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TRÄUME UND ALPTRÄUME

 

 

Bria Tharen stand an der Seite von Sarn Shild auf der Beobachtungsplattform der Raumstation, die um den Planeten Teth kreiste. Die Plattform war fast völlig von Kraftfeldern umgeben, so daß sich nichts Sichtbares zwischen ihnen und dem Vakuum befand. Bria konnte geradeaus schauen, nach links, nach rechts und nach oben, und nichts als leeren Raum oder das riesige, sich drehende Rund des Planeten erkennen.

Die junge Frau unterdrückte ein Schaudern, als sie an die eisige, luftlose Schwärze dachte, die nur wenige Meter von ihr entfernt war. Doch ungeachtet ihres Unbehagens wich das strahlende, schwärmerische Lächeln keinen Augenblick von ihrem Gesicht. Sie war bereits eine leidlich begabte Schauspielerin gewesen, die fähig war, ihre wahren Gefühle zu unterdrücken, als sie diesen Auftrag angenommen hatte. Aber mittlerweile, dachte sie düster, verdiene ich eine Auszeichnung. Bedauerlich, daß es keinen Preis für die ›Undercover-Agentin des Jahres‹ gibt.

Der Gedanke war so lächerlich, daß er ihrem Lächeln für einen kurzen Augenblick Aufrichtigkeit verlieh. Mufti Shild legte ihr einen Arm um die Schulter, drückte sie und deutete in den Weltraum hinaus. »Schau, meine Liebe! Da kommen sie!« Die kleine Gruppe wichtiger Persönlichkeiten auf der Beobachtungsplattform begann zu applaudieren, als die Einheiten der Imperialen Flotte in Sicht glitten.

Bria lächelte und klatschte in die Hände, während die Kampfschiffe, Aufklärungsschiffe, die großen Kreuzer und Dreadnaughts langsam auf die Plattform zukamen. TIE-Jäger schwirrten rings um die größeren Schiffe wie kleine Insekten.

Shild grinste verzückt, als er seine Verbände erblickte. Erneut drückte er Brias Schulter, und nur eine Willensanstrengung hielt sie davon ab, vor ihm zurückzuweichen.

»Der heutige Tag markiert den Beginn einer neuen Ära von Recht und Ordnung im Äußeren Rand, meine Liebe!« verkündete er mit seiner ›politischen‹ Stimme. Dann fügte er mit einem konspirativen Flüstern hinzu: »Und den Beginn eines neuen Lebens für uns, Bria.«

Bria blickte den Mufti forschend an. »Wirklich, Sarn? Wie das?«

Seine Stimme blieb gesenkt, trotzdem klang sie eindringlich und machtvoll. »Sobald meine Flotte Nar Shaddaa vernichtet und die Hutts… nun, an die Leine gelegt hat, wird meine Macht in diesem Sektor unanfechtbar sein. Und wenn ich erst die Geldquellen der Hutts – zumindest die der geringeren Clans und der Desilijic – angezapft habe, werde ich dazu in der Lage sein, meine militärische Macht weiter auszubauen, um es zukünftig mit weitaus stärkeren Feinden aufnehmen zu können als nur mit einer Bande räuberischer Schmuggler.«

Warum klingt er immer so, als würde er eine Brandrede halten? fragte sich Bria. Laut sagte sie: »Der Desilijic? Warum auch nicht der Besadii?«

»Der Imperator hat in einem persönlichen Kommunique klargestellt, daß die Besadii nicht behelligt werden dürfen«, erklärte Shild. »Sie sind ihm von Nutzen, da sie das Imperium mit ausgebildeten Sklaven beliefern. Der Besadii-Clan muß auch weiterhin gedeihen.«

Bria registrierte diese Information als eine Neuigkeit, die sie so bald wie möglich an Rion übermitteln würde. Palpatine hat seine Finger also sogar in den internen Angelegenheiten der Hutts? Gibt es überhaupt noch etwas, das der Imperator nicht zu seinem Vorteil zu nutzen versucht?

