Die Kuh, die lacht nicht nur

»Die größten Klimaschweine sind die Rinder«, habe ich mal geschrieben, als ich noch im Klimaschutz arbeitete. In den vergangenen Jahren habe ich mich immer wieder intensiv mit den Klimagasen befasst, die hinter unseren Lebensmitteln stecken. Als persönliche Konsequenz daraus habe ich Butter von meinem Speiseplan verbannt. Butter fand ich zwar lecker, aber sie ist nicht gerade gesund und vor allem ein Lebensmittel mit einer äußerst schlechten Klimabilanz. Hinter einem 250-Gramm-Päckchen stecken quasi Emissionen von rund 6 Kilo CO2, in etwa so viel wie hinter 2 Litern Diesel oder 30 Kilometern Autofahrt. Bei einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 6 Kilo macht Butter immerhin ein Siebtel der Lebensmittel-Treibhausgase einer durchschnittlichen Ernährung aus. Da ich die letzten Jahre praktisch kein Fleisch gegessen habe, dürfte bei mir die Butter deutlich mehr ins Gewicht (auch ins körperliche) gefallen sein. Das Problem bei der Butter ist die Menge an Milch, die man dafür benötigt – und das berühmt-berüchtigte Problem bei der Milch ist das Methan, das hinten und vorne aus der Kuh kommt. Methan ist als besonders schädliches Treibhausgas verrufen (laut Umweltbundesamt ist es über einen Zeitraum von 100 Jahren gerechnet 21-mal wirksamer als CO2). Eine westliche Milchkuh produziert mit etwa 120 Kilo Methan im Jahr das Tausendfache eines Menschen. Die Verdauungsgase machten 2004 nach Angaben der Deutschen Bank Research mit 1800 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten über 14 Prozent der Treibhausgase der Landwirtschaft aus. (Um die Auswirkung verschiedener Treibhausgase auf das Klima besser vergleichen zu können, rechnet man sie in eine entsprechende Menge an CO2 um. Man spricht dann von CO2-Äquivalenten.)

Viele Kühe machen Mühe

Zurück zu den Klimaschweinen: Rindfleisch ist in Deutschland trotz schlechter Klimabilanz nicht der entscheidende Treibhausgas-Faktor bei der Ernährung. Mit der BSE-Krise (Höhepunkt in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2001) ist der Verzehr pro Kopf seit 1995 um 3 Kilo auf 8,5 Kilo im Jahr 2010 gesunken. Schweinefleisch schneidet pro Kilo klimamäßig weniger schlecht ab, gegessen wird davon hierzulande jedoch mehr als das Vierfache. Daher trägt Schweinefleisch beim Durchschnittsdeutschen deutlich mehr zur Klimabilanz der Ernährung bei. Milchprodukte schlagen bei ihm noch mehr zu Buche als Schweinefleisch, vor allem wegen des Käse- und Butterverbrauchs. Die ernährungsbedingten Emissionen der Treibhausgase CO2, Methan und Lachgas (Distickstoffmonoxid) sind erheblich: Das Umweltbundesamt geht in Deutschland pro Person und Jahr von der Klimawirkung von 1,5 Tonnen CO2 aus, ein bedeutender Anteil der Klimabelastung durch private Haushalte. Das Ökoinstitut hat ausgerechnet, dass die Ernährung 20 Prozent der Klimabilanz der EU ausmacht. Allein die Produktion tierischer Lebensmittel ist nach Angaben der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission für 13 Prozent der EU-Klimabilanz verantwortlich. Hierbei sind die Landnutzungsänderungen wie etwa das Trockenlegen von Mooren, der Umbruch von Grünflächen und das Abholzen von Wäldern, das überwiegend im außereuropäischen Ausland geschieht, mit einbezogen. Die Deutsche Bank Research, eine von der Deutschen Bank AG abhängige Forschungseinrichtung und somit nicht gerade der Umwelthysterie verdächtig, weist der Landwirtschaft aktuell 25 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen zu, wenn man die Entwaldung zu landwirtschaftlichen Zwecken mit einrechnet. Die Viehhaltung verursacht laut Welternährungsorganisation (FAO) weltweit 18 Prozent der Treibhausgas-Emissionen, mehr als der gesamte Transportsektor einschließlich Schiffen und Flugzeugen.

CO2-Zählerei

Über die genauen Zahlen der Klimabilanzen einzelner Lebensmittelgruppen kann man trefflich streiten. Da bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede, je nach Mess- und Produktionsmethoden und den gewählten »Systemgrenzen«, also dem, was man alles in der Berechnung mit berücksichtigt, etwa Landnutzungsänderungen, die Dünger- und Pestizidproduktion oder den Überseetransport der Futtermittel. Unstrittig ist jedoch, dass pflanzliche Lebensmittel meist die bessere Wahl für das Klima sind. Wer als Veganer nicht fortwährend Flugmangos, baumgereifte Bananen oder die vegane Tiefkühlpizza aus den USA kauft, hinterlässt also ziemlich sicher einen kleineren CO2-Fußabdruck als ein durchschnittlicher Vegetarier oder Allesesser. Ein rein auf Treibhausgase optimierter Speiseplan enthielte vermutlich nur sehr wenige tierische Produkte, müsste aber nicht unbedingt völlig pflanzlich sein. Mir ist es nie in den Sinn gekommen, allein aus Klimaschutzgründen vollständig auf Fisch, Milch, Käse und Eier zu verzichten. Noch immer ernähre ich mich keineswegs nur regional-saisonal mit winterlichem Wurzelgemüse, und ich fahre gelegentlich auch noch mit dem Auto. Ausschließlich auf die Klimagase zu schauen, erfasst einfach nicht die komplette Tragweite der Nahrungsmittelproduktion, egal ob es sich dabei um Pflanzliches oder Tierisches handelt.

Treibhausgas-Bilanzen von Lebensmitteln

Die Berechnung der Treibhausgas-Bilanz einzelner Produkte ist methodisch schwierig und umstritten, auch wenn es inzwischen internationale Standards dafür gibt. Für die Berechnung müssen viele vereinfachende Annahmen gemacht werden. Bei ganzen Produktgruppen wie etwa »Tomaten« oder »Rindfleisch« ist das umso komplizierter, gerade wenn sich die einzelnen Bilanzen je nach Herkunft oder Produktionsart deutlich unterscheiden. Bei Milchprodukten gilt oft der Fettgehalt als entscheidendes Kriterium dafür, wie viel Klimagase einem Produkt angelastet werden. Trotz der Schwierigkeiten sind die Bilanzen einzelner Lebensmittel bei Umweltverbänden und in den Medien populär.

Aufgrund der unterschiedlichen Berechnungsmethoden sind genaue Vergleiche zwischen den Lebensmitteln nur begrenzt möglich. Dennoch kann man verallgemeinern, dass in aller Regel die deutlichsten Unterschiede zwischen Lebensmitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs bestehen. Da neben CO2 die Klimagase Methan und Lachgas in der Landwirtschaft eine große Rolle spielen können, gibt man zum Vergleich der Klimawirkung zwischen den einzelnen Lebensmitteln ihre Bilanzen in CO2-Äquivalenten an (1 Kilo CO2-Äquivalent entspricht der Klimawirkung von 1 Kilo CO2).

Einen kurzweiligen Überblick und einen spielerischen Zugang zum Thema Klimabilanz erhält man im Internet unter www.konsumcheck.de.

Lebensmittel

CO2-Äquivalente in kg je kg Lebensmittel

Weitere Angaben
zum Produkt

Fleisch, Fisch und Fleischerzeugnisse

Rindfleisch

13,5

konventionell erzeugt

Schweinefleisch

3,4

konventionell erzeugt

Geflügelfleisch

3,7

konventionell erzeugt

Schinken

4,7

konventionell erzeugt

Wurst

4,0

konventionell erzeugt

Süßwasserfisch

4,5

Filet, konventionell in Aquakultur erzeugt, Tiefkühlware

Kabeljau

3,2

Filet, Wildfang, Tiefkühlware

Garnelen (Shrimps)

10,5

Tiefkühlware

Eier, Milch und Milchprodukte

Eier

1,9

aus Bodenhaltung

Milch

0,9

konventionell erzeugt

Butter

23,8

konventionell erzeugt

Sahne

7,6

konventionell erzeugt

Käse

8,5

konventionell erzeugt

Joghurt

1,2

konventionell erzeugt

Quark, Frischkäse

1,9

konventionell erzeugt

Pflanzliche Fleischalternativen

Tofu

1,1

konventionell erzeugt

Seitanfleisch (Weizenprotein)

