigeeinrichtungen …« Er blickte zu Marrucci hinüber, der im Scout-Schiff gesessen hatte.

Der Pilot schüttelte den Kopf und hob beide Hände. »Ich hatte keine Ahnung, was ich auf der Kontrolltafel hätte aktivieren sollen.« Er schaute hilfesuchend zu Zainal.

»Der Scout kann eine solche Geschwindigkeit nicht erreichen«, sagte der Catteni.

»Demnach müssen wir abwarten, bis das Objekt seine Daten an die Farmer übermittelt hat«, entschied Scott, »und uns gegen die Folgen wappnen.«

»Können wir denn nichts tun, um uns irgendwie zu schützen?« Anna Bollingers Stimme hatte einen leicht hysterischen Unterton.

»Wir können doch nicht still dasitzen und überhaupt nichts tun«, schloß Janet sich ihrem Protest an.

Ein leicht überheblicher Ausdruck glitt über Admiral Scotts Gesicht, und Kris, die begonnen hatte, den Mann ein wenig zu mögen, änderte sofort wieder ihre Meinung.

»Wenn er sie fragen sollte, was wir ihrer Meinung nach tun sollten …«, meinte sie murmelnd zu Mitford, der erneut seine Hand auf ihren Oberschenkel legt, um sie zu bremsen, während er sich zu Janet umwandte.

»Wir können eine ganze Menge tun, Janet, und deshalb sind wir ja hier. Bisher sind wir doch ganz gut zurechtgekommen, oder?« fragte er und wartete, bis sie widerstrebend nickte. »Also halten Sie noch ein wenig länger aus, okay?« Dann drehte Mitford sich wieder zum Tisch um. »Da man wohl davon ausgehen kann, daß der Scanner bemerkt hat, daß wir alle Maschinen, die in den verschiedenen Garagen und Scheunen stehen sollen, die wir benutzen, verändert haben, sollten wir vielleicht damit anfangen, sie hinauszuschaffen, oder? Ich empfehle außerdem, daß ein paar von uns den nächsten Kontinent erforschen sollten mit dem Ziel, dort eine Bleibe zu finden … das heißt, falls wir feststellen können, daß die Farmer sich nicht auch schon dort festgesetzt haben.«

Scott nickte zustimmend, und sogar Ainger schaute nicht mehr so mürrisch drein.

»Auf diesem Kontinent gibt es diese abgeschotteten Täler. Wie viele haben wir davon entdeckt, Zainal?« Mitford drehte sich halb nach rechts.

»Mehrere Dutzend. Wir müssen mal die Kartenspezialistin Sheila nach Einzelheiten fragen.«

»Die Höhlen gehören uns«, erklärte Patti Sue. Sie war wirklich die letzte, von der Kris erwartet hätte, daß sie sich bei einem solchen Treffen zu Wort melden würde. »Wir haben sie bewohnbar gemacht.«

»Aber wir waren nicht dazu befugt«, hielt Janet ihr entgegen.

Kris wagte nicht, Janet direkt anzusehen. Was sie sagte, klang aus dem Mund einer Frau, die als sehr empfindsam galt, ziemlich seltsam. Vielleicht hatte der Scanner bei einigen Leuten doch irgendwelche Veränderungen bewirkt. Kris erschauerte. Sie wehrte sich gegen die Annahme, daß an all den dummen Gerüchten doch etwas Wahres war.

»Wenn wir ihnen zurückgeben, was wir ihnen weggenommen haben …«, fuhr Janet fort, und dann, als sie Dick Aarens abfälliges Schnauben hörte, wirbelte sie zu ihm herum. »Sie waren es, der damit angefangen hat, die Maschinen auseinanderzunehmen …«

»Janet!« Erneut rief Mitford sie zur Ordnung. »Sie haben das alles nicht richtig durchdacht, dabei sind Sie doch gar nicht so dumm. Sie waren für so viele, die verzweifelt und durcheinander waren, eine starke Stütze.«

Sandy Areson hatte sich mittlerweile neben Janet gesetzt und legte beruhigend einen Arm um ihre Schultern. Sie deutete Mitford mit einem Kopfnicken an, daß sie sich nun um die Frau kümmern würde.

»Was geschehen ist, ist geschehen, und ich bezweifle, daß auch unsere größten technischen Genies alles wieder in den Urzustand versetzen können«, sagte Scott einlenkend. »Nicht daß es überhaupt möglich wäre, da wir alles, was wir aus ihren Maschinen hergestellt haben, dringend brauchen, um uns aus ihrem Eigentum zurückzuziehen. Wenn das überhaupt eine Möglichkeit für uns ist.«

»Ich denke, ein Rückzug angesichts überwältigender Stärke wird gewöhnlich als vernünftiger Schritt betrachtet«, meinte Bull Fetterman trocken.

Sein Versuch, die allgemeine Anspannung in der Kantine zu mildern, wurde mit vereinzeltem Gelächter belohnt. »Außerdem können wir Lebensraum für jeden schaffen«, sagte Beverly mit einem strahlenden Lachen, »wenn das, was wir in einigen Tälern gesehen haben, irgendwelche Bedeutung haben soll.«

»Der andere Kontinent ist eine bessere Idee, General«, sagte Mitford und erhob sich von seinem Platz. »Zumal wir jetzt das Tub für weitere Erkundungen zur Verfügung haben. Was ich sowieso tun wollte.«

»Aktivitäten dieser Art sind immer begrüßenswert, Sergeant«, sagte Scott, »und ich schlage vor, daß Sie Ihre Pläne vervollständigen und so bald wie möglich in die Tat umsetzen.«

»Wird Yuris Gruppe ebenfalls mit der sofortigen Evakuierung beginnen?« fragte Mitford mit einem Blick auf Janet.

»Das will ich wohl annehmen.« Es war Reidenbacker, der die Frage beantwortete. Er lächelte Janet aufmunternd an. Sie räusperte sich, lächelte knapp, rang aber immer noch nervös die Hände in ihrem Schoß.

»Sie sollten lieber daran denken, daß viele Neuankömmlinge genauso reagieren werden wir Janet«, meinte Kris leise zu Mitford. Dieser nickte bestätigend.

»Sollten wir nicht alles rausbringen, was wir geschaffen haben?« fragte Dick Aarens. »Wir brauchen alles, um weiterleben zu können. Und das Scout-Schiff? Wo sollen wir das jetzt unterbringen, wenn wir die Scheunen räumen müssen?«

Scott hob abwehrend die Hände. »Lassen Sie uns ein paar Stunden Zeit.« Er deutete auf die Spezialisten, die hinter ihm saßen. »Dann haben wir die Teams eingeteilt und die notwendigen Pläne aufgestellt, um sie auch zu realisieren. Ich weiß, daß einige von Ihnen von der Zauberkugel heute morgen beunruhigt wurden …« Seine Bezeichnung für das orbitale Flugobjekt ließ alle aufmerken, und er mußte über diese Wirkung grinsen. »Aber wir wollen nicht, daß weitere Gerüchte bei denen Unruhe auslösen, die sich auf Botany immer noch nicht sicher fühlen. Wir sollten uns gut überlegen, wie wir außerhalb der Kantine über diese Versammlung berichten, okay? Ich bitte Sie bei allem, was Ihnen heilig ist, nicht eine erneute Flut von Gerüchten auszulösen. Wir werden alles Menschenmögliche tun, um die widerrechtliche Besetzung der Behausungen und deren Folgen rückgängig zu machen. Unsere erste Aufgabe sollte darin bestehen, die Leute aus den Bauwerken unserer Wirte herauszuholen und an sichere Orte zu verfrachten, wie zum Beispiel in die Täler. Genauso wichtig ist es, die Ausrüstung bereit zu haben, die wir brauchen, um eine schnelle Evakuierung durchzuführen.«

Chuck Mitford drehte sich zu den hinter ihm Sitzenden um. »Bedenken Sie stets eines, Leute, die Farmer haben mehr als neun Monate gebraucht, um zu entdecken, daß wir hier sind. Ich würde meinen, wir haben ausreichend Zeit, um uns einen anderen Platz zu suchen und wenigstens die Garagen und die Scheunen zu reinigen, ehe wir aufbrechen. Stimmt’s, Janet? Anna?«

»Wir schaffen es«, sagte Patti Sue derart entschlossen, daß Kris, die daran dachte, wie verängstigt das Mädchen mal gewesen war, bei dieser Demonstration von Zuversicht laut hätte jubeln können. Janet und Anna sahen gleich weniger verzweifelt aus.

»Vielleicht«, fügte Patti hinzu, »kommen sie nicht, bevor die Aussaat beginnt, aber wir wissen noch nicht mal, wann der Winter zu Ende geht, falls dies überhaupt der Winter ist.«

Zainal stand auf. »Mir gefällt der Gedanke, daß wir alle auf den anderen Kontinent umziehen«, sagte er. »Ich denke, wir sollten möglichst bald aufbrechen. Die Schiffe können sich ja die andere Landmasse vornehmen. Sie ist vielleicht gar nicht so öde, wie sie aus dem Weltraum erscheint. Wenn ja, dann können die Schiffe uns bei der weiteren Suche helfen.«

Sobald Zainal sich wieder hingesetzt hatte, stand Ninety auf. »Dort gibt es auch viele dieser abgeriegelten Täler, die nicht von den Farmern benutzt wurden. Vielleicht können wir dort Leute unterbringen.« Als er Protestrufe hörte, meinte er weiter: »Wir können ja Treppen einbauen, damit man jederzeit hinausgelangen kann. In den Tälern wachsen Büsche und Bäume. Wir könnten von dem, was wir an Nutzpflanzen angebaut haben, in die Täler bringen. Und ist es denn nicht so, daß die Turs und die Catteni sie für uns testen?« Er grinste und warf Zainal einen herausfordernden Blick zu.

Mitford stand auf. »Ich stimme Zainal zu«, sagte er mit einem ungewöhnlichen Ausdruck von Bescheidenheit.

»Sarge, Sie hatten die einzige realisierbare Idee. Sie brauchen jetzt nicht so tun, als hätten Sie wegen irgend etwas Schuldgefühle«, erklärte Kris energisch, und ihre Bemerkung wurde von vielen Anwesenden mit Beifall quittiert.

»Wir haben alle mitgeholfen«, sagte Joe Latore, drehte sich auf seinem Platz und fixierte Dick Aarens. »Oder etwa nicht?«

Aarens ignorierte ihn demonstrativ.

»Ja, aber was ist, wenn wir auf den anderen Kontinent umziehen?« fragte Anna Bollinger mit angstverzerrtem Gesicht, »und sie uns verfolgen?« Janet legte sofort einen Arm um ihre Schultern und blickte wütend in die Runde.