Sie sagte: »Oh, ja, das überzeugt mich.«

»Ja, der Imperator ist ein schlauer Bursche«, meinte Shild mit immer noch beinahe zu einem Flüstern gedämpfter Stimme. »Aber… vielleicht… nicht schlau genug.«

Bria war perplex. »Was soll das heißen, Sarn?«

Er setzte sein ›öffentliches‹ Lächeln auf, doch in seinen Augen stand ein Ausdruck, der Bria beunruhigte. »Ich fürchte, daß unser geliebter Imperator sich übernommen hat und zwischen der anwachsenden Rebellion auf den Kernwelten und den internen politischen Streitigkeiten innerhalb der höchsten Stellen zerrieben werden könnte. Er verliert in den Territorien des Äußeren Randes an Macht. Die Streitkräfte des Imperiums sind in diesen Sektoren so dünn gesät, daß ein starker Führer, der durch eine schlagkräftige militärische Streitmacht unterstützt wird, sich ohne weiteres vom Imperium… abspalten könnte.«

Bria sah ihn mit vor Entsetzen geweiteten Augen an. Er redete von einem Putsch. War ihm das nicht klar?

Shild mißdeutete ihren Blick als den Ausdruck staunender Billigung und strahlte sie an. »Oh, du mußt nicht denken, daß ich mir das nicht genau überlegt hätte, meine Liebe. Weshalb sollten die Territorien des Äußeren Randes nicht ein zweiter Korporations-Sektor werden, ohne Verpflichtungen oder einen Treueschwur dem Imperium gegenüber? Wenn ich über eine genügend große militärische Macht verfügen würde, könnte ich den Äußeren Rand in die Unabhängigkeit und zum Wohlstand führen. Das wäre herrlich!«

Bria mußte die Zähne zusammenbeißen, damit ihr nicht die Kinnlade runterklappte, Was, bei allen Minions von Xendor, ist denn in den gefahren? Mir war ja die ganze Zeit klar, daß Sarn überheblich ist, aber jetzt hört er sich wie ein echter Irrer an!

Konnte es sein, daß der Mufti unter irgendeinen… fremden Einfluß geraten war? Bria wußte, daß es nichtmenschliche Spezies gab, die über telepathische Gaben verfügten, aber sie hatte noch nie von einer Rasse gehört, die zu so etwas fähig war. Vielleicht war Shild einfach verrückt geworden. Das wäre immerhin eine mögliche Erklärung. Doch der Glanz in Shilds dunklen Augen paßte nicht zu einem Verrückten – das war das Leuchten in den Augen eines Mannes, der eine Mission hatte.

»Und nachdem ich die Randterritorien zu Ruhm und Ehre geführt habe, meine Liebe…« Wieder verstärkte sich der Druck seines Armes. »…kann es sein, daß ich meine Aufmerksamkeit, nun, sagen wir, dichter bevölkerten Gebieten der Galaxis zuwende. Es gibt innerhalb des Imperiums viele unzufriedene Welten, Welten, die sich nach einer neuen Führung umsehen. Ich könnte ihnen diese Führung bieten.«

Ich kann nicht glauben, was ich da höre! Er redet davon, den Imperator herauszufordern! Bria hatte jetzt sogar Angst davor, noch länger an diesem Ort zu stehen und ihm zuzuhören. Palpatine hatte seine Ohren überall. Der Imperator würde ganz sicher von Shilds ungeheuerlichen Ambitionen erfahren und ihn so beiläufig vernichten, wie er ein lästiges Insekt erschlagen würde.

Die majestätische Parade der imperialen Schiffe trieb langsam an ihnen vorbei. Shild ließ den Arm von Brias Schulter sinken und trat ganz nahe an den Rand der Plattform. Er sah schlank und elegant aus in der Uniform des Muftis. Er salutierte vor seinen Truppen, während diese an ihm vorbeizogen.

Bria blieb im Hintergrund, in der Nähe des Eingangs, stehen und spürte die wachsende Kälte, die der Panik vorangeht, bis es ihr nur noch so gerade gelang, nicht einfach zu verschwinden, davonzulaufen und Shild allein zu lassen, damit er sich den Folgen seiner selbstsüchtigen, ehrgeizigen Pläne stellte.