1,2

konventionell erzeugtes Fertigprodukt

Sojafleisch

0,8

Feuchtmasse aus konventionell erzeugtem Granulat

Obst und Gemüse

Erdbeeren

0,6

aus Südeuropa, Vorsaison

Äpfel

0,6

konventionell erzeugt

Tomaten

2,2

konventionell erzeugt, außerhalb der Saison

Gurken

0,2

konventionell erzeugt

Kohlrabi

0,2

konventionell erzeugt

Kopfsalat

0,2

konventionell erzeugt

Karotten

0,1

konventionell erzeugt

Kartoffeln

0,2

konventionell erzeugt

Pflanzliche Fette

Margarine

0,8

konventionell erzeugt

Pflanzenöl

1,0

konventionell erzeugt

Fertigprodukte

Pizza

1,2

konventionell erzeugte Tiefkühlware

Pommes frites

5,7

konventionell erzeugte Tiefkühlware

Kartoffelpüree

3,7

konventionell erzeugte Trockenware

Die Angaben stammen aus: Umweltbundesamt / Öko-Institut 2006; Öko-Institut 2007; Lindenthal et al. 2009; StMUGV 2007 (Fallstudie); LCA Food Database 2009; Ziegler et al. 2003 u. 2009; defra 2009; Foster et al. 2006; PCF-Pilotprojekt 2009; SERI – Sustainable Europe Research Institute 2011

Wurstgeil

Seit 1970 ist der weltweite Fleischverbrauch um mehr als das Dreifache gestiegen. In Deutschland und den anderen Industrieländern stieg im selben Zeitraum der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von 65 auf fast 90 Kilo (die tatsächliche Verzehrmenge ohne Knochen und Haushaltsverluste und ohne die Anteile für Tierfutter liegt darunter). In den Entwicklungsländern stieg der Verbrauch von 11 auf etwa 30 Kilo pro Jahr. Aufgrund des Bevölkerungswachstums hat sich in den Entwicklungsländern der absolute Verbrauch sogar mehr als verfünffacht. Die Inder liegen trotz Wohlstandswachstum noch immer unter vorbildlichen 5 Kilo pro Kopf, dort leben viele Millionen Menschen vegetarisch, wenn auch aufgrund von Armut meist unfreiwillig. In China hingegen verbraucht inzwischen jeder Einwohner im Schnitt bereits über 50 Kilo pro Jahr, das ist mehr als doppelt so viel wie noch vor 20 Jahren. Insgesamt also kein Wunder, dass die FAO vor nahezu einer Verdoppelung der jährlichen globalen Fleischproduktion von gegenwärtig 250 auf insgesamt 465 Millionen Tonnen und einer Zunahme der Milchproduktion von 580 auf 1043 Millionen Tonnen bis 2050 warnt.

Planet der Rinder

Inzwischen gibt es weltweit 1,4 Milliarden Rinder. Das sind doppelt so viele wie vor 50 Jahren. Damals lebten die meisten von ihnen auf Weideland, weil Rinder dank ihrer Wiederkäuermägen hervorragend Gras verwerten. Die Graslandschaften und »Graser« wie etwa die nordamerikanischen Bisons haben sich lange in Abhängigkeit voneinander entwickelt. Ohne die großen pflanzenfressenden Säugetiere, die auch Baumschösslinge fressen, würden Steppen, Savannen und anderes Grasland teilweise mit Büschen und Bäumen zuwachsen. Anders als in Wäldern speichert im Dauergrünland der Boden viel mehr Kohlenstoff aus dem CO2 der Atmosphäre als der oberflächliche Bewuchs. Wenn Rinder oder andere Wiederkäuer nicht zu dicht gedrängt leben, geben sie dem Boden wertvolle Nährstoffe zurück, ohne ihn zu überdüngen. Und sie tragen, wenn auch sehr langsam, zur Bildung des wertvollen Humus bei, der wiederum große Mengen CO2 dauerhaft bindet und damit aus der Atmosphäre entfernt. Eine nachhaltige Weidewirtschaft könnte daher sogar die Atmosphäre entlasten. Wie Axel Don vom Johann Heinrich von Thünen-Institut herausgefunden hat, bindet die Aufforstung von Grünland nicht mehr Kohlenstoff aus dem CO2, als wenn ein Acker in Grünland umgewandelt wird. Der Grund: Der zu einem Gutteil in der Laub- und Nadelschicht eines jungen Waldes gespeicherte Kohlenstoff ist anfällig für Störungen wie Waldbrände und kann dadurch wieder als CO2 in die Atmosphäre entweichen.

Auch die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft fördert die Humusbildung und kann der Atmosphäre CO2 entziehen. Ohnehin verursacht der Ökolandbau trotz geringerer Erträge weniger Treibhausgase pro Kilo erzeugtem Lebensmittel. Allerdings zweifeln Experten, unter anderem aus dem Umweltbundesamt, daran, dass sich landwirtschaftliche Böden zur langfristigen Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre eignen. Entscheidend ist hingegen der Schutz der bestehenden Humusschichten.

Weideglück

Weltweit gibt es, gerade in trockenen Klimazonen, viele Grasland-Flächen, die sich nicht für den Ackerbau, sondern nur für eine Haltung von Rindern oder anderen Grasern eignen. Allerdings sind dort die Produktionskapazitäten gering und weitgehend ausgeschöpft. Wo sich Tiere von Pflanzen wie Gräsern ernährten, die sich nicht zur menschlichen Ernährung eigneten, könne Tierhaltung einen wichtigen Beitrag zur landwirtschaftlichen Produktion sowie zum Lebensmittelangebot leisten und durch den Humusaufbau und den Phosphoreintrag in den Boden (also die Einbringung von Phosphor durch Exkremente) sogar nachhaltig sein, schreibt Anita Idel, Tierärztin und Autorin des Weltagrarberichtes. Ihr Buch Die Kuh ist kein Klima-Killer! handelt von den Chancen einer nachhaltigen Rinderhaltung. Zunächst hielt ich das Buch für einen Versuch der Fleisch- und Milchindustrie, die eigenen Auswirkungen auf den Klimawandel kleinzureden. Das ist es aber ganz und gar nicht. Idel zeigt, dass die ökologischen Probleme der Rinderhaltung durch die herkömmliche Haltung und Fütterung entstehen. Als »Klimaschweine« würde ich Rinder deshalb inzwischen nicht mehr pauschal verurteilen, es ist die industrielle Landwirtschaft, die sie dazu macht.

Grünland in Deutschland

Ein Teil des deutschen Grünlandes, also der landwirtschaftlich genutzten Wiesen und Weiden, eignet sich aufgrund der Bodenbeschaffenheit oder Hanglage nicht als Ackerland. Wegen der landschaftlichen und ökologischen Bedeutung verbietet Baden-Württemberg bereits jetzt den Grünlandumbruch, bevor in ein paar Jahren das Grünland EU-weit besser geschützt werden soll. Bisher wird Grünland noch oft in Ackerland umgewandelt, vor allem um Mais für Agrosprit und Biogasanlagen anzubauen. Das ist jedoch im Endeffekt meist sogar ungünstiger für das Klima, weil durch diese Landnutzungsänderung Humus im Boden verloren geht und das darin gebundene CO2 entweicht. Wird aus einer Wiese ein Acker, geht nach Ergebnissen des Johann Heinrich von Thünen-Instituts im Schnitt ein Drittel des Humus verloren.

Ich frage mich, wie viele Rinder man in Deutschland wohl nachhaltig auf der Weide halten könnte. Hierzulande gibt es derweil noch 5 Millionen Hektar Dauergrünland sowie 12 Millionen Hektar Ackerland. Beides zusammen entspricht ungefähr der Hälfte Deutschlands. Als Richtwert für eine nachhaltige Beweidung ohne Überdüngung durch Gülle kann man in Deutschland von 1 Hektar Grünland pro Großvieheinheit ausgehen, auf manchen Flächen dürften es mehr, auf manchen weniger Großvieheinheiten sein. Die Einheit entspricht einem ausgewachsenen 500-Kilo-Rind. Bei 5 Millionen Hektar Grünland könnte theoretisch etwa die gleiche Zahl an Rindern für Fleisch und Milch nachhaltig gehalten werden. Will man die Zahl der gut 1,5 Millionen deutschen Schafe (ein Schaf entspricht 0,1 Großvieheinheiten) nicht verringern, die in aller Regel auf Grünland leben, und nicht sämtliches Grünland mit Kühen vollstellen, wären entsprechend weniger Weiderinder nachhaltig »haltbar«. Eine Verringerung der Rinderzahl von derzeit 12,5 Millionen auf etwa ein Drittel erscheint mir daher, grob geschätzt, der realistische Maximalwert für eine potenziell nachhaltige Weiderinderhaltung zu sein. Die Menge an erzeugtem Rindfleisch und Milch würde sich nochmals deutlich verringern, weil die verbreiteten Hochleistungsrassen unter anderem deshalb so viel pro Jahr liefern, weil sie Kraftfutter fressen und nicht allein von Gras, Klee und Stroh leben. Ziegen und Schafe benötigen deutlich weniger Platz als Rinder. Sie könnten sogar in bewaldeten Gebieten gut leben. Mit ihnen ließe sich am nachhaltigsten Fleisch und Milch herstellen.

Die aktuelle Grünlandnutzung ist allerdings nicht immer nachhaltig. Zum Teil wird das Grünland intensiv und in Monokultur mit schnell wachsendem Gras bewirtschaftet, das bedeutet, man düngt es mit energieaufwendig hergestelltem Mineraldünger und Gülle, um mehr Gras für die Tierfütterung ernten zu können. Und auf etlichen Weiden stehen zu viele Tiere, sodass der Boden zu viel der guten Nährstoffe abbekommt oder diese schlecht verteilt sind.