»Ach, keine Angst, Miss«, sagte Ninety, »überall auf dem Planeten gibt es Höhlen, in denen Sie niemals von ihnen aufgestöbert werden können. Und wahrscheinlich sind auch am Wasser Höhlen zu finden, was meinen Sie dazu, Zainal?«

Kris wandte sich um, wobei eine Hand sich auf Annas Knie legte. »Wir wissen, daß Sie sich vorwiegend Sorgen wegen Ihres Sohns machen, Anna, aber warum sollen wir noch mehr Schwierigkeiten bekommen, als wir jetzt schon haben?«

»Was mich zu der Frage bringt, inwieweit die Catteni zu unserer jetzigen Krise beigetragen haben«, sagte Scott. »Zainal, wie werden die Eosi reagieren, wenn der Satellit das Auftauchen der Zauber-Kugel meldet?«

»Sich große Sorgen machen«, antwortete Zainal prompt, und in seinen gelben Augen funkelte so etwas wie Schadenfreude.

Scott gestattete sich die Andeutung eines Lächelns über Zainals Scherz.

»Würden sie nach Botany kommen, um nachzuschauen, oder errichten sie mit ihren Raumschiffen eine Blockade?«

»Zuerst einmal wird diskutiert. Zweitens wird der Satellit auf Defekte überprüft, ob das, was er gemeldet hat, auch zutrifft. Drittens könnten sie jemanden herschicken, um sich darüber zu informieren, was mit uns passiert ist.« Zainal hatte offensichtlich erhebliche Zweifel, daß Letzteres passieren würde.

»Viertens, was ist denn, wenn sie uns noch weitere Kolonisten schicken?« fragte Sandy Areson.

Zainal ließ das Kinn auf die Brust sinken, ab er darüber nachdachte.

»Ich denke, für eine Weile werden keine Kolonisten mehr kommen, Sandy.«

»Zumal eine Landung auf diesem Planeten ziemlich unglücklich enden kann«, fügte Aarens mit einem verhaltenen Lachen hinzu.

Zainal fuhr fort, als ob Aarens Bemerkung gar nicht gefallen wäre. »Sie werden an der Geschwindigkeit der Zauber-Kugel zweifeln.«

»Werden sie denn wissen, daß sie nicht aus diesem Sonnensystem stammt?« fragte Scott.

Zainal nickte. »Sie werden lange nachdenken, ehe sie irgend etwas tun.«

»Gut«, sagte Scott und rieb sich die Hände. »Dann werden wir genügend Zeit haben, um uns voll und ganz zurückzuziehen. Wenn ich die cattenische Kolonialpolitik richtig verstehe, Zainal, besteht sogar die Möglichkeit, daß sie diesen Planeten als unbewohnbar einstufen. Ist das richtig?«

Zainal nickte.

»Demnach haben wir alle am Ende vielleicht doch recht?« fragte Anna Bollinger, während sich ihr tränen-überströmtes Gesicht aufhellte.

»Das ist durchaus möglich«, sagte Scott mit einem Ausdruck deutlich gesteigerten Selbstbewußtseins.

Das Ergebnis der Diskussion war schließlich kein Referendum, sondern die Zusammenstellung von Erkundungstrupps, die jedes der von Ninety Doyle so bezeichneten ›einsamen Täler‹ erforschen sollten. Kleine Gruppen würden in den Tälern abgesetzt, um nach irgendwelchen fremdartigen Bewohnern Ausschau zu halten, wobei bisher nichts dergleichen in den bereits bewohnten Tälern beobachtet worden war. Sobald Mitford die Grundlagen dieser Erkundungen festgelegt hatte, übergab er Easley einen ganzen Stapel weitere Instruktionen, das sogenannte ›Handbuch‹, und rief die Mitglieder seines eigenen Teams zusammen. Sie brachen noch vor dem zweiten Mondaufgang auf, da das Amphibienfahrzeug über Scheinwerfer verfügte.

Es hatte außerdem eine hervorragende Federung. Mitford schlief seine obligatorischen sechs Stunden, während Zainal das Gefährt über rauhes und glattes Gelände lenkte. Der Fahrer saß in der Mitte des Fahrzeugs mit jeweils zwei weiteren Sitzplätzen rechts und links neben sich und einer breiten Kontrolltafel vor sich. Zainal wies seine Ersatzfahrer, Joe Marley und Astrid, ein und erteilte ihnen eine ausführliche Lektion über die Fähigkeiten des Fahrzeugs sowie die verschiedenen Bedienelemente. Außerdem erklärte er ihnen die Bedeutung der einzelnen Symbole auf der Kontrolltafel.

»Haben wir ein Periskop?« fragte Marley.

»Dritter Knopf auf der rechten Seite, Sonnensymbol«, antwortete Zainal.

»Weshalb bin ich nicht von selbst darauf gekommen?«

»Wir können tief fahren, aber kein Periskop benutzen. Sagt das Handbuch«, erwiderte Zainal.

»Da liest tatsächlich jemand eine Betriebsanleitung!« Sarah seufzte übertrieben respektvoll.

Joe klopfte vorsichtig gegen das ›Glas‹ des schmalen Fensters neben sich. »Wieviel Druck hält das aus?«

»Genug. Wir tauchen nicht tief. Ist eher für kor-ro-die-ren-de Atmosphäre gebaut.« Zainal wandte sich an Astrid. »Welcher Knopf ist für das Schließen der Luftschlitze?« fragte er sie, um ihr Gedächtnis zu testen.

»Dieser«, sagte sie und zeigte auf den entsprechenden Knopf auf dem Armaturenbrett vor sich.

»Sie hat's begriffen«, sagte Zainal, und Kris, die hinter ihm saß, kicherte belustigt. Er lehnte sich nach hinten. »Ich lerne jeden Tag was Neues, nicht wahr?«

»Ich auch«, meinte Astrid stolz.

»Ganz bestimmt.« Joe grinste sie an.

Der Punkt, den sie ansteuerten, war etwa fünfhundert Meilen von Camp Narrow entfernt, und sie hatten die Absicht, auf direktem Weg zu ihrem Bestimmungsort zu gelangen und nur kurze Zwischenstopps einzulegen, um das Tub gründlich zu durchlüften. Es war ein derart neues Fahrzeug, daß es durchdringend nach frischer Farbe und Öl und anderem roch und daß die Belüftung gründlich durchgeblasen werden mußte, ehe sie damit auf Tauchfahrt gingen. Daher hielten sie von Zeit zu Zeit an, um Tee zu trinken und dem Ruf der Natur zu folgen.

Im Laufe des folgenden Vormittags tauchte vor ihnen das Meer auf. Sie konnten ohne Fernglas die unregelmäßige Küstenlinie der benachbarten Landmasse erkennen. Das Wasser vor ihnen war ruhig, und nur winzige Wellen brachen sich plätschernd auf dem Strand.

»Es ist weiter als von Dover nach Calais«, stellte Astrid fest. Sie hatte während ihrer Studienzeit ausgedehnte Reisen durch Europa unternommen. Zainal sagte etwas auf Catteni und schnippte mit den Fingern der linken Hand, als die Zahl, die er nennen wollte, ihm nicht einfiel. »Sechs oder sieben plus sieben Zehner«, sagte er.

»Sechsundsiebzig«, sagte Kris. »Und wie schnell ist das Tub unter Wasser?«

»Nicht so schnell wie an Land«, erwiderte er. »Halbe Geschwindigkeit.«

»Das ist aber alles andere als langsam«, sagte Joe beeindruckt und schaute zur geschwungenen Küstenlinie. »Seicht?« fragte er.

»Das werden wir schon bald feststellen«, sagte Mitford. »Alles an Bord!« Er winkte Astrid, Bjorn und Jan, die auf dem Kiesstrand nach Muscheln suchten.

Sie hatten den Punkt erreicht, an dem das Tub aufschwamm, als Joes Armaturenbrett sich mit einem Klingeln meldete. »Ein Sonar?« fragte er und sah dann, wie eine Anzeige zu leuchten begann. »Oder so etwas Ähnliches. Geht es jetzt abwärts, Skipper?«

Zainal schüttelte den Kopf. »Abstand zum Grund.«

Der Wasserspiegel erreichte nun die schmalen Sehschlitze und das obere Drittel des Hauptfensters. Dort konnte man auch die leichte Bewegung des Wassers erkennen.

»Ich habe ganz vergessen, nachzufragen«, sagte Mitford, »ob jemand zu Seekrankheit neigt … außer mir?«

»Sarge? Sie wollen doch nicht etwa …«, sagte Kris mit einem Ausdruck gespielten Erschreckens.

Die stets hilfsbereite Leila erhob sich von ihrem Platz und verschwand nach hinten. Sie kehrte mit einer größeren Schüssel zurück, die sie Mitford reichte. Er schenkte ihr einen derart vernichtenden Blick, daß sie sich sofort entschuldigte. »Ich wollte Ihnen nur helfen.«

»Er will Sie nur ein wenig ärgern«, sagte Kris.

»Vielleicht doch nicht«, meinte Mitford und starrte angespannt in die Schüssel.

»Leiden Sie unter Klaustrophobie?« wollte Kris wissen.

Er nickte.

»Oh«, sagte sie mitfühlend. Kein Wunder, daß er nicht so scharf darauf gewesen war, in Baby mitzufliegen.

»Bei der Fahrt, die das Tub schafft, Sarge«, sagte Joe in fröhlichem Ton, »sind wir in Nullkommanichts da.«

»Überlegen Sie doch mal, Chuck …«

Mitford legte schnell eine Hand auf Kris’ Schulter. »Sprechen Sie nicht … dieses spezielle Wort aus, okay?«

»Autsch, aber Sie sind der erste, der diesen Kanal oder die Straße oder was immer es ist überquert. Können wir den Kanal nach Ihnen benennen?«

»Häh?« Der Sergeant musterte sie verblüfft. Dann begriff er, daß sie versuchte, ihn abzulenken, und er brachte ein Lächeln zustande. »Mir geht es ganz gut. Es ist immer noch etwas zu sehen …« Aber die Wellen spülten über die Frontscheibe, und er wandte schnell den Blick ab. Die Überfahrt nahm knappe zwei Catteni-Stunden in Anspruch, wie der Zeitmesser im Armaturenbrett verkündete. Das Tub rollte auf einen Sandstrand, der mit den gleichen Büschen bewachsen war wie der des Nachbarkontinents.

»Es gibt auch Muscheln«, sagte Astrid und deutete auf die Luftlöcher im Boden, während sie aus dem Tub stiegen. »Sollen wir welche sammeln?« fragte sie Mitford.

