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KAMPFSTATIONEN
Als Aruk der Hutt mit seinen Glubschaugen auf das Transportprotokoll blickte, das auf seinem Datenblock angezeigt wurde, neigte sich das lippenlose breite Maul an den Enden abwärts. Für gewöhnlich fand er Geschmack daran, die Fakten und Zahlen durchzusehen, die regelmäßig zum Quartals-, zum Halbjahres- und zum Jahresende herausgegebenen Abschlußberichte, die Darstellungen der ylesianischen Gewinne, die Prognosen für neue Unternehmen, die Aufzeichnungen seiner Nettoeinkünfte sowie all die anderen Rechenschaftsberichte über die ausgedehnten und verschiedenartigen geschäftlichen Operationen des Besadii-Kajidic. Doch in letzter Zeit wurde es ihm immer mehr zur lästigen Pflicht, sich darauf zu konzentrieren.
Abwesend langte Aruk erneut nach einem der Nalabaum-Frösche, die Teroenza ihm per Schiff von Ylesia geschickt hatte. Der t’landa Til hatte sein Versprechen gehalten, den Hutt-Lord nur mit den größten, schmackhaftesten und frischesten Fröschen zu versorgen.
Aruks Hand schloß sich um den Nala-Frosch. Das entsetzte kleine Geschöpf wand sich heftig unter dem Griff des Hutt-Lords. Aruk klappte das Maul auf und versenkte den zappelnden Leckerbissen darin, wälzte ihn auf der Zunge hin und her und genoß während einer langen Minute dessen rasenden Überlebenskampf, bevor er das kleine Ding endlich ganz verschlang.
Köstlich, dachte Aruk mit einem zufriedenen Seufzen. Erneut runzelte er die Stirn über dem Datenblock. Die Berichte konnten warten. Vielleicht würde er sich ein Nickerchen genehmigen, obwohl er wußte, daß er eigentlich darauf verzichten sollte. Sowohl sein Leibarzt als auch der Medidroide bestanden darauf, daß er sich mehr Bewegung verschaffte. Jeden Tag, an dem er seine Schwebesänfte nicht verließ und sich aus eigener Kraft fortbewegte, nörgelten sie an ihm herum und hielten ihm lange Vorträge.
Jedesmal wenn er ein reichhaltiges Mahl zu sich nahm oder seine Wasserpfeife rauchte, regen sie sich auf und beharrten darauf, daß er damit sein Herz-Kreislauf-System gefährde. Aruk wußte, daß sie recht hatten, daß seine Blutzirkulation zu träge war. Er sah es an der dunklen Verfärbung der grünlichen Flecken auf seiner lederartigen Haut. Aber er war alt, verdammt, und in seinem Alter sollte es ihm erlaubt sein, zu tun und zu lassen, wozu er Lust hatte – einschließlich zu rauchen und zu essen, was er wollte, und sich nicht zu bewegen. Und er sollte keine unverständlichen Wirtschaftsberichte lesen müssen.
Aruk beschloß, die Berichte an Durga zu delegieren. Es war an der Zeit, daß der junge Hutt seinem Vater einen Teil der Last abnahm.
Der alternde Hutt-Lord genoß einen weiteren Nalabaum-Frosch, dann schloß er mit einem Seufzen die vorstehenden Augen zu einem erfrischenden Nachmittagsschlummer…
»Also gut, alles hinsetzen!« brüllte Mako Spince. Seine technisch verstärkte Stimme hallte von den Wänden des großen Auditoriums des ›Chance Castle‹ wider, in dem Han zum ersten Mal Xaverri auf einer Bühne gesehen hatte. Das Hotel-Kasino hatte den Saal großzügig zur Verfügung gestellt, als Mako ein Treffen der Vertreter aller Enklaven auf Nar Shaddaa, menschlicher wie nichtmenschlicher, einberufen hatte.