»Land Grabbing«

Platz für die Rinderhaltung haben sich einige Länder mit rabiaten Methoden verschafft. Seit Jahrzehnten entwaldet man riesige Areale, um neue Flächen für Weiden und Futterpflanzen zu schaffen. Mindestens 70 Prozent des bisher zerstörten Amazonas-Regenwaldes nutzt man als Viehweiden, einen weiteren Teil für den Futtermittelanbau. Das ist dann natürlich alles andere als nachhaltig. Auch die Pampa in Argentinien wird umgebrochen, um Kraftfutter für Rinder anzubauen. Mithilfe von Mineraldünger baut man längst riesige Mengen an proteinreichem Futter für Nutztiere in intensiver Tierhaltung an. Der Weltagrarbericht kritisiert, dass an Nutztiere Soja, Raps, Mais, Weizen und anderes Getreide von Ackerflächen verfüttert wird, das somit der direkten Lebensmittelproduktion verloren geht. Und weil gerade die Länder mit dem hohen Fleischkonsum häufig nicht über ausreichende Flächen verfügen, müssen sie die Futtermittel wie Soja, Raps, Mais und andere Getreide einführen. Die EU importiert bereits vier Fünftel ihrer Proteinfuttermittel. Sie vereinnahmt damit für ihre Fleischproduktion nicht nur Proteine, sondern auch 35 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzflächen in anderen Ländern, 20 Millionen nur für Soja. Ein Drittel der weltweiten Ackerflächen dient bereits der Futtermittelproduktion. Da die Flächen mit guten Böden stark abnehmen und ihr Wert künftig erheblich steigen wird, sichern sich inzwischen große Firmen oder andere Länder ganze Landstriche für den künftigen Anbau von Lebens- und Futtermitteln.

Bei der für das Jahr 2050 erwarteten Anzahl von 9 Milliarden Menschen weltweit liegt die pro Person global verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche voraussichtlich bei 0,2 Hektar. Das sind 2000 Quadratmeter oder 40 mal 50 Meter. Derzeit beansprucht jeder Deutsche durch seine Ernährungsgewohnheiten im Durchschnitt umgerechnet 0,25 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, Deutschland selbst deckt davon nur 0,2 Hektar ab. Der Rest muss sozusagen »importiert« werden. Allein für den Sojaanbau sind es 2,8 Millionen Hektar Fläche aus Übersee, für jeden Deutschen rund 340 Quadratmeter. Über 60 Prozent der innerdeutschen landwirtschaftlichen Fläche dienen der Produktion tierischer Lebensmittel, pflanzliche benötigen nur die Hälfte davon. Ein kleiner, wenn auch wachsender Anteil dient dem Anbau von Energiepflanzen.

Soja, so nein

Nicht nur für Weideflächen, auch für den Sojaanbau werden kräftig artenreiche Regenwälder und Savannen zerstört, meist mittels Brandrodung – und das, obwohl der Boden für die Landwirtschaft nicht geeignet ist. Man vernichtet nicht nur unwiederbringlich wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen, sondern enteignet und vertreibt auch Ureinwohner und Kleinbauern, besonders in Brasilien, Argentinien und Paraguay. Obwohl die brasilianischen Kleinbauern nur 2 bis 3 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche bewirtschaften, tragen sie mit 70 Prozent zur Ernährungssicherung der Bevölkerung bei. Würden auf mehr Flächen Lebens- statt Futtermittel angebaut, wären die Preise für Nahrungsmittel in diesen Ländern wesentlich günstiger. In Argentinien müssen sogar Nahrungsmittel importiert werden, weil man dort nicht mehr genug für den Eigenbedarf anbaut. Schutzgebiete werden von großen Konzernen oftmals nicht beachtet, die Landschaft für neue Plantagen zerstückelt. 700000 Hektar Wald gehen jährlich für neue Sojaanbauflächen drauf. Ich erspare mir hier einen Vergleich mit Fußballfeldern. Experten befürchten, dass in 20 Jahren 40 Prozent des Amazonas-Regenwaldes zerstört und weitere 20 Prozent geschädigt sein werden. Nach der Ernte des Tropenholzes wird der Rest der Pflanzen verbrannt. Die Asche dient als Dünger für den Boden, weil der Boden des Regenwaldes kaum Nährstoffe enthält. Ist der Wald einmal gerodet, werden Nährstoffe und Boden allerdings schnell weggespült und lagern sich in den Gewässern ab. Dort verändern und schädigen sie das empfindliche Ökosystem. Die nährstoffarmen Böden werden für einen ertragreichen Anbau gedüngt, obwohl die eigentlich anspruchslose Sojapflanze als Hülsenfrucht (Leguminose) selbst Stickstoff in den Boden bringt. Auch setzt man in den Monokulturen Pestizide ein, die Böden, Flüsse und Grundwasser zusätzlich belasten. Die inzwischen mehrheitlich gentechnisch veränderten Sojapflanzen sind robust gegenüber Unkrautvernichtungsmitteln und vereinfachen somit deren Einsatz. Saatgut und Pestizid verkaufen die cleveren Hersteller gleich im Doppelpack. Die am meisten verbreitete gentechnisch veränderte Pflanze ist die Sojabohne RoundupReady® des US-Konzerns Monsanto. Sie überlebt als einzige Pflanze den Einsatz des dazugehörigen »Totalherbizids« Roundup®. Das Mittel schädigt nicht nur das Gemüse, sondern auch die Gesundheit von benachbarten Kleinbauern und Landarbeitern. Häufig kommt es hier zu Fehlbildungen bei Neugeborenen, Krebs und Todesfällen, klagen Umweltverbände. Viele Menschen sehen sich zum Abwandern in die Städte gezwungen.

Es geht nicht um die Sojawurst

Was wird aus der Sojabohne? 80 Prozent der Sojabohnen werden zu Sojaschrot und Sojamehl weiterverarbeitet, knapp 20 Prozent zu Öl. Weltweit steigt die Produktion von Sojaöl deutlich an. International war es lange das Speiseöl Nummer eins. Als solches ist Sojaöl in Deutschland zwar weniger verbreitet, es findet sich hierzulande aber in diversen Speisefetten, und es liefert Lezithin zur Verwendung in etlichen industriell hergestellten Lebensmitteln. Zunehmend wird es auch für Agrosprit wie »Biodiesel« eingesetzt. Nur das berüchtigte, weil bisher so gut wie nie nachhaltig produzierte Palmöl hat das Sojaöl seit 2005 auf den zweiten Platz der Weltölproduktion verdrängen können. Abgesehen vom Öl spielt Soja trotz steigender Nachfrage nach Sojamilch und Tofu für die direkte Ernährung von Menschen mengenmäßig kaum eine Rolle. Nur 2 Prozent des Sojamehls dienen als Backzutat und Fleisch- und Milchalternativen, 98 Prozent werden für Nutztierfutter verwendet. Der Vorwurf, dass Vegetarier mit ihren Tofuwienern den Regenwald schädigen, erscheint mir daher haltlos. Das »böse« Soja aus den Riesenplantagen in Übersee ist zudem häufig gentechnisch verändert. In den USA und Argentinien wächst nahezu ausschließlich Gensoja, in Brasilien zumindest zu drei Vierteln. Auch Tiere in Deutschland fressen es. Die Kennzeichnungspflicht für Futtermittel gilt ab einem Anteil von 0,9 Prozent. Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Organismen oberhalb der Nachweisgrenze von 0,1 Prozent enthalten, müssen entsprechend gekennzeichnet sein. Auf welche Produktgruppen oder Inhaltsstoffe das in Deutschland zutrifft, erfährt man auf der Internetseite transgen.de. Das Fleisch, die Milch und die Eier von Tieren, die mit genetisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, müssen bislang jedoch noch nicht gekennzeichnet werden.

Verfechter der Tierfütterung mit Soja behaupten, dass die Futterzusätze Sojaschrot und Sojamehl nur Nebenprodukte der Sojaölherstellung für den Menschen seien. Dem widerspricht das US-amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA). Trotz der enormen Produktionsmengen ist Sojaöl laut USDA mittlerweile das Nebenprodukt der Proteinfutterherstellung aus der Bohne. Sie ist die weltweit größte Proteinfutterquelle für Tiere. Sojamehl hat demnach mit 50 bis 75 Prozent den größeren Anteil am Wert der Bohnen. Anders als die Preise für andere Ölpflanzen wie Ölpalmen und Raps reagieren die Sojapreise daher auch weniger direkt auf eine veränderte Nachfrage nach Ölen und Fetten. Der enorme Boom der Bohne hängt somit vor allem mit der weltweit gestiegenen Nachfrage nach Fleisch und Milch und damit nach dem proteinreichen Tierfutter aus der Sojabohne zusammen.

Trog oder Teller?

