Kapitel

Am Ende

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Kirche will »Dämon« nicht exorzieren

(Bild: Kind im La Paloma Hospital)

Off-Stimme: Die Erzdiözese Los Angeles hat den Antrag einer Gruppe von knapp drei Dutzend mexikanisch-amerikanischen Eltern abgelehnt, einen Exorzismus an ihren Kindern vorzunehmen. Anlaß ist deren Behauptung, identische Albträume von einer dunklen Geistergestalt zu haben, einem schwarzen Mann, den sie »El Cucuy« nennen. Drei der betroffenen Kinder haben bereits Selbstmord verübt, und etliche andere befinden sich wegen schwerer psychischer Störungen in ärztlicher Behandlung. Sozialhelfer jedoch sehen darin nicht das Wirken eines Dämons, sondern die gesundheitlichen Folgen von zuviel Zeit im Netz.

(Bild: Cassie Montgomery, Sozialdienst von LA County)

Montgomery: »Wir haben die genaue Ursache noch nicht ermittelt, aber ich glauben es ist kein Zufall, daß die meisten dieser jungen Leute Schlüsselkinder sind und extrem viel am Netz hängen. Mit ziemlicher Sicherheit sind diese schlechten Träume durch irgendwas ausgelöst worden, das sie online gesehen oder erlebt haben. Das übrige Getue verbuche ich unter stinknormale Hysterie.«

 

 

> »Noch wichtiger«, sagte die Tourleiterin, wobei sie wieder ihr professionelles Lächeln anstellte und durch die dicken Gläser ihrer goggleartigen Sonnenbrille strahlte, »ist die Tatsache, daß wir hier inzwischen gesunde Populationen vieler bedrohter Vogelarten haben, die sich von selbst weitervermehren – Teichhühner, Rosalöffler, Dreifarbenreiher und die wunderschönen Schmuckreiher, um nur ein paar zu nennen. Und jetzt wird Charleroi uns in den tiefen Sumpf hineinfahren. Vielleicht bekommen wir ja Hirsche zu sehen oder sogar einen Rotluchs!« Sie machte ihre Arbeit gut: Man merkte ihr an, daß sie diesen Spruch auf jeder Fahrt mit dem gleichen Elan vortrug, tagaus, tagein.

Zusätzlich zu der Tourleiterin und dem jungen Mann am Steuer, auf dessen braungebrannten Armen sich die Schlangenlinien abgestellter Leuchtröhrchen, sogenannter Subs, unter der Haut abzeichneten und dessen Gesichtsausdruck darauf hindeutete, daß auch im Schädel ein notwendiges Lichtlein nicht angeknipst worden war, waren an diesem ruhigen Morgen unter der Woche nur sechs Passagiere an Bord: ein rotgesichtiges englisches Ehepaar und sein kleiner lauter Sohn, der mit einem Leuchtstab aus dem Andenkenladen auf die Entengrütze eindrosch, ein junges Akademikerpaar irgendwo aus dem Landesinnern und Olga Pirofsky.

»Bitte nicht die Hände ins Wasser halten!« Die Führerin behielt ihr Lächeln bei, obwohl ihre Stimme deutlich an Fröhlichkeit verlor. »Vergeßt nicht, daß dies kein Vergnügungspark ist. Unsere Alligatoren sind keine Attrappen.«

Alle außer Olga lachten pflichtschuldigst, aber der Junge hörte trotzdem nicht auf, das Wasser zu schlagen, bis sein Vater sagte: »Laß das, Gareth!« und ihm einen Klaps auf den Hinterkopf gab.

Merkwürdig, dachte Olga, sehr merkwürdig. So viele Jahre und Meilen habe ich hinter mir, und jetzt bin ich auf einmal hier. Eine Zypresseninsel tauchte vor ihnen in dem rasch abziehenden Morgennebel auf, grau und schemenhaft. Hier am Ende.

