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BETRÜGERISCHE SPIELE

 

 

Nachdem Han Jabba im Anschluß an das große Treffen der Hutts (Jiliac hatte beschlossen, bis zu ihrer Niederkunft auf Nal Hutta zu bleiben) zurück nach Nar Shaddaa geflogen hatte, suchte er unverzüglich Lando Calrissian auf.

Wahrend des Abstechers nach Nal Hutta hatte Chewbacca die Ausbildung des jungen Spielers zum Piloten fortgesetzt, und Han fühlte sich durch die Fortschritte seines neuen Freundes ermutigt. »Du kommst gut voran, alter Knabe«, sagte er, als Lando, dem die Konzentration förmlich die Luft abschnürte, eine perfekte Landung hinlegte. Das Schiff setzte ohne das geringste Schlingern auf dem für die ›Millennium Falcon‹ vorgesehenen Landeplatz auf. »Noch eine Woche, und du kannst allein fliegen.«

Lando blickte Han von unten herauf an. Seine Augen nahmen einen betont ernsten Ausdruck an. »Ich glaube, ich bin schon jetzt soweit, Han. Ich muß jetzt soweit sein. Ich reise morgen ab. Ich habe gehört, daß es draußen im Oseon-System ein paar gute Glücksspiel- und Vergnügungswelten gibt, und ich habe vor, mich selbst davon zu überzeugen. Oder ich versuche es mal mit dem Korporations-Sektor.«

»Lando, das ist weit außerhalb des imperialen Raums!« rief Han aus. »Du bist noch nicht darauf vorbereitet, dieses Schiff so weit raus zu steuern! Vor allem nicht allein!«

»Willst du mich begleiten?« bot Lando an.

Han dachte darüber nach und fühlte sich einen Augenblick lang in Versuchung geführt. Aber er hatte Xaverri bereits sein Wort gegeben, und… Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht, Lando. Ich habe mich Xaverri gegenüber verpflichtet, während ihrer nächsten Tournee für sie zu arbeiten, und sie zählt auf mich.«

»Und schließlich sieht sie auch viel besser aus als ich«, fügte Lando trocken hinzu.

Han grinste. »Na ja… das ist nicht zu leugnen.« Er wurde wieder ernst. »Warte bloß noch ein paar Tage, Lando. Vertraue mir, Kumpel, du bist noch nicht darauf vorbereitet, so weit zu reisen, vor allem nicht ohne Kopilot.« Bei sich dachte er: Ich verliere die ›Falcon‹… Was, wenn ich das Schiff nie wiedersehe?

»Chewbacca hat mich gut unterrichtet«, beharrte der Spieler. »Er mußte während der letzten paar Starts kaum noch eingreifen. Ich habe uns allein rausgebracht.«

»Aber…«, setzte Han an.

»Kein Aber«, warf Lando ein. »Ich lebe hier auf Nar Shaddaa von geborgter Zeit, Han – und du auch! Boba Fett ist nicht der Typ, der vergessen und vergeben kann. Ich werde mich mindestens sechs Monate rar machen. Wann fliegt Xaverri denn ab?«

»Nächste Woche«, erwiderte Han. »Ihr Engagement hier wurde um eine Woche verlängert. Die Nachfrage war groß.«

»Hast du Jabba gesagt, daß du fortgehst?«

»Ja, hab’ ich. Er war nicht sehr glücklich darüber.«

Chewie meldete sich mit einem Einwurf zu Wort.

»He, Jabba ist schon griesgrämig auf die Welt gekommen«, verteidigte sich Han. »Er ist einer der anstrengendsten Hutts, die ich kenne, und das heißt schon was.«

»Hast du ihm auch verraten, warum du weggehst?«

»Ja, auch das. Das war das einzige, was ihn beruhigt hat. Ich schätze, selbst Jabba würde ein wenig nervös, wenn er wüßte, daß er auf Boba Fetts Abschußliste steht.«

»Also… wenn ich du wäre, würde ich so schnell wie möglich von hier verschwinden«, sagte Lando. »Und solange du Nar Shaddaa noch nicht verlassen hast, solltest du aufpassen, wer hinter dir geht.«

Nichts, was Han vorbrachte, vermochte Landos Entschluß zu ändern. Als er am nächsten Morgen auf der Landeplattform stand und zusah, wie die ›Millennium Falcon‹ abhob, wurde ihm das Herz schwer. Der Frachter schlingerte leicht, als er steil in den Himmel stieg.

Han schüttelte den Kopf. »Benutze deine Stabilisatoren!« sagte er laut. Er ist noch nicht soweit, dachte er deprimiert. Ich werde die ›Falcon‹ – und Lando – wahrscheinlich niemals wiedersehen.

 

Bria Tharen saß hinter ihrem Schreibtisch in der größten Militärbasis auf Corellia und betrachtete den Bildschirm ihres Datenblocks, während sie die Listen des für alle im corellianischen System stationierten Truppen anzufordernden Proviants aktualisierte. Ihr rotgoldenes Haar, das sie während der vergangenen fünf Jahre zu einer langen lockigen Mähne hatte wachsen lassen, war in einem schicken, geschäftsmäßigen Stil hochgesteckt; dazu trug sie die adrette Uniform der zivilen Hilfskräfte: schwarzer Blazer und Rock, schwarze Stiefel. Das einheitliche Schwarz hob ihre blasse Haut und ihre feine Knochenstruktur hervor.

Ihre blaugrünen Augen wurden schmal, als sie die Daten auf dem Bildschirm studierte. Das Imperium baute eindeutig seine Macht in diesem Sektor aus. Bedeutete das, daß die imperialen Kommandeure im corellianischen System irgendeine Rebellion erwarteten?

Sie ertappte sich dabei, daß sie darüber nachdachte, wie lange sie und ihre Gruppe die Imperialen wohl abwehren könnten, wenn diese in voller Stärke angriffen. Zwei Tage? Eine Woche?

