M ittlerweile war es schon über einen Tag her, dass Chase und Jane sich das letzte Mal gesehen hatten. Und es kam ihm vor wie eine Ewigkeit.
Er konnte sich nicht vorstellen, dass gerade mal eine Woche vergangen war, seit er sie kennengelernt hatte. Und jetzt saß er da und konnte an kaum etwas anderes denken, als sie anzurufen. Sie zu sehen. Zu berühren.
Und zum ersten Mal seit Jahren hatte sein Vater etwas ganz Wunderbares für ihn getan: Er hatte Chase angerufen, um ihm Bescheid zu geben, dass Jessie MacKenzies Kaution auf dreißigtausend Dollar gesenkt worden war. Und damit hatte Chase einen Grund, Jane anzurufen.
Ohne zu atmen wählte er ihre Nummer. Ob sie wohl sauer war, weil er sie vorgestern einfach so zu Hause abgesetzt hatte? An dem Abend war er völlig durcheinander gewesen: besorgt, weil sie so erschöpft war; durcheinander wegen ihrer Vergangenheit; verletzt, dass sie ihn über ihre Identität belogen hatte, und stinksauer, dass sie ihn mit den „bösen Jungs“ in einen Topf geworfen hatte. Das Letzte, woran er gedacht hatte, war Sex gewesen.
Aber jetzt, wo ihr Handy schon so lange klingelte, dass sicher gleich die Mailbox anspringen würde, nagte das Bedauern mit kleinen spitzen Zähnen an ihm.
„Chase?“
Ihre Stimme erschreckte ihn so sehr, dass er im ersten Moment nicht antwortete.
„Hallo?“
„Jane! Hi. Tut mir leid, ich war … Wie geht es dir?“
„Oh, ganz gut! Ich habe nur … Nein, eigentlich ist alles in Ordnung. Ich mache mir nach wie vor Sorgen, aber es geht mir gut.“
„Du klingst auch gut.“ Das tat sie tatsächlich. Sie klang … vertraut. „Ich habe gehört, dass Jessies Kaution herabgesetzt worden ist. Das sind ja tolle Neuigkeiten!“
„Ja, und ich hoffe, das bedeutet, dass sie wegen des ermordeten Mädchens in eine andere Richtung weiterermitteln. Aber jetzt überlegt meine Mutter, die Kaution zu bezahlen, und … ach, ich weiß nicht.“ Jane versank in nachdenkliches Schweigen.
„Hör mal“, sagte Chase. „Ich würde dir gern einen Vorschlag machen.“
„Welchen denn?“
Er war sich fast sicher, dass ein Anflug von Interesse in ihrer Stimme mitgeschwungen hatte. Seine Freude darüber kam ihm irgendwie erbärmlich vor. „Ich hab heute eine Sprengung. Willst du dabei sein?“
„Du … was?“
„Ich sprenge heute. Und ich dachte, bei allem, was gerade los ist bei dir, könnte es dir guttun mitzukommen. Ich kenne kein besseres Mittel gegen Stress als eine ordentliche Explosion.“
„Ist das dein Ernst?“
„Mein voller. Eine Sprengung, Mann, kapierst du? Bumm!“, brüllte er enthusiastisch in den Hörer.
„Autsch! Ich glaube, das hat sogar der Haushalt nebenan mitbekommen.“
Chase musste zwar lachen, trotzdem klammerte er sich vor Nervosität an seiner Kaffeetasse fest. „Also, es soll heute früh um zehn losgehen. Wahrscheinlich musst du arbeiten, aber …“
Jane räusperte sich. „Nein, muss ich nicht. Mr Jennings hat mir ein paar Tage freigegeben. Aber bringst du dich damit nicht in Schwierigkeiten?“
„Wie meinst du das? Wegen der Vorschriften? Solange wir uns das aus sicherem Abstand angucken, ist die Versicherungsgesellschaft zufrieden.“
„Nein, ich meinte, mit deinem Boss.“
„Mein Boss?“ Er nahm die Füße vom Schreibtisch und setzte sich kerzengerade auf. „Wovon redest du? Ich bin der Boss.“
„Okay.“ Sie seufzte. „Was ist mit dem Geschäftsführer? Hat er sicher kein Problem damit, wenn du …“
„Du hältst mich echt für den letzten hirnlosen Muskelberg, oder?“ Er konnte tatsächlich hören, wie sie die Zähne aufeinanderbiss. Das Geräusch brachte ihn zum Lachen. „Du versnobte kleine Tussi! Du bist nie auch nur auf den Gedanken gekommen, oder?“
„Ich verstehe nicht, was …“
„Ich bin der Geschäftsführer von Extreme Excavations, Jane. Das Unternehmen gehört mir. Ich spiele die Rolle des respektablen Geschäftsmanns zwar nicht sonderlich gut, aber der Schein kann trügen.“
„Der Laden gehört dir?“
Ihre Fassungslosigkeit machte ihn ein kleines bisschen wütend, doch Chase ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Jepp. Ich habe EE vor sechs Jahren aus dem Nichts hochgezogen.“
„Aber … ich hatte ja keine Ahnung!“
„Vielleicht liegt das daran, dass du viel zu beschäftigt damit warst, mich als Geburtstagsgeschenk zu benutzen, um mir irgendwelche Fragen zu stellen.“
„Oh, also …“
Chase hielt den schuldbewussten Tonfall ihrer Stimme für einen Hinweis auf akute Schwäche. Das musste er ausnutzen. „Also, soll ich dich in einer halben Stunde abholen?“
Dreißig Minuten später kletterte Jane in seinen Truck.