»Hinsetzen, habe ich gesagt!«
Die Menge beruhigte sich allmählich. Mako wartete, bis er die volle Aufmerksamkeit aller Anwesenden hatte, dann begann er: »Okay, Leute. Ich bin kein Politiker, daher habe ich keine Ahnung, wie man eine Rede hält. Am besten schildere ich euch einfach die Tatsachen, so wie wir sie kennen. In Ordnung?«
Die Menge zeigte ihr Einverständnis mit Makos Worten durch gedämpften Beifall. Ein Gotal in der ersten Reihe kreischte: »Leg los, Mako!«
»Gut.« Mako hob die rechte Hand und benutzte die linke, um die einzelnen Punkte, während er sprach, an den Fingern abzuzählen. »Tatsache Nummer eins: Mitbürger von Nar Shaddaa… wir schweben alle in größter Gefahr. In einer Woche wird von Teth aus eine Streitmacht imperialer Schiffe in Marsch gesetzt, die uns unser geliebter Mufti Sarn Shild auf den Hals schickt. Dieser Flottenverband hat Befehl, uns auszulöschen; nicht bloß, uns eine blutige Nase zu verpassen oder eine Handvoll unserer Schiffe zu zerstören. Ich will damit sagen, daß die alles tun werden, um dafür zu sorgen, daß von Nar Shaddaa keinerlei Schmuggelaktivitäten mehr ausgehen. Niemals wieder. Dieser Planet wird nur noch eine rauchende Ruine sein.«
Ein angstvolles Murmeln lief durch die Reihen, als die versammelten Schmuggler Makos Worte zu erfassen versuchten.
»Tatsache Nummer zwei«, fuhr dieser fort. »Wir sind in dieser Sache ganz auf uns allein gestellt, Leute. Die Hutts haben einen Haufen Credits für die Installation brandneuer planetarer Abwehrschilde hingeblättert, hinter denen sie sich auf Nal Hutta verstecken können, während die imperialen Schiffe ihre gesamte Munition auf uns verschießen. Die Hutts haben angeblich außerdem eine kleine Armada von Söldnerschiffen angeheuert, die ihnen helfen soll, sich zu verteidigen. Aber ihre Strategie sieht in erster Linie vor, Nar Shaddaa den Imperialen zu überlassen – in der Hoffnung, daß sie sich damit zufriedengeben.«
Buhrufe, Zischlaute und Pfiffe unterschiedlichster Herkunft füllten den Saal und übertönten Mako. Die Schmuggler heulten ihre Wut und Empörung hinaus und stießen wüste Drohungen gegen die Hutts aus. Es dauerte fast fünf Minuten, bis Mako sich wieder Gehör verschaffen konnte.
»Ja! Ich bin auch stinksauer darüber, Freunde, aber was will man machen? Sie sind Hutts, also was erwartet ihr, Leute? Aber genau das ist der springende Punkt. Was immer wir unternehmen, geht nur uns etwas an. Die Schnecken werden uns nicht helfen.«
Murrend senkte die Menge den Geräuschpegel.
»Gut, also Tatsache Nummer drei: Wir sind nicht vollkommen hilflos, Mitbürger. Wir wissen aus sicherer Quelle, daß die imperialen Verbände über keine übergroße Feuerkraft verfügen. Keine Sternzerstörer. Das sind gute Neuigkeiten für uns. Denn es bedeutet, daß wir zurückschlagen können!«
Darauf erhob sich ein bestürztes Gemurmel, das von wild entschlossenen Rufen durchsetzt war. »Ja! Wir werden kämpfen! Wir treten ihnen in den Hintern! Wir wollen zurückschlagen! Die Imperialen schießen wie saure Trigbeeren! Vor einem Haufen Imperialer laufen wir nicht davon! Denen wird es noch leid tun, daß sie uns auf ihrer Abschußliste haben!«
Mako grinste. »He, Leute, Mitbürger, das ist exakt meine Meinung. Ich habe vor, gegen diese Flotte zu kämpfen, und wenn ich ganz allein mit meinem Schiff da draußen sein werde. Darauf könnt ihr wetten! Niemand vernichtet mich ohne Kampf! Niemand!«
Diesmal war das Geschrei der Versammelten geradezu ohrenbetäubend. »Ja! Mako! Führe uns an! Mako! Ja, wir werden kämpfen!«
Mako bat mit einer Geste um Ruhe. »In Ordnung, diejenigen, die bereit sind zu kämpfen, heben die Hand – oder die Tatze oder einen Fangarm oder was auch immer. Wer nicht kämpfen will… ich schätze, ihr nehmt eure Habseligkeiten und eure Familien und haut auf der Stelle von hier ab. Es wird in dieser Gegend schon sehr bald sehr ungemütlich werden.«
Han, der von einer Seite der Bühne aus zusah, stellte überrascht fest, daß die große Mehrheit der versammelten Wesen blieb. Lediglich ein paar Dutzend standen auf und gingen.
