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„Also sind Sie jetzt doch kein Verwandter?!“ Perreira wußte nicht, ob er lachen oder wütend sein sollte.
„Nicht, daß ich wüßte“, meinte MacCallum. Dann schmunzelte er. „Andererseits: Wenn wir unsere Ahnenreihen lange genug zurück verfolgen, dürften wir alle mehr oder weniger miteinander verwandt sein, nicht wahr?“
„Aber Sie hatten doch zugestimmt, als ich auf Kilsyth als Geburtsort Ihres Vaters getippt hatte!“
„Nein, das habe ich nicht“, meinte McCallum. „Meine Bemerkung bezog sich auf den Gesichtsreflex des Toten, als ich Adrenalin gspritzt hatte. Sie haben die Bemerkung auf sich bezogen, weil Sie GLAUBEN wollten. Sie wollten glauben, daß ich ein Verwandter dieses großartigen Schauspielers sei. Und dieser Glaube hat Ihre Wahrnehmung getrübt.“
Er machte eine kleine Pause und lächelte dann. „Mein Vater wurde in der Nähe von Portree geboren. Das ist die Hauptstadt der Insel Skye.“
Geräuschvoll stieß Perreira die Luft aus der Nase.
Eriksson haute ihm lachend auf die Schulter. „Ist heute nicht Dein Tag, Luiz!“
„Und so war das mit allen Bemerkungen, die ich gemacht hatte“, fuhr McCallum fort. „Sie waren alle nach bestem Wissen und Gewissen korrekt. Sie haben sie nur falsch interpretiert, weil Sie sie auf die Verwandtschaft bezogen haben, an die Sie glauben wollten.“
„Mit Dusty sollte man nie eine Wette eingehen; der alte Kerl hat es faustdick hinter den Ohren“, grinste der Constable und wandte sich an McCallum. „Wir müssen los – Deine Sprüche kannst Du heute abend in der Kneipe klopfen.“
„Nun, ich wollte dem jungen Mann nur erklä- ...“
„Hey! Ich muß Dich sonst zu Fuß gehen lassen! Ich hab' noch einen Mörder zu fangen!“, meinte der nun ungehaltene Constable in warnendem Ton.
„Mörder zu fangen?“ Verblüfft starrte Eriksson den Constable an. „Der dürfte ja wohl längst über alle Berge sein!“
„Nein, der ist noch hier“, widersprach der Polizist.
„Wie denn das? Gibt es hier etwa keine Fähren?“, fragte Eriksson skeptisch.
„Doch, natürlich“, nickte der Beamte. „Aber Sie haben wohl den Sturm vergessen. Alle Verbindungen zu der Insel waren gekappt worden. Die erste Fähre nach dem Sturm kommt erst jetzt hier an – nämlich in einer knappen Stunde. Und das bedeutet: Der Mörder ist noch hier. Und deswegen muß ich jetzt los. Cheers!“ Er wandte sich um und eilte Richtung Polizeiwagen.
„Moment mal!“ Eriksson lief die paar Schritte hinter ihm her. „Ich muß das zwar mit meinem Boß noch abklären“, meinte er, als er den Beamten erreicht hatte. „Aber wenn der nichts dagegen hat, können wir Ihnen dabei mit dem Hubschrauber helfen.“
Der Beamte blieb stehen. „Hört sich gut an. Danke.“ Er dachte einen Moment nach. „Allerdings würde ich mich gern erstmal allein am Hafen umschauen. Ein landender Hubschrauber könnte den Täter kopfscheu machen, und es sind etliche Leute mittlerweile dort, die dann in Gefahr wären.“
Er seufzte. „Und ich will noch einen Kollegen zur Unterstützung aus dem Bett holen – Grippe hin, Fieber her. Ich sag' Ihnen Bescheid, wenn ich Sie brauche“, meinte er zu Eriksson und deutete auf den Hubschrauber. „Polizeifunk?“
“Den können wir einstellen“, erwiderte Eriksson vorsichtig. „Dann schlage ich vor, daß wir Dusty nach Hause fliegen. Das würde sonst wohl jetzt etwas hektisch für ihn.“
„Und außerdem wollen wir hier auch noch den Eingang versiegeln“, mischte sich Perreira ein.
„Hier in der einsamen Gegend?“ Der Beamte zuckte mit den Schultern. Dann grinste er Perreira an. „Naja, wenn Sie meinen, daß hier jemand einbricht ...“
Sie verabschiedeten sich, und der Beamte rannte zum Fahrzeug. Eine halbe Minute später sahen sie ihn den Straßendamm entlangrasen.
Perreira knuffte Eriksson in die Seite. „Komm mal mit!“
Stirnrunzelnd sah Eriksson ihn an. „Kannst Du ein kleines Siegel nicht selber an die Tür kleben?“
Doch Perreira war schon vorausgegangen und winkte Eriksson, ihm zu folgen. Kopfschüttelnd ging er hinter Perreira her, der um die Ecke zur Hinterseite des Hauses ging.
„Ich wollte nur nicht, daß Dusty das jetzt hört“, meinte er dann leise, als sie an der Hinterseite vor dem Küchenfenster standen. „Und es gab ja noch keine Gelegenheit Dich allein zu sprechen. Ich hab' nämlich vom Tatort was mitgehen lassen, als Du draußen Dusty und den Beamten begrüßt hattest.“
Eriksson sah ihn fragend an.
„Das Notebook des Autors“, meinte Perreira. „Und außerdem noch ein externes Festplattenlaufwerk von ihm. Ist beides hinten im Hubschrauber verstaut. Vielleicht brauchen wir das.“
„Bist Du sicher, daß es Farages Notebook ist?“
„Natürlich. Wessen Notebook sollte denn sonst aufgeklappt auf einem Schreibtisch hier stehen und mit einem externen Laufwerk verbunden sein?“ Perreira grinste. „Außerdem hab' ich ein bißchen drin rumgeschnüffelt.“
Eriksson runzelte die Stirn. „Kein Paßwortschutz?“
„Nicht fürs Notebook. Ich hab' natürlich nicht lange gucken können und mir nur die zuletzt verwendeten Dokumente und Programme anzeigen lassen. Und dabei habe ich gesehen, daß er den Browser intensiv genutzt haben muß. Da gibt es eine ellenlange Liste mit Links, die er abgespeichert hat. Das müssen hunderte sein. Er muß viel im Web recherchiert haben.“
Eriksson schürzte die Lippen. Dann sah er Perreira an. „Und das externe Laufwerk?“
„Keine Ahnung. Denn komischerweise hat DAS Ding einen Paßwortschutz.“

Vor dem Sturm
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