Ich will herausfinden, was genau er vorhat, wenn ich kann, nahm sie sich fest vor, und dann werde ich verschwinden. Bria starrte Shild an und wurde sich bewußt, daß sie ihn von nun an als einen Mann betrachten mußte, der an einer schrecklichen, unheilbaren Krankheit litt. Als einen lebenden Toten. Sie stellte fest, daß es ihr sogar leid tat, daß Shild an dieser ›Krankheit‹ litt, an diesem unstillbaren Verlangen nach Macht. Der Mufti hatte sie stets gut behandelt, und ihr Auftrag hätte weit schlimmer ausfallen können…

Einen übermütigen Moment lang dachte sie daran, an Shilds Vernunft zu appellieren, doch sie ließ den Gedanken ebenso schnell wieder fallen. Der Mufti wußte, daß sie eine intelligente Frau war, und er schätzte diesen Umstand, doch er besaß auch ein Übermaß an männlicher Selbstüberschätzung. Daher würde er niemals einer Frau Gehör schenken, die er als Aushängeschild benutzte, um seine wahren sexuellen Laster zu vertuschen.

Die Flotte hatte die Beobachtungsplattform jetzt beinahe passiert. Es mochte nur noch Minuten dauern, bis sie den Schwerkrafttrichter des Planeten Teth überwinden und in den Hyperraum springen würde, um die erste Etappe ihrer langen Reise in das Y’toub-System anzutreten. Die meisten Sternsysteme im Äußeren Rand lagen weiter auseinander als jene in den Gebieten nahe des Galaktischen Kerns.

Bria ertappte sich wie so häufig dabei, daß sie an Han dachte. Er war sicher längst nicht mehr auf Nar Shaddaa. Er war vermutlich zu seinen Hutt-Herren zurückgekehrt, hatte Shilds Warnung überbracht und sich davongemacht. Han verstand sich gut darauf, auf sich selbst aufzupassen. Er würde sich auf nichts so Verrücktes wie den Versuch einlassen, eine Streitmacht des Imperiums zu bekämpfen.

Oder doch?

Brias Mund wurde plötzlich furchtbar trocken. Sie leckte sich die Lippen, zwang sich zu schlucken und trat dann, auf der Suche nach einer Tasse Stimtee, durch die große Tür in den prachtvollen Empfangsbereich.

Während sie trank, versuchte sie sich immer und immer wieder einzureden, daß Han längst nicht mehr auf Nar Shaddaa weilte und sich vor Admiral Greelanx und seinen Truppen in Sicherheit gebracht hatte. Aber tief im Herzen glaubte sie nicht daran. Bria überfiel plötzlich eine lebhafte Erinnerung an den Corellianer: Als sie beinahe von Sklavenhändlern geentert worden wären, hatte Han nur den Blaster gezogen und entschlossen die Kinnlade vorgeschoben… Sie erinnerte sich an seinen Fluch: »Mich werden die nicht ohne Kampf kriegen!« Dabei standen die Chancen damals ungefähr vierzig zu drei gegen sie…

Brias Hände zitterten so heftig, daß sie die Tasse auf dem Tisch abstellen mußte. Sie schloß die Augen und rang um Selbstbeherrschung. Was, wenn er doch zu kämpfen versucht? Was, wenn sie ihn umbringen? Ich würde es wahrscheinlich niemals erfahren.

Und das war ihre schlimmste Befürchtung…

 

Captain Soontir Fei stand auf der Brücke des Dreadnaught ›Stolz des Senats‹ und schickte sich an, seinem Kommandeur in den Hyperraum zu folgen. Fei war in seiner grauen Uniform mit den Orden und Rangabzeichen, die für farbige Akzente sorgten, ein imposanter Anblick, der seinen Untergebenen Selbstvertrauen einflößte.

Fei, einer der jüngsten Angehörigen der Imperialen Flotte, die jemals eine Beförderung zum Captain erhalten hatten, war ein großer starker Mann mit breiten Schultern, der über außergewöhnliche Körperkräfte verfügte. Das schwarze Haar, die dunklen Augen und die zerklüfteten, aber beinahe anziehenden Gesichtszüge verliehen ihm das Aussehen eines Mannes, der gerade einem holographischen Rekrutierungsposter der Imperialen Flotte entstiegen war.