»Dazu haben wir noch genug Zeit«, sagte er und beschattete die Augen, um landeinwärts zu schauen. Dann blickte er auf die Landkarte, die er aus der Tasche geholt hatte, und faltete sie auseinander. »Wir sind etwa hier«, sagte er, deutete auf einen Fleck und zeigte dann mit dem Finger nach Westen. »In dieser Richtung steigt das Gelände an. Zainal, Kris, Astrid, Bjorn, Whitby, kommen Sie, schauen wir uns einmal um.« Damit setzte er sich in Marsch. »Joe, Sie passen auf das Tub auf«, fügte er hinzu.

Als sie die erste Anhöhe erreichten und sich einen ersten Überblick verschaffen konnten, sahen sie in beiden Richtungen mit Grün bedeckte Flächen, die sich bis zu den fernen Bergen erstreckten.

»Wie Luh-Kuh-Weiden«, sagte Björn und blieb stehen, um sich mit einem Zeh durch die Vegetation bis zum Erdreich darunter durchzugraben. Kleine, vielbeinige Geschöpfe wühlten sich tiefer hinein, weg von der frischen Luft. »Gute Erde«, fügte er hinzu, zerrieb eine Probe zwischen den Fingern und ließ sie hinabrieseln. Dann trat er auf die Vertiefung, die er geschaffen hatte.

»Meinen Sie, die Farmer bemerken es, wenn wir uns ein paar ihrer Stiere holen?« fragte Kris und überlegte, was sich sonst noch in der Erde verbarg.

»Solche Insekten gibt es nicht auf Luh-Kuh-Weiden«, fügte Björn hinzu. »Vielleicht auch keine Aasfresser.«

Kris schaute sich um. »Wir sollten eigentlich mal Glück haben.« Sie versuchte sich daran zu erinnern, was sie im Geographieunterricht über Geländeformen gelernt hatte. »Das sieht hier genauso aus wie die Landschaft da drüben.« Sie deutete mit dem Daumen über die Schulter auf das ferne Festland. »Möglich, daß eine Senkung die beiden voneinander getrennt hat … oder der Spalt hat sich nicht geschlossen, wie es in prähistorischen Zeiten auf der Erde geschehen ist. Die Kontinente sahen nicht immer so aus wie heute, wissen Sie. Vielleicht ist dies noch ein junges Land …«

»Nein, dies ist ein alter Planet«, sagte Whitby. »Auf den Weltraumkarten sind keine Vulkane zu sehen, und zahlreiche Berge scheinen ziemlich abgetragen zu sein. Aber diese Gegend sieht genauso aus wie ein Teil der Region, die wir hinter uns gelassen haben.«

»Warum wird dann hier keine Landwirtschaft betrieben?« fragte Astrid und runzelte die Stirn.

Mitford zuckte die Achseln und räusperte sich. »Wer weiß, aber wir sollten stets daran denken, daß wenn es ähnlich aussieht, auch ähnlich sein kann, und das könnte heißen, daß es hier auch Aasfresser gibt. Wir übernachten heute im Tub.« Dann holte er mit dem Arm weit aus. »Wir sollten weiterfahren und uns nach einem geeigneten Parkplatz umsehen.«

In den vier Stunden ihrer Suche erhaschten sie lediglich den Blick auf zwei kleine fliegende Geschöpfe, sahen jedoch keine Felsläufer.

»Zuerst einmal kommen sie hier nicht vor, weil es keine Felsen gibt«, sagte Mitford, als er sah, wie Astrid nach ihnen suchte. »Es gibt noch nicht einmal Bäume für Flugtiere. Nur Büsche. Wir sollten uns in zwei Gruppen aufteilen. Sie, Zainal, gehen mit Kris, Coo und Björn nach Norden. Sie, Slav, und der Rest, wir gehen nach Süden.«

Mehrmals blieb Björn stehen, um die Erde zu untersuchen. Sie war schwarz und feucht, aber nicht zu feucht, und mit zahlreichen kleinen Lebewesen bevölkert, die sie locker hielten. »Bestens geeignet für Landwirtschaft.«

»Warum gibt es dann hier keine Farmen?« fragte Kris beinahe betrübt.

»Wir werden den Grund noch erfahren«, versicherte Zainal ihr und legte ihr kurz eine Hand auf den Arm.

»Sie betreiben genug Landwirtschaft auf dem Hauptkontinent. Sie brauchen dieses Land nicht«, entschied Björn, aber er klang nicht sehr überzeugt.

»Und die geschlossenen Täler?« fragte Kris. »Sie sind noch geheimnisvoller.«

»Vielleicht«, meinte Bjorn nachdenklich, »wurden sie benutzt, um dort Tiere zu halten. In sicherer Entfernung von den Aasfressern.«

»Wo sind diese Tiere jetzt?« wollte Kris wissen.

»Gefressen?« Björn blinzelte.

»Diese Frage werden wir ebenfalls beantworten«, sagte Zainal.

Sie waren nach Norden vorgedrungen und beschrieben jetzt einen weiten Bogen, um zum Tub zurückzukehren. Zainal hatte im Norden in etwa einer Tagesreise Entfernung niedrige Berge gesichtet, doch ansonsten war die Küstenebene mit bescheidener Vegetation und vereinzelten Büschen bedeckt. Ein angenehmer Geruch lag in der Luft, als sie sich wieder dem Tub näherten. Joe hatte keine Zeit damit vergeudet, nach Muscheln zu graben. Leila und Oskar hatten verschiedene Fische gefangen und sie nach einer kurzen, aber eingehenden Untersuchung im Labor des Tub als für Menschen genießbar eingestuft. Sarah brachte einige eßbare Wurzeln und Grünpflanzen an, die sie in einem Bach in der Nähe gefunden hatte. Zur Ausrüstung des Tubs gehörten auch Kochherde, auf denen Töpfe voller Muscheln vor sich hin brodelten. Mit ein paar Steinen war ein Grill für die Fische gebaut worden, und zu ihrem Proviant gehörte auch Brot aus Camp Narrow. Als Mitford schließlich das Bier hervorholte, waren alle in bester Stimmung.

Der Bericht über den ungewöhnlichen Flugkörper wurde an Eosi Mentat Ix weitergeleitet, der großes Interesse an allem bekundete, was den Kolonialplaneten betraf.

Jedesmal, wenn er den Bericht über das Objekt abspulte, gab Ix einen unwilligen Laut von sich, denn allein schon die Geschwindigkeit deutete auf eine Technologie hin, die höher entwickelt war als die der Eosi. Ix verlangte sämtliche Berichte, vor allem jene, die von seiner neuen Entität stammten, denn im verblassenden Geist der Entität befand sich die Erinnerung an einen Besuch auf dem Planeten. Ix suchte sich sämtliche wichtigen Fakten zusammen, darunter auch die Persönlichkeit des Catteni, den es aus der Blutlinie seiner augenblicklichen, aber nicht ausgewählten Entität ausgesucht hatte. Es überprüfte, was die Entität übergangen hatte, den Fund, der zur Untersuchung als Beweis dafür vorgelegt worden war, daß der Planet vielleicht von einer anderen Rasse bewohnt wurde oder bewohnt worden war.

Ix befaßte sich mit den kleinen Erinnerungsfragmenten, ließ sie immer wieder abspielen, bis jede noch so winzige Nuance begutachtet worden war. Das Mentat war froh, daß Catteni einen zweiten, wendigeren Satelliten in eine Umlaufbahn um den Testplaneten geschickt hatten. Unglücklicherweise bestätigte dieser Satellit nur die unglaublich schnelle globale Überprüfung, die durch die fremde Kugel vorgenommen worden war, und Ix’ Zorn steigerte sich angesichts des offenkundigen technologischen Vorsprungs vor den Eosi.

Die Logik legte den Schluß nahe, daß die Entdecker des Planeten die Welt neu bewerteten. Was hatte die Kugel laut ihrem Programm entdecken sollen? Und weshalb war auch dieses Objekt jenseits der Heliopause dieses Sonnensystems verschwunden?

Ix berief eine Versammlung jener seiner Mit-Mentats ein, die sich ihrer Verantwortung bewußt waren, sich mit der Empfehlung für eine bestimmte Vorgehensweise nützlich zu machen. In einem blitzschnellen Austausch von Informationen – der mühevollen Kommunikation mit ihren untergeordneten Catteni genauso unähnlich wie das Objekt des Unbekannten sich von ihren eigenen Satelliten unterschied – wurde beschlossen, daß die Angelegenheit noch eingehender untersucht werden mußte. Alle weiteren Lieferungen für den Kolonialplaneten wurden ausgesetzt, und die vielen widerspenstigen Erdbewohner würden bei dem zweiten Kolonieunternehmen eingesetzt.

Da es die Idee des Ix-Mentats war, daß gründlichere Untersuchungen angestellt werden mußten, entschieden die anderen Teilnehmer der Konferenz, daß es die mühevolle Reise unternehmen und dafür auf die üblichen Vergnügungen und Routinen verzichten mußte. Glücklicherweise konnte es die Reise in einem scheintoten Zustand machen, aber diese Annehmlichkeit machte einige Veränderungen am neuesten und schnellsten Catteni-Kriegsschiff erforderlich. Die Verzögerung steigerte den Unmut von Ix noch mehr, und es zerstreute sich damit, daß es sich Strafen für jene Wesen ausdachte, die für seine Unannehmlichkeiten verantwortlich waren.

Das Ix-Mentat war soeben von dem hochrangigen Marinekommandeur dieses Teils der Catteni-Flotte geweckt worden, als überall im Schiff Annäherungsalarme ertönten und es in Angriffsbereitschaft versetzten. Die Masse, die sich dem Catteni-Schiff näherte, war so groß, daß sie vom Detektorschirm nicht vollständig erfaßt werden konnte. Plötzlich schüttelten Kraftwellen die XZ durch, als wäre sie eine winzige Samenkapsel auf seinem schäumenden Teich. Das Ix suchte in einer Weise Halt, die mit seiner Würde und seiner Größe nicht vereinbar war, bis das Schütteln nachließ.

»Bericht!« verlangte das Schiff in einer kalten und bösartig klingenden verbalen Kommunikationsform.

»Höchster Eosi, ein unbekanntes Schiff ist aufgetaucht …«

»Hältst du keine Wache?«

»Es erschien auf dem Schirm, als wir gerade die Heliopause passierten«, sagte der Kommandant und wagte es nicht, den Blick zu dem hoch aufragenden Eosi zu erheben, »wo andere dieser Gebilde schon verschwunden sind.« Der Kommandant war gründlichst über die Probleme im Zusammenhang mit dem Kolonialplaneten informiert, ganz zu schweigen von der außerordentlichen Tatsache, daß das Mentat nicht den Ausgewählten, sondern jemand anderen aus der Blutlinie erhalten hatte.