Mako wartete ab, bis dieser Teil fort war, ehe er wieder sprach. »Also gut, Leute. Zuerst brauchen wir jeden, der über eine gewisse Kampferfahrung verfügt, hier vorne vor der Bühne. Ich rede hier nicht davon, mal einen Freibeuter abgehängt zu haben, der zu neugierig war. Ich rede von echter Erfahrung im Kampf gegen die Imperialen. Kommt nach vorne!«
Während der folgenden Minuten bahnten sich ungefähr vierzig Individuen, die meisten von ihnen Humanoide, einen Weg zur Bühne.
»Okay, Leute«, sagte Mako. »Um einen Gegenschlag zu planen, benötigen wir hier als erstes einen militärischen Führer. Freiwillige?«
Einer der Humanoiden, ein Bothan, wies auf den älteren Schmuggler. »Du, Mako! Du wirst uns führen!« rief er.
Die Menge reagierte enthusiastisch auf den Vorschlag, und bald erhoben sich anschwellende Sprechchöre: »Ma-ko! Mako! Ma-ko! MA-KO…!«
Die Sprechchöre gingen weiter, wurden immer lauter, bis Han sich am liebsten die Hände auf die Ohren gepreßt hätte. Mako winkte, und Schweigen senkte sich über die Menge.
»Okay! Okay!« sagte er. Sein breites Grinsen entblößte blitzend weiße Zähne. »Ich fühle mich wirklich geehrt, Leute. Und ich schwöre, daß ich mein Bestes für euch alle geben will. Ich schwöre es!«
Abermals brandete donnernder Beifall auf.
»Gut. Noch eine Sache, dann entlasse ich euch für heute«, fügte Mako hinzu. »Ich möchte, daß ihr meine rechte Hand kennenlernt, Leute. Einige von euch kennen ihn bereits als Schmuggler mit einem unzuverlässigen Schiff und einem großen pelzigen Partner. Komm hierher, Han Solo!«
Han kam auf die Bühne. Er und Mako hatten bereits vermutet, daß der ältere Schmuggler ausersehen werden würde, die Truppen von Nar Shaddaa anzuführen. Die Dinge entwickelten sich so, wie die beiden es sich vorgestellt hatten.
Neue tosende Beifallsbekundungen und Sprechchöre kamen auf. »Ma-ko! Han! Mako! Han…!«
Han winkte in die Menge und spürte, daß seine Wangen zu glühen begannen. Er hatte noch nie zuvor erlebt, daß Tausende von Lebewesen ihm allein zujubelten. In der Zeit als Xaverris Assistent hatte er das Rampenlicht teilen müssen, und das war nicht dasselbe gewesen wie dies hier. Zu hören, wie ihm all diese Wesen applaudierten, war eine verrückte – und wohltuende – Erfahrung.
»Also, Leute«, ergriff Mako wieder das Wort und bat winkend um Ruhe. »Ich werde jetzt meine Schlachtveteranen da unten bitten…« Er deutete auf die kleine Gruppe vor der Bühne. »…mit uns in Kontakt zu bleiben und sich jeden Morgen hier im ›Chance Castle‹ zu melden. Bekanntmachungen über Versammlungen oder Übungen schlagen wir draußen vor dem Auditorium an, einverstanden? Wie wäre es jetzt mit einem Applaus für unsere tapferen Freiwilligen?«
Jubelrufe hallten von den Wänden wider. Es war nicht zu übersehen, daß die versammelten Wesen sich jetzt, da sie wußten, daß sie etwas unternehmen würden, anstatt einfach nur zahm dazusitzen und auf ihre Vernichtung zu warten, um einiges besser fühlten.
Nachdem der Großteil der Versammlung den Saal verlassen hatte, wandte sich Mako an die Veteranen. »Okay, Han und ich werden bis spätestens übermorgen einen Verteidigungsplan ausarbeiten, dann werden wir euch davon unterrichten und mit den Kampfübungen beginnen. Wenn die Imperialen kommen, wird jeder von euch genau wissen, was er zu tun hat. Das ist ein Versprechen. Wenn ihr noch irgendwelche anderen Leute mit Kampferfahrung kennt, dann bringt sie zur nächsten Einsatzbesprechung mit. Alles klar?«
Die Veteranen taten kund, daß sie alles verstanden hatten.