Drei Tage waren vergangen, seit sie am Ziel der Reise angekommen war oder vielleicht seit die Reise ihr Ziel verloren hatte. Alles stagnierte, hatte sowenig Sinn und Zweck wie das leise kleine Touristenboot auf seiner vorprogrammierten Route durch den künstlich wiederhergestellten Sumpf. Da sie die stillen Nächte schlaflos durchwachte und erst gegen Morgen, wenn das Frühlicht auf die Jalousien ihres Motelzimmerfensters fiel in eine Art Ohnmacht sank, war es kein Wunder, daß Olga kaum die Energie aufbrachte, zu essen und zu trinken, von etwas Anstrengenderem ganz zu schweigen. Sie wußte nicht einmal mehr, aus welchem Impuls heraus sie sich ein Ticket für die Rundfahrt gekauft hatte, und bis jetzt war das Ganze auf jeden Fall die paar Stunden Schlaf nicht wert, die ihr statt dessen vielleicht vergönnt gewesen wären. Sie konnte schließlich den Endpunkt ihrer Suche von fast jeder Stelle im weiteren Umkreis sehen – der schwarze Turm beherrschte die ganze Gegend so vollkommen wie ein mittelalterlicher Dom seine Stadt und die umliegenden Felder.

Drei Tage ohne die Stimmen, ohne die Kinder. Seit den fernen, schrecklichen Tagen, als Aleksander und das Baby gestorben waren, hatte sie sich nicht mehr so verwaist gefühlt.

Und dabei kann ich mich nicht mal mehr richtig daran erinnern, wurde ihr bewußt. Eine große Leere, mehr ist davon nicht übriggeblieben. Wie ein Loch, und mein Leben seitdem besteht nur aus Kleinkram, den ich in dieses Loch hineinwerfe, um es vollzumachen. Aber ich kann es nicht fühlen.

Sie hatte es nie gefühlt, wurde ihr klar – nicht ganz, nicht richtig. Selbst jetzt war es ein einziges unfaßbares Dunkel hinter einem Schirm aus erklärtem Nichtwissenwollen, einer dünnen Wand, die sie von dem grauenhaften Nichts abschottete, grauenhaft wie die unendliche Weite des leeren Weltraums.

Wenn ich es jemals rausgelassen hätte, sagte sie sich, wäre ich jetzt tot. Ich dachte, ich wäre stark, aber so stark ist niemand. Ich habe es mir vom Leib gehalten.

»Seit der Fertigstellung der Intracoastal Barrier«, sagte die Tourleiterin gerade, »wurden viele tausend Hektar Wasserwege, die der Verlandung und der zunehmenden Versalzung zum Opfer gefallen waren, in ihren ursprünglichen Zustand zurückgeführt und für zukünftige Generationen erhalten.« Sie nickte, als ob sie persönlich jeden Morgen aus dem Bett gestiegen wäre, sich mit Sonnencreme eingeschmiert, ihre Gummistiefel angezogen und die Barriere aufgeschüttet hätte.

Aber schön ist es doch, dachte sich Olga, selbst wenn alles bloß ein Bluff ist. Das Boot brummte durch ein Feld leuchtend violetter Wasserhyazinthen. Die Art, wie kleine Vögel ohne jede Hast vor ihnen beiseite paddelten, ließ vermuten, daß sie sich inzwischen seit Generationen an diese Störung gewöhnt hatten. Die Sumpfzypressen rückten dichter zusammen. Die Sonne hatte sich im Osten eine volle Handbreit über den Mississippi-Sund und den Golf dahinter erhoben, doch das Licht drang noch nicht allzu tief durch die Bäume und ihre halbhohe Nebeldecke. Die Dunkelheit zwischen ihnen machte den Eindruck, als schliefen sie.

