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ZEIT DES ABSCHIEDS

 

 

Vierundzwanzig Stunden nachdem Han und Chewie die ›Bria‹ sicher und bis auf den ausgefallenen Geschützturm sowie den angeschlagenen Schutzschild am Heck über dem Antrieb unbeschädigt nach Nar Shaddaa gebracht hatten, standen Han und Xaverri auf der windigen Landeplattform neben der Rampe der ›Phantasus‹. Salla und Chewie hatten sie fast den ganzen Weg bis hierher begleitet, sich dann jedoch diskret zurückgezogen, um ihnen ein unbehelligtes Lebewohl zu gönnen.

Han blickte Xaverri an, die einmal mehr ihre farbenfrohe, geschmackvolle Kleidung angelegt hatte, und schüttelte den Kopf. »Ich hasse Abschiede«, sagte er betrübt. »Ich weiß nie, was ich sagen soll, und heute ist es noch schlimmer als sonst. Wie soll ich dir bloß danken, Xaverri? Deine Illusion hat uns gerettet. Ohne dich hätten wir es nicht geschafft.«

Sie lächelte ihn an. In ihren Augen lag Zuneigung. »He, Solo… das hätte ich nicht um alle Credits der Galaxis verpassen wollen. Ich wünschte bloß, ich hätte auf der Kommandobrücke eines imperialen Schiffs sein können, um die Reaktionen zu sehen.«

Han lachte. »Sie müssen sehr überrascht gewesen sein, soviel ist sicher.« Spontan ergriff er ihre Hände und ertappte sich im nächsten Augenblick dabei, daß er sie ungestüm an sich zog. »Ich werde dich vermissen«, sagte er. Ihr Haar dämpfte seine Stimme. »Ich hatte gerade geglaubt, mich an das Leben ohne dich gewöhnt zu haben, und jetzt muß ich das alles noch mal durchmachen. Das ist nicht fair, Xaverri.«

Als er ein wenig zurückwich, streckte sie sich und gab ihm einen entschlossenen Kuß auf den Mund. »Mach dir keine Sorgen darum«, sagte sie lächelnd. »Salla wird das verstehen. Sie ist eine tolle Frau.«

»Das ist sie«, stimmte er zu. »Wir sind uns sehr ähnlich.«

Xaverri nickte. »Ich hoffe, ihr zwei werdet glücklich miteinander, Solo. Paßt gut auf euch auf, ja?«

Jetzt nickte Han. »Und du auf dich.«

»Mach ich. Vergiß mich nicht…«

»Niemals«, erwiderte er, und es schnürte ihm die Kehle zu. »Ich könnte dich niemals vergessen, Xaverri.«

Xaverri löste sich von ihm, und er ließ sie los. Sie lief die Rampe hinauf, ohne sich noch einmal umzuschauen.

 

Drei Tage nach der Schlacht um Nar Shaddaa – wie das Ereignis bald überall genannt wurde – wohnten Han, Chewie, Salla und Lando der Hochzeit Roas bei. Der alternde Schmuggler war dank eines ausgedehnten Bades im Bactatank fast völlig wiederhergestellt, und Lwyll sah in ihrem eleganten Kleid strahlend schön aus.

Es war weithin bekannt geworden, daß die vier Schmuggler maßgeblich daran beteiligt gewesen waren, das Blatt während der Schlacht um Nar Shaddaa zum Guten zu wenden. Daher waren Han und seine Freunde der gefeierte Mittelpunkt der anschließenden Party. Sie gingen herum, schlürften Drinks, stopften Appetithäppchen in sich hinein, schüttelten Hände und nahmen von allen Seiten Glückwünsche entgegen.