Er war ein fähiger und gewissenhafter Offizier und bei seinen Männern sehr beliebt. Er unterhielt eine spezielle Kameradschaft mit seinen TIE-Jäger-Piloten. Soontir Fei war früher selbst TIE-Jäger-Pilot gewesen, und seine Heldentaten und Fähigkeiten waren nahezu legendär.

In gewisser Hinsicht wünschte er sich, in diesem Moment wieder unten im Einsatzraum der TIE-Jäger-Piloten sein zu können, einfach herumzuhängen, Witze zu reißen und mit den anderen tassenweise Stimtee zu trinken. Fei war nicht sehr glücklich über seine gegenwärtige Aufgabe. Zum einen war sein Dreadnaught ein klappriges altes Vehikel, vor allem, wenn man das Schiff mit den neuen imperialen Sternzerstörern verglich. Fei hätte eine Menge dafür gegeben, wenn er eines von diesen Raumschiffen hätte kommandieren dürfen.

Dennoch war er entschlossen, auch an Bord der ›Stolz‹ sein Bestes zu geben. Er hoffte bloß, daß er die Möglichkeit dazu erhalten würde. Er hatte Admiral Greelanx’ Schlachtplan studiert und war davon nicht sonderlich beeindruckt. Oh, natürlich ging alles nach Lehrbuch, aber Fei fand den Plan zu wenig flexibel, sein Gelingen schien allzusehr von verschiedenen Annahmen abzuhängen, die er entweder als zu unsicher oder schlicht für falsch erachtete.

Es begann schon damit, daß Greelanx in den Schmugglern nichts als einen unorganisierten Haufen sah, der unmöglich dazu in der Lage sein würde, einen geordneten Angriff auf die Beine zu stellen. Soontir Fei hatte Patrouillenschiffe der Zollbehörde befehligt (so wie Greelanx übrigens auch), und er wußte mit Sicherheit, daß viele Schmuggler ebenso gute Flieger waren wie jeder imperiale Pilot, der jemals die Akademie absolviert hatte. Sie verfügten über schnelle Reflexe, waren ausgezeichnete Schützen, und ihr Wagemut machte sie im Kampf zu gefährlichen Kontrahenten.

Sie waren harte, unabhängige Burschen, aber falls die Schmuggler jemanden fanden, der sie auf kluge Weise anführte, würden sie, wie Fei annahm, sehr wohl eine Gegenwehr organisieren können, mit der zu rechnen wäre.

Da er glaubte, daß die Schmuggler keine ernsthafte Bedrohung für seine Flotte darstellten, sah Greelanx auch keinen Grund dafür, einen Überraschungsangriff zu versuchen. Der Plan des Admirals sah vor, daß ihre Verbände einfach in Reichweite der Sensoren von Nar Shaddaa aus dem Hyperraum kommen sollten.

Fei hielt dieses Vorhaben für pure Selbstüberschätzung. Und Selbstüberschätzung zog in einer Schlacht gewöhnlich eine Katastrophe nach sich.

Das größte Problem war, sofern es Fei anging, jedoch die Durchführung der Order Basis Delta Zero auf Nar Shaddaa. Er wußte, daß dieser letzte Punkt nicht Greelanx’ Fehler war. Der Mufti des Sektors selbst hatte diesen Befehl ausgegeben. Doch an Stelle des Admirals hätte Fei wenigstens den Versuch unternommen, Sarn Shild zur Abänderung dieser Instruktion zu bewegen. Die Direktive des Imperators hatte die Beendigung der von Nar Shaddaa und anderen Schmugglernestern ausgehenden illegalen Aktivitäten, besonders des Waffenhandels, zum Ziel. In der Direktive hatte indes nichts über die Auslöschung des ganzen Mondes gestanden.

Fei verfügte über beachtliche Kampferfahrung, und er wußte, daß die meisten intelligenten Wesen wie in die Ecke gedrängte corellianische Vrelts kämpften, wenn es um den Schutz ihrer Heime und Familien ging. Und es gab auf Nar Shaddaa Millionen intelligenter Wesen, von denen viele nur ganz am Rande in die Geschäfte der Schmuggler verwickelt waren. Ältere Lebewesen, Kinder…

Soontir Fei verzog das Gesicht. Diese Mission würde sein erstes vom Imperium angeordnetes Massaker sein. Er hatte, wie die Dinge lagen, bisher Glück gehabt, einen derartigen Befehl nicht umsetzen zu müssen. Er würde seine Befehle ausführen, aber er war nicht froh darüber. Er wußte schon jetzt, daß die Bilder der brennenden Gebäude ihn verfolgen würden, nachdem er die Feuerbefehle erteilt hatte. Und danach… sie würden Landefähren und Bodentruppen entsenden müssen, um aufzuräumen, und er, Fei, der pflichtbewußte Kommandeur, würde diese Operation persönlich überwachen müssen.