Am Ende würden sie alle niedergemetzelt werden, das war ihr klar. Ihre kleine Rebellengruppierung wuchs mit jedem Monat, während die Bevölkerung ihrer Welt immer aufsässiger darauf reagierte, daß Palpatine sie unerbittlich unterdrückte. Dennoch waren sie weit davon entfernt, es bereits mit den imperialen Streitkräften aufnehmen zu können.

Dabei hatten sie während der vergangenen drei Jahre, nach einem sehr bescheidenen Anfang, gute Fortschritte gemacht. Ihre Bewegung hatte mit kaum einer Handvoll unzufriedener Dissidenten, die zu heimlichen Treffen in irgendwelchen Kellern zusammengekommen waren, ihren Anfang genommen, war dann sprunghaft angewachsen und unterhielt gegenwärtig Zellen in den meisten großen Städten des Planeten. Bria hatte keine Ahnung, wie viele Rebellen es auf Corellia gab, aber es mußten bereits einige Tausend sein.

Der Grund, warum sie über die Anzahl der Rebellen auf Corellia nicht Bescheid wußte, bestand darin, daß es nicht notwendig für sie war, etwas darüber zu wissen. Obwohl sie in der Rebellenhierarchie ziemlich weit oben stand, war sie mit Fragen der Mitglieder und ihrer Rekrutierung nicht befaßt. Es gab nur spärliche Informationen über die Rebellengruppen auf ihrer Welt. Lediglich ein oder zwei Commander kannten das ganze Bild. Einzelne Mitglieder wurden nur auf strikter Bedarfsbasis über Details in Kenntnis gesetzt. Je weniger sie wußten, desto weniger konnte man ihnen unter der Folter entreißen.

Bria war gegenwärtig für geheimdienstliche Aufgaben eingeteilt. Sie liebte die Spionage nicht gerade, beherrschte sie jedoch sehr gut. Sie gab ihrem alten Job den Vorzug, der darin bestanden hatte, Kontakt mit Rebellengruppen auf anderen Planeten aufzunehmen. Es lag für sie klar auf der Hand, daß die Rebellen sich vereinigen mußten, wenn sie wirklich etwas gegen das Imperium ausrichten wollten. Doch bisher hatten sie gerade erst damit begonnen, Kontakt zu anderen Gruppierungen zu suchen. Die Kommunikationswege wurden überwacht, die Reisefreiheit war eingeschränkt, daher war es sehr schwer, die Verbindungen zwischen den Gruppen auf verschiedenen Planeten aufrechtzuerhalten. So rasch, wie sich ihre Gruppe Codes ausdachte, knackte das Imperium diese auch.

Erst letzten Monat war eine Rebellenzelle auf dem östlichen Kontinent während einer Zusammenkunft überfallen worden. Sie waren einfach komplett vom Erdboden verschwunden, so als hätte ein Kraytdrache sein Maul geöffnet und sie samt und sonders verschlungen. Bria dachte, daß sie lieber von einem derartigen Ungeheuer verschluckt als von den Sicherheitskräften des Imperators gefangengenommen würde…

Ihre Freundin Lanah war unter denen gewesen, die man erwischt hatte. Bria wußte, daß sie sie niemals wiedersehen würde.

Bria sorgte sich, daß ihre ganze Heimatwelt zu einem Polizeistaat verkommen könnte. Corellia war immer eine unabhängige Welt gewesen, eine stolze Welt, die sich selbst regiert hatte. Bis jetzt hatte der Imperator zwar noch keinen imperialen Gouverneur eingesetzt, der sich alle Macht auf Corellia anmaßte, aber das hieß noch lange nicht, daß er dies nicht eines Tages nachholen würde. Das Imperium gestattete weder Stolz noch Unabhängigkeit auf den Welten, die es beanspruchte.

Einer der Gründe, warum Palpatine die Regierung von Corellia noch nicht ganz übernommen hatte, war, daß Corellia eine zahlenmäßig so große menschliche Bevölkerung hatte. Das Imperium machte keinen Hehl aus der Tatsache, daß es nichtmenschliche Rassen für minderwertig und unfähig erachtete, sich selbst zu verwalten.

Zwei nichtmenschliche Spezies teilten sich die Welten des corellianischen Systems mit deren menschlichen Bewohnern: die Selonianer und die Drall. Wenn Corellia ausschließlich von diesen nichtmenschlichen Wesen bevölkert gewesen wäre, so hätte dieser Planet vermutlich ein weitaus einladenderes Ziel für den Imperator abgegeben – möglicherweise wäre er sogar zu einer Sklavenwelt erklärt worden. Man mußte sich nur einmal ansehen, was auf Kashyyyk geschehen war. Die stolzen Wookiees waren gefangen und in Fesseln und Ketten verschleppt worden…

Brias Finger krümmten sich um die Kante ihres Schreibtischs. Sie haßte das Imperium, aber mehr noch als das Imperium haßte sie die Sklaverei. Da sie auf Ylesia selbst eine Sklavin gewesen war (obwohl sie sich zu dieser Zeit eine ›Pilgerin‹ genannt hatte), war sie fest entschlossen, alles zu unternehmen, was in ihrer Macht stand, um das Imperium zu zerstören, das die Sklaverei zuließ und Lebewesen benutzte und entmündigte. Und wenn diese Aufgabe vollbracht wäre, würde sie den Rest ihres Lebens darauf verwenden, jeden einzelnen Sklaven in der Galaxis zu befreien.

Die Winkel ihres reizenden Mundes zogen sich nach unten, als sie an den Überfall auf Ylesia dachte, den sie vor sechs Monaten angeführt hatte. Es war ihr gemeinsam mit ihren Rebellenfreunden gelungen, siebenundneunzig Sklaven, die meisten von ihnen Corellianer, zu befreien und zu ihren Heimatwelten und Familien zurückzubringen. Doch im Lauf der darauffolgenden Monate waren dreiundfünfzig dieser befreiten Sklaven davongelaufen, an Bord von Raumschiffen gegangen und nach Ylesia zurückgekehrt.