»Was ist es?« wollte das Ix wissen. »Kannst du es nicht zeigen?«

Der Kommandant holte umgehend das, was die gesamte Brückencrew erschreckt hatte, auf den nächsten Sichtschirm. Das gigantische Schiff hatte die zehnfache Größe des AAl, welches selbst dreimal so groß war wie das größte Raumschiff in der Catteni-Marine. Das riesige Schiff war offensichtlich zu einem Ziel innerhalb des Sonnensystems unterwegs, und das mit einer Geschwindigkeit, dank derer es dreißig Zeiteinheiten vor der AAl mit ihrem hochentwickelten Antriebssystem und ihrer Reisegeschwindigkeit dort eintreffen würde.

»Können Sie keinen Signalgeber am Rumpf befestigen, ehe es außer Reichweite gerät?«

Noch während er das sagte, erkannte Ix, daß das Schiff wahrscheinlich schon längst nicht mehr zu erreichen war.

»Die Entfernung ist für eine solche Maßnahme bereits zu groß, Großer Eosi.«

Ix raste innerlich vor Zorn darüber, daß der Kommandant Zeit damit vergeudete, etwas Offensichtliches festzustellen. Wie konnte eine andere Rasse eine solche Technologie entwickelt haben, ohne daß die Eosi etwas von ihrer Existenz bemerkt hatten? Die Eosi hatten sich seit langem mit nichts Komplizierterem befaßt als mit der Verbesserung von Antrieb und Reichweite, da die Leistung ihrer Schiffe für sämtliche praktischen Zwecke ausreichte. Eine solche selbstzufriedene Haltung war nicht länger statthaft.

»Beobachten und aufzeichnen. Nicht einen einzigen Fehler.«

»Nein, Höchster Eosi, keine Fehler.« Damit begab sich der Kommandant, froh, mit dem Leben davongekommen zu sein, so schnell es die Höflichkeit erlaubte, in die relative Sicherheit seiner eigenen Kommandobrücke.

Niemand machte eine Bemerkung, als er eintrat, oder wandte den Blick von den Instrumenten ab, auf die zu achten ihm befohlen worden war.

Mehrere Stunden später wurde der Kapitän durch Unruhe und Aufregung auf der Brücke aus einem unbeabsichtigten Schlaf geweckt. »Sir, das Schiff ist …«

Hellwach und angestrengt auf den Sichtschirm starrend, verfolgte der Kommandant gebannt, wie das fremde Schiff, mehrfach vergrößert, damit es auf den Schirmen des langsameren Schiffs zu erkennen war, kurz in die Atmosphäre des Testplaneten eintauchte, dann wieder hochsprang und seine Reise zum anderen Ende des Sonnensystems fortsetzte. Wo es, sobald es die Heliopause erreichte, auch von den empfindlichsten Instrumenten nicht mehr aufzuspüren war.

Der Kommandant machte dem Eosi Meldung, der in einem ausladenden Sessel im Frachtabteil saß, das zu einer höchst komfortablen Kabine umgebaut worden war. Der Sessel stand vor einem großen Schirm, der dem Ix bereits alles gezeigt hatte, was der Kapitän meldete.

»Angesichts dieser Entwicklung ist der Planet nicht mehr so wichtig.« Der Eosi hielt inne. »Rückkehr nach Catten. Mit höchstmöglicher Geschwindigkeit.« In der Stimme schwang deutlich die Wut darüber mit, einer Geschwindigkeit begegnet zu sein, die die der besten Eosi-Schiffe bei weitem überstieg. »Das muß gemeldet -und gekontert werden.«

Während die AA1 die Heliopause des Systems passierte, verspürten alle, die wach waren, einen leichten Schock, ähnlich einem schwachen Stromstoß. Auf der Brücke wurde die Erscheinung als nanosekundenlanger Impuls wahrgenommen und als harmlos beurteilt und vergessen.

Deski-Ohren nahmen den Lärm in der Luft lange vor dem Auftauchen des riesigen Schiffs wahr. Aber während verängstigte Leute sich in die nächsten Höhlen flüchteten, die sie noch bewohnten, und in die Täler, die sie erforschten, nahm der Lärm nicht zu. Durch ein Fernglas betrachtet, war das Schiff lediglich als schillernder Rhombus am Himmel zu erkennen. Auf den Sichtschirmen der Kommandobrücken schien das Monstrum kaum die äußerste Schicht der Stratosphäre zu berühren, indem es davon wegsprang wie ein flacher Stein von der Oberfläche eines friedlich daliegenden Sees, ehe es seinen Kurs änderte, sich in den Weltraum hinausschwang und seinen schädelspaltenden Lärm mitnahm.

Scott blinzelte, räusperte sich und entspannte seine Hände, die er zu Fäusten geballt hatte. Er hatte auf der Kommandobrücke der KDL den unglaublichen astronautischen Vorgang auf dem Sichtschirm verfolgt.

Niemand brach das Schweigen, denn niemand glaubte, was er soeben gesehen hatte, bis eine Komm-Einheit piepte, was allen angesichts des soeben stattgefundenen Ereignisses fast wie ein unanständiger Laut vorkam.

»Das war in etwa die Größe des ersten Schiffs, Admiral«, sagte Su. »Ich denke, wir hatten Glück, daß es so hoch geflogen ist … was ist das denn? Entschuldigen Sie, Sir …« Und die Verbindung wurde unterbrochen.

Dick Aarens kam durch den Gang auf die Brücke gestürmt, stützte sich am Türrahmen ab. Sein Gesicht war aschfahl, und der Ausdruck seiner Augen signalisierte ungläubiges Staunen, sofern er überhaupt zu einer solchen Regung in der Lage war.

»Sie haben es getan, Scott. Sie haben es tatsächlich getan. Sie haben jede verd –«

»Hüten Sie Ihre Zunge, Aarens.« Scott hatte sich soweit erholt, um ihn zu bremsen. »Was haben sie getan?«

»Den ganzen Kram der Mechano-Bauern, die Landmaschinen, die wir zerlegt haben. Es ist alles wieder da. Zurückgebracht ins Schlachthaus und an die anderen Stellen …«

Peter Easley, der genauso überrascht war wie alle anderen auf der Brücke, erfaßte die Nachricht noch vor Ray Scott und John Beverly. »Gut, daß wir die Hauptgarage ausgeräumt haben, nicht wahr?«

»Es hätte ein ziemliches Durcheinander gegeben, wenn wir es nicht getan hätten«, bemerkte Beverly, und dann brachen er und Peter in schallendes Gelächter aus.

»Ja, aber haben sie auch die Teile zurückgebracht?« wollte Scott wissen.

»Die Teile?« fragte Aarens verwirrt.

»Ich glaube nicht, Ray«, sagte Beverly und hielt das Handy hoch, das gewöhnlich an seinem Gürtel befestigt war.

Aarens eilte zur Einstiegsluke, kam aber gleich wieder zurück auf die Brücke, ein selbstzufriedenes Grinsen auf den Lippen. »Die Luftkissenfahrzeuge sind noch da. Vielleicht haben die Farmer gar nicht erkannt, was ich mit ihren Maschinen angestellt habe.«

Die neu konstruierte Kommunikationszentrale der KDL wurde nun mit Meldungen aus Shutdown, Bella Vista und den anderen drei Garagenkomplexen überschüttet, die soeben erst ausgeräumt worden waren. Dann folgten die Meldungen aus den Höhlen und Tälern, die nun von den Menschen bewohnt wurden.

»Demnach wissen sie nicht, daß wir hier sind«, stellte Worrell fest.

»Und es scheint sie auch nicht zu interessieren«, sagte Jay Greene. »Hoffentlich hat der Satellit diesen Besuch aufgezeichnet.«

»Halten Sie das wirklich für so gut?« Worry wagte kaum daran zu denken, welchen Verdruß es auf Barevi oder Catten, oder wo immer die Eosi sich aufhielten, auslösen würde.

Die Maschinen waren wieder zurück, funkelnde neue Modelle jeder Apparatur, die von den Kolonisten auseinandergenommen worden war. Sie waren in einwandfreiem Zustand und standen in ihrer alten Ordnung in jeder Garage, Scheune, in jedem Gebäude. Die Solarzellen, die abmontiert und an anderer Stelle für die Bedürfnisse des Lagers installiert worden waren, waren ebenfalls ersetzt worden und schienen voll funktionsfähig zu sein.

»Weshalb rühren die Maschinen sich nicht?«

»Noch ist nicht Frühling. Noch wird das Land nicht bebaut.«

»Hatten wir ein Glück, daß wir rechtzeitig ausgezogen sind!«

»Gab es keine Mitteilungen?«

»Hätten wir sie denn verstanden?«

»Wer war denn nun hier, die Heinzelmännchen oder ET.’s Freunde?«

»Was tun wir jetzt?«

Chuck Mitford, der das riesige Raumschiff auf dem Sichtschirm des Tubs während ihrer Rückkehr zur Zentrale im New Narrow Valley gesehen hatte, wußte eine Antwort darauf, als John Beverly ihn von der Ankunft der Ersatzmaschinen unterrichtete.

»Geht in die Garagen und entfernt die Betäubungspfeile von den Maschinen, ehe sie wieder aufgeladen und einsatzfähig sind.«

»Würde ein derartiges Eingreifen nicht sofort bemerkt?« fragte Beverly.

»Ich hoffe nicht. Wir haben die ersten abmontiert, als sie geparkt waren, aber man sollte es versuchen, ehe sie betriebsfähig sind. Füllen Sie die Tanks mit Wasser. Dieses Betäubungsgift hat viele nach dem ersten Abwurf beinahe für immer ausgeschaltet. Lenny Doyle oder Pess zeigen Ihnen, wie es gemacht wird. Sie haben darin einige Erfahrung.«

»Sonst noch irgend welche Vorschläge, Sergeant?« fragte Beverly in respektvollem Ton.

»Achten Sie auf die Flugbestien. Diese Maschinen können sie sofort herbeirufen, wenn sie irgend etwas finden, das dort nicht hingehört.«

»Sonst noch was?«

»Wenn mir etwas einfällt, dann gebe ich Ihnen Bescheid. Aber fragen Sie auch Cumber, Esker, die Doyle-Brüder, Mack Su oder jeden anderen aus dem ersten Abwurf, der als Scout tätig war.«

Mitford hatte damals täglich Berichte über ihre Entdeckungen angefertigt. Nun wandte er sich wieder an sein Team.

»Ich hatte tatsächlich angenommen, daß wir mehr als drei Wochen Zeit hätten, ehe irgend etwas geschieht«, sagte er und kratzte sich mit besorgter Miene am Kopf. »Können wir nicht etwas mehr Tempo aus dem Ding herausholen?« fragte er Sarah, die gerade das Fahrzeug steuerte.

»Klar, aber es wird ziemlich holperig.«

»Weit haben wir es nicht mehr«, stellte Zainal fest, als er durch das vordere Fenster hinausschaute.