Mastbullen in der Intensivhaltung bekommen neben Soja vor allem Maissilage sowie Getreide zu fressen. Auch die intensiv gehaltenen Milchkühe fressen reichlich Sojaschrot und Getreide. Bereits mehr als ein Drittel des weltweit geernteten Getreides landet in den Mägen von Nutztieren. In Deutschland sind es 60 Prozent. Industrieschweine bekommen bereits zwei Drittel Getreide als Futter. Industrienationen verwenden pro Kopf und Jahr 700 Kilo Getreide für Fleisch, Eier und Milchprodukte. Für Brot, Nudeln und Getränke sind es nur 300 Kilo. Nutztiere sind somit zu erheblichen Nahrungskonkurrenten des Menschen geworden. Die »Veredelung« oder genauer Verschwendung, aus pflanzlichen tierische Kalorien zu erzeugen, ist unterschiedlich ineffizient. Während Rinder das für den Menschen unverdauliche Gras gut verwerten können, sind sie bei Soja und Getreide ausgesprochen schlechte Futterverwerter. Für 1 Kalorie Rindfleisch sind daher je nach Quelle von 7 bis über 10 Pflanzenkalorien erforderlich. Für 1 Kalorie Schweinefleisch, Milch, Eier und Zuchtfisch sind es 3 oder mehr und für Geflügelfleisch noch 2 bis 3. Das vergleichsweise bessere Verhältnis bei Geflügel ist eine Folge der superschnell wachsenden Qualzuchten. Andere Quellen kommen zu deutlich schlechteren Umwandlungsraten bei tierischen Lebensmitteln, also höheren »Veredelungsverlusten«. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) rechnet für jede auf dem Acker erzeugte Kalorie bei der Umwandlung in tierische Lebensmittel mit einem Verlust von mehr als einem Viertel, für 1 tierische Kalorie sind demnach über 4 Pflanzenkalorien nötig. Laut FAO könnten die Kalorien, die bei der »Veredelung« verloren gehen, theoretisch 3,5 Milliarden Menschen ernähren.

Realistisch gesehen lassen sich auf der Erde Lebensmittel für 12 Milliarden Menschen erwirtschaften, rein theoretisch sogar noch ein Vielfaches davon. Dazu müsste man das Ackerland der Erde von derzeit 1,5 auf 3,2 Milliarden Hektar ausdehnen. Das hinzugewonnene Ackerland wäre aber zum einen wenig produktiv – mehr als zwei Drittel der theoretisch nutzbaren Landfläche sind Böden von geringer Qualität oder in schlecht nutzbaren Hanglagen –, zum anderen ginge der Ausbau von Ackerland zu Lasten von Grünland sowie schützenswerten Wäldern und Mooren. Die Umwandlung von Wäldern in Äcker oder Weiden verursacht Verluste an oberirdischer Biomasse und kann zu einem erheblichen Abbau von Humus beitragen, wodurch bis dahin in Bäumen und Boden gespeichertes CO2 in die Atmosphäre gelangt. Die Folgen des Klimawandels und die anderer Umweltprobleme wie Nährstoffverluste und Erosion, die zunehmende Besiedlung und der Verlust an Süßwasser durch Gletscherschmelze, Versalzung und Grundwasserabsenkung sorgen dafür, dass die nutzbaren Acker- und Weideflächen immer weniger werden. Die Bodenfruchtbarkeit nimmt zudem durch Humusverluste stark ab. Jährlich gehen weltweit etwa 20 Millionen Hektar an landwirtschaftlicher Nutzfläche verloren. Infolgedessen muss für die ständige Steigerung der Erträge ein immer größerer Aufwand betrieben werden, während die verfügbaren Ressourcen schrumpfen.

Stickstoffe

Kraftfutter wie Soja und Getreide wird von Rindern sehr viel schlechter verdaut als Gras. Werden sie damit gefüttert, haben sie öfter Blähungen, produzieren mehr Methan und scheiden größere Mengen unverdauter Nährstoffe aus, was die Überdüngung fördert. Da die Böden in Deutschland wie auch anderswo oft schon enorm viel Stickstoffdünger enthalten, stellen die riesigen Mengen Gülle eher ein großes Entsorgungsproblem als wertvolle Nährstoffe für den Boden dar.

Stickstoffdünger herzustellen erfordert viel Energie, was die Atmosphäre mit Treibhausgasen belastet. Noch gravierender ist die Wirkung des Stickstoffs im Boden. Dort bildet sich daraus Lachgas (Distickstoffmonoxid), ein hochwirksames Treibhausgas (310-mal so wirksam wie CO2), das sich lange in der Atmosphäre hält. Die Lachgasemissionen stammen zum weitaus größten Teil aus der Landwirtschaft, vor allem aus der Düngung mit stickstoffhaltigem Kunstdünger, Gülle und Mist. Sie verursachten 2004 gut 17 Prozent der Treibhausgase der Landwirtschaft. Aus deren Um- und Abbauprodukten entstehen weitere stickstoffhaltige Stoffe wie Nitrat und Ammoniak, die ebenfalls das Klima sowie die Umwelt schädigen. In vielen Klimaberechnungen zu den Folgen der Landwirtschaft sind diese Effekte noch nicht berücksichtigt.

Je mehr man die Böden düngt und je mehr sie durch den Einsatz schwerer Landmaschinen verdichtet werden, desto mehr Lachgas bildet sich. Die Düngung riesiger Mais- und Sojamonokulturen in den USA, die auch europäische Nutztiere füttern, sowie die Bodenverdichtung mit riesigen Landmaschinen führen dazu, dass Lachgas dort innerhalb der Landwirtschaft den größten Teil zur Klimaerwärmung beiträgt. Auch die Böden selbst werden durch die Intensivierung stark geschädigt. Die verdichtete und an Bodenorganismen durch Düngung sowie Pestizide verarmte Erde kann Wasser schlechter aufnehmen. Fehlt dann noch eine ganzjährige Pflanzendecke, kann ein einzelner starker Regen die Bodenbildung von 30 bis 40 Jahren wegschwemmen. Auch das häufige Pflügen führt zu einem Abbau des Humus.

Nur 17 Prozent des Stickstoffdüngers nutzen die Pflanzen zum Wachsen. Der Rest belastet in Form von Nitrat oder Ammoniak Luft, Boden und Wasser. Die Umweltschutzorganisation Robin Wood beklagt die Folgen der hohen Ammoniakbelastung, die in Europa zu 95 Prozent aus der Landwirtschaft stammt, größtenteils aus der Gülle und dem Stallmist der Tierproduktion. Aus den 1980er-Jahren kennen viele noch die Angstbegriffe »Saurer Regen« und »Waldsterben«. Ich war überrascht zu lesen, dass es diese Probleme in Deutschland immer noch gibt, auch wenn der Hauptverursacher hier nicht mehr die industriellen Schwefelgase sind, sondern die Ammoniakausdünstungen, die mit dem Regen in den Boden gelangen. Die Folgen sind ähnlich, die Böden übersäuern und bringen mit dem im Ammoniak in großen Mengen enthaltenen Stickstoff das Nährstoffgefüge durcheinander. Der Wald stirbt zwar nicht, wie man damals befürchtete, aber die Schäden haben teilweise sogar zugenommen, verstärkt noch durch den Klimawandel. Zwei Drittel der deutschen Waldbäume sind geschädigt, bei Laubbäumen sind es sogar 80 Prozent. Pflanzen mit entzückenden Namen wie Frühlings-Kuhschelle, Nordischer Augentrost, Sumpf-Knabenkraut, Rosmarin-Seidelbast stehen nebst 80 weiteren Pflanzenarten sowie etlichen Moosen, Flechten und Pilzen aufgrund der Stickstoff-Überdüngung auf der Roten Liste der bedrohten Arten.

Wasserschäden

Die Artenvielfalt in Gewässern ist ebenfalls bedroht, weil der übermäßige Nährstoffeintrag Blau- und Grünalgen sprießen lässt, die den Gewässern zu viel Sauerstoff entziehen, Fischsterben auslösen können und zudem Giftstoffe produzieren, die auch für Menschen gefährlich sind.

Die in der industriellen Tierhaltung anfallende Gülle landet mit allem, was an Antibiotika und Krankheitserregern darin ist, in zu großen Mengen auf den Feldern, auch wenn die Düngeverordnung festlegt, wann und wo wie viel Dünger aufgebracht werden darf. Das Grundwasser, aus dem in Deutschland drei Viertel des Trinkwassers stammen, ist oft erheblich mit Nitraten belastet. Bei der Hälfte der deutschen Trinkwasser-Messstellen fällt die Belastung deutlich zu hoch aus, bei 15 Prozent so hoch, dass das Wasser nicht ohne Weiteres als Trinkwasser genutzt werden kann. Im Nutztierland Niedersachsen ist der Grenzwert bereits bei 20 Prozent der Messstellen überschritten. Bisweilen muss dann Wasser aus anderen Gegenden herangeschafft werden. Die Kosten für das »Fernwasser« trägt der Verbraucher, nicht der Verursacher.