»Ja«, sagte die männliche Hälfte des Akademikerpaares auf einmal, »aber wurden durch die … dings, diese Intracoastal Barrier, nicht fast alle Sumpfgebiete, die es schon gab, völlig zerstört?« Er wandte sich seiner Frau oder Freundin zu, die sich bemühte, interessiert zu blicken. »Weil, das Unternehmen, dem das alles gehört, hat den Lake Borgne da drüben komplett ausbaggern lassen. Er war nur wenige Meter tief, und dann haben sie einen Durchstich zum Meer gemacht, die Verankerung für die Insel, wo der Firmensitz drauf ist, in den Boden getrieben und so weiter.« Sein dünnes Gesicht wirkte ein wenig herausfordernd, als er die Tourleiterin ansah. Olga vermutete, daß er Ingenieur war, einer, für den die Chefetage gewöhnlich der Feind war. »Und, klar, als Gegenleistung mußten sie das, was noch übrig war, halbwegs in Schuß bringen und einen netten kleinen Naturpark daraus machen. Aber die Fischwelt drumrum hat zum Großteil dran glauben müssen.«

»Bist du Umweltschützer oder sowas?« fragte ihn der Engländer direkt.

»Nein.« Er wehrte energisch ab. »Ich … ich verfolge bloß die Nachrichten.«

»Die J Corporation mußte gar nichts tun«, erklärte die Fremdenführerin leicht indigniert. »Sie hatte die Genehmigung, im Lake Borgne zu bauen. Es war alles legal. Sie wollte einfach …«, schnöde abgebracht von ihrer gewohnten Litanei bewegte sie sich auf unsicherem Grund, »… sie wollte einfach etwas zurückgeben. Den Mitmenschen ein Geschenk machen.« Sie schaute sich nach dem jungen Bootsführer um, der die Augen verdrehte, aber dann ein wenig aufs Gas drückte. Sie passierten die ersten Zypressenstümpfe, kegelige Inseln, die durch das dunkle Wasser stießen wie Miniaturausgaben des Berges, der durch Olgas Träume geisterte.

Weiter komme ich nicht, dachte sie. Ich habe den Turm erreicht, aber das ist alles Privatgelände. Jemand meinte sogar, das Unternehmen, dem er gehört, hätte ein komplettes stehendes Heer. Keine Führungen, keine Besucher, kein Einlaß. Sie seufzte, während das kleine Boot durch die Zypressen glitt und ein Schleier aus Nebel und gebrochenem Licht sie umhüllte.

Das Ganze glich in der Tat einer Wasserkathedrale, wie die Prospekte behauptet hatten, einer riesigen Halle mit Säulen und Behängen, denn die mit Moos drapierten Zypressen sahen aus wie das Standbild einer Fließbewegung, und bis auf die schmale Kielwasserlinie des Bootes war das Wasser glatt wie eine gespannte Trommel. Es war beinahe vorstellbar, daß sie nicht nur dem direkten Blick der Sonne entrückt waren, sondern auch der linearen Zeit, daß sie in ein Jahrtausende zurückliegendes Weltalter versetzt worden waren, in dem noch keines Menschen Fuß die weiten amerikanischen Kontinente betreten hatte.

»Seht mal!« Der angeregte Tonfall der Tourleiterin war sorgfältig darauf kalkuliert, die Stimmung wie mit der Nadel anzustacheln. »Ein verlassenes Boot! Das ist eine Piroge, eines der flachen Boote, mit denen früher Trapper und Fischer hier durch den Sumpf gefahren sind.«

Olga drehte sich gottergeben zu dem Wrack des kleinen Wasserfahrzeugs um, zwischen dessen Spanten die Farbtupfer der Hyazinthen aussahen wie die Initialen einer illuminierten Bibel. Es war malerisch schön. Zu schön.

»Alles Staffage«, flüsterte der junge Akademiker seiner Begleiterin zu. »Bis vor zehn Jahren oder so war das hier überhaupt kein Sumpf. Den haben sie erst künstlich angelegt, als sie mit dem Lake-Borgne-Projekt fertig waren.«

»Es war ein hartes Leben für die Menschen, die im Sumpf ihr Auskommen finden mußten«, fuhr die Tourleiterin fort, ohne den Mann zu beachten. »Es gab zwar in der Gegend hin und wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung, wenn der Absatz für Felle oder Zypressenholz gut war, doch die Flauten dauerten meistens länger. Bevor die J Corporation hier das Naturschutzgebiet Louisianische Sümpfe schuf, war es eine aussterbende Lebensweise.«

»Sieht nicht so aus, als ob heute hier allzu viele Leute ein Auskommen finden würden«, meinte der Engländer und lachte.