Vorstellungen von rauchenden Trümmern, zwischen denen schwarz verbrannte Leichen verstreut lagen, überschwemmten seine Gedanken, und Fei mußte tief durchatmen. Hör auf damit, rief er sich streng zur Ordnung. Du kannst ohnehin nichts daran ändern. Es ist völlig zwecklos, daß du dich damit quälst…

Unter den Augen Feis erhöhte die ›Schicksal des Imperiums‹ plötzlich massiv ihre Geschwindigkeit und entschwand seinen Blicken, als sie den Hyperantrieb aktivierte. Dann folgte die ›Peacekeeper‹.

Fei war erleichtert, endlich etwas zu tun zu haben. Irgend etwas, das ihn von seinen Gedanken ablenkte. Er warf seinem Navigator einen Blick zu.

»Haben Sie Kurs gesetzt, Commander?«

»Ja, Captain.«

»Sehr gut, Commander Rosk, Bereiten Sie sich auf den Sprung den Hyperraum vor. Auf meinen Befehl.«

»Ja, Sir.«

Fei sah zu, wie die Koordinaten über die Navigationskontrollen flackerten, dann sagte er: »Aktivieren Sie den Hyperantrieb!«

»Ja, Sir.«

Der Captain betrachtete die Sterne, die sich plötzlich in Lichtstreifen verwandelten, und zum ersten Mal während dieser Mission durchlief ein Schauer furchteinflößender Geschwindigkeit das große Schiff. Die Operation zur Vernichtung von Nar Shaddaa war angelaufen.

 

Auch Admiral Winstel Greelanx befand sich auf der Kommandobrücke seines Dreadnaught und beobachtete die Sternschweife des Hyperraums. Der Admiral hing seinen eigenen besorgten Gedanken über die Mission nach, Gedanken, die sich erheblich von denen seiner Captains Reldo Dovlis und Soontir Fei unterschieden.

Greelanx war sich der Tatsache bewußt, daß Fei nicht viel von seiner geplanten Strategie hielt. Dovlis hingegen war ein weniger phantasiebegabter älterer Offizier, der sich damit zufriedengab, Befehle widerspruchslos auszuführen, daher erwartete Greelanx von dieser Seite keine Schwierigkeiten. Fei allerdings… da mochte es Probleme geben.

Greelanx seufzte. Wenn diese Mission nur annähernd so einfach wäre, wie es auf den ersten Blick den Anschein hatte – nach Nar Shaddaa fliegen, die elenden Schmuggler ausradieren und anschließend das Y’Toub-System blockieren… Aber das Unternehmen war in Wirklichkeit weit davon entfernt, so einfach zu sein.

Weniger als einen Tag nachdem Mufti Sarn Shild Greelanx in sein Büro auf Teth gebeten hatte, um ihm den Marschbefehl zu erteilen, hatte der Admiral eine verschlüsselte Nachricht der höchsten imperialen Geheimhaltungsstufe erhalten, die ausschließlich für seine Augen bestimmt und unter den strengsten Sicherheitsvorkehrungen auf seinem persönlichen Komlink eingegangen war. Die Kodierung der Nachricht unterlag einer so hohen Geheimhaltung, daß der Admiral es nicht einmal gewagt hatte, sie von einem Mitarbeiter seines Stabes entschlüsseln zu lassen – auch nicht von seinem hochrangigsten administrativen Berater oder seinem Sekretärdroiden. Nein, er unterzog sich statt dessen der Mühe, das Ganze mit einem Codeschlüssel selbst zu übersetzen und mit eigener Hand auf einer Folie zu notieren.