Das Problem bei der Wassernutzung in der Landwirtschaft ist vor allem die Verschmutzung. Sie macht große Mengen an sauberem Wasser erforderlich, um das verschmutzte Wasser ausreichend zu verdünnen, damit es wieder nutzbar wird. Aber auch der direkte Wasserverbrauch, wie für künstliche Bewässerung, ist in der Landwirtschaft erheblich. Das »verbrauchte« Wasser geht im Wasserkreislauf zwischen Gewässern, Atmosphäre und Böden zwar nicht grundsätzlich verloren, steht aber vor Ort erst einmal nicht mehr zur Verfügung. Problematisch ist das vor allem dann, wenn in der Region nicht viel sauberes Wasser für andere Zwecke zur Verfügung steht. So leiten viele Fischzuchten in Asien das mit Unmengen an Kot, Pestiziden und Medikamenten verschmutzte Wasser aus den Zuchtteichen ungereinigt in die Flüsse, die für die arme Bevölkerung die wichtigste Trinkwasserquelle darstellen. Die sozialen und ökologischen Folgen des Wasserverbrauchs hängen daher mit der Verfügbarkeit von Wasser in einer Region und deren Bedarf zusammen. Das »Land Grabbing« von Investoren und von asiatischen Ländern verschärft das Problem. Die Flächen, die sie in den fruchtbaren tropischen Regionen aufkaufen, werden teilweise bewässert. So kann es passieren, dass der ansässigen Bevölkerung der Zugang zum Wasser deutlich erschwert wird.

Wasser sparen

Ein großer Teil des Wasserverbrauchs der Deutschen spielt sich im Ausland ab, nicht etwa im Urlaub auf Malle, sondern dadurch, dass Deutschland wasserintensive Agrarprodukte importiert. 20 Prozent der weltweiten Ackerfläche werden künstlich bewässert. Diese Flächen liefern 40 Prozent der weltweiten Nahrungsmittel. 70 bis 85 Prozent des verfügbaren Wassers benötigt die Landwirtschaft, beispielsweise zur Bewässerung von Blumenfarmen, Kaffeeplantagen oder Baumwollfeldern. Wenn in bestimmten Gebieten die Wasserressourcen erschöpft sind, ist laut FAO fast immer Landwirtschaft die Ursache. Besonders durch die Viehhaltung, die schon jetzt erheblich zum Wasserverbrauch beiträgt, befürchtet man einen enormen Anstieg des Wasserverbrauchs. Professor Arjen Hoekstra, der wissenschaftliche Direktor des Water Footprint Network, empfiehlt daher denjenigen, die gerne Wasser sparen möchten, eher auf ihre Ernährung zu schauen als auf den direkten Verbrauch in Küche, Bad und Garten. Weidetiere können ein Viertel ihres Wasserbedarfs durch Gras decken, Getreide und Kraftfutter enthalten höchstens halb so viel Feuchtigkeit. Den Großteil des Wasserverbrauchs in der Tierproduktion verursacht aber nicht der Durst der Tiere, sondern die Bewässerung ihrer Futterpflanzen. Das sind nach Angaben der FAO 15 Prozent des weltweiten Wasserverbrauchs. Hinzu kommt das Wasser für die Kühlung und Hygiene in der industriellen Haltung und auch für die Schlachtung der Tiere – man erinnere sich etwa an das Brühbad der Schweine.

Wie viel Wasser Fleisch tatsächlich verbraucht, lässt sich aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung des Futters nur schwer abschätzen. Unbestritten ist, dass tierische Produkte meist mehr Wasser pro Kilo und pro Kalorie verbrauchen als pflanzliche. Als Ausnahmen gelten Kaffee, Kakao und Baumwolle. Die Hälfte des in der Tierproduktion verbrauchten Wassers geht auf das Konto von Rindfleisch und Milchprodukten. Selbst auf die erzeugten Kalorien oder Proteine gerechnet, schneidet Rindfleisch äußerst schlecht ab. Die berüchtigten 15000 oder mehr Liter Wasser, die für 1 Kilo Rindfleisch erforderlich sind, werden fast ausschließlich für die Bewässerung der Futterpflanzen verwendet.

Über Überfischung

Am 20. April ist in Deutschland »Fish dependance day«, der »Fischabhängigkeitstag«. Ab diesem von Umwelt- und Entwicklungsverbänden errechneten Kalendertag gibt es für das laufende Jahr in Deutschland rein rechnerisch nur noch Fisch von auswärts, weil die heimischen Fanggründe nicht mehr als die bis zu diesem Zeitpunkt konsumierte Menge hergeben. Im küstenlosen Österreich fällt dieser Tag gar auf den 15. Januar. Für ganz Europa ist aktuell am 2. Juli »Fischabhängigkeitstag«, seit einiger Zeit verschiebt sich das Datum immer mehr nach vorne. Seit Anfang der 1990er-Jahre sind die Fangerträge um 25 Prozent gesunken. Mittlerweile importiert die EU mehr Fische, als sie selbst anlandet. Kein Wunder, wenn laut EU-Kommission drei Viertel der europäischen Bestände überfischt sind, 82 Prozent im Mittelmeer und 63 Prozent im Atlantik. Greenpeace spricht gar von 88 Prozent Überfischung in Europa. Die Bestände wachsen also nicht so schnell nach, wie die Fische weggefangen werden.

Die EU hat mit 85000 Schiffen die drittgrößte Fischereiflotte der Welt, ausgerüstet mit Hightech und riesigen Fangapparaten. Sie gilt als überdimensioniert – da sind sich Experten und EU-Kommission einig. Die Kontrollen, bei denen überprüft wird, was wo und in welchen Mengen gefangen wird, sind dagegen lax. Der Europäische Rechnungshof kritisierte schon 2007, dass das System, Fangquoten festzulegen, nicht ausreichend angewendet werde und Verstöße kaum verfolgt oder bestraft würden. Die bestehenden Regeln werden aus politischen Gründen oft nicht eingehalten. Die Überfischung führt dazu, dass zunehmend jüngere und – da diese kleiner sind – auch mehr Tiere gefangen werden müssen, um auf das gleiche Fanggewicht zu kommen. Da viele Fische so getötet werden, bevor sie sich fortpflanzen können, kann der Bestand ganz zusammenbrechen – mit üblen Folgen auch für die Fischer. Der Tod der Fische ist oftmals auch der Tod der Fischerei. So ist die kanadische Kabeljau-Fischerei vor Neufundland von einem Tag auf den nächsten zusammengebrochen und hat sich trotz des Fangverbots für Kabeljau seit 1993 nicht wieder erholt. Auch über 20 Prozent der europäischen Fischbestände sind vermutlich biologisch nicht mehr in der Lage, sich zu erholen. Als Konsequenz hat die Europäische Union 2002 den Fischfang vor europäischen Küsten wegen Überfischung stark begrenzt. Dennoch lagen die Fangquoten des EU-Rates bisher im Schnitt um gut ein Drittel über dem Rat von Wissenschaftlern. Beifänge und illegale Fischerei sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Zumindest Deutschland orientiert sich aktuell an wissenschaftlich empfohlenen Fangquoten.

Eine gute Nachricht unter vielen schlechten: Fischbestände können sich, wenn man rechtzeitig handelt, relativ schnell erholen. Als es vom Ostseedorsch oder Kabeljau aufgrund des Fischfangs nur noch kleine Exemplare gab, sodass sie in der Ostsee sogar vom Jäger des Herings zu seiner Beute wurden, sorgte ein Regierungswechsel in Polen dafür, dass die Fangquoten eingehalten wurden (und werden). Inzwischen hat sich der Bestand wieder verdreifacht. Und seit am Horn von Afrika aufgrund der Piratenangriffe die großen Fangschiffe wegbleiben, nimmt die Zahl der Fische dort wieder deutlich zu. Auch während der beiden Weltkriege hatten sich die europäischen Bestände erholt, allerdings nicht aufgrund von vernünftiger Fischereipolitik. Die Fischer waren aufgrund der »unvernünftigen« Außenpolitik lieber an Land geblieben.

Welche Folgen der Klimawandel für die Fischwelt haben wird, ist bislang kaum abzusehen. Einige Arten wandern ab, weil es ihnen zu warm wird, oder sie wachsen nicht mehr so schnell. Die Versauerung der Ozeane durch das aufgenommene CO2 bereitet vielen Kleinstlebewesen große Probleme, dadurch wird die ganze Nahrungskette in Mitleidenschaft gezogen. Aber die Erderwärmung bietet für manche Regionen auch Vorteile. In der Barentssee am nördlichen Polarkreis beispielsweise nimmt die Zahl der Kabeljaue stark zu.

Trotz immer modernerer Fangmethoden und der Ausbeutung von bisher nicht befischten Gebieten stagnieren die weltweiten Fangerträge bei 90 Millionen Tonnen – eine Folge des alles andere als nachhaltigen Vorgehens. Gehen die Bestände von »Zielfischarten« zurück, erhöht man zunächst den Energie- und Kosteneinsatz für deren weitere Ausbeutung, oft unter Inkaufnahme großer ökologischen Schäden, weil etwa mehr Beifang anfällt oder viele Jungfische getötet werden. Ist eine Fischerei dann irgendwann nicht mehr rentabel, verlagert man den Fang in andere Regionen oder auf andere Arten. Laut jüngstem FAO-Weltfischereibericht von 2010 wird über die Hälfte der weltweiten Bestände maximal genutzt. 28 Prozent sind überfischt und 3 Prozent komplett geplündert.