Bis Chase sie gesehen hatte, war er sich ziemlich sicher gewesen, dass er bei diesem Date die Oberhand behalten würde. Aber ihr Aussehen schockierte ihn dermaßen, dass es ihm einfach die Sprache verschlug. Nicht, weil sie umwerfend aussah, sondern weil sie normal aussah. Jane Morgan trug Jeans. Und ein T-Shirt. Und eine Sonnenbrille. Ihr Pferdeschwanz wippte, als sie auf den Beifahrersitz rutschte. Chase hätte sie im Leben nicht erkannt, wenn sie auf der Straße an ihm vorbeispaziert wäre. Was vielleicht Sinn und Zweck des Ganzen war.
„Jetzt sieh sich das einer an“, sagte er verblüfft. „Sieh dich selber an! Warst du beim Frisör?“
„Ja, hab die Matte ein bisschen stutzen lassen.“ Er strich sich über den Kopf. Durch die kurzen Haare konnte man noch mehr von seinem Tattoo erkennen. Obwohl Chase so tat, als würde er sich voll und ganz auf den Verkehr konzentrieren, sah er aus dem Augenwinkel, dass Janes Blick fast ohne Unterbrechung auf seinem Hinterkopf ruhte. Er hatte an sie gedacht, als der Frisör zum Rasierer gegriffen hatte.
Als er auf den fast leeren Highway aufgefahren war, wagte Chase einen längeren Blick in Janes Richtung. In den dunklen Jeans und dem langärmligen Oberteil sah sie zum ersten Mal aus wie eine Frau Ende zwanzig. Und das enge Shirt verbarg ihre Figur nicht im Geringsten. Zum Glück hatte sie eine Jacke mitgebracht, die sie auf der Baustelle sicher anziehen würde. Das hoffte Chase jedenfalls, denn er war wirklich nicht in der Stimmung, den Anblick von Janes Kurven mit seinen Männern zu teilen.
Sie räusperte sich, was sie offenbar immer tat, wenn sie nervös war. „Dein Dad war echt toll. Jessies Anwältin ist ziemlich beeindruckt von ihm.“
„Er trinkt auch weniger. Das ist gut für deinen Bruder.“ „Und für dich auch“, fügte Jane leise hinzu.
Chase zuckte die Achseln. „Manchmal hat er gute Phasen. Dann trinkt er weniger und arbeitet ein, zwei Wochen lang. Einmal hatte er eine Freundin, für die er ein paar Monate lang trocken war. Aber es hält nie lange an.“
„Das tut mir leid.“
Er spürte, wie er die Zähne zusammenbiss, und zwang sich, seine Kiefermuskeln wieder zu entspannen. „Er ist vom alten Schlag und glaubt nicht daran, dass Entzugskliniken etwas bringen. Ich bezweifle, dass er jemals mit dem Trinken aufhören wird. Glücklich bin ich darüber natürlich nicht, aber seit ich sein Bier nicht mehr bezahle, geht es mir besser damit.“
Er fuhr vom Highway ab und bog in eine holprige, verschlammte Straße ein, an deren Ende die riesige Baustelle zu sehen war. „Ich muss die Baustelle erst begehen. Ehe gesprengt wird, fahren wir wieder ein bisschen weiter weg. Ich will nicht, dass du Steinsplitter abbekommst, und außerdem besteht der Typ von der Versicherung darauf. Der Mann ist vollkommen paranoid.“ Er sprang aus dem Wagen und ging zur Beifahrertür. „Willst du, dass ich mitkomme?“
„Absolut!“
Zum Glück zog sie die schwarze Kapuzenjacke über und machte den Reißverschluss zu, wodurch ihre Kurven wenigstens einigermaßen entschärft waren. Chase seufzte erleichtert in sich hinein und unterdrückte den Impuls, sie bei der Hand zu nehmen. Jane würde sicher nicht wollen, dass er sie als seine Freundin präsentierte – auch wenn er sie sehr gerne als sein Eigentum markiert hätte, allein schon, um die anderen Männer von ihr fernzuhalten.