Bria konnte sie in gewisser Weise verstehen. Es war schwer, ohne die Erhöhung zu leben. Sie hatte Jahre gebraucht, um das Verlangen nach der wohltuenden Woge der Hochstimmung zu überwinden, die von den t’landa Til-Priestern ausgelöst werden konnte. Aber vierundvierzig der befreiten Sklaven sind noch immer frei, rief sich Bria grimmig ins Gedächtnis. Und erst gestern hat Rion mir erzählt, daß eine der Frauen ihm eine Nachricht geschickt hat, in der sie ihm dafür dankte, daß er sie zu ihrem Mann und den Kindern zurückgebracht hat.

Rion war jetzt, da Bria ihre neue Stellung im imperialen Hauptquartier angenommen hatte, ihr wichtigster Verbindungsmann zum Rebellenkommando. Es war Rion, dem sie über jede noch so unbedeutende Information Bericht erstattete, die sie in Erfahrung bringen konnte. Er nahm die Informationen, die Bria sammeln oder auswerten konnte, entgegen und leitete sie anschließend an die Führer der corellianischen Rebellen im Untergrund weiter.

Bria hoffte, schon bald mehr als nur bürokratische Listen, auf denen Nachschub angefordert wurde, an ihre Gruppe weitergeben zu können. Seit sie diesen Job im vergangenen Monat angenommen hatte, achtete sie in der Hoffnung, mit ihrem Aussehen die Aufmerksamkeit irgendeines hochrangigen imperialen Offiziers zu erregen, sorgsam darauf, die vorteilhaftesten Frisuren und das schmeichelhafteste Make-up zu tragen.

Und ihre Bemühungen waren sogar belohnt worden. Erst gestern war Admiral Trefaren vor ihrem Schreibtisch stehengeblieben und hatte sie gefragt, ob sie ihn zu einem Empfang begleiten wolle, der von der corellianischen Regierung für hochrangige imperiale Offiziere gegeben wurde. Es wurde erwartet, daß auch mehrere Sektoren-Muftis daran teilnehmen würden. Der Admiral versicherte ihr, daß es sich um einen großen Galaabend handelte.

Bria war betörend errötet, hatte verschämt die Augenlider niedergeschlagen und ein unsicheres, mädchenhaftes »Ja« gehaucht. Der Admiral strahlte sie daraufhin an, wobei die tiefen Furchen, die sich entlang seiner teigigen Wangen nach unten zogen, sogar noch mehr wie tiefe Canyons in einer Wüste wirkten als sonst. Dann teilte er ihr mit, daß er sie mit seinem von einem Chauffeur gesteuerten Gleiter abholen würde. Er streckte eine Hand aus, berührte ihre Locken und wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger. »Und, meine Liebe«, – fügte er hinzu, »ziehen Sie etwas an, das Ihre Schönheit unterstreicht. Ich möchte, daß die anderen Offiziere eifersüchtig werden auf den goldenen Schatz, den ich gehoben habe.«

Bria mußte ihre Sprachlosigkeit, die den Admiral nur noch mehr bezauberte, nicht vortäuschen, da sie zum Sprechen viel zu wütend war. Dieser alte Lüstling! dachte sie angewidert und beschloß, auf keinen Fall das schmale, kleine Vibromesser zu vergessen, das sie sich um den Oberschenkel schnallen wollte… nur für alle Fälle.

Doch meistens waren Männer seines Alters eher darauf aus zu reden, anstatt frech zu werden. Was sie, wie der Admiral offen eingeräumt hatte, am meisten begehrten, war die Bewunderung anderer Männer – und die jeder anderen attraktiven jungen Frau, die sie mit ihrer Macht und ihrem Reichtum umgarnen konnten.

Admiral Trefaren könnte unser Schlüssel zum Wissen über die neuen imperialen Waffensysteme und Schiffe sein, über die wir Gerüchte gehört haben, dachte Bria.

Wenn der Abend des Empfangs kam, würde sie ein reizvolles, elegantes Kleid anziehen (sie war als Tochter eines reichen Mannes aufgewachsen und wußte daher, wie man sich möglichst effektvoll kleidete), ihr Haar frisieren, geschmackvolles Make-up auflegen und den Abend damit zubringen, Admiral Trefaren freundlich anzulächeln. Sie würde mit ihm tanzen, ihm bewundernde Blicke zuwerfen und auf jede noch so kleine Information lauschen.

Und für den Fall, daß sie Hilfe bei der Zurückweisung seiner Annäherungsversuche benötigte, hatte sich Bria einen winzigen Tropfen einer Substanz verschafft, die sie unter einem manikürten Fingernagel tragen wollte. Sie mußte am Ende des Abends lediglich die Fingerspitze in den Drink ihrer Wahl tauchen, und der alte Vrelt würde prompt so angenehm müde, schläfrig und betrunken werden, daß sie keinerlei Schwierigkeiten mehr haben würde, mit ihm zurechtzukommen.

Bria verstand sich außerordentlich gut auf den Gebrauch des Vibromessers, aber sie hatte nicht vor, es zu benutzen. Vibromesser waren etwas für Amateure. Sie indes war eine Expertin und brauchte so etwas nicht.

Einen Moment lang vermißte sie ihre Kampfausrüstung, das Gewicht des Blasters an ihrem Oberschenkel. Es wäre ihr viel lieber gewesen, einen neuen bewaffneten Angriff gegen die ylesianischen Hutts oder gegen die imperialen Sklavenhalter anzuführen (die sogar noch schlimmer waren als die Hutts), als den ganzen Abend mit Admiral Trefaren und seinen imperialen Spießgesellen Tabaga und Vrelt zu spielen.