Lando näherte sich Roa, legte dem Schmuggler einen Arm um die Schulter und sagte: »So wie ich das sehe, ist dein Ausstieg aus dem Schmuggelgeschäft eine der Bedingungen für diese Hochzeit, Roa?«

»So ist es.«

»Nun, dann wirst du eine ehrliche Arbeit brauchen. Hast du Lust, für mich zu arbeiten?«

»Und was müßte ich tun?«

Lando lachte. »Schau nicht so mißtrauisch aus der Wäsche. Du könntest meinen Handel mit gebrauchten Raumschiffen managen. Ich stehe vor einer langen Reise zurück in die Zentralregionen, und da benötige ich jemanden, auf den ich mich verlassen kann und der sich um das Geschäft kümmert.«

Roa sah sehr nachdenklich aus. »Tja… sicher. Ich glaube, das wäre was für mich. Danke, Lando. Und… warum verläßt du uns? Hast du irgendwas Bestimmtes vor?«

»Vuffi Raa und ich wollen zurück in die Zentralregionen, weil ich so eine Ahnung habe, daß ich ein schnelles Vermögen machen kann, wenn ich von dort Fracht zu den abgelegenen Welten transportiere. Und…« Lando grinste und strich sich über den gedeihenden Schnurrbart. »…wenn das nicht klappt, gibt es immer noch die Kasinos im Oseon-System. Es wird mir guttun, meine Fähigkeiten im Sabacc ein bißchen aufzufrischen. Wenn man nicht spielt, rostet man leicht ein. Und die Spiele hier auf Nar Shaddaa sind creditmäßig ziemlich mickrig. Ich brauche ein paar Partien mit richtig hohen Einsätzen, um mich auf das ganz große Spiel vorzubereiten.«

Han, der gerade vorbeikam, blieb stehen, als er Landos kleine Rede vernahm. »Sabacc? Das große Spiel? Worum geht es? Wessen Sabacc-Fähigkeiten müssen aufpoliert werden?«

Lando lachte. »Meine. Wenn ich den Einsatz aufbringe, will ich an dem großen Sabacc-Turnier teilnehmen, das in sechs Monaten auf Bespin stattfindet. Der Einsatz beträgt zehntausend Credits.«

»Zehntausend Credits!« Han pfiff leise durch die Zähne. »Das ist allerdings wirklich ein großes Spiel.«

Lando lächelte seinen Freund an. »He, du bist doch auch ein ganz passabler Sabacc-Spieler, Han. Du solltest dir überlegen, wie du deinen eigenen Einsatz zusammenbekommen kannst.«

Han schüttelte den Kopf. »Keine Chance!«

»Und wieso nicht?«

»Das ist für meinen Geschmack ein bißchen viel«, entgegnete Han. »Wenn es mir gelingen würde, zehntausend Credits aufzubringen, würde ich die in ein eigenes Schiff stecken.«

»Ja, aber vielleicht gewinnst du genug, um dir eins zu kaufen«, stellte Lando fest.

»So viel Glück habe ich nicht« sagte Han.

»Ach, komm schon, Han«, beharrte Lando, »du könntest die Credits doch leicht zusammenbekommen.« Er warf Chewbacca einen Blick zu. »Chewie würde sie dir bestimmt leihen, oder etwa nicht, Chewbacca? Er ist dein bester Freund.«

Chewbacca gab ein beredtes Knurren von sich und schüttelte nachdrücklich den Kopf.

Han lachte. »Die Freundschaft reicht offenbar nicht aus, um zehntausend Credits zu riskieren, Lando.«

 

Durga der Hutt kauerte gramgebeugt neben der Schwebesänfte seines Vaters und sah den Medidroiden und Grodo, dem Leibarzt des Lords, zu, die verzweifelt bemüht waren, Aruks Leben zu retten. Doch sogar Durga konnte unschwer erkennen, daß ihre Anstrengungen zum Scheitern verurteilt waren.

Aruk war vor wenigen Minuten zusammengebrochen, hatte unter Qualen nach Luft geschnappt, geröchelt, gestöhnt und schließlich spasmodisch zu zittern begonnen. Durga hatte sich noch niemals zuvor so hilflos gefühlt wie jetzt, da er mit ansehen mußte, wie sein Vater um sein Leben kämpfte und um Luft rang.