Die Überprüfung der Sprengladungen dauerte eine gute Viertelstunde. Danach ging Chase ein letztes Mal die Pläne durch. Alles war in Ordnung.
„Chase!“, rief einer seiner Techniker und joggte zu ihm herüber. Er wedelte mit einem gelben Papier herum, das Chase als Genehmigung erkannte.
„Nur eine Sekunde, Jane. Ich bin gleich wieder da.“
Jane sah Chase hinterher, wie er mit großen, selbstsicheren Schritten davonlief. Sein Selbstbewusstsein war ihr ja vorher schon positiv aufgefallen, aber hier … hier war er ganz in seinem Element. Er war der Chef.
Seine Männer nickten ihm grüßend zu, als er an ihnen vorbeikam, und sein Stellvertreter ließ ihm den Vortritt, obwohl er gut zehn Jahre älter war als Chase.
Warum war sie nie darauf gekommen?
Ja, sie war ein Snob. Sie ließ sich von Vorurteilen leiten. Dabei besaß auch Mac sein eigenes Unternehmen, und auch er trug niemals Anzug und Krawatte.
Verborgen hinter ihrer dunklen Sonnenbrille beobachtete sie Chase bei der Arbeit. Vielleicht hatte sie ihn nur deswegen für einen Bauarbeiter gehalten, weil sie sich gewünscht hatte, dass er einer war. Denn wenn Chase zusätzlich zu seinen Tattoos und seinen rauen Händen auch noch ehrgeizig und erfolgreich war, dann …
Sie sah zu, wie er die Arme verschränkte und mit zur Seite geneigtem Kopf das Dokument las, das ihm sein Vorarbeiter hinhielt. Dann nickte er und schlug dem Mann auf die Schulter, ehe er sich zu Jane umdrehte. Als er aufblickte und sie ansah, verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln.
Tief in Janes Brust zog sich etwas zusammen. Es war nicht ihr Herz. Unmöglich. Es musste etwas anderes sein, ihr Magen vielleicht. Trotz seiner Muskeln hatte Chase das Lächeln eines frechen kleinen Jungen.
Er war einfach unfassbar süß. Und das war der Grund, warum es besser gewesen wäre, wenn er nur ein perspektivloser Bauarbeiter gewesen wäre.
Das hier war nicht gut. Überhaupt nicht gut.
Sie hätte niemals mitkommen dürfen. Sie hätte zu Hause bleiben und darüber nachdenken sollen, was Chases Enthüllung für sie bedeutete.
Aber sein Angebot war einfach unwiderstehlich gewesen. Als er angerufen hatte, war sie schon seit einer Stunde ruhelos in ihrer Wohnung auf und ab getigert und hatte verzweifelt nach etwas gesucht, mit dem sie sich bis zu Jessies Anhörung ablenken konnte, die auf drei Uhr festgesetzt war. Als sie von der Explosion gehört hatte, war sie kurz davor gewesen, vor Erleichterung loszuheulen. Aber jetzt war ihr ganz und gar nicht mehr nach Weinen zumute. Denn jetzt hatte sie Schmetterlinge im Bauch.
„Können wir?“, fragte Chase so plötzlich, dass Jane vor Schreck einen kleinen Satz zur Seite machte.