»Gut«, sagte Mako. »Sorgt in den nächsten Tagen für optimale Kampfbereitschaft eurer Schiffe. Die Schilde müssen voll aufgeladen sein, die Bewaffnung sollte verstärkt und die Laser müssen scharfgemacht werden… ihr wißt ja, was alles anliegt. Wir sind darauf angewiesen, daß unsere sämtlichen Schiffe volle Leistung bringen. Also, an die Arbeit, okay?«
»Alles klar!« riefen die Freiwilligen.
Nachdem Mako die Veteranen entlassen hatte, begaben er und Han sich in einen der Versammlungsräume im hinteren Teil des Kasinos, wo sich ihnen der Rest des ›Oberkommandos‹ der Schmuggler anschloß, wie Mako und Han ihre Gruppe scherzhaft getauft hatten. Chewbacca, Roa, Shung Nix, Salla Zend, Lando Calrissian, Rik Duel und Sinewy Ana Blue bildeten Makos Elitegruppe erfahrener Schmuggler.
Mako und Han hatten nicht vor, irgend jemandem außerhalb des ›Oberkommandos‹ zu verraten, daß sie im Besitz des imperialen Angriffsplans waren. Sie dachten, das Wissen darum würde die übrigen Schmuggler dazu verleiten, übermütig zu werden, was ihre Seite unweigerlich in ein Desaster führen würde. Außerdem würde so mancher Schmuggler für eine genügend große Summe Credits sogar seine Großmutter verkaufen, und sie konnten sich unmöglich ein Sicherheitsleck leisten.
Nachdem Han neben ihm Platz genommen hatte, rief Mako auf seinem Datenblock eine holographische schematische Darstellung auf, die er über der Tischplatte projizierte. Alle Anwesenden beugten sich vor und studierten den Plan.
»Seht hier.« Mako benutzte einen Laserpointer, um auf die kleinen holographischen Abbildungen der fraglichen Raumschiffe zu deuten. »Die großen imperialen Schlachtschiffe werden an diesem Punkt aus dem Hyperraum kommen und sich Nar Shaddaa nähern. Sechzehn reguläre Kampfschiffe, Patrouillenschiffe der Guardian-Klasse im Zolldienst, werden den Hyperraum in einer Sichelformation verlassen, um anschließend einen Ring um Nar Shaddaa zu bilden. Außerdem zwei reguläre Aufklärungsschiffe – das werden die leichten Kreuzer der Carrack-Klasse sein, je eines auf jeder Flanke… hier und hier. Hat das jeder verstanden?«
»Verstanden«, sagte Rik Duel.
»Dann, in einer Keilformation, die drei Dreadnaughts sowie die vier großen Kreuzer… die schweren Brocken. Denkt daran, daß die Dreadnaughts je zwölf TIE-Jäger an Bord haben und daß die leichten Kreuzer der Carrack-Klasse vier Aufklärungs-TIEs mitführen. Das sind mindestens vierundvierzig TIEs, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.«
Die Mitglieder von Makos sogenanntem Oberkommando warfen einander besorgte Blicke zu. »Der Smuggler’s Run wird immer verlockender«, warf Sinewy Ana Blue ein. »Die Imperialen wären bestimmt nicht verrückt genug, ihre Flotte in ein Asteroidenfeld zu schicken.«
Han beeilte sich, die anderen zu ermutigen. »He, mit diesen TIEs werden wir schon fertig«, stellte er nachdrücklich fest. »Vergeßt nicht, die haben keine Schilde. Klar, das sind schnelle kleine Miststücke, aber da genügt eine Salve aus einem Vierling oder ein Turbolaserstrahl und…« Er schlug beide Hände zusammen. »…Rums!«
Mako nickte. »Han hat TIE-Jäger unter Gefechtsbedingungen geflogen, und ich habe, als ich auf der Akademie war, an ihnen Piloten ausgebildet. Der einzige Grund, warum wir noch hier bei euch sein können, ist, daß wir beide damit aufgehört haben. TIE-Jäger-Piloten sind sehr, sehr gut… aber das bewahrt die meisten von ihnen nicht davor, am Ende sehr, sehr tot zu sein.«
»Also gut«, ergriff Lando das Wort, »jetzt kennen wir die Zusammensetzung der imperialen Streitmacht und wissen, auf welche Weise sie uns angreifen wird. Aber wie schlagen wir ihren Angriff zurück, mit Frachtern und einer Handvoll Einmannschiffen wie dem, das Roa gerade konstruiert?«
Die Aufmerksamkeit aller wandte sich dem alten Schmuggler zu.