»Wie lange werden die Eosi brauchen, um etwas zu unternehmen, Zainal?« fragte Mitford und trommelte nun mit den Fingern nervös auf sein Knie, während er sich mit der anderen Hand an den Sicherheitsgurt klammerte.

Zainal zuckte die Achseln. »Ich glaube nicht, daß sie so schnell agieren können wie die Farmer. Eosi sind keine Automaten. Außerdem kennen sie keine Materietransmission.«

»Ich hoffe, daß sie sich so heftig ärgern wie möglich«, meinte Mitford grinsend. »Sie sollen vor Neid und Wut nicht mehr zur Ruhe kommen.«

»Hauptsache, sie bleiben uns vom Leibe«, fügte Kris hinzu. Sie sagte das trotz Zainals Versicherung, denn sie war nicht die einzige, die sich wegen irgendwelcher Racheakte der Eosi an der Kolonie Sorgen machte. Er wußte es natürlich besser als sie, aber das hielt sie nicht davon ab, mit dem Schlimmsten zu rechnen. Sie wagte nicht einmal daran zu denken, wie die Farmer vielleicht reagierten, wenn sie direkt mit ihren ungebetenen Gästen zusammenträfen, obgleich Zainals Hinweis auf die schützenden Barrieren in den Tälern recht beruhigend war – so weit man sich bei einer unbekannten Rasse darauf verlassen konnte.

New Camp Narrow befand sich in einem der geschlossenen Täler, südöstlich der ursprünglichen Felsenanlage, und es war um einiges schmäler, aber auch länger als die meisten anderen Täler. Es war einfach durch eine Sprengladung geöffnet worden, die aus der Ausrüstung des Scout-Schiffs stammte. Zainal hatte mehrere Bergleute und ehemalige Offiziere über die Sprengleistung der verschiedenen Substanzen in den Geräteschränken informiert. Eigentlich waren die Sprengstoffe für bergbauliche Aufgaben vorgesehen gewesen, da die Farmer offenbar den Bodenschätzen auf dem Planeten keinerlei Beachtung geschenkt hatten. In dem langen, engen Tal waren die KDL und Baby nebeneinander geparkt worden. Trotz Babys Ausmaßen sah das größere, lange Transportschiff schlanker, stärker und viel gefährlicher aus. Teile des abgestürzten Transportschiffs waren dazu verwendet worden, einen recht geräumigen Unterstand in der Nähe zu errichten, und die zurückkehrenden Forscher identifizierten den Bau anhand der ein- und ausströmenden Menschenscharen leicht als neues Hauptquartier, Kleine Zelte aus Luh-Kuh-Fellen säumten die andere Seite des allgegenwärtigen Talgewässers, eines Bachs, und eine abgehäutete Luh-Kuh drehte sich auf einem Spieß über einem Feuer. Der Schutt aus der Talöffnung war über den Bach geschafft worden und hatte als Baumaterial für weitere Behausungen gedient. Mehrere hatten schon Fensterhöhe erreicht, und Maurer waren eifrig mit ihrer Fertigstellung beschäftigt. Ein viel größeres Gebäude wurde bereits benutzt. Seine schweren Steinpfeiler stützten ein Schieferdach, das weit überhing und Schutz vor Regen bot, während die erst halbfertigen Seitenwände aus roh zubehauenen Holzstämmen ihm das Aussehen eines Forsthauses verliehen. Tische, Bänke, Hocker, ein paar Stühle und ein adretter Stapel Deckenrollen verrieten, daß es wahrscheinlich verschiedene Funktionen hatte, auch wenn der Bau noch lange nicht abgeschlossen war.

Als die Forscher herumkurvten, um zu parken, und aus dem Fahrzeug stiegen, wurden sie von vielen lautstark begrüßt, aber niemand unterbrach seine Arbeit länger als nur wenige Sekunden.

»Ich bin mal gespannt, wo sie die Flieger und die Luftkissenfahrzeuge untergebracht haben«, sagte Kris, die sich suchend umschaute.

»Das wird sicher nicht das einzige bevölkerte Tal sein«, sagte Mitford und streckte die Beine. »Okay, Kris, Zainal, Bjorn, Whitby, Coo, wir geben einen ersten Bericht ab. Haben Sie alle Karten zusammen, Whitby? Ja …«

»Ich habe Bilder«, bot Zainal an und zeigte einen dicken Stapel, den er in der Hand hielt.

»Ich kann Ölproben beisteuern.« Björn hob den kleinen Kasten hoch, den er gefüllt hatte.

»Und ich nehme den Logbuch-Ausdruck mit«, fügte Kris hinzu und wunderte sich, weshalb Mitford plötzlich so gereizt wirkte.

»Sarah«, sagte der Sergeant und wandte sich an sie und Joe, »sehen Sie sich mal um, wie es hier mit der Disziplin aussieht. Astrid, Sie kümmern sich darum, etwas Eßbares zu beschaffen. Slav, Sie füllen Wasser in den Tank. Und Oskar, Jan, Leila, Sie lüften das Tub und sollten es vielleicht auch mal gründlich abwaschen.« Er deutete zum Bach.

Wenn auch die Feinheiten der Verwaltungszentrale einiges zu wünschen übrig ließen, als sie eintraten und sich umsahen, schienen wesentliche Dinge – darunter auch die schon wieder aufgebaute Brücke des gestrandeten Transportschiffs – in betriebsfähigem Zustand zu sein. Es gab sogar ›Büros‹, kleine Zellen mit aus Schilf geflochtenen Wänden, die ein wenig Ruhe und Abgeschiedenheit boten. Alte Mechano-Teile dienten noch immer als Hocker, Schränke, Regale und Bänke.

»Meinst du, die Farmer haben ihre eigenen Geräte erkannt?« wollte Kris von Zainal wissen.

»Kommen Sie mit Ihrer Gruppe hierher, Sergeant«, rief Scott, der in der Öffnung eines der größeren mit Schilfwänden abgetrennten Räume auf der anderen Seite der Brücke stand.

»Er hat sogar schon ein eigenes Zimmer«, murmelte Kris, diesmal zu Mitford.

»Sie werden immer unverschämter, Ma’am«, erwiderte Mitford, obgleich auch er die Einrichtung irritiert betrachtete. Der Catteni, der früher von dieser Kommandobrücke aus seine Befehle gegeben hatte, hatte sie niemals derart gut in Schuß gehalten.

»Mitford, Kris, Zainal, Björn, Whitby …« Scott schüttelte ihnen die Hände. »Ich habe Sie schon kommen sehen«, meinte er weiter, »daher haben Joh, Bull und Jim darum gebeten, an der Besprechung teilzunehmen.«

Er saß hinter einem Schreibtisch, der aus nichts mehr als ein paar zusammengefügten Brettern bestand, die mit einer Art Politur geglättet worden waren, um Verletzungen durch Splitter zu vermeiden. Zwei geflochtene Körbe standen darauf. Für ›Eingang‹ und ›Ausgang‹, dachte Kris mit leisem Spott, doch ihre Existenz wirkte seltsam beruhigend. Business as usual. Die anderen hohen Militärs saßen an Scotts Tischseite.

»Es wäre ein idealer Ort, um viele, wenn nicht sogar alle unsere Leute dort anzusiedeln, Admiral«, begann Mitford und zog einen Hocker heran. Whitby faltete die Karte auseinander, die die Region ihrer Erkundungstätigkeit darstellte, und Zainal breitete Photos von den Gebieten aus, die sich augenscheinlich für eine Besiedlung anboten. »Allerdings sieht es so aus, als hätten Sie es sich hier auch schon recht hübsch eingerichtet.«

»Danke, Sergeant. Es ist tatsächlich sehr angenehm hier, und bisher gab es keinerlei Anzeichen für irgendwelche unliebsamen Erscheinungen in einem der Täler, die wir benutzen.« Scott hatte ein Photo in die Hand genommen, und Kris versetzte Zainal einen sanften Rippenstoß, weil sie mit ihm gewettet hatte, daß dieses Photo als erstes sein Interesse fesseln würde. »Das ist aber ein hervorragender Platz«, stellte er fest und gab das Bild an John Beverly weiter, der rechts neben ihm saß.

»Ich dachte mir, daß Ihnen der Blick auf den Hafen gefallen wird«, sagte Kris. »Er ist tief genug für einen Flugzeugträger.«

»Was wissen Sie schon vom Militär, Kris?« fragte Scott leicht ironisch, aber er war sichtlich guter Laune.

»Das Wasser ist da unten ziemlich dunkel«, erwiderte sie lächelnd. »Zu schade, daß wir keine großen Schiffe haben. Noch nicht, jedenfalls.«

Mitford gab Bjorn mit dem Kopf ein Zeichen, er sollte mit dem Bericht beginnen. »Der Boden ist fruchtbar, allerdings ist er seit vielen Jahren nicht bearbeitet worden.«

»Sie meinen, daß es früher der Fall war?« Scott rutschte ein Stück nach vorne und legte das Photo, das er aufgenommen hatte, wieder an seinen Platz.

Mitford zog es ein wenig beiseite, damit es die darunter liegenden nicht verdeckte. »Die Farmer bauen ihre Einrichtungen immer auf nicht nutzbarem Grund, auf Sand oder Fels oder auf Boden, der einfach unfruchtbar ist. Sehen Sie sich mal an, wie diese Felswand ausgehöhlt wurde. Wir könnten dort beinahe die KDL unterbringen. Auf jeden Fall würde diese Höhle Baby und unsere sämtlichen umgebauten Maschinen und sonstigen Geräte aufnehmen. In der gesamten Region findet man Hinweise auf eine frühere Nutzung. Und wir haben etwas weiter entlang der Felskette auch eine Stelle gefunden, die mich lebhaft an Position und Einrichtung des Schlachthauses erinnert hat.« Die vier betrachteten eingehend die betreffenden Photos, und es war offensichtlich, daß sie Mitford beipflichteten.

»Wir haben zwei weitere garagenähnliche Bauwerke ein Stück weiter weg gefunden.« Mitford deutete ihre Lage auf der Karte an. »Wir haben nicht noch nach weiteren gesucht, weil sie offenbar schon seit langer Zeit leerstehen.«

»Wir glauben, ähnliche Stellen auf der anderen Seite der Bucht gesehen zu haben«, ergriff Whitby nun das Wort, »aber das Gelände war für das Tub zu steil, daher haben wir die Bucht gar nicht erst überquert.«

»Ist es möglich, daß die Farmer das Land haben brach liegen lassen, weil sie hier genug zur Verfügung haben?« fragte Scott.