„Äh, ja“, stammelte sie. „Na klar.“
„Na, dann komm.“ Für einen kurzen Moment ruhte seine Hand auf ihrem Rücken, dann ließ er sie sinken. Der leichte Druck seiner Finger prickelte noch lange nach, während sie über die große Baustelle zu seinem Wagen gingen. Jane zwang sich, ruhig zu atmen. Ehe sie in den Truck stieg, drehte sie sich noch einmal zu der riesigen, zerklüfteten Felswand um, die von perfekten kleinen Löchern durchsetzt war, die durch rote Drähte miteinander verbunden waren. „Und das bisschen Dynamit reicht aus?“
Chase zwinkerte ihr zu. „Ziemlich sicher.“ Als er ihr in den Wagen half, legte er ihr die Hände um die Taille und ließ sie dann langsam über ihre Hüften gleiten. Die Lust schoss durch sie hindurch wie ein Vorgeschmack auf die Explosion, die sie gleich sehen würde, und ließ Janes Gedanken in winzige, gleißende Splitter zerbersten.
„Wohin fahren wir?“
„Nur bis zu den Bäumen da drüben.“ Er zog einen Schutzhelm hinter ihrem Sitz hervor. „Den wirst du brauchen.“
„Oh, wie hübsch!“ Sie setzte sich den Helm auf den Kopf.
„Sieht gar nicht übel aus. Wenn du den mit sexy Unterwäsche kombinierst, wirst du schon sehen, was ich davon halte.“
„Hm, wahrscheinlich dasselbe wie von einer Kombination aus einer Narrenkappe und sexy Unterwäsche.“
„Möglich.“ Oh Gott, schon wieder dieses Lächeln.
Jane krallte die Finger in ihre Oberschenkel. „Und jetzt erzähl mal: Wie bist du dazu gekommen, beruflich Sachen in die Luft zu jagen?“
„Ich mache viel mehr als das!“, protestierte er.
„Ja, ja, ich habe schon verstanden. Es ist dein Laden. Aber Sachen in die Luft zu jagen ist das, was du liebst, oder? Deine Augen funkeln nämlich gerade wie Diskokugeln.“
„Ha! Okay, ja, ich liebe es. Ich habe mit sechzehn angefangen, auf dem Bau zu arbeiten. Und als ich zum ersten Mal eine Sprengung miterlebt habe, war ich völlig hin und weg. Ich konnte einfach nicht glauben, dass man damit wirklich Geld verdienen kann! Also habe ich mich ins Aushubteam hochgearbeitet, und damit war mein Schicksal besiegelt.“
„Ich kann nur sagen, dass ich ausgesprochen froh bin, dass du einen Weg gefunden hast, deine Energien positiv einzusetzen.“
Er zwinkerte. „Alles andere hätte direkt in den Abgrund geführt. Aber zum Glück gehöre ich ja zu den Guten.“
In der Tat. Er war einer von den Guten. Und all dies Gute fing langsam an, zu Jane durchzudringen. Unaufhaltsam bahnte es sich seinen Weg durch ihre Poren, wenn sie versuchte, bedeutungslosen Sex mit Chase zu haben. Was hatte sie sich bemüht, sich mit Greg so wohlzufühlen! Und mit Mitch. Und mit all den gesellschaftlich akzeptablen Männern, mit denen sie davor zusammen gewesen war. Letztendlich hatten all diese Beziehungen sich angefühlt wie … wie Arbeit. Sie war immer auf der Hut gewesen, hatte nie ihre Deckung heruntergelassen.
Mit Chase fühlte sie sich lebendig. Auf dieselbe Weise wie beim Boxen. Aber es gab Leute, die Gefahr brauchten, um sich lebendig zu fühlen. Die für den Kick Drogen nahmen oder klauten. Sich durch die Betten schliefen. Sich lebendig zu fühlen bedeutete noch lange nicht, dass man gut auf sich achtete.
„Das sollte reichen“, sagte Chase und fuhr rückwärts unter einen großen Ahornbaum. Die frischen Blätter flatterten im Wind und ließen das Sonnenlicht in tanzenden Flecken aufs Gras fallen.
Chase half ihr aus dem Wagen, doch zu ihrer Überraschung hob er sie wieder hoch, kaum dass ihre Füße den Boden berührt hatten.
„Oh!“
Er setzte sie auf die Motorhaube. „Von hier aus haben wir bessere Sicht.“ Seine Hände lagen auf ihren Schenkeln, sehr dicht an einer Stelle, die ziemlich interessant auf Chases Nähe reagierte.
„Gut“, murmelte Jane. Die harmlose Berührung reichte aus, um ihre Atmung zu beschleunigen.
„Rutschst du mal ein Stück?“
Sie glitt über die warme Motorhaube und fand eine Stelle, an der sie sich bequem gegen die Windschutzscheibe lehnen konnte.
