Wischwamitra wappnet Rama

Dascharatha freute sich über den Segen der Götter.

Die vier Knaben wurden bei einem glänzenden Feste dem Volke gezeigt, und im Jubel der reich Beschenkten, unter Musik und Tanz und festlichen Spielen, gab Wasischta den Prinzen feierlich ihre Namen.

Sorgfältig an Leib und Geist gepflegt, wuchsen die Knaben zu Jünglingen heran. Sie wurden schon frühzeitig mit der Führung der Waffen vertraut gemacht und zeigten viel Gewandtheit, Mut und Besonnenheit. Oft trat Dascharatha voll Stolz mit seinen Söhnen vor das Volk und erschien diesem wie Brahma von den vier Welthütern umgeben.

Keiner der Waffengefährten erreichte die Prinzen an Geschick zur Lenkung des Streitelefanten oder an Kraft und Mut im Kampfe zu Wagen, zu Ross und zu Fuß.

Auch an Tugend und Wissen waren sie über ihr Alter gereift, denn die besten Brahmanen des Hofes pflegten ihren Geist, wie die tüchtigsten Waffenmeister ihren Leib.

Einst kam Wischwamitra, der ehrwürdige Klausner und Wasischtas getreuer Freund, an den Hof nach Ajodhia.

Voll demütiger Freude empfing der König den Heiligen, führte ihn an den Ehrensitz in der Halle und erbot sich, dem hohen Gaste jeglichen Dienst zu erweisen.

Da bat der greise Klausner, der König möge ihm seinen tapferen Sohn Rama mit in den Wald geben, denn zwei Ungeheuer aus Ravanas Gefolge, die Riesen Subahu und Maritza, störten fortwährend seine Opfer.

Entsetzt rief Dascharatha: »Oh, ehrwürdiger Muni, mein Sohn, mein ältester Sohn, der Schatz meines Herzens, zählt erst sechzehn Jahre. Die Unholde würden mir den Trost meines Alters rauben! – Ich will mit einer Schar meiner erlesensten Recken ausziehen und die beiden Rackschasas, die furchtbaren Dämonen, bekämpfen!«

»Gib mir den Prinzen Rama mit!« sprach Wischwamitra kopfschüttelnd. »Er ist tapfer und sündenrein! Ich will ihn wappnen mit dem stärksten Rüstzeug wider alles Böse. Edler und stärker kehrt er dir wieder!«

»O mein Rama!« jammerte der Greis. »Er wird fern von mir sterben, und mein Tod wird einsam sein!«

»Mut, o Herr!« sprach nun Wasischta. »Wischwamitra besitzt die Waffen des Sieges. Wenn er deinen Sohn zum Kampfe rüstet, so wird der als Held bestehen und als Sieger im Munde der Sänger bis ans Ende aller Zeiten fortleben!«

Halb überzeugt, halb in Sorge, seinen edlen Gast, den mächtigen Heiligen, durch längeres Weigern zu erzürnen, gab Dascharatha endlich seine Einwilligung, und am Nachmittage begleitete Rama samt seinem Bruder Lakschmana – der von ihm so wenig zu trennen war wie Schatrugna von Bharata – den Heiligen auf seiner Heimreise.

Sie übernachteten in einer Siedelei, die dem Liebesgott geweiht war, und Wischwamitra erzählte seinen aufhorchenden Schülern, wie Kama hier einst in tollem Übermut seine Blütenwaffe auf den büßenden Schiwa gerichtet habe. Ein Zornblick des strengen Gottes hatte damals den Körper des Leichtsinnigen verbrannt, und als Ananga, der Körperlose, wandelt der Liebesgott 147 seither unter den Himmlischen und wird so von den Irdischen aufs frömmste verehrt.

Als sie am nächsten Morgen, nach dankbarem Abschied von den gastfreundlichen Priestern Schiwas, die stille Siedlerstätte verlassen hatten, wanderten sie unter frommen Gesprächen durch den Wald.

Mittags nahm Wischwamitra zwei starke Zauberbogen samt Köchern aus einem hohlen Baum und gab sie den beiden Prinzen, denn sie waren an den Wald der Hexe Tataka gekommen. Der fromme Lehrer erzählte den kriegerischen Prinzen von diesem Schrecken der Wälder: Tataka war als Mädchen die Schönste im Lande gewesen und hatte in wilder Laune den Unhold Sunda zum Gatten erwählt. Nachdem sie ihm den Riesen Maritza als Sohn geschenkt hatte, fand sie so viel Gefallen an dem Vernichtungswerk ihres Gatten und ihres Sohnes – der Neugeborene war in wenigen Stunden zum Riesen erwachsen –, dass sie es weit ärger trieb als die beiden Dämonen.

Da sie einst die Andacht des Heiligen Agastya störte, verfluchte sie dieser als scheußliche Hexe im Walde zu hausen, bis ein Reiner sie töte.