Der Admiral hatte den Anweisungen gemäß keine Kopien der Botschaft angefertigt und die Folie sofort vernichtet, nachdem er die Lektüre beendet hatte. Er hatte die Verschlüsselung geprüft und wieder geprüft und trotzdem gedacht, daß hier irgendein Irrtum vorliegen mußte. Doch die Nachricht bestand jede Prüfung. Sie kam von den allerhöchsten Stellen des Geheimdienstes. Excomm war der Zweig des Imperialen Sicherheitsbüros, der allein dem Imperator Rechenschaft schuldig war – oder dessen rechter Hand Darth Vader.

Greelanx hatte während seiner gesamten bisherigen Karriere noch niemals eine derartige Botschaft erhalten, und er diente bereits seit mehr als dreißig Jahren in der Imperialen Flotte.

Er hatte die Nachricht auswendig gelernt, was aufgrund ihrer Kürze nicht schwer gewesen war. Sie lautete:

 

Admiral Winstel Greelanx.

Nur zum persönlichen Augenschein.

Sofortige Vernichtung nach Kenntnisnahme.

 

Betrifft das Nar Shaddaa/Nal Hutta-Engagement.

 

Sie sind angewiesen, den Feind anzugreifen und zum Wohle des Imperiums eine strategische Niederlage hinzunehmen. Halten Sie die imperialen Verluste möglichst gering und treten Sie den geordneten Rückzug an.

Noch einmal: Sie müssen VERLIEREN, Admiral. Unternehmen Sie keinen Versuch zur Bestätigung dieses Befehls. Sprechen Sie mit niemandem darüber. Für Ihr Versagen wird es keine annehmbare Entschuldigung geben.

Versagen Sie also NICHT.

 

Greelanx fragte sich, was das alles bedeuten mochte? Irgendwer ganz weit oben wollte, daß Sarn Shilds Überfall auf die Hutts scheiterte. Wer? Und wieso? Greelanx war kein besonders einfallsreicher oder intelligenter Mann, doch er war klug genug zu erkennen, daß er sich wie ein Wahnsinniger anhören würde, wenn er Sarn Shild von dieser Order in Kenntnis setzte.

Er besaß keinen Beweis dafür, diesen Befehl jemals erhalten zu haben. Die kodierte Botschaft war ›zeitsensitiv‹ gewesen – und damit nicht zu kopieren, es sei denn handschriftlich –, also so programmiert, daß sie sich binnen Minuten nach dem Herunterladen selbst löschte.

Und dann war der Bestechungsversuch der Hutts erfolgt. Was für eine beispiellose Ironie unter diesen Umständen! Eine Chance, seinen Notgroschen für den Ruhestand um das Tausendfache oder mehr zu vermehren. Selbst wenn dieser Geheimbefehl ihn nicht erreicht hätte, wäre es ihm sehr schwergefallen, das Angebot der Hutts auszuschlagen.

Er überlegte, ob diese beiden Ereignisse irgendwie zusammenhingen. Oder war das Ganze bloß ein unglaublicher Zufall?

Greelanx vermochte es nicht zu sagen. Das ganze Unternehmen bereitete dem Admiral Unbehagen und machte ihn nervös. Neue Pläne gingen ihm durch den Kopf, die er im nächsten Moment als zu riskant verwarf. Sollte er Kontakt mit dem Oberkommando aufnehmen? Dem Mufti alles erzählen? Die ›Schicksal des Imperiums‹ an irgendeinen abgelegenen Ort steuern und sich mit einer imperialen Fähre absetzen?

Die letzte Option schien am ehesten sein Fortleben zu garantieren. Er könnte vielleicht in den Korporations-Sektor fliegen. Irgendwohin, bloß weit, sehr weit weg! Doch wenn er das tat, so hatte Greelanx bald erkannt, würde seine Familie für seine Flucht büßen müssen. Sein Sohn, seine Tochter, seine Frau. Vielleicht sogar seine beiden Geliebten.

Greelanx hegte nicht gerade innige Zuneigung für seine Frau, doch er wünschte ihr kein Leid. Und er liebte seine Kinder, die beide erwachsen und verheiratet waren. Ein Enkelkind war unterwegs.