»Es liegt schon seit sehr vielen Jahren brach«, erklärte Björn. »Aber die Erde ist sehr fruchtbar, und in ihr würde alles gedeihen, was wir brauchten. Vor allem dann, wenn wir das Land so umsichtig nutzen, wie die Farmer es tun.« Er hatten einen mahnenden Unterton in der Stimme, als er das sagte.

»Wir brauchen nur noch eine weitere Lieferung Ersatzgerät«, sagte Beverly grinsend.

»Zum Teufel, General …« Mitford grinste. »Wir haben alles aufbewahrt, was wir nicht gebraucht haben, daher haben wir noch immer die Pflüge und anderes landwirtschaftliches Gerät. Ich habe gehört, daß nichts aufgesaugt oder hochgebeamt worden wäre. Wir haben nur zwei Bergpflüge und Geräte auf den Luftkissenfahrzeugen, die wir entsprechend ihrer ursprünglichen Funktion verwenden. Dort sehe ich kein großes Problem.«

»Das stimmt, aber bestimmt werden einige ihre Flitzer nicht aufgeben wollen.« Er zwinkerte Mitford zu. »Um damit zu pflügen. Aber was ist mit den Aasfressern?«

»Keine Spur«, antwortete Mitford.

»Und das ist ein großes Rätsel«, sagte Whitby. »Wir haben unseren Abfall jede Nacht, die wir dort waren, hinausgebracht – und fanden ihn am nächsten Morgen unberührt vor. Aber das Gelände ist dem sehr ähnlich, wie wir es hier antreffen.«

»Gibt es keine Aasfresser auf diesem Kontinent?«

»Wir haben jedenfalls keine gefunden.« Mitford übernahm wieder das Wort. »Gefunden haben wir Felsläufer, und zwar ganze Kolonien oben in den Bergen und genauso dumm wie unsere hier. Es gab dort Flugtiere, wo Zeltstangenbäume ganze Wälder bilden. Vielleicht sind die verdammten Aasfresser verhungert.« Er grinste. »Wir können ja ein paar Luh-Kühe von hier mitnehmen und uns dann ansehen, was geschieht. Wir haben auf jeden Fall keinen einzigen gefunden.«

»Viele von unseren Gemüsewurzeln und Beerensträuchern gedeihen dort schon, und die übrige Vegetation ähnelt der hiesigen.« Björns Miene strahlte Zufriedenheit aus. »Und Fische und Muscheln …«

»Dazu hätte sicherlich gerösteter Mais gepaßt«, sagte Kris plötzlich und seufzte. »Tut mir leid.«

Scott bedachte sie mit einem verständnisvollen Blick, und seine Lippen zuckten in einem angedeuteten Lächeln. »Sie sind nicht die einzige mit diesem Wunsch.«

»Vielleicht finden wir schon bald etwas Ähnliches«, sagte Bjorn, um ihr Hoffnung zu machen. »Wir wissen nicht im entferntesten, wie die Flora dieses Planeten aussieht.«

»Übrigens, Mitford«, sagte Beverly, »wir haben die Pfeile abmontiert, wie Sie es empfohlen haben. Das Betäubungsmittel ist ausgesprochen stark.«

»Das ist es«, bestätigten Zainal und Kris unisono.

»Stimmt, ja«, meinte Scott und wandte sich zu ihnen um. »Sie wurden geschnappt und haben später eine andere, glücklichere Gruppe gerettet.« Er hielt für einen Moment inne. »Wenn es wirklich keine Aasfresser gibt … Es gibt eine ganze Reihe von einleuchtenden Gründen, um unsere Operationsbasis auf den anderen Kontinent zu verlegen.«

Mitford beugte sich vor und zeichnete um die Region, die sie untersucht hatten, mit dem Zeigefinger einen Kreis. »Es ist wunderbares Land, Sir. Es dürfte zwar eine ganze Reihe von Rügen mit dem Transportschiff nötig sein, aber am Ende könnte es sich als die intelligenteste Tat erweisen, seit wir hier abgeworfen wurden.«

»Wenn wir sicher sein könnten, daß die Eosi uns nicht beobachten …«, murmelte Scott und sah zu Zainal.

»Sie dürften immer noch mit Nachdenken beschäftigt sein, Scott«, beantwortete Zainal die nicht gestellte Frage. »Eosi denken lange und intensiv nach, ehe sie handeln. Wir benutzen das Transportschiff zur richtigen Zeit, damit das Orbitalobjekt uns nicht sieht – es ist nur eine kurze Reise. Wenn die Düsen vorsichtig eingesetzt und immer nur in kurzen Stößen gezündet werden, sind nicht genug Anzeichen da, die der Satellit aufzeichnen kann.«

»Außerdem«, meinte Mitford voller Zufriedenheit, »haben sie nicht die geringste Ahnung, daß wir diese Schiffe in unserer Gewalt haben. Und wenn sie auch nur einen Hauch von Intelligenz besitzen, halten sie sich, sobald sie das Monsterschiff gesehen haben, von Botany am besten möglichst fem.«

Alle blickten auf Zainal, der die am Tisch Sitzenden nacheinander musterte und dann die Achseln zuckte.

Nicht jedes Tal, das als Lebensraum benutzt wurde, bot soviel Schutz und Annehmlichkeiten wie der Komplex der Befehlszentrale. Trotzdem stieß der Vorschlag, erneut alles zusammenzupacken und umzuziehen, auf erheblichen Widerstand, vor allem von Seiten der Techniker und Ingenieure, die einer zweiten Umsiedlungsaktion ablehnend gegenüberstanden. Sie beschäftigten sich bereits mit verschiedenen Projekten und hatten keine Lust, ihre Arbeit zu unterbrechen. Die Aussicht auf geräumige Höhlensysteme ließ sie alles noch einmal überdenken. Da sie noch immer gezwungen waren, feste Behausungen aus primitiven Materialien zusammenzubasteln, wollten sie plötzlich die ersten sein, die übersetzten und sich häuslich einrichteten. Die Bergleute waren nicht sehr begeistert, vor allem Walter Duxie nicht, der verantwortliche Bergbauingenieur, da sie bereits auf eine ergiebige Eisenerzader gestoßen waren und sie abbauen wollten. Obwohl die aus dem Weltraum erstellten Landkarten der Catteni Vorkommen an Mineralien auf dem neuen Kontinent angaben, wehrten sie sich dagegen, einen Ort zu verlassen, an dem ihre Suche bereits Erfolg gezeigt hatte. Daher wurde entschieden, daß sie ihre Bemühungen an Ort und Stelle fortsetzen könnten. Sie verfügten über genügend Arbeitskräfte, die abwechselnd auf die Jagd gehen und sie alle mit Nahrungsmitteln versorgen könnten; hinzu kam, daß die in der Nähe gelegenen Höhlen sich bereits in einem bewohnbaren Zustand befanden. Den Transport des zutage geförderten Erzes zu den Einrichtungen, wo es weiterverabeitet wurde, konnte die KDL übernehmen.

»Wie sieht es mit den Treibstoffvorräten aus?« wollte Beverly während einer Konferenz von Zainal wissen. »Was geschieht, wenn wir keinen mehr haben? Wir verfügen kaum über die entsprechende Technologie, welchen herzustellen, auch wenn natürliche Rohstoffe vorhanden sind.«

Zainal lächelte. »Ich weiß, wo weitere Vorräte lagern. Mit eroberten Schiffen wäre eine Reise nach Barevi kein Problem.«

»Pirat!« rief Beverly unter schallendem Gelächter und mußte dem Catteni den Begriff erklären.

»Ich bin sicher ein guter Pirat«, entschied Zainal, dem die Definition gefiel. »Und bestimmt nicht der einzige.«

»Hey, was könnten Sie denn bei einem solchen Ausflug sonst noch mitnehmen?« wollte Su wissen. Er leitete die Technikergruppe, die ständig neue Werkzeuge entwickeln mußte, die früher mal verfügbar gewesen waren.

»Kommt darauf an, was Sie wollen«, erwiderte Zainal.

»Kann ich nicht mitfliegen und mir ansehen, was es dort zu holen gibt?« fragte Su, und Zainal deutete auf Beverly.

»Fragen Sie ihn. So bald starten wir nicht. Für kurze Flüge ist nicht viel Treibstoff nötig.«

Trotzdem achtete Zainal während des ersten Flugs genau auf die Anzeige und versuchte, als er eine besonders sparsame Flugbahn errechnet hatte, durch zeitweises Ausschalten des Antriebs soviel Treibstoff wie möglich einzusparen.

Mitford hatte eine volle Ladung Passagiere im Tub mitgenommen, die das neue Lager aufschlagen sollten, und Zainal und Kris zurückgelassen, die entscheiden würden, wer und was die nächsten Transportflüge der KDL mitmachen sollte. Die landwirtschaftliche Abteilung wollte unbedingt zur nächsten Welle gehören, da die Saat unbedingt ausgebracht werden mußte, sobald die Gefahr von Frostperioden auf ein Minimum gesunken war. Bisher war der ›Winter‹ auf Botany eine Folge von kalten, feuchten Tagen, aufgelockert durch sonnige, kalte Tage und häufige Nachtfröste. Es gab keine richtigen Stürme und keinen Schnee, obgleich es bewölkte Tage gab, an denen viele, die aus kalten Regionen stammten, durchaus mit Schneestürmen rechneten. Gelegentlich sanken die Temperaturen auf sehr tiefe Werte, so daß die Außenarbeiten stark behindert wurden, aber es gab in den Behausungen, die Schutz vor der Kälte boten, stets genug zu tun. Am schlimmsten waren diese Verhältnisse für ehemalige Bewohner tropischer Regionen, und sie erhielten zusätzliche Kleidung und gehörten zu den ersten, wenn neue Decken und lange Jacken aus Felsläuferpelzen hergestellt wurden.

Nicht lange nachdem Mitford zum ersten seiner vielen Tub-Trips gestartet war, ging Sandy Areson, die das Lager im Headquarters Valley leitete, zu Kris und nahm im Big Building ein eiliges Frühstück ein.

»Ich wollte Sie schon die ganze Zeit seit Ihrer Rückkehr von Ihrem Ausflug auf den anderen Kontinent einmal alleine sprechen«, sagte Sandy.

»Alleine? Das klingt richtig unheilvoll«, sagte Kris.

»Das ist es, und das ist es auch wieder nicht«, meinte Sandy. »Ich muß zugeben, daß es durchaus logisch klingt, soweit es die Verteilung des vorhandenen Reichtums betrifft.«

»Welchen Reichtum?« fragte Kris verwirrt. Reichtum auf Botany bedeutete Stunden zusätzlicher Arbeit für die paar ›Extras‹, die man neben Grundgütern wie Proviant und Unterkunft ergattern konnte. Sogar sie und Zainal hatten schon des öfteren in der Küche ausgeholfen.