»Ich habe die Arbeiten daran fast abgeschlossen«, berichtete Roa. »Das wird ein hübsches kleines, leicht zu fliegendes Schiffchen!«
»Wie soll die Kleine denn heißen?« erkundigte sich Blue mit einem verschmitzten Grinsen.
Roa erwiderte ihr Grinsen. »›Lwyll‹ natürlich«, gab er zurück.
Roa und seine Herzensdame Lwyll hatten auf Nar Shaddaa über zehn Jahre lang immer mal wieder für Gesprächsstoff gesorgt. Jeder kannte Lwyll. Die hübsche Blondine zählte zu den wenigen Bewohnern des Schmugglermondes, die ein vollkommen rechtschaffenes Leben führten und ehrliche Credits mit ehrlicher Arbeit verdienten. Roa hatte ihr jahrelang nachgestellt, um sie dazu zu bewegen, ihm zu folgen und mit ihm zu leben, doch Lwyll willigte niemals ein. Sie traf sich mit ihm, aber sie traf sich auch mit anderen Männern, was Roa jedesmal zutiefst verletzte.
Trotzdem hatte er es nie geschafft, den entscheidenden Schritt zu wagen und um ihre Hand anzuhalten. Han und die anderen Schmuggler zogen Roa mit seiner Unentschlossenheit auf. Seine sämtlichen Freunde wußten, daß Lwyll das beste war, was Roa jemals widerfahren würde.
»Du willst mit der ›Lwyll‹ gegen die TIEs vorgehen?« fragte Mako. »Was wird bloß die echte Lwyll dazu sagen?«
Roa seufzte. Dann schenkte er seinen Kameraden ein reumütiges Lächeln. »Glaubt mir, sie hätte dazu eine Menge zu sagen. Ihr Jungs werdet es mir nicht glauben, aber gestern abend habe ich mich aufgerafft und sie gefragt, ob sie mich heiraten will.«
Ein allgemeines überraschtes Gemurmel lief rings um den Tisch. »Spann uns nicht so auf die Folter«, rief Blue. »Was hat sie gesagt?«
»Sie hat nein gesagt«, erwiderte Roa. Die breiten, offenen Züge des alten Schmugglers erschlafften. »Sie hat gesagt, daß sie nicht als Witwe enden will.«
»Kann ich ihr nicht verübeln«, bemerkte Lando. Keiner der im Raum versammelten Schmuggler war verheiratet, und das war kein Zufall. Wer wie sie ständig auf der Kippe lebte, hatte keine Chance, ein auch nur annähernd normales Familienleben zu führen.
Chewbacca drehte sich zu Han um und sprach mit großem Ernst. Der Corellianer übersetzte jenen, die kein Wookiee verstanden. »Roa, Chewie meint, wenn du ein Wookiee wärst, wäre es Zeit für dich, seßhaft zu werden. Er denkt, daß Lwyll zu gut ist, um sie zu verlieren. Er mag sie.«
Roa grinste. »Er hat recht. Sie ist zu gut, um sie zu verlieren. Deshalb wird diese Schlacht mein letzter Auftritt als Schmuggler sein, Leute. Wenn ich heil da rauskomme, werde ich dieses Leben aufgeben und ehrbar werden.«
Alle am Tisch waren erstaunt, das von dem alten Schmuggler zu hören, da sie wußten, wie sehr Roa sein selbstgewähltes Leben liebte. »Ja, das werde ich tun«, sagte Roa fest. »Und Lwyll sagt, daß sie, wenn ich es tue, meine Frau sein will.«
»Tja… gratuliere«, warf Lando ein. »Das sind großartige Neuigkeiten. Du bekommst eine wunderbare Frau, Roa.«
Alle Schmuggler stimmten in die sentimentale Anteilnahme des Spielers ein.
»Ich weiß«, nickte Roa. »Also muß ich bloß noch diese Schlacht überstehen…«
»Da wir gerade davon sprechen, sollten wir zum Thema zurückkehren«, sagte Mako jetzt, »und uns überlegen, wie wir die Imperialen besiegen können.«
»Wir haben einen großen Vorteil«, stellte Roa fest. »Das Überraschungsmoment.«
Mako blickte ihn an. »Sie fallen über uns her. Wie sollen wir sie da überraschen?«
Roa lächelte leutselig und wies auf die Decke über ihnen. »Denkt nach, Freunde, denkt nach. Was ist da oben?«
»Ein ziemlich reparaturbedürftiger Schutzschild«, antwortete Mako düster.