Nein, entschied der Admiral, er konnte sie unmöglich in Gefahr bringen. Wenn er die Folie aufbewahrt und dem Mufti gezeigt hätte, wäre damit sein eigenes und ihrer aller Todesurteil besiegelt gewesen, soviel war Greelanx klar. Die imperialen Sicherheitskräfte waren schnell und erbarmungslos. Greelanx und seine Familie hätten bis an das Ende des Universums fliehen können – die Sturmtruppen wären ihnen trotzdem auf den Fersen geblieben. Er konnte nur gehorchen und auf das Beste hoffen.

Während er auf der Brücke seines Schiffs stand, dachte Admiral Winstel Greelanx an den jungen Schmuggler, der ihm das Angebot der Hutts überbracht hatte. Ein Angebot, das er niemals hätte ausschlagen können. Hatte der junge Mann gespürt, daß mehr im Gange war, als der Admiral ihm mitteilte?

Es schien sich um einen intelligenten jungen Burschen zu handeln. Greelanx würde bereitwillig darauf wetten, daß er früher einmal eine imperiale Uniform getragen hatte. Warum mochte er den Militärdienst verlassen haben und ein Gesetzloser geworden sein?

Der Admiral haßte den Gedanken, daß der junge Schmuggler vielleicht eines der Wesen sein würde, die er töten mußte, um seinen Angriff auf Nar Shaddaa glaubwürdig erscheinen zu lassen. Greelanx betrachtete die Streifenmuster der Sterne, dachte nach… und sorgte sich. Wie habe ich mich bloß in diese Lage manövriert? fragte er sich. Und wie, im Namen all dessen, was mir heilig ist, komme ich da wieder raus?

 

Durga der Hutt arbeitete in seinem Büro, als ein Servicedroide in den Raum gerollt kam. »Sir! Sir! Lord Aruk ist krank! Bitte, folgt mir!«

Der junge Hutt-Lord legte den Datenblock hin und wand sich hinter dem Droiden flink durch endlose Korridore in der riesigen Enklave der Besadii. Er fand seinen Vater schlaff und mit nach oben verdrehten Augen ausgestreckt auf seiner Schwebesänfte liegend. Aruks Leibarzt, ein Hutt namens Grodo, machte sich, assistiert von zwei Medidroiden, an dem bewußtlosen Clanführer der Besadii zu schaffen.

»Was ist passiert?« verlangte Durga atemlos zu wissen, während er noch auf die Gruppe zuhielt. Sein Schwanz trieb ihn mit langen, schnell aufeinanderfolgenden Schlägen vorwärts. »Kommt er wieder in Ordnung?«

»Das wissen wir noch nicht, Sir«, entgegnete der Leibarzt schroff. Er bemühte sich intensiv um den ohnmächtigen Hutt, setzte einen Injektor an und verabreichte anschließend Sauerstoff. Eine Pumpe zur Stimulation des Blutkreislaufs wurde an seiner Körpermitte angebracht, die sanfte Energiestöße durch den mächtigen Körper jagte, um Aruks Herzschlag zu stabilisieren.

Aruks von grünem Schleim bedeckte Zunge hing ihm lose aus dem Maul. Der Anblick jagte Durga blankes Entsetzen ein. Der junge Hutt zwang sich dazu, ein paar Meter vor dem Geschehen zu verharren, um nicht im Weg zu stehen.

»Er sprach gerade mit seinem Schreiber, um Anweisungen zu irgendwelchen Arbeiten zu erteilen, als er, wie der Droide berichtete, einfach in sich zusammengesunken ist.«

»Was, denken Sie, hat diesen Zustand verursacht?« wollte Durga wissen. »Soll ich die Sicherheitswachen verständigen, damit sie das Gelände abriegeln?«

»Nein, Sir«, antwortete Grodo. »Das hier ist das Resultat eines Hirnschlags. Ich nehme an, aufgrund seines geschwächten Kreislaufsystems. Wie Ihr wißt, habe ich Euren Vater davor gewarnt…«

»Ja, ja, ich weiß«, sagte Durga. In seiner Sorge umklammerte er die Kante eines niedrigen, mit Einlegearbeiten geschmückten Tisches und bemerkte erst, mit welcher Kraft er zupackte, als ihm das massive Holz unter den Händen zersplitterte.