Aruk der Hutt war stets sehr rüstig gewesen, rüstig und widerstandsfähig. Er brauchte vier Stunden zum Sterben, vier qualvolle, von Schmerzen erfüllte Stunden. Durga kauerte die ganze Zeit bei ihm und hoffte, daß sein Vater das Bewußtsein noch einmal wiedererlangen würde. Doch Aruk kam nicht wieder zu sich.

So war es eine Erleichterung, als das strapazierte Herz schließlich den Kampf aufgab. Aber obwohl er froh darüber war, daß sein Vater endlich von den schrecklichen Schmerzen befreit war, fühlte sich Durga wie vernichtet. Er hatte mit dem Vater auch seinen besten Freund verloren.

Er umklammerte Aruks erschlaffte Hand, betrachtete die Rinnsale grünen Sabbers, die aus dem schlaffen, toten Maul tropften, und wußte, daß dieser Tod ein Mord war.

Wer hatte das getan? Wer anders als die Desilijic konnte von Aruks Ableben profitieren?

Durga war tagelang so niedergeschlagen, daß er kaum mehr funktionierte; er aß wenig und schleppte sich durch die Tage wie ein verlorener Geist. Er ließ nicht zu, daß die Leiche seines Vaters bestattet wurde. Obwohl die Untersuchungen von Aruks Mageninhalt durch den Leibarzt keinen Hinweis auf irgendein Gift ergaben und anzeigten, daß der Hutt-Lord eines natürlichen Todes gestorben war, blieb Durga fest davon überzeugt, daß irgend etwas nicht stimmte. Er ließ Aruks mächtigen toten Körper einfrieren und beschloß, sobald die Lage sich ein wenig beruhigt haben würde, ein Team forensischer Experten von der imperialen Zentralwelt mit der Durchführung einer vollständigen Autopsie zu beauftragen.

Der Besadii-Kajidic war in Aufruhr, und es bildeten sich zwei Fraktionen: die Pro-Durga-Fraktion und die Anti-Durga-Fraktion. Durga leitete darauf Schritte in die Wege, um seine Macht zu festigen. Er nahm Kontakt mit einem berüchtigten Verbrechersyndikat auf, der ›Schwarzen Sonne‹, die von dem mächtigen Prinzen Xizor geleitet wurde, und erläuterte dem Prinzen, auf welche Weise ihre Organisationen voneinander profitieren konnten…

Während der folgenden drei Wochen starben drei einflußreiche Besadii-Lords – zwei bei Abstürzen ihrer Fähren, der dritte ertrank, als seine Flußbarkasse mit einem auf keiner Karte verzeichneten Felsen zusammenstieß und sank. Nach diesen Zwischenfällen wurden die Stimmen der Anti-Durga-Fraktion immer leiser.

Während er auf die Ankunft der forensischen Spezialisten aus Imperial City wartete, erstellte Durga eine Liste der möglichen Verdächtigen. Es würde bestimmt irgendeinen Hinweis geben, irgendwo, wer diese Untat begangen hatte – und wie.

Durga entschied sich dafür, mit den Geschäftsbüchern zu beginnen. Als Hutt verstand er viel von Geschäften und Profit. Er würde die finanzielle Lage jedes einzelnen Mitglieds des Desilijic-Clans überprüfen, sich dann der Besadii annehmen und schließlich der übrigen Clans. Er würde nach einem Muster Ausschau halten. Wenn man wußte, worauf man zu achten hatte, gab es immer ein Muster in geschäftlichen Aufzeichnungen… Und langsam, Tag für Tag ein wenig mehr, fand der junge Hutt-Lord die Kraft, ohne seinen Vater weiterzumachen.

Irgend jemand wird dafür bezahlen, schwor er sich jeden Morgen, wenn sein Blick auf Aruks holographisches Abbild an der Wand seines Gemachs fiel. Und sie werden teuer bezahlen…