»Dahinter«, sagte Roa.
»Verkehrsbojen«, entgegnete Han.
»Noch weiter«, fuhr Roa fort.
Han dachte einen Moment nach, dann schlich sich langsam ein Lächeln auf sein Gesicht. Salla lachte. »Ich hab’s. Weltraumschrott. Dutzende… Hunderte… von abgewrackten Raumschiffen und Teile von Raumschiffen.«
Roa nickte der hochgewachsenen Schmugglerin zu. »Genau. Dieser Ring um Nar Shaddaa besteht aus einer derartigen Menge Weltraumschrott, daß sich darin Schiffe verstecken können, oder darunter oder in den Schatten der Wracks, um anschließend daraus hervorzuschießen und die Imperialen zu überrumpeln.«
Chewie gab ein lautes beifälliges Knurren von sich.
Nun war es an Mako, begeistert zu nicken. »Ich glaube, dir ist etwas eingefallen, Roa«, sagte er, »das auch funktionieren könnte. Vor allem dann, wenn wir ein paar Schiffe dafür abstellen, in vermeintlicher Panik die Flucht zu ergreifen – Frachtschiffe, die von den Imperialen für zivile Raumer gehalten werden –, und die Imperialen dazu kriegen, die Verfolgung aufzunehmen, bis wir sie da haben, wo wir sie haben wollen. Und dann…« Er stieß die Faust in die Luft. »…kommen wir aus unserer Deckung und braten ihnen eins über.«
Der ältere Schmuggler gab die von Roa geschilderten Operationsparameter fieberhaft in seinen Datenblock ein. Das ›Oberkommando‹ sah zu, wie der Trümmerring um Nar Shaddaa flackernd sichtbar wurde. Als die imperialen Kampfschiffe herankamen und die Verfolgung zweier kleiner Frachter aufnahmen, die sich über der (wenn man den Blick Nal Hutta zuwandte) rechten Hemisphäre von Nar Shaddaa aufeinander zubewegten, kam mit einem Mal eine Vielzahl von unterschiedlichen Frachtern und anderen Raumschiffen aus ihren Verstecken in dem Trümmerring gesaust und schoß sich mit flammenden Lasern auf die Imperialen ein.
»Okay, das sollte uns in die Lage versetzen, uns um einen Großteil dieser Kampfschiffe zu kümmern«, meinte Han. »Aber was machen wir mit den Aufklärungsschiffen und dem Keil aus Schlachtschiffen… den Dreadnaughts und den großen Kreuzern?«
Düsteres Schweigen senkte sich über die Gruppe.
Schließlich ergriff Mako das Wort. »Soviel ich weiß, heuern die Hutts eine Söldnerstreitmacht an – wahrscheinlich Piraten –, die Nal Hutta verteidigen soll. Nar Shaddaa ist den Schnecken vollkommen schnuppe, wenn es um ihre eigne kostbare Haut gehen könnte. Aber wenn der Captain dieser Söldner einigermaßen was drauf hat, wird er einsehen, daß wir seine Feuerkraft entscheidend verstärken können. Vielleicht können wir ihn – wer er auch sein mag – dazu bewegen, sich an unserer Schlacht zu beteiligen. Das wäre immerhin einen Versuch wert.«
Lando starrte mißmutig auf die sich langsam bewegende holographische Darstellung der großen Kreuzer und der Dreadnaughts, die sich Nar Shaddaa näherten. »Diese Piraten verfügen doch für gewöhnlich über große Feuerkraft, richtig?«
Mako nickte. »Richtig. Sie fliegen vermutlich gekaperte imperiale Schiffe, die sie umgebaut haben. Kann sein, daß sie auch schwere Waffen wie Protonentorpedos besitzen. Aber ihre Munition ist sicher begrenzt. Es ist nicht so leicht, einfach irgendwo Protonentorpedos zu kaufen, um damit in Freibeuter umgewandelte imperiale Raumschiffe auszurüsten. Die Imperialen haben bestimmt was dagegen, wenn man ihre eigenen Schiffe gegen sie einsetzt.« Er brachte die letzten Worte so knochentrocken hervor, daß ein leises Lachen durch die Runde lief.