„Bitte lass die Sonnenbrille auf, falls doch Splitter fliegen“, wies er sie an, während er seine eigene Sonnenbrille aufsetzte und sich zurücklehnte. Sie saßen dicht nebeneinander, und Jane war nicht wirklich überrascht, als er seine große Hand unter ihre schob und seine Finger mit ihren verschränkte. Und trotzdem rührte seine Geste etwas in ihr an. Etwas Warmes und Zerbrechliches und erschreckend Weiches.
„Und was liebst du so?“, fragte er.
Das warme, weiche Ding in ihr begann vor Angst zu zittern.
„Was?“
„Ich liebe es, Sachen in die Luft zu jagen. Und du?“
„Oh, ich schätze …“ Nervös suchte sie nach einer passenden Antwort. Was liebte sie denn? Sie ging gerne boxen, aber das brachte ihre Augen nicht zum Glänzen. Das Boxen war nur eine Möglichkeit, Dampf abzulassen. „Ich … ich liebe meinen Job.“
Sie sah im Augenwinkel, wie er ihr den Kopf zuwandte, hielt den Blick aber weiter stur geradeaus gerichtet.
„Sekretärin sein? Ans Telefon gehen und solches Zeug?“
„Nein, ich meine … Ich liebe das Gefühl, gut darin zu sein. Respektiert zu werden. Einen Wert zu haben.“ Sie zögerte kurz, dann fuhr sie fort: „Kann ich dir ein Geheimnis anvertrauen?“
„Ja!“, sagte er wie aus der Pistole geschossen, so als hätte er seit Tagen auf nichts anderes gewartet.
Jane schenkte ihm ein Lächeln. „Und du wirst es wirklich niemandem erzählen?“
„Das weißt du doch, Jane. Ich werde schweigen wie ein Grab.“
Sie nickte. „Okay. Dann mal raus mit der Wahrheit. Ich bin nicht nur die Sekretärin von Jennings Architecture. Ich bin Teilhaberin.“
Oh ja, sie hatte ihn voll erwischt. Seine Augen waren zwar hinter der Sonnenbrille verborgen, aber sein Mund stand offen vor Verblüffung. Ha! Das würde ihn lehren, seinen Erfolg hinter schmuddeligen Jeans und verblichenen T-Shirts zu verstecken.
„Wirklich“, fuhr sie fort. „Als MrJennings den Laden eröffnet hat, konnte er mir kein richtiges Gehalt bezahlen. Also hat er angeboten, mich am Gewinn zu beteiligen. Ich bin die Sekretärin und die Empfangsdame und die Buchhalterin, aber ich bin noch mehr als das. Mr Jennings berät sich bei großen Entscheidungen mit mir – welche Risiken er eingehen soll, mit wem er langfristig zusammenarbeitet, solche Dinge. Er schätzt meine Meinung. Ich hätte nie gedacht, dass ich …“ Jane verstummte in Anbetracht ihrer eigenen Verletzlichkeit. „Es sind keine Explosionen, und Dynamit gibt es bei Jennings Architecture auch nicht, aber … ich liebe meine Arbeit. Sehr sogar.“ Ein durchdringendes Schrillen durchschnitt die Stille. „Was war das?“
„Das Warnsignal“, murmelte Chase.
Sie umschloss seine Hand noch ein bisschen fester. „Dann passiert es jetzt?“
„Jepp. Bist du bereit?“ „Absolut.“
Ein letztes Mal ertönte das Schrillen, dann war eine laute, computersimulierte Frauenstimme zu hören: „Fünf, vier, drei, zwei …“ Jane hielt den Atem an und zog Chases Hand an ihr Herz, und dann … Bummmm! Die Druckwelle schüttelte sie durch wie eine riesige unsichtbare Hand. Darauf folgte Stille. Absolute Stille – und dann das Geklapper von Steinen. Gigantische Staub- und Rauchwolken bauschten sich auf. Dann kam der Adrenalinschub.
„Wow!“
„Hat es dir gefallen?“
Eigentlich war ja gar nichts passiert. Gut, etwas war in die Luft geflogen, aber das war dann auch schon das Ende der Geschichte. Trotzdem hämmerte ihr Herz wie verrückt vor Aufregung. „Das war … Das war der Wahnsinn!“
„Und von Nahem ist es noch besser! Das hier war nur eine kleine Sprengung, aber ich dachte, für den Anfang ist das schon mal nicht schlecht.“
„Es war toll. Danke, dass du mich eingeladen hast.“ Seine Knöchel streiften ihren Hals, und sie bemerkte, dass sie noch immer seine Hand umklammert hielt. Sie zwang sich, loszulassen, doch das führte dazu, dass er seine Hand an ihre Wange legte und ihren Kopf zu sich drehte.