Sie hatte Rion bei der Übernahme dieses Auftrags ihren Blaster übergeben müssen. Es war nicht auszuschließen, daß Admiral Trefaren ihr Apartment durchsuchen ließ. Das gehörte zur routinemäßigen Überprüfung ihres Backgrounds, die er seinen Handlangern befehlen würde, um sich zu vergewissern, daß es ›sicher‹ für ihn war, mit ihr gesehen zu werden. Das Vibromesser trug Bria immer bei sich, so daß sie keine Angst haben mußte, daß es bei der Durchsuchung entdeckt werden könnte.

Und schließlich wußte sie, daß ihre ID die meisten Sicherheitschecks mühelos überstehen würde. Vor sechs Jahren hatte sie von einem Experten alles über die Annahme einer neuen Identität gelernt. Han Solo hatte ihr weit mehr beigebracht als nur, wie man wirkungsvoll einen Blaster abfeuerte.

Ihre Lippen kräuselten sich zu einem sanften Lächeln, als sie sich einem Augenblick der nostalgischen Erinnerung an jene Tage hingab. Sie und Han waren gemeinsam auf der Flucht gewesen, hatten ein Leben hart am Limit geführt, ohne je zu wissen, was als nächstes geschehen würde. Ihr wurde jetzt klar, daß dies die glücklichsten Tage ihres Leben gewesen waren, die jeden Augenblick der Anspannung, jede Aufwallung von Furcht, jede irrsinnige Verfolgungsjagd, jede überstürzte Flucht und jeden Blasterschuß, dem sie ausweichen mußte, wert waren, sofern sie nur an seiner Seite sein und die Freiheit genießen konnte, ihn zu lieben.

Und sie liebte ihn noch immer. Als sie ihn vor einem Jahr auf Devaron gesehen hatte, waren die lebendigen Bilder der Vergangenheit zu ihr zurückgekehrt. Nach Jahren der Verleugnung hatte Bria sich die Wahrheit eingestehen müssen: Han Solo war der Mann, den sie liebte und immer lieben würde.

Doch sie konnten unmöglich Zusammensein. Das mußte sie akzeptieren. Han war ein Schwindler, ein Schurke, ein Gesetzloser, der nur sich selbst verantwortlich war. Bria wußte, daß er sie aufrichtig liebte – er hatte sie sogar gefragt, ob sie ihn heiraten wollte –, aber Han war nicht der Mann, der für eine weltanschauliche Idee alles hinter sich lassen würde.

Während der Monate, die sie zusammen verbrachten, hatte Bria das Gefühl gehabt, daß er möglicherweise eines Tages das Potential entwickeln würde, sich ebenfalls einer Sache oder einem Ziel zu verschreiben. Aber es würde sich dabei um eine Sache handeln, für die er sich allein und zu einem Zeitpunkt entscheiden würde, den er bestimmte. Bria wußte, sie durfte nicht erwarten, daß er sich ihre Ideen zu eigen machte.

Sie fragte sich, was er in diesem Augenblick tun mochte. War er glücklich? Hatte er Freunde? Als sie ihm auf Devaron begegnet war, hatte er die typische abgetragene Raumfahrerkluft getragen – und nicht etwa eine imperiale Uniform. Aber ihr war zugetragen worden, daß er die Akademie mit Auszeichnung abgeschlossen hatte. Welches Ereignis mochte seine Karriere beendet haben?

Auf der einen Seite empfand Bria Bedauern darüber, daß der Traum, den er so zielstrebig verfolgt hatte, anscheinend ein so abruptes Ende gefunden hatte, aber auf der anderen Seite war sie froh, herausgefunden zu haben, daß Han kein imperialer Offizier mehr war. Der Gedanke, daß sie sich eines Tages im Kampf gegenüberstehen könnten oder, schlimmer noch, daß sie möglicherweise den Befehl erteilen mußte, auf ein imperiales Raumschiff zu feuern, und dadurch unwissentlich seinen Tod herbeiführen würde, hatte ihr stets die größten Qualen bereitet. Wenigstens mußte sie sich über diese Möglichkeit nicht mehr den Kopf zerbrechen.

Ich frage mich, ob ich ihn jemals wiedersehen werde, dachte sie. Vielleicht… vielleicht, wenn dies alles vorüber ist, wenn es das Imperium nicht mehr gibt…

Bria rappelte sich innerlich auf und ermahnte sich, zu ihren Pflichten zurückzukehren. Das Imperium hatte sich nachhaltig etabliert. Es mit der Wurzel auszumerzen, würde jahrelange Anstrengungen und zahllose Opfer erfordern. Sie durfte sich nicht erlauben, an das zu denken, was sich in einer ungewissen, fernen Zukunft vielleicht ereignen mochte. Sie mußte sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Sie aktivierte energisch ihren Datenblock und machte sich wieder an die Arbeit.

 

Im selben Augenblick, als Bria Tharen über Han Solo nachdachte, war dieser in Gedanken keineswegs bei ihr. Er fühlte sich so verletzt wie noch nie, seitdem Bria Tharen ihn verlassen hatte.

Er saß in einem Hotelzimmer auf Velga, einem Luxusmond, der von Reichen besucht wurde, die sich amüsieren und an Glücksspielen teilnehmen wollten, auf der Bettkante und las mit finsterem Gesicht Xaverris Nachricht auf seinem Datenblock. Sie lautete:

 

Lieber Solo,

ich ertrage keine Abschiede, also werde ich keinem von uns einen zumuten. Die Tournee ist vorbei, und ich nehme mir eine kurze Auszeit, bevor ich wieder losziehe. Ich habe darüber nachgedacht dich zu bitten, daß Du mich begleitest, doch ich glaube, es ist besser, jetzt einen sauberen Schnitt zu machen. Die vergangenen sechs Monate waren wundervoll, sie gehörten zu den besten, an die mich erinnere. Ich habe Dich seit dieser Zeit sehr gerne, Lieber. Zu gerne. Du kennst mich mittlerweile recht gut. Ich kann es mir nicht leisten, jemanden zu gerne zu haben. Das würde uns beide in zu große Gefahr bringen. Wenn einem jemand zuviel bedeutet, wird man schnell weich und verwundbar. Und in meiner Branche kann ich mir das nicht erlauben.