Han musterte den aus Schlachtschiffen bestehenden Keil. »Die Hauptgeschütze all dieser Schiffe sind nach vorne gerichtet«, stellte er fest. »Zu bedauerlich, daß wir sie nicht von der Seite angreifen können. Aber wir haben einfach nicht die geeigneten Raumer, wenn der Hauptteil unserer Flotte noch immer die kleineren Kampfschiffe und TIEs bindet.«
»Möglicherweise gelingt es uns ja, die Söldner davon zu überzeugen, uns in diesem Punkt zu unterstützen«, sagte Mako nachdenklich. »Wenn sie den Imperialen in die Flanke fallen, haben sie eine gute Chance, eines der großen Schiffe außer Gefecht zu setzen, ein Schiff zudem, auf dem sie nach der Schlacht das Kommando übernehmen könnten. Das würde ihnen bestimmt gefallen!«
»Ja… vorausgesetzt, wir inszenieren irgendeine Ablenkung, damit die Piraten die Imperialen von der Seite angreifen können«, sagte Han.
Rik Duel strich sich den kurzen eleganten Bart, während er überlegte. »Was wir brauchen, ist noch ein Geschwader, das sie frontal angreift«, stellte er dann fest.
»Aber wir haben nicht genug Raumschiffe, um unsere Kräfte derart aufzuteilen«, wandte Roa ein. »Wenn wir das tun, verlieren wir wahrscheinlich alles.«
»Und wenn nicht, verlieren wir höchstwahrscheinlich Nar Shaddaa«, stellte Lando fest. »Ich bin zwar kein ehemaliger imperialer Offizier wie Han hier, aber mir scheint, daß wir alles in unserer Macht Stehende unternehmen müssen, um zu verhindern, daß die großen Schiffe sich auf den Schutzschirm um unseren Mond konzentrieren und ihn einfach wegblasen. Der Schirm ist alt und hält nicht viele Salven aus, ehe er zusammenbricht. Und danach machen die hier alles dem Erdboden gleich.«
»Lando hat recht«, meldete sich Shug Ninx zu Wort. »Wir brauchen dringend irgendwas, um die großen Schiffe beschäftigt zu halten, damit die Söldner – oder wer auch immer – sich die Flanke vornehmen können. Vielleicht können wir… ich weiß auch nicht… irgendwie ihre Aufmerksamkeit ablenken.«
»Na ja, eine Formation Raumschiffe, die sie von vorne angreift, würde bestimmt ihre Aufmerksamkeit erregen«, meinte Salla. »Die Frage ist bloß, wo kriegen wir die her? Wir werden hier schon alle Hände voll zu tun haben…« Sie streckte den Arm deutend mitten in die holographische Darstellung hinein. »…uns gegen diese Kampfschiffe und die TIEs zur Wehr zu setzen.«
Han hatte die holographische Projektion lange angestarrt und dabei überlegt, wie echt, bis hin zu den TIE-Jägern, die winzige Flotte anmutete. Schade, dachte er nun, daß wir den Imperialen keine Hologramme vorspiegeln können, um sie glauben zu machen, daß sie unter Beschuß stehen…
Plötzlich fügte sich die Idee in seinem Gehirn zu einem Ganzen. »Das ist es!« rief er. »Das könnte klappen!«
Die Gespräche rings um den Tisch brachen ab, und alle sahen den Corellianer erwartungsvoll an. Han grinste seinen Kameraden aufgekratzt zu. »He, ich denke, ich kenne da jemanden, der uns eine Flotte für den Frontalangriff zur Verfügung stellen kann. Die können wir dann lange genug als Ablenkung einsetzen, um die schweren Kreuzer loszuwerden!«
Chewbacca war Hans Gedanken offensichtlich gefolgt. Der Wookiee schlug hart mit der Faust auf den Tisch und brüllte sein Einverständnis heraus.
Der Rest der Gruppe starrte Han verständnislos an und tappte anscheinend völlig im dunkeln. »Häh?« machte Lando. »Wer? Was?«
Han schenkte seinem Freund keine Beachtung. Er sprang auf und wedelte hektisch mit den Händen vor Mako herum. »Ich muß dringend mit jemandem reden. Besitzt der Manager hier eine Kom-Einheit?«
Der Manager des ›Chance Castle‹ war überglücklich, Han seine Einheit zur Verfügung stellen zu können. Die großen Kasinos waren sich alle darüber im klaren, daß ein imperialer Großangriff sich sehr schlecht auf die Geschäfte auswirken würde…