Seine Lippen berührten ihre. Zu dem Adrenalin in ihrem Blut gesellte sich Lust, die ebenfalls eine Art Explosion auslöste. Jane streichelte ihm über den Nacken. Seine frisch geschnittenen Haare kitzelten auf ihrer Haut, während seine Zunge nach ihrer suchte.
Wie immer, wenn Chase sie berührte, wollte sie ihn. Hier und jetzt. Aber diesmal verlieh das Adrenalin ihrem Verlangen eine bisher unbekannte gefährliche Note. Sie wollte auf ihn, in ihn, wollte ihn besitzen. Sie versuchte, ihre Hand in seinem kurzen Haar zu vergraben.
Chase wich zurück. „Jane … wir können nicht. Nicht hier, wirklich!“
„Weiß ich doch!“ Sie lachte.
Er küsste sie wieder, kostete von ihr, stieß vor in ihren feuchten Mund. Oh Gott, ja, das hier war, was sie wollte. Genau das hier.
„Meine Wohnung“, flüsterte sie, während Chase an ihrer Unterlippe knabberte, „ist nur drei Minuten weg.“
„Dann lass uns gehen.“
Chase machte noch einen Abstecher, um kurz mit dem Aufseher zu sprechen. Er ging ein letztes Mal den Ablaufplan durch, gab ein paar Anweisungen und erklärte, dass er gegen zwei zurückkommen würde, um die Baustelle zu begehen. Dann war er frei.
Sie hatten die Baustelle noch nicht mal hinter sich gelassen, da schob er seine Hand zwischen Janes Oberschenkel und streichelte sie durch ihre Jeans. Jane ließ den Kopf nach hinten fallen und stöhnte.
Ihr erstes Mal war schnell und hart gewesen, und als er danach unter der Dusche gestanden hatte, hatte er beschlossen, es jetzt langsamer angehen zu lassen. Er hatte sich vorgestellt, wie Jane auf dem Bett lag und er sie Zentimeter für Zentimeter erkundete. Mit seinen Händen, seinen Lippen, seiner Zunge. Doch dann war sie einfach verschwunden. Und im Truck vor dem Ryders war für ausgedehnte Erkundungstouren weder Zeit noch Platz gewesen. Aber heute, heute würde er Jane so schwach und hilflos machen, wie sie ihn gemacht hatte.
Sie stöhnte wieder und spreizte die Beine, während er sie durch den dicken Stoff berührte.
„Gleich sind wir da“, murmelte er.
„Nein, noch nicht ganz …“ Jane öffnete die Augen einen Spaltbreit und lächelte. „Ach so, du meinst meine Wohnung.“
„Ja. Ich weiß doch, dass du so leicht nicht zu kriegen bist.“ „Nicht ganz. In deinem Fall aber fast.“
Chase grinste. Die Reifen quietschten, als er schwungvoll in Janes Auffahrt fuhr und in die Bremsen trat. Als er noch den Schlüssel aus dem Zündschloss zog, war Jane schon aus dem Wagen gesprungen. Und als er mit einem großen Satz die drei Stufen vor ihrer Wohnungstür hochgestürmt war, stand die Tür bereits sperrangelweit offen.
Chase sah sich flüchtig in dem Stadthaus um. Leuchtende Farben und dunkle Holzböden – aber wo verdammt war das Schlafzimmer? „Oben?“
Jane antwortete nicht. Sie lief einfach die Treppe hoch und zog sich auf halber Strecke die Jacke aus. Auf dem oberen Treppenabsatz folgte ihr T-Shirt, unter dem ein rosafarbener Spitzen-BH zum Vorschein kam. Chase nahm sich ein Beispiel und zog sein Hemd aus, während er Jane in den ersten Stock folgte.
Ihr Schlafzimmer war unglaublich ordentlich. Bis Jane eilig ihre Schuhe abstreifte, war alles an seinem Platz gewesen. Chase wurde seine schweren Stiefel los, während Jane schon mit dem Reißverschluss ihrer Jeans beschäftigt war.