Als Wischwamitra seine Erzählung beendet hatte, forderte er Rama auf, das dämonische Weib zu vernichten, denn es habe sich durch seine Schandtaten außer alle Gesetze der Menschen und der Menschlichkeit gestellt.

Rama, den Worten seines Lehrers gehorsam, ließ die Bogensehne schwirren, dass es laut durch den öden Wald tönte. Auf diesen herausfordernden Klang hin kam Tataka zwischen den Bäumen angestürmt.

Sie überschüttete die drei Eindringlinge mit einem Hagel von Steinen, mit Unflat und den hässlichsten Schimpfreden.

Da hoben die Prinzen ihre Bogen, wehrten mit schnellen Schüssen den Steinregen von ihrem Lehrer und drohten der Hexe, sie zu töten, wenn sie nicht von ihrem Angriffe lasse.

Die Greuliche höhnte die Prinzen als Menschenknirpse, wuchs sodann ins Riesengroße, und warf mit entwurzelten Bäumen und Felsentrümmern.

In arger Bedrängnis schoss Rama, der sich nicht entschließen konnte, ein Weib zu töten, der Hexe beide Hände von den Armen. Ein Schuß Lakschmanas verstümmelte das scheußliche Angesicht des Ungeheuers. Mit furchtbarem Gebrüll hob nun die Verwundete sich in die Lüfte und entschwand den Blicken der beiden Helden. Aber was den Zauberkünsten der Unsichtbaren erreichbar war, warf sie auf die Tapferen herab.

Da hob Rama entschlossen den Bogen, zielte dorthin, woher das Gebrüll der Hexe erscholl, und schoss.

Von dem schweren Eisen mitten durch die Brust getroffen, fiel die Hexe herab und verschied unter wilden Verwünschungen.

Indras Stimme aber erklang vom Himmel und pries die kühne Waffentat Ramas.

Am nächsten Tag erreichten die Wanderer Wischwamitras Klause, und der Heilige begann, der Stimme der Götter gehorchend, den tapferen Rama mit göttlichen Waffen – Sprossen der Siegesgöttin Dschaya – zu wappnen.

Er reichte ihm die Speere ›Treffer‹ und ›Sieger‹ und die unfehlbare Lanze Schiwas, ferner Indras und Wischnus Wurfscheiben und drei Blitze des Götterherrn. Ein Schwert, die Fackel Agnis und des Sturmgottes Wirbel, auch viele nie fehlende Pfeile, wie ›Schlafbringer‹, ›Geschweiger‹, ›Verzehrer‹ und andere, folgten. Dann gab er ihm den ›Verblender‹ der himmlischen Spielleute, den ›Berauscher‹ und den ›Wahnwitz‹ des Liebesgottes, den ›Überwinder‹ des Schatzgottes Kubera, die Pfeile der Wissenschaft, die Schilde der Zucht und der Gerechtigkeit und die Schlinge des Zufalls. Die Dolche ›Wahr‹ und ›Falsch‹, das blendende Schildkleinod ›Hoheit‹, der Treibstachel der frohen Rede und ihr Pfeil ›Verletzende Schärfe‹, endlich des Urvaters Waffe, der steinerne Hammer, waren die letzten Gaben.

So gerüstet stand der Held vor dem Heiligen, hörte voll Ehrfurcht seine weise Rede über den Gebrauch der einzelnen Waffen und merkte voll Eifer die Sprüche, die diesem oder jenem Geschoß besondere Zauberkraft verleihen konnten.

Als Ramas Wappnung und Belehrung vollendet war, beschloss der Heilige ein Opfer zu rüsten, und die Prinzen bewachten durch sechs Nächte die geheiligte Stätte.

Als die Opferfeuer am siebenten Tage gegen Himmel loderten, verfinsterte sich die Sonne, und heulend, brüllend, tosend und zischend, stürzten sich die beiden Unholde Subahu und Maritza vom Himmel herab, um das heilige Feuer zu verlöschen.

Doch Rama stand Wache in göttlichen Waffen.

Als er die Dämonen hörte und sah, hob er des Urvaters Waffe und schleuderte sie dem gewaltigen Maritza an die Brust. Hundert Meilen weit riss es dem Unhold durch die Lüfte und warf ihn ins schäumende Meer. Nur mit Mühe rettete er sich vom Tode des Ertrinkens und schwamm nach Lanka, um Ravanna, seinem Herrn, von dem furchtbaren Verteidiger der Einsiedelei zu erzählen.

Subahu aber starb, von der Agniwaffe zu Asche verbrannt.

Wischwamitra dankte dem Trefflichen für seine kühne Tat, doch Rama neigte sich ehrerbietig vor dem Heiligen und fragte, womit er ihm ferner dienen könnte.

Da lächelte Wischwamitra schalkhaft und sprach:

»Ich muss zu einem feierlichen Opfer an König Dschanakas Hof reisen. Willst du und dein edler Bruder mir sicheres Geleite geben?«

»Wie du es für gut hältst!« sprachen die Prinzen voll Ehrfurcht und begannen alles zur Reise nach Mithila zu rüsten.