»Gareth, laß die Schildkröte in Ruhe!« sagte seine Frau.

»O doch, es gibt durchaus noch Menschen, die in der althergebrachten Art ihren Lebensunterhalt verdienen«, entgegnete die Führerin eifrig, erfreut über das passende Stichwort. »Das werdet ihr auf unserer letzten Station sehen, wenn wir zum Sumpfmarkt kommen. Die alten Gewerbe und Handwerke sind nicht vergessen worden, sie wurden vor dem Verfall bewahrt.«

»Wie ein totes Schwein in Alkohol«, sagte der mutmaßliche Ingenieur leise. Ein solches Talent für bildliche Vergleiche hätte Olga ihm gar nicht zugetraut.

»Oho!« Die Tourleiterin konnte sich dem Rechtfertigungsdruck nicht länger entziehen. »Charlerois Familie zum Beispiel kommt hier aus der Gegend, nicht wahr?« Sie wandte sich dem jungen Bootsführer zu, der ihren Blick mit unendlicher Müdigkeit erwiderte. »Bist du nicht hier in der Nähe geboren?«

»Hm-hm.« Er nickte und spuckte über die Seite. »Und guck, was aus mir geworden ist.«

»Ein Bootsführer im Sumpf«, sagte die Tourleiterin triumphierend.

Als sie wieder dazu überging, sich in aller Ausführlichkeit über den Rotschulterbussard, den Brillensichler, den Schlangenhalsvogel und andere Tiere mit und ohne Flügel zu verbreiten, die den rekonstruierten Sumpf bewohnten, ließ Olga ihre Gedanken träge schweifen, träge wie die Bahn durch die Entengrütze, die das letzte Boot vom Vortag gezogen hatte und der sie mit nur minimalen Abweichungen folgten. Ein Vogel, der sogleich als Rohrdommel identifiziert wurde, machte ein Geräusch, wie wenn ein Hammer auf ein Brett schlägt. Die Zypressen wurden lichter, der Dunst verzog sich.

Sie glitten aus dem Hain und blickten auf den drohend emporgereckten schwarzen Finger Gottes, der den Horizont hinter dem Pflanzenteppich des Sumpfes beherrschte.

»Herr im Himmel«, sagte die Engländerin. »Gareth, sieh doch nur, Liebling.«

»Bloß das olle Hochhaus«, erwiderte der Junge, während er den Daypack nach weiteren Essensvorräten durchwühlte. »Ham wir schon gesehen.«

»Ja, das ist der J Corporation Tower.« Die Fremdenführerin klang so stolz auf das ferne Gebäude wie vorher auf die Intracoastal Barrier. »Ihr könnt das von hier aus nicht sehen, aber die Insel im Lake Borgne beherbergt eine ganze Stadt. Sie hat einen eigenen Flughafen und eine eigene Polizei.«

»Die machen da praktisch ihre eigenen Gesetze«, erklärte der Akademiker seiner Partnerin, die sich gerade mit einem Taschentuch die Stirn abtupfte. Er machte sich nicht mehr die Mühe zu flüstern. »Der Typ, dem das gehört, Jongleur, ist einer der reichsten Leute der Welt, ungeduppt. Es heißt, die Regierung hier unten gehört ihm mehr oder weniger.«

»Das ist eine sehr unfreundliche Unterstellung …«, begann die Tourleiterin und wurde rot.