Ich habe die Hotelrechnung für Dich und Chewbacca bis morgen bezahlt. Ihr wart zwei der besten Assistenten und Begleiter, die ich jemals hatte. Sag ihm, es tut mir leid, daß ich nicht Lebewohl sagen konnte. Ich habe eine Zulage für Euch bei der hiesigen Niederlassung der Imperialen Bank deponiert; die Kontonummer lautet 651374 und ist auf Deinen Netzhautscan zugelassen.

Ich werde Dich mehr vermissen, als ich zu sagen vermag. Wenn Du jemals Kontakt mit mir aufnehmen mußt, so kannst Du das über die Agentur ›Galaxie der Stars‹ tun. Vielleicht können wir eines Tages, wenn ich wieder eine Perspektive habe, noch einmal zusammenkommen.

Paß gut auf Dich auf, Han. Und gib auf Deinen Wookiee-Freund acht. Eine solche Ergebenheit ist selten.

In Liebe, Xaverri

 

Verdammt! dachte Han. Er war sich nicht sicher, ob das, was er empfand, Wut oder tiefes Bedauern war – vermutlich eine Mischung aus beidem. Wieso passiert mir so etwas jedesmal?

Einen Moment lang erinnerte er sich des Kummers, der ihn überwältigte, als Bria ihn damals verlassen und lediglich einen kurzen Abschiedsbrief dagelassen hatte, doch dann riß er seine Gedanken von dieser Erinnerung los. Das ist lange her. Ich bin kein Junge mehr…

Ihm fiel ein, daß er nun für sich und Chewie einen Rückflug nach Nar Shaddaa buchen mußte. Doch das würde seine Ersparnisse nicht allzusehr strapazieren, vor allem nicht angesichts der Zulage von Xaverri. Sie bezahlte gut, aber sie hatte auch hohe Erwartungen. Sie waren während der vergangenen sechs Monate mehr Geschäftspartner gewesen als Angestellter und Arbeitgeberin. Jedesmal, wenn sie erfolgreich einen kurzatmigen imperialen Offizier oder irgendeinen selbstgefälligen, arroganten Bürokraten des Imperiums über den Tisch zogen, hatte Xaverri den Erlös gerecht mit Han und Chewie geteilt.

Hans Mund verzog sich zu einem nostalgischen Lächeln. Sie hatten eine aufregende Zeit zusammen verbracht. Angesichts der Erfahrungen im Hereinlegen unbescholtener Bürger, die Han als Mitglied von Garris Shrikes ›Familie‹ gesammelt hatte, dachte er zunächst, in der Kunst des Betrugs nicht mehr viel lernen zu können. Doch ein Monat mit Xaverri hatte ihn davon überzeugt, daß Garris Shrike im Vergleich mit ihr ein tolpatschiger, verlogener Amateur war.

Xaverris Coups reichten von schlichter Eleganz bis zu teuflischer Komplexität. Sie führte nur selten das gleiche Manöver zweimal aus. Statt dessen plante sie jedes Ding auf den Punkt genau und griff dabei gelegentlich auf ihre Fähigkeiten als Illusionistin zurück, um die aufgeblasenen Imperialen auszutricksen, die sie zu ihrer Beute machte.

Da war zum Beispiel die Sache mit dem Stellvertretenden Sekretär des Muftis im D’Aelgoth-Sektor, den sie um den größten Teil seiner Ersparnisse gebracht und ihn außerdem dem Verdacht ausgesetzt hatten, Verrat am Imperium zu üben. Hans Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. Der Typ war ein korrupter Trottel, der das Imperium früher oder später ohnehin verraten hätte.

Das hieß indes nicht, daß alle ihre Betrugsmanöver von Erfolg gekrönt waren. Zwei verliefen einfach im Sand, und eines flog vor ihren Augen auf und zwang sie, die Flucht vor den planetaren Behörden anzutreten, bis es Chewbacca schließlich gelang, sie ausfindig zu machen und aufzusammeln.

Han würde diese Flucht niemals vergessen. Sie nahmen die Beine in die Hand, schlugen Haken, während sie von Suchdroiden sowie der lokalen Ausgabe von Spürhunden über Land gehetzt wurden. Die einzige Möglichkeit, ihre Fährte unkenntlich zu machen, bestand darin, eine ganze Nacht bis zum Hals im Moor stehend zu verbringen.

Er hatte jedoch auch die Arbeit als Xaverris Bühnenassistent genossen. Es machte ihm Spaß, bei der Ausarbeitung neuer Illusionen zu helfen und auf diese Art herauszufinden, wie sie funktionierten, und sich Abend für Abend vor den begeisterten Zuschauern zu verbeugen. Sogar Chewbacca lernte die öffentliche Aufmerksamkeit schätzen, so daß Xaverri ein paar Tricks erfunden hatte, die Chewie Gelegenheit gaben, seine Wookiee-Kraft zu demonstrieren.

Das schlimmste für Han war es, sich an das hautenge; mit Pailletten besetzte Trikot zu gewöhnen, das er auf der Bühne tragen mußte. Als er das erste Mal die Bühne betrat, fühlte er sich darin entsetzlich befangen. Doch nach und nach fand er sich damit ab, und kam sogar dahin, die Zurufe und Pfiffe zu genießen, die ein Teil des weiblichen Publikums ihm bei seinen Auftritten zuteil werden ließ.

Xaverri zog ihn damit auf; besonders einmal, als ein Mädchen auf die Bühne gestürmt war und ihn auf den Mund geküßt hatte, worauf er schamhaft errötet war. Doch Han ärgerte sie seinerseits über ihre häufig recht gewagten Kostüme.