Gott, er mochte dieses Mädchen. Sehr sogar. Sie wollte nicht verführt oder überredet werden. Sie wollte das hier genauso sehr wie er, und sie versuchte nicht, einen Hehl daraus zu machen. Aber als sie hinter sich griff, um den BH zu öffnen, hielt Chase sie auf. „Warte!“
„Warum?“
„Weil wir das hier heute auf meine Art machen. Und ich will nun mal, dass du wartest.“
Sie zog die Brauen zusammen. Chase suchte ihren Blick und wartete ab. Es war nicht direkt so, dass Jane nachgab. Aber sie ließ die Hände sinken. Mehr hatte er nicht gewollt.
Chase zog sich ganz langsam aus. Er genoss es, wie Jane ihn mit Blicken verschlang, während er auf sie zukam. Er dachte daran, wie sie ihn in ihrer ersten gemeinsamen Nacht berührt hatte. Auch er ließ jetzt seine Hand ihren eleganten Hals hinabgleiten, beobachtete, wie sich ihre Atmung beschleunigte. Es schien ihr zu gefallen, wie er den Daumen über die weiche Haut oberhalb ihres BHs fahren ließ. Als er sich ihrem Arm näherte, zuckte sie ein bisschen zusammen, also suchte Chase sich einen anderen Weg, dort, wo sie nicht kitzlig war.
Er umrundete sie genau so, wie sie neulich um ihn herumgeschlichen war, und strich mit den Lippen über ein paar besonders faszinierende Stellen an ihrer Schulter und ihrem Hals. Leckte über ihren Haaransatz, genau so, wie sie es getan hatte, und ließ seine Fingerspitzen ihr Rückgrat hinabwandern.
„Ich hab noch nie etwas so Weiches berührt, Jane. Noch nie.“ Er legte seine Hände um ihre runden Hüften, dann um ihre schlanke Taille und ihren schmalen Brustkorb. „Unglaublich“, flüsterte er und presste seine Erektion gegen ihren Hintern.
Jane sog scharf die Luft ein und griff rückwärts nach seinen nackten Hüften.
Chase überlegte kurz, ob er ihr die Unterwäsche vom Leib reißen und sie hier und jetzt von hinten nehmen sollte. Aber es war nur ein paar Minuten her, dass er sich fest vorgenommen hatte, ganz langsam und genüsslich vorzugehen. Jane konnte diese Affäre jederzeit beenden, und er hatte sie noch nicht einmal richtig geschmeckt.
Also saugte Chase an ihrem Nacken und prägte sich ganz genau ein, wie sich ihre Kurven unter seinen Händen anfühlten. Erst dann zog er ihr Slip und BH aus. Danach drehte er sie zu sich herum und sah sie unverwandt an.
Wie immer raubte ihm der Anblick ihrer Brüste den Atem. Unglaublich. Genauso wie der ganze Rest.
Das dunkle Dreieck zwischen ihren Beinen wirkte auf ihrer blassen Haut beinahe schwarz.
Chase drängte sie zu ihrem Bett und drückte sie auf die Matratze. Dann kniete er sich vor sie und schob ihre Knie auseinander. „Ah“, flüsterte er, so schön war der Anblick. Ein perfektes dunkles Dreieck – und ansonsten gewachste Perfektion. Kein Härchen verdeckte die prallen Lippen, alles vor ihm war rosafarbene, feucht glänzende Versuchung. „Heilige Muttergottes …“
Er schob ihr die Hände unter die Knie und zog sie näher zu sich. Und dann küsste er sie. Endlich. Er leckte und saugte und lauschte dabei ihren Schreien, als wären sie Musik. Mit seiner Zunge fuhr er über ihre empfindliche Haut, zeichnete ihre Lippen und Rundungen nach, quälte sie, bis sie um mehr bettelte, und dann gab er ihr mehr, schob zwei Finger tief in sie.
„Oh Gott, Chase“, stöhnte sie. „Oh Gott, du bist so gut.“
Das war gut. Aber noch besser war es, als Jane seinen Namen schrie und ihre Hüften unter seinem Griff zu zucken begannen und er von ihrem Geschmack überflutet wurde.
Zu schnell. Viel zu schnell! Er legte seine Hand über ihre erhitzte Mitte, während ihr Zittern langsam abebbte.
„Oh Gott“, flüsterte sie. „Das war … das war gut.“
„Es war umwerfend“, murmelte er, kniete sich wieder aufrecht hin und zog Jane näher an den Bettrand. Jetzt war sie nur noch Zentimeter von seinem pulsierenden Schwanz entfernt. Ihre Nässe lockte ihn, in sie zu gleiten, zu spüren, wie sie ihn feucht und warm umfing, wie ihr nackter Körper sich gegen ihn drückte.