Obgleich sie die einzigen waren, die an dem langen Tisch saßen, lehnte Sandy sich näher zu Kris und sagte: »Uns«, und deutete auf ihre Brust.

»Uns?« Dann schüttelte Kris den Kopf, als sie verstand. »Uns Frauen … im gebärfähigen Alter?«

»Sie haben es erfaßt«, sagte Sandy, lehnte sich zurück und grinste verkniffen. »Es gibt auf Botany viel mehr Männer als Frauen, und da schon seit vier Wochen kein Abwurf mehr stattgefunden hat, dürfte sich daran auch so bald nichts ändern. Wenn wir nun einen Bestand an hochwertigem Erbgut erhalten wollen …«

»Sie meinen, wir verhalten uns, als würden wir Botany nie mehr verlassen?«

Sandy musterte sie erstaunt. »Wir wurden abgeworfen, und wir bleiben«, sagte sie, »oder hören Sie nicht, was Zainal ständig wiederholt?«

Kris schluckte. »Ich glaube, ich war die ganze Zeit ziemlich naiv … ich meine, wir haben schließlich die KDL. Wir könnten von hier weg.«

»Und zur Erde zurückkehren?« Sandy starrte sie fassungslos an. »Sie haben die Lager schon zu lange hinter sich gelassen und sind mit diesem tollen Catteni zusammen. Nicht«, – sie hob abwehrend die Hand – »daß ich Ihnen deshalb einen Vorwurf mache. Ich hatte keine Ahnung, daß es unter ihnen auch welche gibt, die unter die Kategorie ›nett‹ fallen …«

»Die Leute finden ihn demnach ›nett‹?«

»Verschonen Sie mich mit Ihrem Sarkasmus, Kris Bjornsen. Viele Leute haben es in ihre dicken und intoleranten Schädel hineinbekommen, daß Zainal um einiges botanischer als cattenischer ist. ›Ich wurde abgeworfen, ich bleibe.‹« Sandy schnaubte amüsiert. »Vor allem unsere hohen Tiere. Aber Sie beide können keinen Nachwuchs haben. Das wissen Sie doch, oder?« Als Kris nickte, fuhr sie fort: »Und Sie sind in genau dem richtigen Alter.«

Kris wehrte sich innerlich gegen das, was als nächstes kommen würde, und lehnte sich von Sandy weg. Sie konnte beim besten Willen nicht mit jemand anderem Zusammensein, auch wenn es darum ging, das Erbgut einer Kolonie zu verbessern, die überlebensfähig zu halten sie sich zu einem Lebensziel gemacht hatte.

»Sie brauchen sich deshalb nicht so anzustellen«, sagte Sandy. »Wir haben hier genug Ärzte, um Sie zum richtigen Zeitpunkt Ihres Zyklus künstlich zu befruchten. Ich habe es getan. Ich war sogar eine der ersten …« Damit tätschelte Sandy ihren Bauch. »Natürlich habe ich den Vater ausgesucht.«

Kris schluckte erneut und verspürte Übelkeit bei der Vorstellung.

»Anna Bollinger ist ebenfalls schwanger, aber sie wurde formell mit Matt verbandelt, ehe sie es tat. Janet ist zu alt. Patti Sue hat es ebenfalls auf die altmodische Art und Weise getan, aber ich wollte Sie nur warnen, daß Sie auf der Liste stehen. Es ist nicht so, daß Sie Zainal damit untreu würden.«

»Das ist gar nicht mein Problem«, sagte Kris leise. »Wie kann ich schwanger werden, ehe hier alles geregelt ist und wir wissen, was die Farmer und die Eosi unternehmen werden? Was würde denn geschehen, wenn …«

»Beruhigen Sie sich, Kris.« Sandy ergriff ihre aufgeregt flatternde Hand und hielt sie fest. »Sie stehen als eine der letzten auf der Liste, sollte ich hinzufügen, denn Ihre Talente sind in anderen Bereichen viel gefragter als in der Nachwuchsproduktion.«

Kris konnte ihre Erregung nicht unterdrücken. Nach ihrer Planung würde es noch einige Jahre dauern, ehe sie ernsthaft an Kinder dächte! Sie war kaum zweiundzwanzig, oder? Sie hatte während der Reise nach Botany einiges an subjektiver Zeit verloren und keine Ahnung mehr, welcher Monat, welcher Tag oder welches Jahr auf der Erde herrschte. Überdies glaubte sie nicht, daß sie eine gute Mutter wäre. Während der High-School oder im College hatte sie an ihren Jobs als Babysitter erst dann Spaß gehabt, wenn die Kinder fest eingeschlafen waren. Wenn mal eins doch wieder wach wurde und zu schreien begann, ließ sie sich bei der betreffenden Familie nie mehr blicken. Daher war sie überzeugt, nicht einen Hauch von mütterlichen Instinkten in sich zu haben.

»Auf jeden Fall richten wir Kinderkrippen ein und suchen uns Pflegepersonal, das mütterliche Funktion übernehmen kann, damit Sie, sobald das Baby da ist, sich nicht mehr darum zu kümmern brauchen, falls Sie mit der Mutterschaft nichts im Sinn haben.«

»Habe ich auch nicht«, sagte Kris trotzig. Sie kam sich in die Enge getrieben vor. »Wann wurde das denn entschieden? Ich höre zum ersten Mal davon.« Allmählich geriet sie in Rage. Sie hatte sich mit keinem Wort über die Aufgaben und Pflichten beklagt, die ihr auf diesem fremden Planeten übertragen worden waren. Sie hatte sogar die Gelegenheit begrüßt, ihre Vielseitigkeit und ihre Tatkraft zu beweisen, und hatte dabei Fertigkeiten erlernt, die sie in einem normalen Leben auf der Erde niemals hätte anwenden können.

Sandy lächelte sie weiterhin an.

»Falls es Sie interessiert, Sie machen im Augenblick die gleichen Phasen durch wie die anderen – Astrid eingeschlossen –, ehe sie sich ins Unvermeidliche begeben.«

Das versetzte Kris einen heftigen Schlag. Sie haßte es, erwartungsgemäß zu reagieren. Sandy kicherte leise und klopfte ihr auf die Schulter.

»Es geschieht nicht allzubald, und es ist auf keinen Fall so schlimm, wie Sie vielleicht erwarten. Aber ich dachte, daß man mit Ihnen noch nicht darüber gesprochen hat. Sie waren schließlich mit den Erkundungstrupps unterwegs und haben daher nicht an der großen Debatte teilgenommen, und bisher hat niemand den Mut gehabt, Sie entsprechend zu informieren.«

»Wer hat Sie denn mit dieser Aufgabe betraut? Wußte Mitford Bescheid?«

»Ich habe mich freiwillig gemeldet. Mitford war zu feige«, sagte Sandy grinsend. »Betrachten Sie es doch einmal so, Kris: Wir haben Botany in Besitz genommen, und wir werden den Planeten behalten. Das wiederum bedeutet, daß es eine nächste Generation gibt, der wir die Früchte unserer schweren Arbeit hinterlassen können. Ich liebe diesen Planeten …«

»Jetzt!« erinnerte Kris sie und kam sich wegen ihres Wutausbruchs ein wenig töricht vor.

Sandy schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe ihn von Anfang an geliebt, denn hier konnte ich wirklich ich sein, und was ich wußte, war verdammt hilfreich. Auf der Erde …« Sie deutete mit dem Daumen über die Schulter, »wurde ich als ›ausgeflippt‹ oder ›seltsam‹ oder ›asozial‹ bezeichnet, als Nonkonformistin und ganz eindeutig als verkrachte Existenz. Hier hingegen lasse ich als Stadtchefin Generäle und Admiräle vor mir Männchen machen. Das ist verdammt viel besser, als nur ›geduldet‹ zu werden. Und ich bin nicht die einzige, die auf Botany eine echte Heimat gefunden hat. Ich denke, Sie haben es auch, selbst wenn es bedeuten sollte, daß Sie neun Monate für die Produktion eines Babys opfern müssen.«

»So hatte ich die Situation noch gar nicht betrachtet … ich meine, Ihre Situation. Ich meine, auf der Erde im Vergleich mit hier. Es gibt jedoch einen Punkt, über den man noch nicht ausreichend nachgedacht hat«, fügte Kris hinzu. »Die Farmer.«

»Jaaa«, sagte Sandy gedehnt. »Aber damit beschäftigen wir uns später, wenn es akut wird. Im Augenblick … Autsch«, und sie hielt inne und blickte zum Eingang.

Zainal stand dort, schaute sich suchend um und entdeckte Kris und Sandy, die sofort aufstand. »Viel Glück«, sagte sie und verschwand mit einem Augenzwinkern.

Kris war eigentlich gar nicht in der Stimmung, jetzt mit Zainal zusammenzutreffen. Sandys Mitteilung hatte sie zutiefst erschüttert. Sie mußte erst einmal alles in ihrem Kopf ordnen und durchdenken. Ungeachtet des bisher ungelösten und letztlich auch unbekannten Farmer-Problems mußte sie zugeben, daß Nachwuchs der Kolonie auf Botany eine gewisse Stabilität verleihen würde, ganz zu schweigen von einer Stärkung der Moral. Sie wunderte sich, daß sogar jemand, der so sehr mißbraucht worden war wie Patti Sue, ernsthaft über eine Schwangerschaft nachdachte.

Sie fand wenig Trost in der Gewißheit, daß sie nicht in körperlichen Kontakt zu einem Mann treten müßte, obgleich diese Methode ihr ziemlich feige vorkam, schließlich würde der Mann um … ›seinen Spaß‹ … betrogen. Abgesehen davon, was auf Botany wegen der Erkundungsfahrten an ›Gesellschaft‹ zur Verfügung stand, hatte sie kaum Kontakt zu anderen Männern. Vorwiegend hatten sie und Zainal mit anderen Paaren zusammengearbeitet wie Sarah und Joe und Whitby, der sich mit Leila zusammengetan hatte, obgleich sie wie ein ziemlich seltsames Paar erschienen.

