Kapitel 29
»Steh auf!«
Mitch versuchte aufzuwachen, beschloss dann aber, es lieber bleibenzulassen, und drehte sich um.
»Steh. Auf!«
»Was?«
»Du musst los … sofort!«
Kleider trafen ihn im Gesicht. »Zieh dich an und verschwinde von hier!«
»Behandelst du alle deine Männer so, Sissy?«
Ronnie erschien im Türrahmen. »Warum ist er noch hier?«
»Weil er sich nicht rührt!«
Mitch setzte sich auf. »Was zum Henker ist los?«
»Daddy.«
Er runzelte die Stirn. »Fang bloß nicht an, mich so zu nennen, Sissy. Ich bin keiner dieser Typen, die das geil finden.«
»Nicht du, du Idiot. Mein Daddy.«
»Was ist mit ihm?«
»Sie kommen nach Hause.« Ronnie hob die Kleider auf, die Sissy nach ihm geworfen hatte, und warf sie ihm an den Kopf. »Unsere Eltern kommen in einer Stunde nach Hause. Also steh endlich auf!«
»Brendon und du werdet Ronnies Haus saubermachen. Wir putzen dieses hier.«
»Ladys … seid ihr nicht ein bisschen zu alt dafür?«
Die zwei Wölfinnen gingen auf ihn los, und er hob die Hände, bevor sie anfangen konnten, ihn zu schlagen. »Na gut, na gut. Ich gehe.«
Alle Möbel standen wieder an ihrem Platz, und alles, was während des Kampfes zwischen der Löwin und Dee beschädigt worden war, war repariert oder versteckt. Die Bettwäsche war gewechselt, nahezu jede vorhandene Oberfläche war geschrubbt, und jegliches Anzeichen von Katzen-DNS war beseitigt. Sissy drehte gerade die Sofakissen um, um die Krallenspuren zu verstecken, als sie hörte, wie der Truck draußen vorfuhr.
»Sie sind da!« Ronnie rannte die Treppe herab, Dee war direkt hinter ihr. »Sie sind da!«
»Ich weiß! Ich weiß!« Sissy drückte die Kissen fest und rückte sie zurecht, bis sie perfekt aussahen.
Autotüren wurden zugeschlagen, und sie hörte die Stimme ihres Vaters, der sich leise über etwas beschwerte, und das Lachen ihrer Mutter als Reaktion. Als ihre Schritte auf der Veranda zu hören waren, hastete Sissy zurück und suchte mit Blicken den ganzen Raum ab, ob noch etwas übrig war, das ihrer Momma einen Hinweis geben konnte.
Die Tür zum Wohnzimmer wurde geöffnet, und Ronnie und Dee reihten sich neben ihr auf. Ihre Momma trat ein und blieb stehen, als sie ihre Tochter sah. Ihre Augen wurden schmal, und sofort schweifte ihr anklagender Blick durch den Raum.
»Beweg dich, Frau! Ich bin müde.« Bubba Smith betrat den Raum, blieb aber ebenfalls stehen, als er seine Tochter erblickte. »Sissy Mae?«
»Hi, Daddy.« Sie ging rasch zu ihm und umarmte ihn. »Hattet ihr einen schönen Urlaub?«
Bubba grunzte. »Ich wäre besser zu Hause geblieben.«
»Du kannst aufhören, das ständig zu wiederholen, wir sind ja wieder zu Hause.« Ihre Mutter ließ ihre Handtasche auf den Tisch fallen. »Ronnie Lee, deine Eltern sind bei euch zu Hause … wo du auch sein solltest.«
»Äh … na ja …«
Janie blinzelte. »Guter Gott … Dee-Ann?«
»Hi, Tante Janie.«
»Himmel, Mädchen! Komm her zu mir!« Dee ließ sich von ihrer Tante umarmen. »Ich bin so froh, dass du wieder zu Hause bist!«
»Ich auch.«
Janie löste sich von ihr. »Was ist mit deinem Gesicht passiert? Und warum humpelst du?« Sie schürzte die Lippen. »In was hat Sissy dich jetzt wieder hineingezogen?«
»Das reicht! Ich gehe.«
Bubba hielt seine Tochter am Arm fest, bevor sie davonlaufen konnte. »Ihr hört jetzt sofort auf damit!« Er zog Sissy vor sich und tätschelte sie mit liebevollem Blick unterm Kinn. »Also, wie wäre es, wenn du mir sagst, was hier los ist, Shug?«
Mitch nahm den süßen Tee, den Ronnies Mutter ihm reichte. Er schenkte ihr ein Lächeln, das sie nicht erwiderte. Sie nahm ihr eigenes Glas und setzte sich ihm und Bren gegenüber auf die Couch.