Han seufzte. Wenn ich nur gewußt hätte, was sie vorhatte, ich hätte wenigstens mit ihr reden können… Er vermißte sie schon jetzt, vermißte ihre Gegenwart, ihr Lächeln, ihre Zuneigung, ihre Wärme, ihre Küsse… Sie war eine ganz besondere Frau, und Han wußte in diesem Augenblick, daß er sie liebte. Aber hätte es irgendeinen Unterschied gemacht, wenn er ihr das gesagt hätte? Er kam zu dem Schluß, daß dies nicht der Fall gewesen wäre. Wie es in ihrem Brief hieß, war Xaverri niemand, den es nach Liebe verlangte. Sie wollte niemanden lieben und nicht geliebt werden. Liebe, so hatte sie herausgefunden, machte einen verwundbar.

»Die Liebe lehrt einen, das Leben zu lieben«, hatte sie ihm einmal erklärt, »und wenn du erst einmal das Leben liebst, bist du wirklich in Gefahr. Dann willst du daran festhalten, und dieser Wunsch vernebelt deine Gedanken.«

»Festhalten woran?« hatte Han sie gefragt. »An der Liebe oder am Leben?«

»An beidem«, antwortete sie. »Die Liebe ist die riskanteste Sache im ganzen Universum.«

Xaverri hatte ihr Leben mehr als jeder andere, den er gekannt hatte, für allerlei riskiert – nur nicht für die Liebe. Wenn sie nicht so kühl und besonnen gewesen wäre, hätte er sie vermutlich für vollkommen rücksichtslos gegen sich selbst gehalten. Doch das war sie nicht. Das gefahrvolle Leben machte ihr nichts aus, weil sie keine Angst vor dem Sterben hatte. Han hatte sie dem Tod ins Angesicht blicken sehen, ohne daß sie mit der Wimper gezuckt hätte.

Einmal machte er ihr wegen ihres Mutes ein Kompliment. Sie schüttelte darauf nur den Kopf. »Nein, Solo«, sagte sie, »ich bin nicht mutig. Du bist mutig. Du besitzt Courage. Mir ist bloß alles egal. Das ist nicht dasselbe.«

Er seufzte abermals, dann stand er vom Bett auf. Xaverri war fort. Ihr Schiff, die ›Phantasus‹, hatte Velga mittlerweile sicher längst verlassen. Also gut, dachte er und griff nach seiner Kleidung, die Show ist vorbei! Es ist Zeit, wieder in der wirklichen Welt zu leben…

Immerhin besaßen Chewie und er jetzt einen Haufen Geld, genug, um ein eigenes Schiff zu mieten. Zum ersten Mal seit langem fragte sich Han, wie die Dinge auf Nar Shaddaa stehen mochten.

Als sie auf den Schmugglermond zurückkehrten, stellte Han überrascht fest, daß er das Gefühl hatte, nach Hause zu kommen. Er und Chewie suchten zuerst Mako auf. Sie fanden ihn und Roa, die in einer der Schenken bei einem kameradschaftlichen Drink zusammensaßen. Han trat ein, grinste und winkte. »Mako! Roa!«

Die beiden Männer drehten sich nach dem Gruß um und setzten ein breites Lächeln auf. »Han! Chewbacca!«

»He, Roa! He, Mako! Wie laufen die Geschäfte?«

»Nicht schlecht«, antwortete Mako. »Jabba vermißt dich, Junge!«

»Oh ja, davon bin ich überzeugt«, rief Han lachend. »Hat Jiliac schon ihren Baby-Hutt bekommen?«

»Keine Ahnung«, erwiderte Roa. »Sie hat sich allerdings nicht mehr blicken lassen. Also wahrscheinlich nicht. Wie geht es dir, Junge? Du warst lange weg. Wir dachten schon, Boba Fett hätte dich erwischt.«

Han erwiderte sein Grinsen. »Noch nicht«, sagte er. »War er häufig hier?«

Mako blickte sich unwillkürlich um. »Na ja, es hieß, er wäre vor ein paar Monaten hier auf Nar Shaddaa gewesen, um nach dir zu suchen. Aber in letzter Zeit hat ihn keiner mehr gesehen.«

»Gut. Haltet mich auf dem laufenden«, sagte Han. »Und… hat irgend jemand Lando gesehen?« Er gab sich alle Mühe, gleichgültig zu erscheinen. »Hat er immer noch diese alte Mühle, die ›Millennium Falcon‹?«

»Und ob, die hat er immer noch«, entgegnete Roa. »Und, Han, du wirst es nicht glauben. Calrissian hat draußen im Oseon-System einen Riesengewinn gemacht. Hatte ‘ne Ladung Lebenskristalle an Bord genommen, die er dann im Paket verkauft hat. Rate mal, was er jetzt treibt?«

Hans Vermutung war nicht ganz jugendfrei. Und Roa und Mako brachen vor Lachen fast zusammen.

Chewie brüllte eine Frage.

»Er hat sich eine Firma mit gebrauchten Raumschiffen zugelegt, den er mit allem drum und dran einem Duros abgekauft hat, der sich entschlossen hatte, nach Duro zurückzugehen, um die Farm der Familie zu bestellen.«

»Also, ich habe die Absicht, ein Schiff zu mieten«, sagte Han. »Da werde ich Lando wohl mal einen Besuch abstatten und sehen, was er so anbietet.«

»Du gehst besser erst mal zu Jabba«, riet ihm Mako. »Er hat verbreiten lassen, daß du ihm die Aufwartung machen sollst, sobald du wieder im Lande bist.«

Han nickte. »In Ordnung, das werde ich machen. Wo finde ich Landos Firma?«

Sie gaben ihm die Koordinaten.

Han verließ freudig erregt die Schenke. Er stellte fest, daß er froh war, zurückgekommen zu sein. Das Intermezzo mit Xaverri war angenehm gewesen, und profitabel, doch seine eigentliche Berufung war das Schmuggeln, und er konnte es kaum abwarten, wieder damit anzufangen.