Es vergingen Minuten, bis Aruk plötzlich blinzelte, sich bewegte und dann langsam aufrichtete. Er wirkte äußerst verwirrt. »Was?« krächzte er mit tiefer, rauher Stimme. »Was ist passiert?«

»Ihr seid zusammengebrochen, Euer Lordschaft«, erwiderte Grodo. »Eine Art Hirnschlag. Verursacht durch Sauerstoffmangel im Gehirn, vermute ich.«

»Ohne Zweifel verursacht durch eine Kreislaufschwäche«, grunzte Aruk. »Nun… ich fühle mich wieder gut. Abgesehen davon, daß mir der Kopf dröhnt.«

»Ich kann Euch ein leichtes Medikament gegen den Schmerz verabreichen, Euer Lordschaft«, sagte der Leibarzt und zückte den Injektor. Kurz darauf seufzte Aruk vor Erleichterung. »Viel besser.«

»Lord Aruk«, fuhr der Arzt streng fort. »Ich möchte, daß Ihr mir versprecht, zukünftig besser auf Euch achtzugeben. Laßt Euch diesen Zwischenfall eine Warnung sein.«

Aruk knurrte mit einer Stimme, die aus den Tiefen seiner enormen Brust drang: »In meinem Alter sollte man tun und lassen dürfen…«

»Bitte, Vater!« platzte Durga heraus. »Höre auf Grodo! Du mußt in Zukunft kürzertreten!«

Der Besadii-Lord brummte etwas, dann seufzte er: »Also gut, ich verspreche, daß ich mich jeden Tag mindestens eine halbe Stunde bewegen werde. Und ich werde mir die Wasserpfeife abgewöhnen.«

»Und das üppige Essen«, rief der Leibarzt, der die Gelegenheit beim Schopf ergriff, triumphierend.

»Also schön«, grollte Aruk. »Alles, bis auf meine geliebten Nalabaum-Frösche. Auf die werde ich nicht verzichten.«

»Ich denke, wir können Euch eine Spezialität gestatten, Exzellenz«, sagte Grodo, der sich jetzt, im Lichte seines Triumphes, bereit zeigte, Großmut walten zu lassen. »Sofern Ihr alle übrigen schweren Speisen aufgebt, könnt Ihr Euch täglich getrost eine vernünftige Menge Nalabaum-Frösche gönnen.«

Durga war so erleichtert zu sehen, daß Aruk sich erholte, daß er jetzt zu seinem Vater glitt und diesem die kleine Hand auf den breiten Nacken legte. »Du mußt besser auf dich aufpassen, Vater. Ich werde dir bei den täglichen Übungen Gesellschaft leisten. So wirst du sicher mehr Freude daran haben.«

Aruks breites Maul klappte auf, während er seinen Nachkommen ansah. »Schön, mein Kind. Ich verspreche dir, besser auf mich aufzupassen.«

»Die Besadii brauchen dich«, sagte Durga. »Du bist unser größter Führer, Vater.«

Aruk schmollte zwar noch ein wenig leise vor sich hin, aber Durga konnte sehen, daß die offensichtliche Besorgnis seines Sohnes ihn freute.

Der junge Hutt-Lord ließ seinen Vater in der Obhut des Leibarztes und des assistierenden Medidroiden und kehrte bis ins Mark erschüttert in sein Büro zurück. Einen Moment lang hatte er geglaubt, Aruk würde sterben und er würde den Besadii-Clan ganz allein führen müssen. Durga war dabei zu einer erschreckenden Erkenntnis gelangt: Er war noch nicht soweit!

Besonders jetzt, da uns diese Krise ins Haus steht, dachte er. Die Imperiale Flotte ist womöglich bereits auf dem Weg, Nar Shaddaa anzugreifen.

Aruk hatte seinem Nachkommen versichert, er müsse sich keine Sorgen machen, da die Imperialen den Besadii oder Ylesia keinen Schaden zufügen würden. »Wir versorgen sie schließlich mit Sklaven«, hatte der alte Hutt zuversichtlich geäußert. »Der Imperator braucht Sklaven. Und daher brauchen sie die Besadii.«

Durga hoffte inständig, daß sein Vater mit dieser Auffassung recht behalten würde…