Auswärts Essen holen

Europa hat den größten Markt der Welt für Fischereiprodukte, und die Nachfrage wächst. Nicht nur die Importe steigen, die aktuell für europäische Gewässer sinnvolle Begrenzung der Fischerei verlagert das Problem in außereuropäische Fanggebiete. Die mit EU-Geldern modernisierten und neu gebauten Schiffe holen etwa vor der westafrikanischen Atlantikküste tonnenweise Fisch aus dem Meer. Der eigenen Fischindustrie sichert die EU ihre benötigten Fangmengen durch sogenannte Fischerei-Partnerschaftsabkommen mit Drittländern. Sie zahlt den afrikanischen Ländern Geld dafür, dass sie dort im großen Umfang fischen darf. Laut Vertragstext sind das Fische, die die heimischen Fischer nicht fangen wollen oder können. Insbesondere Garnelen und teurere Fischwaren holen sich die Europäer, aber auch Hering, Makrele und Sardinen. Die Fanggenehmigungen werden meist sehr kostengünstig und deutlich unter dem Wert der Fische erworben. Die Kontrollen zur Einhaltung der Fangquoten sind zudem unzureichend.

Chinese Take Away

Nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP landen vor Westafrika derzeit bis zu 90 Prozent des Fischfangs an Bord nicht einheimischer Schiffe. Auch die Chinesen sind vor Westafrika mit von der Partie, sie leisten den afrikanischen Regierungen dafür noch nicht einmal Kompensationszahlungen. Auf schwimmenden Industrieinseln wird der fangfrische Fisch gleich verarbeitet. Der Fang der Chinesen landet auch auf den Tellern Europas: 2009 importierte Europa chinesische Fischprodukte im Wert von über 1 Milliarde Euro, doppelt so viel wie 2002. Selbst in der besonders fischreichen Region vor Westafrika reichen die Fische daher inzwischen nur noch für die Reichen. Für die heimischen Fischer und einen Großteil der Bevölkerung Mauretaniens, Guineas oder des Senegals bleibt nicht mehr viel übrig, und sie sehen auch von den Geldern der Europäer kaum etwas. Viele Fischer verlieren ihre Arbeit und ihr Einkommen. Da Fische bis weit ins Landesinnere hinein gehandelt werden, beschneidet man zudem die traditionelle Proteinquelle etlicher Menschen. Der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, jeder solle zweimal wöchentlich Fisch essen, sei unter Aspekten der Nachhaltigkeit nicht nachzukommen, urteilt Stig Tanzmann, Agrar-Experte des Evangelischen Entwicklungsdienstes EED. »Bei Fisch sollten wir sehr, sehr vorsichtig sein, gerade weil wir in Gewässern südlicher Länder fischen, wo es noch Proteinmangel und Hunger gibt. Diesen Fisch dürfen wir nicht beanspruchen.« Fisch ist Tanzmanns Einschätzung nach eher etwas, das man sich einmal im Monat, nicht einmal die Woche gönnen sollte.

Nicht nur in fremden Gewässern wird gefischt, auch in tieferen Meeresregionen. Das ist deswegen problematisch, weil man über die Biologie der dort lebenden Arten nur wenig weiß, außer dass viele von ihnen, wie etwa der Rotbarsch, sich nur sehr langsam fortpflanzen und wachsen.

Ökologisch korrekt?

Die mit dem MSC-Logo (Marine Stewardship Council) für nachhaltigen Wildfang ausgezeichneten Fischereien nehmen stark zu. Inzwischen sind schon 11 Prozent aller Fischereien der Welt damit zertifiziert. Die Fischer profitieren von höheren Preisen und möglicherweise einer besseren Schonung der von ihnen genutzten Ressourcen. Doch gibt es immer wieder Kritik an der Vergabepraxis des Logos. Professor Gerd Hubold, der Generalsekretär des Internationalen Rates zur Erforschung der Meere (ICES), wundert sich beispielsweise, dass der Schwarze Seehecht aus der Antarktis trotz seiner (als Tiefseefisch) sehr langsamen Fortpflanzung mit dem Logo ausgezeichnet wurde. Auch bestimmte, weil schonender fangende Schleppnetzfischereien dürfen sich mit dem blau-weißen Fisch des MSC schmücken. Fischfan und Journalist Paul Greenberg zweifelt in seinem Buch Vier Fische ebenfalls an der Nachhaltigkeit mancher MSC-Fischereien. So gerieten der vom MSC ausgezeichneten Seelachsfischerei Alaskas, der größten Wildfischindustrie der USA, vor ein paar Jahren 120000 Königslachse als Beifang in die Netze. Sie mussten als nicht zugelassener Fang vom Gesetz her ins Meer zurückgeworfen werden, obwohl sie bereits tot waren. Ein Drittel dieser Wanderfische war vermutlich auf dem Weg zum Yukon gewesen, einem der größten Ströme Nordamerikas, um dort in die Laichgebiete zu gelangen. In den Jahren 2008 und 2009 kamen fast keine Königslachse mehr im Yukon an, und die ansässigen Yupik-Indianer waren von Hunger bedroht.

Möglicherweise ist die maximale jährliche Fangmenge an Fisch schon eine Weile überschritten, der »peak fish« also schon erreicht. Sollte nicht das Ende unsinniger Subventionen und eine nachhaltige Fischereipolitik für eine Erholung der weltweiten Bestände sorgen, wird es vielleicht der Mangel an Öl sein. Wenn die maximal mögliche Ölfördermenge in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten zurückgeht und der »peak oil« überschritten ist, dürfte auch die industrialisierte Hochseefischerei deutlich abnehmen, weil dann der Wildfang immer teurer werden wird. Anders als Öl gehören Fische wenigstens zu den »nachwachsenden Rohstoffen«, sodass sich einige Restbestände irgendwann werden erholen können.

Aqua-Unkultur

Lachs und Forelle sind in Europa und den USA die häufigsten Zuchtfische. Für 2012 wird bei der Zuchtlachsproduktion ein Wachstum um fast 15 Prozent auf 1,8 Millionen Tonnen erwartet. Man ist geneigt, zu glauben, dass dank des Zuchtlachses der Druck auf die Wildbestände abnimmt. Dem ist leider nicht so, weil der Zuchtlachs zugleich die Nachfrage nach Wildlachs befördert, obschon Wildlachs ungleich teurer und frisch oder geräuchert nur saisonal verfügbar ist. Der Atlantik-Wildlachs gilt als bedroht. Von ihm dürfen nur noch 5000 Tonnen im Jahr gefangen werden. Beim Pazifik-Wildlachs sind es 800000 Tonnen. Doch auch bei ihm sind an vielen Orten die Bestände stark zurückgegangen. In 40 Prozent der US-amerikanischen Flüsse ist er ausgestorben.

Produkte wie Fjordlachs, Graved Lachs oder Echter Wildwasserlachs sind werbewirksame Namen für Zuchtlachs. Je effizienter die Lachszucht wird, desto billiger wird Zuchtlachs auf den Weltmarkt geschmissen. Um die Einbußen beim Preis auszugleichen, muss noch mehr produziert werden. Und das geht so: Zuchtlachse hält man üblicherweise in schwimmenden ringförmigen Netzen an Meeresküsten, wo die Tiere ständig mit kaltem frischem Wasser versorgt sind. Wenn die wirklich geeigneten Plätze rar werden, weicht man auf Plätze aus, an denen das Wasser weniger gut zirkuliert oder Wanderwege von Wildlachsen in der Nähe sind. Wie in der Massentierhaltung an Land verenden in den Anlagen mit bis zu 100000 oder mehr Tieren aufgrund der Enge ebenfalls Tausende durch Krankheiten oder gar Sauerstoffmangel. Die Probleme, die in jeder industriellen Tierzucht auftreten, tauchen bei vielen Fischzuchten in direktem Kontakt zur natürlichen Umgebung auf. Futterreste, Chemikalien, Antibiotika und Unmengen Kot aus den Gehegen verschlechtern die Wasserqualität. Krankheiten oder Parasiten wie Fischläuse können auf wildlebende Lachse übertragen werden. Da Zuchtlachse zudem zu Millionen aus den Gehegen in die Freiheit entwischen, könnten sie wilde Lachspopulationen verdrängen. Na, dann gibt es halt wilden Zuchtlachs, könnte man meinen. Tatsächlich stockt man sogar Wildbestände aktiv mit Zuchtlachsen auf, mit unklaren Folgen für die genetische Entwicklung der Lachspopulationen. Jeder dritte in Alaska gefangene »Wildlachs« stammt bereits aus Züchtungen. Die genetisch an Zuchtwünsche optimierten Tiere besitzen gegenüber den Wildlachsen möglicherweise Vorteile wie ein schnelleres Wachstum. Mittelfristig könnten sie sich jedoch als ungeeignet für ein Leben in Freiheit erweisen und sich weniger erfolgreich fortpflanzen, weil sie beispielsweise schlechter mit starken Strömungen zurechtkommen oder keine extremen Temperaturschwankungen ertragen.