„Chase“, flüsterte sie. Er sah auf. Ihr Blick loderte. „Fick mich!“
Ja. Seine Hände auf ihren Oberschenkeln zitterten. Seine Jeans waren so weit weg, und er wollte sie einfach so nehmen. So, wie es sein sollte.
Aber er konnte nicht. „Verdammt“, murmelte er und angelte nach seiner Hose. „Verdammt noch mal.“ Er riss ein Kondomtütchen auf und rollte sich das Ding über, dann drang er mit einem brutalen Stoß tief in Jane ein.
Jane stützte sich mit den Füßen auf dem Boden ab und hob sich Chase mit einem lauten Aufschrei entgegen. Ihre Muskeln zogen sich fest um ihn zusammen. Wenn Jane ihn sitzen ließ, würde Chase sich beim Pilates anmelden und auf Frauenjagd gehen. Wobei irgendein Pilates-Mädchen ihm wahrscheinlich nicht würde geben können, was er brauchte. Es war Jane, die ihn so antörnte. Jane und ihr fester Körper und ihr verwirrendes Leben und ihr unglaublicher Hunger.
Er stieß langsam und hart zu, beobachtete, wie sie sich auf die Lippen biss und sich im Laken festkrallte. Sie bog den Rücken durch, wodurch sich ihre Brüste hoben. Chase sah konzentriert zu, genoss das Gefühl, dass er es war, der sie in Ekstase versetzte. Dass es sein Schwanz war, der sie so laut schreien, vor Gier stöhnen und stoßweise atmen ließ.
„Chase“, flüsterte sie und öffnete die Augen gerade so weit, dass er die Wildheit in ihrem Blick erkennen konnte, die auch er empfand.
Gott, war sie schön. So schön, dass sich sein Herz bei dem Anblick schmerzhaft zusammenzog. Und auf einmal war ihm das hier nicht mehr genug. Das hier kannte er schon. Er wollte mehr.
Er hob sie hoch, schob sie auf dem Bett nach oben, sodass er sich über sie beugen konnte. Sie küssen. Sich auf ihren Körper sinken lassen, ihre Haut an seiner spüren. Sie umschlang ihn mit beiden Armen, holte ihn noch näher zu sich, und die Anspannung in seinem Inneren löste sich langsam auf.
Jetzt konnte er sie schmecken, ihren Duft einatmen, sie spüren und gleichzeitig noch tiefer in ihr versinken. Er war eingehüllt in Jane, ging ganz und gar in ihr auf, und Leidenschaft war ein zu schwaches Wort, um zu beschreiben, wie richtig sich all das anfühlte.
„Jane“, flüsterte er und biss zart in ihr Ohrläppchen. „Jane.“
Sie bohrte die Fingernägel in seinen Rücken und hob ihm ihr Becken entgegen. Als sie die Beine um seine Hüften schlang, wurden seine Stöße schneller. Sie presste sich gegen seinen Schwanz, gab ein ersticktes Stöhnen von sich, das ihm verriet, dass er genau den richtigen Punkt traf. Sie waren beide nass geschwitzt, ihre Körper glitten reibungslos gegeneinander. Gott, ihm war so heiß. Chase spürte, wie sich tief in ihm ein fast unerträglicher Druck aufbaute, der immer stärker wurde.
Er schob sich ein Stück weiter nach oben, und Janes Stöhnen wurde lauter. „Ich will spüren, wie du kommst“, flüsterte er. „Komm noch mal, Jane. Für mich.“
„Oh Gott“, schrie sie und grub ihre Fingernägel in seinen Hintern.
Zähneknirschend bemühte sich Chase, seinen Rhythmus aufrechtzuerhalten, obwohl er eigentlich kopflos zustoßen, in ihr kommen, sie ganz ausfüllen wollte.
„Ja!“, keuchte er, als sich ihr Körper ihm entgegenbäumte. Bitte. Er würde nicht mehr lange durchhalten. Er hielt das einfach nicht aus. Sie war zu warm, zu eng, zu weich, zu … Er konnte nicht …
„Fuck!“, knurrte er, weil es nicht mehr aufzuhalten war. Jane schrie auf, ihr Körper versteifte sich unter ihm, ihre inneren Muskeln schlossen sich pulsierend um seinen Schwanz, und mit einem lauten Aufschrei ließ Chase einfach los.