Sie hatte andeutungsweise gewußt, daß zum sechsten Abwurf eine Gruppe Frauen gehört hatte, die, anfangs von den anderen Frauen in den Lagern, denen sie zugeteilt worden waren, geächtet wurden. Sie hatte sich darüber zu Sarah geäußert, die mit sichtlicher Wonne berichtete, daß es sich um ›Nachtschattengeschöpfe‹ handelte, die in einer der deutschen Städte zusammen mit echten Demonstranten aufgegriffen worden waren. Offensichtlich wurden in Deutschland Bordelle geduldet, jedoch bestand man darauf, daß die Bewohnerinnen sich regelmäßigen medizinischen Überprüfungen unterzogen, um sicherzustellen, daß sie keine Geschlechtskrankheiten übertrugen, daher wären diese Frauen ›sauber‹. Da der Anteil an Männern auf Botany weitaus größer war als der an Frauen, bestand eine große Nachfrage an Frauen, die für sexuelle Zwecke zur Verfügung standen, und zwar zu allen denkbaren Bedingungen. Einige dieser Bedingungen brachten die allzu hitzigen Freier in die Arrestzellen, wo sie sich abkühlen konnten. Die Ankunft von professionellen Gunstgewerblerinnen stieß bei den Lagerchefs auf großes Interesse. Daher hatte man es der freien Entscheidung der Frauen überlassen, ob sie ihrem vorherigen Gewerbe nachgehen wollten oder nicht. Als ihnen versichert wurde, daß eine derartige Praxis als ›aktive Arbeit‹ für das Wohl der Gemeinschaft betrachtet wurde, hatten sich bis auf zwei Frauen alle bereiterklärt, weiterzumachen. Es wurde festgelegt, daß sie trotzdem turnusmäßig die weniger angenehmen Arbeiten im Lager übernehmen müßten, wie den Küchen- und den Latrinendienst. Allerdings wurden sie vom Wachdienst befreit. Daraufhin hatten sie detaillierte Forderungen aufgestellt, wie sie von ihren Kunden behandelt werden und wie viele Kunden sie empfangen wollten. Angemessener Respekt war die erste Forderung – von Seiten der weiblichen wie auch der männlichen Bevölkerung.

Die puritanisch eingestellten Frauen auf Botany wollten nicht einsehen, daß auch das älteste Gewerbe der Welt auf dem Planeten durchaus willkommen war. Aber sie konnten andererseits auch nicht leugnen, daß viele Männer plötzlich viel besser gelaunt durch die Lager spazierten und daß deren zum Teil beleidigende Bemerkungen gegenüber den sogenannten ›zickigen Weibern‹ erheblich zurückgingen. Es gab einige wenige verstockte, intolerante Frauen – wie Janet und Anna Bollinger, zum Beispiel, die den Umgang mit den anderen eifrigst mieden –, aber der Rest hielt sich an die Forderung und behandelte sie mit der verlangten Höflichkeit.

»Du siehst so bedrückt aus, Kris«, stellte Zainal fest, stieg über die Bank und ließ sich neben ihr nieder. »Ist die Suppe nicht in Ordnung?« fragte er, als er ihre fast volle Schüssel sah.

»Doch, sie ist in Ordnung.« Hastig ergriff sie den Löffel, obgleich die Suppe nur noch lauwarm war.

»Hat Sandy irgend etwas Schlimmes erzählt?« Er wirkte aufrichtig besorgt.

»Es ging um Frauenangelegenheiten«, erwiderte sie ausweichend.

»Mitford sagt, du müßtest für die Kolonie ein Kind austragen. Vielleicht auch zwei.«

»Wie bitte?« Kris ließ den Löffel in die Suppe fallen, so daß sie über den Schüsselrand schwappte. Wütend über dieses Ungeschick, begann Kris die Pfütze mit einem Pflanzenfaserbüschel aufzuwischen.

Zainal musterte sie ruhig, wobei einer seiner Mundwinkel zuckte. Er beugte sich zu ihr vor. »War es das, was Sandy dir gesagt hat?«

Sie wagte nicht, ihn anzusehen. »Demnach war Mitford so unverschämt, es dir zu erzählen und mir nicht?«

»Männerangelegenheiten«, sagte Zainal, und sie sah aus den Augenwinkeln, wie er sie angrinste. »Du weißt, daß du von mir kein Kind haben kannst. Bist du deshalb mit mir zusammen? Damit du keins bekommst?«

Sie funkelte ihn an. »Ich bin mit dir zusammen, weil ich dich liebe, du … du … du … Lamettaschädel«, erwiderte sie mit leiser, aber leidenschaftlicher Stimme.

Er legte seine Hand auf ihre und drückte sie. »Du bist jung und stark. Du wirst eine gute Mutter sein.«

Kris schluckte. »Nein, das werde ich nicht. Ich bin nicht im mindesten mütterlich eingestellt!« Sie schleuderte es ihm in einem Tonfall entgegen, der keinen Widerspruch duldete. »Ich bin eine lausige Mutter. Ich bin noch nicht bereit, Kinder zu haben. Ich bin zu jung.«

Er betrachtete sie lange. »Ist das nicht etwas, das alle Erdenfrauen tun? Babys haben?«

»Nicht im entferntesten«, erwiderte sie grimmig.

»Ich verstehe«, sagte er langsam. »Der Grund ist also nicht, daß du mich nicht verletzen willst?«

»Ich gehöre zur treuen Sorte. Ich will keinen anderen Mann als dich. Auch wenn ich mit dir keine Kinder haben kann«, erwiderte sie mit gepreßter Stimme und starrte auf ihre Suppe, auf der sich mittlerweile eine Haut aus abgekühltem Fett gebildet hatte.

»Du brauchst nicht mit einem anderen Mann Sex zu haben. Mitford hat es mir genau erklärt.«

»Das ist ja noch schlimmer«, erwiderte sie mit zusammengebissenen Zähnen und verdrehte die Augen.

»Ich möchte gerne ein Kind von dir sehen. Nimm Mitford. Du magst ihn.«

»WAS?«

Sie schoß erregt von der Bank hoch, und diejenigen, die in der Nähe der Essenausgabe saßen, schauten zu ihnen herüber. Sie ließ sich wieder zurücksinken und schlug die Hände vors Gesicht. Sie war den Tränen so nahe wie noch nie während ihrer ganzen Zeit auf Botany. Das Schlimme war, daß sie Mitford tatsächlich mochte, und wenn sie sich nicht so eng mit Zainal zusammengetan hätte, hätte sie vielleicht versucht, den Sergeant für sich zu gewinnen. Sie hatte es nie getan, und auch Mitford hatte sich ihr gegenüber immer neutral verhalten. Vielleicht irrte sie sich darin, daß er sich für sie interessiert hätte, wenn Zainal nicht aufgetaucht wäre. Natürlich hatte er dafür gesorgt, daß sie so häufig mit Zainal zusammen war, so daß sexuelle Spannungen praktisch unausweichlich gewesen waren.

Zainal legte einen Arm um ihre Schultern. »Reg dich nicht auf, Kris. Es ist nicht so schlimm.«

»Nicht so schlimm?« Sie wirbelte zu ihm herum, stieß seinen Arm weg und stellte zu ihrer Genugtuung fest, daß er vor ihrer heftigen Reaktion zurückwich. »Nicht so schlimm!« Sie machte Anstalten, sich von der Bank zu erheben, doch er hielt sie zurück und setzte diesmal mehr von seiner Kraft ein als je zuvor.

»Du bist keine dumme Frau, Kris Bjornsen. Wenn es soweit ist, wirst du das Kind bekommen, und ich werde dir helfen. Jetzt reg dich nur nicht auf.«

Dann stand er auf und verblüffte sie derart, daß sie instinktiv nach seiner Hand griff. Hatte sie etwa in seinen Augen das Gesicht verloren, weil sie sich tatsächlich töricht aufführte? Wenn es ihm nichts ausmachte, weshalb dann ihr?

»Die Suppe ist kalt. Ich hole dir frische – heiße.«

Sie war fast benommen vor Erleichterung und bedankte sich mit einem Kopfnicken für seine aufmerksame Geste. Sie war außerdem froh, daß sie wenigstens für ein paar Sekunden allein war, um ihre Gedanken und aufgewühlten Gefühle zu ordnen. Als sie ihre Hände auf ihre Wangen legte, waren die Finger eiskalt. Oder glühten ihre Wangen vor Zorn und Scham? Ganz gleich, was es war, sie mußte sich auf jeden Fall beruhigen und aufhören, sich so lächerlich aufzuführen. Sie begann an dem Punkt, als Zainal ihr erklärt hatte, er hätte nichts dagegen, wenn sie mit einem Mann Sex hätte. Er wollte sogar, daß sie ein Kind bekam. Bekamen alle Catteni-Frauen Kinder, ganz gleich, ob sie es wollten oder nicht? Dann versuchte sie zu verarbeiten, daß er für sie ausgerechnet den Mann ausgesucht hatte, den sie von allen am meisten achtete. Das ließ auf ein Einfühlungsvermögen des Catteni schließen, das für seine Rasse höchst ungewöhnlich war. Oder war Menschlichkeit etwas Ansteckendes? Sie wußte, daß auch er Mitford bewunderte. Oder hatten er und Mitford sich über die Vaterschaft von Kris Bjornsens möglichem Kind unterhalten? Doch das bezweifelte sie. So ein Typ Mann war Mitford ganz gewiß nicht. Und sie konnte sich auch nicht richtig vorstellen, daß der Sergeant und Zainal sich über sogenannte Männerangelegenheiten unterhielten.

Er kam mit einer Schüssel dampfender Suppe zurück. Auf seinem Gesicht lag ein besorgter Ausdruck, und seine gelben Augen waren voller Mitgefühl und Zuneigung.

»Danke, Zainal«, sagte sie, nahm einen Löffel Suppe und blies vorsichtig, um sie abzukühlen. »Ich glaube, ich habe mit meiner Reaktion ein wenig übertrieben.«

»Du weißt, daß ich dich liebe«, meinte er beinahe beiläufig, womit er ihre ohnehin schon angespannten Nerven noch mehr erregt hätte, wenn sie sich nicht in dem Moment klargemacht hätte, daß ein solches Geständnis für einen Catteni absolut ungewöhnlich und untypisch war. Er legte eine Hand auf ihre freie Hand neben der Schüssel. »Es ist eine Emotion, die zu empfinden ich niemals in meinem Leben erwartet hätte.«

Dieses Geständnis traf sie wie ein Hieb in die Magengrube. Sie ließ den Kopf an seine Schulter sinken und weinte leise. Sie wußte, daß er zwei Kinder gehabt hatte. Sogar die Auserwählten hatten auf Catten das Recht, Erben zu zeugen. Er hatte niemals ein Wort über die Frau – oder die Frauen – verloren, die diese Kinder geboren hatte. Hatte er daher das Gefühl der Liebe für sich nicht zugelassen? Weil er wußte, daß er auserwählt war und nicht sehr lange als ›Mann‹ leben würde?

»Weshalb weinst du … jetzt?« Er war völlig verwirrt.

»Wegen dir. Weil du mich lieben kannst.«

»Das ist gar nicht schwer.«

Sie konnte den amüsierten Unterton in seiner Stimme hören. Sie trocknete ihre Tränen, schaute ihn an und lächelte, so gut sie es in diesem Moment vermochte.

»Iß deine Suppe. Wir haben eine Menge Arbeit vor uns«, sagte er sehr sanft, und dafür liebte sie ihn noch mehr als je zuvor.