Futter bei die Fische

Die Aquakultur der Lachse, dieser eigentlich zwischen Meer und Flüssen wandernden Raubfische, ist in hohem Maße von Fischmehl abhängig, das vor allem aus »Futterfischen« wie Sardinen oder Anchovis sowie aus kleinen Krebsen und Tintenfischen gemahlen wird. Auch der für die Nahrungskette so wichtige Krillkrebs gehört dazu. Für 1 Kilo Lachsfleisch benötigt man ein Mehrfaches an Futterfisch. Ein auf effiziente Futterverwertung gezüchteter Lachs braucht etwa 3 Kilo Wildfisch, ist der Lachs nicht optimiert, ist es gar das Doppelte. Thunfische benötigen für 1 Kilo Fleisch in der Mast sogar bis zu 20 Kilo Futterfisch.

Nur zu einem geringen Teil (knapp ein Viertel) stammt das Fischmehl aus den Abfällen der Fischerei, überwiegend fängt man dafür Wildfische. Die deutsche und dänische sogenannte Gammelfischerei ist bei der Fischmehlproduktion mit Sandaalen (mit zwei a!), Sprotten, Heringen oder Jungfischen dabei. Der unappetitliche Name Gammelfischerei rührt von der Praxis her, die Fische ungekühlt an Land zu bringen, bevor sie dann zu Tierfutter weiterverarbeitet werden. Vor allem die peruanische und chilenische Anchovis- bzw. Sardellenfischerei liefert schier unglaubliche Mengen des Fischfutters. Allein von dieser Fischart landen 30 Millionen Tonnen, ein Drittel des offiziell gefangenen Wildfisches, in den Mägen von Lachsen, Forellen, Shrimps und anderen Zuchtfischen und Meerestieren. Sogar Landnutztiere fressen bisweilen davon. Und ich verkneife mir meine einst heiß geliebte Sardellenpaste (60 Gramm!) … Die an unsere Zuchtfische verfütterten Fische stehen der lokalen Bevölkerung entsprechend nicht mehr zur Verfügung. Außerdem leben viele Meeresvögel genau von jenen »Futterfischen«, die für die Verarbeitung zu Fischmehl und Fischöl gefangen werden, und Meeressäuger wie Robben, Delfine und Wale sowie größere Fische sind ebenfalls auf sie angewiesen. Forscher der Universität Aberdeen in Schottland versuchen daher mithilfe der Gentechnik, aus den fischfressenden Lachsen und Kabeljauen Pflanzenfresser zu machen, um sie mit Getreide füttern zu können. Die Nachhaltigkeit dieses Weges erscheint mir äußerst fragwürdig. Um Menschen zu Pflanzenfressern zu machen, braucht man glücklicherweise keine Gentechnik.

Wie bei Soja ist es auch hier wieder Südamerika, das die größten Mengen an Nutztierfutter produziert, und wen wundert es, dass auch Soja, natürlich ebenfalls gentechnisch verändert, schon an Zuchtfische verfüttert wird. Zum abgeholzten Regenwald bietet die Fischzuchtindustrie ebenfalls ein Pendant: die Mangrovenwälder. In Asien und Lateinamerika rodet man diese für den Küstenschutz und auch ökologisch wichtigen Wälder, um Teiche für Shrimps-Kulturen anzulegen.

Ökoshrimps und Biokarpfen

Wildfische erhält man nie mit Biolabel, wohl aber Zuchtfische und -garnelen. Aber selbst die ökologisch zertifizierten Aquakulturen können nicht alle ökologischen Probleme der Aquakulturen vermeiden: Zuchtfische können auch dort entweichen, und für die fleischfressenden Arten ist auch in den Ökokulturen bislang Fischmehl vonnöten. Das Fischmehl muss zwar aus Fischereiabfällen oder nachhaltiger Fischerei stammen, diese Quellen sind aber weder unbegrenzt noch immer mit Gewissheit nachhaltig zu nennen. Überraschenderweise sind fertig filetierte Fische die nachhaltigere Variante, weil der Rest zumindest theoretisch wieder in die Fischproduktion gelangen kann und nicht bloß Ratten und Katzen aus der Nachbarschaft zum Kompost lockt.

Die einzigen effizient in Aquakultur zu produzierenden Zuchtfische sind Allesfresser, die mit geringen Proteinmengen auskommen, wie Karpfen, Tilapia und Pangasius sowie Muscheln. Damit sie schneller wachsen, erhalten zumindest die konventionell gehaltenen Fische oft ebenfalls Fischmehl. Dafür fischt man, etwa in der Pangasiuszucht, oft durch illegale Piratenfischerei die gesamte Artenvielfalt aus den umliegenden Gewässern weg – in diesem Fall dem Fluss Mekong in Vietnam.

Hungerleider

Auf einer Tagung über Hunger Hunger zu haben, ist schon merkwürdig. Und das, obwohl genug zu essen für alle da ist. So weit die Gemeinsamkeit mit der Welternährungssituation. Anders als bei den meisten Hungernden liegt es bei mir nicht am Geld, das Buffet ist umsonst, nur leider erweist sich hier bis auf wenige kalte klitzekleine Frühlingsrollen nichts als vegan. Noch nicht mal »Deko-Obst« kann ich entdecken. Zugegeben – ein Luxusproblem, zumal ich weiß, dass ich abends wieder genug zu essen bekommen werde. Dennoch macht das nagende Gefühl im Bauch das Thema des Tages plastischer.

Der Welthunger-Index 2011 der Welthungerhilfe bezeichnet die Hungersituation in 26 Ländern als »sehr ernst« oder »gravierend«. Alle diese Länder liegen in Afrika südlich der Sahara und in Südasien. Auch wenn sich die Situation in den meisten Gebieten in den letzten Jahrzehnten verbessert hat, ist sie für zig Millionen Menschen in vielen Ländern noch immer katastrophal. Der Index berechnet sich zudem nur aus Daten der vergangenen Jahre und bildet nicht die aktuelle Situation ab, wie etwa die Hungersnot am Horn von Afrika. Für die Jahre 2006 bis 2008 ging die FAO von 850 Millionen Unterernährten weltweit aus. Wegen des Bevölkerungswachstums hat die absolute Zahl der Betroffenen zugenommen, obwohl der Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung abgenommen hat. In den Schwellenländern Indien und China leben trotz des gigantischen Wirtschaftswachstums die meisten Hungernden. 80 Prozent der Unterernährten wohnen auf dem Land. Man könnte es zynisch als Ironie des Schicksals auffassen, dass die meisten Unterernährten als Kleinbauern, Landarbeiter und Fischer in der Lebensmittelproduktion arbeiten oder gearbeitet haben. Allein für Grundnahrungsmittel müssen arme Haushalte in Entwicklungsländern 60 bis 70 Prozent ihres Einkommens ausgeben. In der EU geben die Haushalte im Durchschnitt 13 Prozent für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke aus, am wenigsten (9 Prozent) in Luxemburg und am meisten in Rumänien (29 Prozent). Die Deutschen waren 2010 mit 11 Prozent dabei.

Unglücklicherweise wird in vielen Industrie- und Schwellenländern, auch in Deutschland, zu viel energiereiche Nahrung produziert, gekauft und gegessen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von einer globalen Adipositas-, also Fettleibigkeits-Epidemie. Sie schätzt, dass 2008 weltweit rund 1,5 Milliarden Erwachsene übergewichtig waren. Davon waren 200 Millionen Männer und fast 300 Millionen Frauen fettleibig. 2010 waren über 40 Millionen Kinder unter fünf Jahren übergewichtig.

Ursachenforschung

Vom Hunger sind noch immer besonders Kinder bedroht. Viele Schäden in den ersten Lebensjahren können später nicht mehr ausgeglichen werden. Schätzungsweise sterben jährlich über 2 Millionen Kinder an den Folgen der Unterernährung. Im Jahr 2009 gab es über 1 Milliarde unterernährte Menschen. Dabei werden eindeutig mehr Lebensmittel produziert, als benötigt würden, um die Welt zu ernähren, bestätigt mir Agrarfachmann Stig Tanzmann vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED). »Die reine Produktionsmenge ist aber eine Verkürzung der Debatte. Sie wird von den Befürwortern der Gentechnik und Intensivierung in der Landwirtschaft immer wieder hervorgeholt, die sagen, wir müssen noch mehr produzieren«, sagt Tanzmann. Dabei hat die schlechte Versorgung in vielen Ländern andere Ursachen, etwa eine mangelnde Logistik für die Verteilung und Lagerung der Nahrungsmittel. Oder die Tatsache, dass an manchen Orten zu wenig und dafür an anderen Orten zu viel hergestellt wird. Es gibt Schätzungen, dass in Europa 30 Prozent der Lebensmittel vor dem Konsum weggeworfen werden, nicht nur in den Haushalten, sondern bereits auf den Feldern.