Jabba war so erfreut, Han wiederzusehen, daß er sogar sein Podest verließ und auf den Corellianer zugekrochen kam. »Han, mein Junge! Sie sind zurückgekehrt!«

Han nickte und beschloß, sich nicht zu verneigen. Jabba hatte ihn offensichtlich vermißt. »Hallo, Jabba… Euer Exzellenz. Wie stehen die Aktien?«

Jabba ließ ein theatralisches Seufzen hören. »Die stünden weitaus besser, wenn die Besadii endlich begreifen würden, daß sie nicht das einzige rechtmäßige Ziel für die in der Galaxis kursierenden Credits sind. Han… ich muß zugeben, ich habe Sie vermißt. Wir haben im Schlund ein Schiff verloren, was die Desilijic teuer zu stehen kommt. Wir brauchen Sie, Han.«

»Ja, aber dieses Mal werdet Ihr mir mehr bezahlen müssen, Jabba«, sagte Han entschlossen. »Chewie und ich werden uns ein eigenes Schiff mieten. Das wird für beide Seiten von Vorteil sein. Ihr werdet nicht länger Eure Schiffe aufs Spiel setzen, und ich muß mich nicht mit weniger zufriedengeben, weil ich Euer Schiff fliege.«

»Schön, schön«, kommentierte Jabba. »Das ist alles sehr schön, Han.«

»Aber, Jabba, eines muß ich Euch sagen«, fuhr Han fort. »Auf meinen Kopf ist immer noch eine Belohnung ausgesetzt. Teroenza muß die Besadii zu einem ziemlich hohen Kopfgeld überredet haben. Mit den meisten Kopfgeldjägern werde ich schon fertig. Kein Problem. Aber sobald ich irgendwelche Hinweise darauf bekomme, daß Boba Fett mir wieder auf den Fersen ist, bleibe ich keine Minute länger hier. Dann bin ich weg, und arbeite vom Smuggler’s Run aus. Nicht mal Boba Fett ist geschickt genug, in den Run zu fliegen.«

»Han, Junge!« Jabba setzte eine gequälte Miene auf. »Wir brauchen Sie! Die Desilijic brauchen Sie! Sie sind einer der Besten!«

Han grinste. Das Gefühl, sich fast auf gleicher Ebene mit dem Hutt-Lord zu befinden, gefiel ihm. »He, Jabba, ich bin der Beste!« rief er aus. »Und ich werde es beweisen.«

Chewie knurrte, und Jabba deutete auf den Wookiee. »Was hat er gesagt?«

»Er hat gesagt, daß wir die Besten sind«, gab Han zurück. »Und er hat recht. Das wird schon bald jeder wissen.«

 

Hans nächster Halt war, wie versprochen, der Platz, auf dem Lando mit gebrauchten Raumschiffen handelte. Er marschierte gemeinsam mit Chewie geradewegs auf das Verkaufsbüro zu, wo sie auf einen kleinen, vielgliedrigen Droiden mit einem einsamen rubinroten Auge stießen, der gegenwärtig das Sagen hatte. »Wo steckt Lando?« verlangte Han zu wissen.

»Mein Master ist im Moment nicht hier, Sir«, entgegnete der kleine Droide. »Kann ich Ihnen dienlich sein? Ich bin Vuffi Raa, sein Assistent.«

Han sah Chewbacca an, der mit den blauen Augen rollte. »Ich will mit Lando sprechen«, erklärte Han. »Wo ist er?«

»Er ist bei den Schiffen«, gab Vuffi Raa zurück. »Aber… Sir! Warten Sie! Der Zutritt zu den Schiffen ist nicht gestattet, es sei denn, Master Calrissian hat die Erlaubnis erteilt. Kommen Sie zurück! Sir!«

Han ging einfach weiter. Chewbacca indes blieb stehen. Als der kleine Droide sich ihm mit wedelnden Gliedmaßen näherte, gab er ein Knurren von sich, daß sich rasch zu einem Brüllen aus vollem Halse steigerte.

Vuffi Raa blieb so abrupt stehen, daß er um ein Haar auf den Rücken gefallen wäre. Dann trippelte er davon und rief mit wehleidiger Stimme immer wieder. »Master! Master!«

Han fand Lando weit draußen bei der ›Falcon‹. Er wußte nicht, wessen Anblick ihn froher stimmte. Die ›Falcon‹ war, wie er befriedigt feststellte, gänzlich unversehrt. Diesmal hatte der Spieler nicht seine übliche gepflegte Kleidung an. Han sah verblüfft, daß er einen fleckigen Mechanikeroverall trug, und seine schmutzigen Hände umfaßten einen Hydroschraubenschlüssel.

»Lando!« rief Han.

Sein Freund drehte sich um, und seine ansprechenden Züge hellten sich auf. »Han, du alter Pirat! Seit wann bist du zurück?«

»Gerade nach Hause gekommen«, sagte Han und schüttelte Landos Hand. Sie umarmten sich und klopften einander auf den Rücken, dann traten sie beide grinsend einen Schritt zurück.

»He, Han, schön dich zu sehen, Mann!«

»Und dich erst!«

Ehe der Tag zu Ende war, hatten Han und Chewie ihr neues Schiff von Lando gemietet. Es war ein kleiner, umfassend modifizierter Soro-Suub-Frachter der ›Starmite‹-Klasse. Das Schiff maß etwa zwei Drittel der Größe der ›Millennium Falcon‹ und hatte einen abgerundeten stumpfen Bug, starke Stummelflügel und einen voluminösen rundlichen Rumpf, der sich nach hinten zu einem abgeflachten Heck verjüngte. Das Schiff erinnerte an eine unförmige, kaum stromlinienförmig zu nennende Träne und sah wie etwas aus, das »wir als kleine Zwischenmahlzeit heranzüchten«, wie einer von Hans Quarren-Bekannten später meinte. Jeder Flügel lief in einem Geschützturm aus, der mit zwei fest installierten Laserkanonen ausgerüstet war. Außerdem konnte der Pilot einen Satz am Bug angebrachter Laser bedienen.