»Also, wo ist sie?«
»Drüben bei Sissy.«
Die Frau stieß ein langes Seufzen aus. »Typisch. Drüben bei Sissy, aber nicht hier, um mich zu begrüßen. Oder ihren Daddy.«
Mitch öffnete den Mund, um Ronnie zu verteidigen, doch Bren stieß leicht mit dem Knie gegen das seines Bruders.
»Habt ihr Hunger?« Bren nickte, und Miss Tala seufzte erneut. »Na gut. Ich schätze, das bedeutet, dass ich euch etwas kochen muss, da meine Tochter ja nicht hier ist, um sich um ihren Mann zu kümmern.«
Wieder wollte Mitch ihr sagen, dass sie gar nichts tun musste, doch Bren rammte ihm den Ellbogen in die Rippen.
Sie stand auf und schaute auf die beiden Kater herab. »Ist Steak für euch in Ordnung?«
Die Brüder nickten.
»Die Jungs sind mit ihrem Daddy draußen im Garten. Ich schätze, ich muss auch für sie genug machen.« Sie schüttelte den Kopf und verließ den Raum.
»Bren …«
»Kein Wort, Mitch. Kein Wort.«
Bubba begleitete seine jüngste Tochter zu ihrem Mietwagen. Sie hatte ihm alles erzählt … na ja, sie hatte ihm genug erzählt. Genug, um zu wissen, dass er sie hätte verlieren können.
Genug, um zu wissen, dass sie verrückt nach einem verdammten Kater war. Sie hatte es nicht ausgesprochen, aber Bubba erkannte die Anzeichen. Er machte dem Kater keinen Vorwurf – es bedeutete nur, dass der Kerl einen guten Geschmack hatte. Aber er hatte immer gehofft, Sissy würde einen netten Wolf finden, um eine Familie zu gründen. Letzten Endes zählte für ihn aber nur, dass seine Kleine glücklich war.
Und weil sie ihrer Momma sehr ähnlich war, genügte nicht irgendwer, damit sie glücklich blieb.
»Und morgen macht er also seine Aussage?«
»Es gibt irgendeine Vorbereitung oder so etwas, aber so ähnlich, ja.«
»Wirst du ihn begleiten?«
»Ja, Sir.«
»Und danach?«
»Daddy … ich weiß es nicht. Ich liebe ihn.«
»Ich weiß.« Bubba küsste ihre Stirn. »Aber vergiss nicht, Sissy Mae, deine Meute braucht dich. Und du brauchst sie noch mehr.«
Sie schlang die Arme um ihn und schenkte ihm eine ihrer warmherzigen Umarmungen. »Ich weiß, Daddy.«
»Ich hab dich lieb«, erinnerte er sie schroff und trat zurück. »Und jetzt machst du dich besser auf den Weg. Du hast einen langen Flug vor dir.«
Bubba stand auf der Veranda und schaute seiner Kleinen nach, als sie wegfuhr, und Dee-Ann winkte ihr hinterher und machte sich dann zu Fuß auf den Weg in den Wald, zurück zu Eggies Haus.
»Alles wird gut, Schatz.« Janie legte ihm den Arm um den Hals. »Mach dir keine Sorgen.«
Bubba rieb den Kopf an Janies Wange. Sie hatte immer noch die weichste Haut von allen.
»Ich gehe rein und sehe mich mal gründlich um«, sagte sie. »Deine Tochter hat uns etwas verheimlicht.«
»Weißt du«, sagte er, nachdem er sie auf die Wange geküsst hatte und ihr nun nachsah, wie sie davonschlenderte: »Ich habe etwas bemerkt, als Sissy uns erzählt hat, was hier los war.«
»Ach?«, fragte Janie, als sie die Fliegengittertür öffnete. »Was denn?«
»Ich habe bemerkt, dass du das, was sie uns erzählte, schon zu wissen schienst. Und du hast in den letzten ein, zwei Tagen ziemlich viele Anrufe von deinen Schwestern bekommen.«
Seine Gefährtin hielt kurz vor der Tür inne, lächelte und betrat das Haus.
Grinsend legte Bubba die Hände an die Hüften und schaute auf sein Revier hinaus. Er war so froh, wieder zu Hause zu sein. Diese Schiffe und Ausflüge und Kreuzfahrten konnten die anderen behalten – wenn man ihn fragte, war das die reinste Zeitverschwendung.
Seine Brüder kamen aus dem Gehölz; sie waren schon verwandelt und hatten Lust auf eine ordentliche Jagd. Lächelnd zog Bubba seine Kleider aus und begann sich zu verwandeln.
»Verdammt!«, hörte er Janie im Wohnzimmer schreien. »Was zum Henker ist mit meinen Sofakissen passiert?«
Sie stürmte zurück auf die Veranda, ein Sofakissen in der Hand, doch als sie Bubba die Treppe hinunter auf seine Brüder zutrotten sah, blaffte sie: »Und dass ihr mir ja nicht wieder Tauziehen mit diesem verdammten Krokodil spielt!«