Die Mehrheit der Unterernährten ist derweil schlicht zu arm, um überhaupt Lebensmittel bezahlen zu können. Soja, Mais und andere Getreidesorten würden daher selbst dann nicht als Nahrung für Menschen angeboten, wenn die Nachfrage nach Futtermitteln geringer wäre, glaubt zumindest Henning Steinfeld, Mitautor des FAO-Berichts Lifestock’s Long Shadow. Die für die Futtermittel wegfallenden Mengen würden seiner Ansicht nach dann vermutlich gar nicht erst angebaut. Daher sollte vor allem die Kaufkraft der Armen verbessert werden, möglichst parallel zur gesteigerten Produktivität durch biologische Landwirtschaft – ohne Abhängigkeit von Kunstdünger, Pestiziden und Hybridsamen. Dann gäbe es mehr lokal produzierte Nahrungsmittel und zugleich ein Einkommen für die Menschen, mit dem sie sich diese auch kaufen könnten.

Dennoch drängt sich der Verdacht auf, dass die steigende Nachfrage nach Fleisch und Milch in den Industrieländern die Grundnahrungsmittel in armen Ländern verteuert, weil beträchtliche Mengen Getreide in den Futtertrögen von Tieren landen. Ein Argument von Tierzuchtlobbyisten lautet, das in Deutschland verfütterte Getreide sei nicht für den menschlichen Verzehr geeignet. Dem widerspricht Tanzmann vom EED: »Das ist oft Weizen, der nicht die allerbeste Backqualität hat, aber man könnte ihn ohne Weiteres essen. Außerdem könnte man auf der gleichen Fläche auch Backweizen, Roggen, Gemüse oder Obst anbauen.« Damit würde man weniger Fläche im Ausland beanspruchen und so auch die negativen Folgen für die dortige Umwelt und Bevölkerung verringern. »Die Nachfrage nach Getreide für Futtermittel ist zumindest einer der Faktoren, die zu einer Preissteigerung auf dem Weltmarkt führen«, glaubt auch Tanzmann. »Je mehr Tiere gefüttert werden, desto wahrscheinlicher steigen die Preise in einem gewissen Rahmen oder können sich oben halten.« Betroffen seien davon vor allem Menschen in Ländern, die Getreide auf dem Weltmarkt kauften, um daraus Grundnahrungsmittel herzustellen. Für weltweit immerhin 200 Millionen unterernährte Menschen in Städten würden Grundnahrungsmittel unter anderem dadurch teurer. In Westafrika seien die Weizenpreise zu hoch, sodass die Länder große Probleme hätten, ihre Bevölkerung mit günstigem Brot zu versorgen, berichtet Tanzmann. Er hält es für dringend erforderlich, dass diese Länder ihre eigene Getreideproduktion wieder in Gang setzen, um selbst Grundnahrungsmittel zu produzieren. Die heimische Produktion von Hirse, die dem in diesen Regionen nicht gedeihenden Weizen auch in der Nährstoffzusammensetzung überlegen sei, wäre lange Zeit nicht mehr rentabel gewesen. Der Grund: Getreide sei in den vergangenen 30 Jahren auf dem Weltmarkt extrem billig gewesen, unter anderem wegen der Exportsubventionen für Weizen aus der EU Ende der 1980er-Jahre und Anfang der 1990er-Jahre. Mittlerweile seien diese Subventionen abgeschafft und für die EU-Bauern aufgrund der hohen Weizenpreise auch nicht mehr notwendig.

Import – Export

Inzwischen fordern sogar Landwirtschaftsministerium und Bauernverband öffentlichkeitswirksam, alle Exportsubventionen abzustellen. Der subventionierte Export von Lebensmitteln drängt inländische Produzenten in anderen Ländern häufig aus dem Markt und die Länder selbst in die langfristige Abhängigkeit von Importen. Doch die gleiche Wirkung erzielt man inzwischen allein durch inländische Subventionen, wie die von großen Mast- und Schlachtanlagen. »Wenn man jetzt die Vorschläge der EU-Kommission und der deutschen Politik zur Agrarreform hört, ist das Ziel der Weltmarkt und der Export von Lebensmitteln«, sagt Tanzmann, »und weil die Landwirte zum Teil auf die Subventionen angewiesen sind, haben sie ihre Betriebe in Richtung Export umgestaltet.« So wächst die deutsche Fleischindustrie vor allem bei Schwein und Geflügel, wobei der Zuwachs nahezu allein für den Export bestimmt ist – der Selbstversorgungsgrad für Rind und Schwein in Deutschland liegt bereits weit über 100 Prozent, bei Geflügel und Milch knapp darüber. Die Deutschen sind beim Fleisch aber ziemlich wählerisch und essen besonders gern die guten Stücke. Selbst wenn man nur bestimmte Teile des Fleischs isst, muss dafür das ganze Tier »drum herum« produziert werden. Gerade bei Geflügel, von dem überwiegend das helle, zarte Brustfleisch gegessen wird, exportiert man die Reste zu Niedrigstpreisen nach Afrika, in die Länder, die ihre Märkte aufgrund der für sie ungünstigen internationalen Handelsabkommen nicht schützen können. Dort ruinieren die Importe die lokale Viehhaltung und aufgrund der schlechten Kühlmöglichkeiten auch gleich noch die Gesundheit der Konsumenten. Ähnliches geschieht durch das Milchpulver aus der deutschen Überproduktion. Hier sorgt unsauberes Trinkwasser für die gesundheitlichen Probleme und die Billigpreise für den Ruin der verbliebenen Milchbauern vor Ort. Dabei bräuchte man gerade in diesen Ländern die Tierhaltung für eine ökologische Kreislaufwirtschaft, in der das Vieh den Dünger für den Anbau von Pflanzen zur Ernährung von Tieren und Menschen liefert. Gänzlich unökologisch ist der Kreislauf der europäischen Landwirtschaft: Aus den importierten Ressourcen anderer Länder produziert sie Überschüsse, die sie dann »veredelt« wieder exportiert. Viele Bauern in den Entwicklungsländern müssen dadurch aufgeben und ziehen in die Elendsviertel der Großstädte oder versuchen, in die Industrieländer zu gelangen.

Tanzmann empfiehlt Konsumenten in Deutschland daher, bevorzugt saisonal und regional einzukaufen, um Flächen für den Gemüseanbau in anderen Ländern zu sparen, und bei Südfrüchten, Schokolade und Kaffee auf fair gehandelte Produkte zu achten. Auch das helfe den Menschen in den Entwicklungsländern. Vor allem aber rät er dazu, weniger Fleisch zu essen. Und wenn es Fleisch geben sollte, dann aus dem ökologischen Landbau, wo die Stoffkreisläufe geschlossen sind, keine Überschüsse produziert werden und kein Soja aus Südamerika zur Fütterung importiert wird.

Askäse

Was die Umsetzung der öko-sozialen Empfehlungen von Stig Tanzmann angeht, bin ich schon auf einem guten Weg. Durch meinen völligen Verzicht auf Milch und Käse vom Tier kann ich ökologisch sogar noch mehr punkten.

Ökologisch nicht gerade vorbildlich gestaltet sich hingegen mein erster Kontakt mit veganem Käse. Es passiert mir eigentlich nie, dass ich Lebensmittel wieder ausspucke, weil ich sie einfach nicht runterbekomme. Eben war es so weit. Mein erster Versuch mit veganem Käse, genauer gesagt, veganem Gouda aus Soja oder so, importiert aus Schottland. Jungen Gouda mochte ich schon zu Vorveganzeiten nicht besonders. Aber die vegane Goudavariante ist sicher das schlechteste Argument für eine vegane Ernährung. Und ich dachte, ich hätte jetzt dem Spruch »Vegan? Dann darfst du ja auch keinen Käse mehr essen!« etwas entgegenzusetzen. Auch mein zeitgleich erworbener milchfreier »Cheddar« teilt das Schicksal des Pseudo-Holländers. Meine Tochter dagegen probiert von beiden klaglos. Ich bringe es dennoch nicht fertig, ihr diese Unkäse zu überlassen. Ihnen ergeht es wie jährlich 80 Kilo Lebensmitteln des Durchschnittsdeutschen: Sie wandern – ganz unökologisch – in die Tonne.

Ich habe die Hoffnung, dass die veganen Käse keine perfide Strategie der Milchindustrie sind, um die Leute auf die Schwächen veganer Ernährung hinzuweisen, sondern dass die Hersteller lediglich erst am Anfang ihrer Rezeptentwicklung stehen. Tofuwürste waren vor einigen Jahren auch nur mit viel gutem Willen genießbar. Das hat sich glücklicherweise komplett geändert. Vielleicht habe ich auch nur noch nicht den richtigen Analogkäse für mich gefunden. Die in Verruf geratenen industriellen Analogkäse, die auf Billigpizzas und Käsestangen landen, sind nicht frei von tierischen Inhaltsstoffen, auch wenn sie mit echtem Käse wohl so wenig zu tun haben wie meine veganen Wannabes. Bis für Münsterkäse, Gorgonzola und Manchego pflanzliche Alternativen auf dem Markt sind, werde ich mich sicher noch lange gedulden müssen. Abschied von der internationalen und geschmacklichen Vielfalt an »verschimmelter Milch« habe ich vor Kurzem auf meiner letzten Käserallye genommen, die ich bislang traditionell am Geburtstag meiner Freundin M. veranstaltet habe. Da ich fortan niemanden mehr zum Käseverzehr anstiften will, behalte ich die Spielregeln für mich. Vorerst wird es jedenfalls keine pflanzliche Variante dieser Rallye geben.