Han taufte das Schiff auf den Namen ›Bria‹.

 

»Lord Aruk verlangt Euch zu sehen, Euer Exzellenz«, sagte Ganar Tos, Teroenzas Majordomus. »Er wartet in Eurem Büro.«

Der Hohenpriester straffte sich. Ich glaube nicht, daß ich noch mehr Kritik von ihm einstecken kann, dachte er und wuchtete sich verärgert aus seiner Hängematte.

Lord Aruk und sein Sprößling Durga waren vor zwei Tagen zu einer außerplanmäßigen Inspektionsreise durch die ylesianischen Unternehmen auf der Bildfläche erschienen. Teroenza hatte ihnen voller Stolz die Fortschritte präsentiert, die sie gemacht hatten, die neuen Fabriken, die fleißigen Pilger, die ständig wachsenden Liefermengen wertvoller Gewürze, die sie auf anderen Welten verkauften. Er hatte ihnen sogar das neue, frisch planierte Grundstück zeigen können, auf dem die neue Kolonie, Kolonie Acht, entstehen sollte. Doch je mehr Teroenza dem Hutt-Lord gezeigt hatte, desto mäkliger gab sich Aruk, so daß der Hohepriester allmählich immer verzweifelter wurde.

Als er jetzt durch die Gänge des Verwaltungsgebäudes von Kolonie Eins stapfte, war Teroenza in Gedanken damit beschäftigt, sich Erwiderungen auf alle Vorwürfe zurechtzulegen, die Aruk gegen ihn erheben konnte. Die Produktionsrate war hoch, die Arbeiter waren emsig, und sie testeten neue Exportgüter… zum Beispiel diese Nalabaum-Frösche.

Aruk fand während seiner Visite Geschmack an ihnen, nachdem Kibbick sie seinem Onkel angeboten und darauf bestanden hatte, daß Aruk sie probierte. Durga nahm ebenfalls eine Kostprobe und erklärte sich unbeeindruckt. Aruk indes liebte die häßlichen Amphibien und hatte Teroenza angewiesen, dafür Sorge zu tragen, daß er mit jedem Schiff, das zwischen Ylesia und Nal Hutta verkehrte, eine Lieferung lebender Exemplare erhalten würde.

Teroenza betrat sein Büro und versuchte, seine Nervosität zu verbergen. »Hier bin ich, Euer Exzellenz«, wandte er sich an Aruk.

Der Hutt-Lord befand sich nur in Begleitung von Durga. Er blickte Teroenza von unten an. »Wir müssen uns unterhalten, Hohepriester«, begann er schroff.

Oh nein, das ist ja noch schlimmer, als ich befürchtet habe, dachte Teroenza. »Jawohl, Euer Exzellenz.«

»Ich streiche Ihren Urlaub, Hohepriester«, sagte Aruk. »Ich will, daß Sie hierbleiben und Kibbick schnellstens mit sämtlichen ylesianischen Operationen vertraut machen. Das Ausmaß seiner Unwissenheit ist beschämend, und das ist Ihr Fehler, Teroenza! Sie haben vergessen, wer die wahren Herren auf Ylesia sind. Sie sind überheblich geworden und glauben, selbst das Kommando zu haben. Das ist nicht länger akzeptabel. Sie müssen lernen, wo Ihr Platz ist, Hohenpriester. Erst wenn Sie zu dienen gelernt haben und sich der wahren Führung dieser Welt unterworfen haben, werden Sie belohnt werden. Erst dann können Sie nach Nal Hutta zurückkehren.«

Teroenza schwieg während Aruks Schimpfkanonade. Als der Hutt-Lord endlich fertig war, ertappte er sich dabei, daß er alles hinschmeißen wollte, um dem ganzen lächerlichen Unternehmen einfach den Rücken zu kehren.

Kibbick war ein Schwachkopf, und keine noch so umfassende Unterweisung durch seinen Aufseher würde aus dem jungen Hutt irgend etwas anderes als einen Schwachkopf machen. Außerdem hatte er seine Gefährtin Tilenna jetzt seit einem vollen Jahr nicht mehr gesehen. Was, wenn sie sich zu einer Beziehung mit einem anderen entschloß, weil er so lange abwesend war? Wie konnte er unter diesen Umständen auch erwarten, daß sie ihm treu blieb? Groll wallte in dem t’landa Til auf und drängte an die Oberfläche, aber es gelang ihm mit einer beträchtlichen Willensanstrengung, seine Reaktion zu verheimlichen.

»Es soll sein, wie Ihr sagt, Euer Exzellenz«, brummte er. »Ich will mein Bestes tun.«

»Sehen Sie zu, daß Ihnen das auch gelingt«, polterte Aruk mit seiner tiefsten und bedrohlichsten Stimme. »Sie können gehen, Hohepriester.«

Teroenzas brennender Zorn kochte und brodelte, während er in sein Quartier zurückkehrte, doch als er dort ankam, war er wieder vollkommen ruhig. Auf eine merkwürdige, kaltblütige Weise ruhig. Er ließ sich in seiner Hängematte nieder und entließ seinen Majordomus. Wenn man seine Gedanken in einem einzigen Wort hätte ausdrücken wollen, so hätte dieses Wort wahrscheinlich gelautet: Genug!

Nachdem er noch ein paar Minuten nachgedacht hatte, streckte der Hohepriester eine Hand nach dem Komlink aus und wählte den Code, den er vor so vielen Monaten auswendig gelernt hatte. Dann gab er die folgende Nachricht ein: »Ich will reden. Wie lautet Ihr Angebot?«

Mit einer triumphierenden, stürmischen Gebärde eines zierlichen Fingers drückte er die ›Senden‹-Taste.

Teroenza lehnte sich in seiner Hängematte zurück und fühlte sich zum ersten Mal seit sechs Monaten im Einklang mit dem Universum.