»Soll das ein Witz sein?« Der Mann schnaubte und wandte sich der englischen Familie zu. »Es heißt, Jongleur gibt nur deshalb nicht offen zu, daß die Regierung sein Privatbesitz ist, weil er dann Steuern darauf zahlen müßte.«

»Ist das nicht der, der zweihundert Jahre alt ist?« fragte die Engländerin, während ihr Mann sich über die Vorstellung kringelte, daß jemand sich eine Regierung als Privatbesitz hielt. »Ich hab mal was im Netz über ihn gesehen – er ist eine Maschine oder sowas.« Sie wandte sich an ihren Mann. »Das haben sie gebracht. Bei dem Gedanken ist es mir eiskalt den Rücken runtergelaufen.«

Die Tourleiterin winkte ab. »Über Herrn Jongleur werden viele übertriebene Meldungen verbreitet, zumeist Gemeinheiten. Er ist ein alter Mann, und es stimmt, er ist sehr krank.« Sie setzte das Standardgesicht der betroffenen Nachrichtensprecherin auf, fand Olga, die stereotype Mitleidsmiene, mit der im Netz immer Schulbusunfälle oder besonders brutale Mordfälle angesagt wurden. »Und selbstverständlich hat er Einfluß – die J Corporation ist der größte Arbeitgeber im Raum New Orleans und hat weltweite Verbindungen. Sie hat die Aktienmehrheit in vielen Firmen, bekannte Namen wie CommerceBank, Clinsor Pharmaceutical, Dartheon. Auch Obolos Entertainment, die die interaktiven Kindersendungen bringen. Wie heißt du?« fragte sie den kleinen Jungen. »Gareth, nicht wahr? Du kennst doch bestimmt Onkel Jingle, nicht wahr, Gareth?«

»Klar. Und Zoomer Zizz!« Er lachte und schlug seiner Mutter mit dem Leuchtstab ans Schienbein.

»Seht ihr? Die J Corporation hat einen großen Wirkungskreis und engagiert sich in umweltbewußten und verbraucherfreundlichen Unternehmen auf der ganzen Welt. Das Wohl unserer Mitmenschen hat bei uns oberste Priorität…«

Der Rest des Geplappers erreichte Olga nicht mehr, ja, eigentlich hatte sie in dem Augenblick abgeschaltet, als der Name Obolos fiel. Sie konnte sich nicht erinnern, daß ihr in all den Jahren, die sie für die Firma gearbeitet hatte, jemand etwas von einer J Corporation erzählt hatte. Aber freilich, wer achtete schon auf sowas? In einer Welt, wo jeder Firmenfisch Jäger und Beute zugleich war, wer konnte da sagen, welcher Fisch zuletzt zugeschnappt hatte?

Ich hätte Nachforschungen über den Turm anstellen sollen, unbedingt…

Aber es war beinahe so etwas wie eine religiöse Erfahrung gewesen, eine Offenbarung, keine Fleißaufgabe für freie Stunden. Die Kinderstimmen hatten sie aufgefordert zu kommen, und sie hatte ihre weltliche Habe weggegeben und war gekommen.

Onkel Jingle – Onkel Jingle kommt aus dem schwarzen Turm.

Olga Pirofsky saß noch knapp zwei Stunden in dem kleinen Boot, umringt von Gesichtern, deren Münder sich bewegten, aber deren Gerede sie nicht mehr mit anhören konnte – eine intergalaktische Raumfahrerin, die unter brabbelnden Außerirdischen gelandet war.

Onkel Jingle ermordet die Kinder. Und ich habe ihm dabei geholfen.

 

 

> »Versteh ich nich«, sagte Long Joseph. »Wo is’n dieser Sellars? Er wär am Fon, haste gesagt, er würd ständig anrufen. Aber jetzt ruft er gar nich an, nich die Bohne.«

»Er hat gesagt, er ruft wieder an.« Jeremiah hob hilflos die Hände. »Er hat was von irgendwelchen Machenschaften gesagt … Wir sind nicht die einzigen, die Probleme haben.«

»Schön, aber ich wette, wir sind die einzigen, die in ’nem Berg eingeschlossen sind, und draußen steht ’ne Bande von Burenkillern, die ihn aufsprengen und uns umbringen will.«

»Reg dich ab, Mensch! Ich krieg noch Kopfschmerzen von deinem ewigen Gemecker.« Del Ray Chiume war von seiner kurzen Kontrollrunde zurückgekehrt. »Beachte ihn gar nicht«, meinte er zu Jeremiah. »Lies uns einfach vor, was du mitgeschrieben hast. Wir dürfen keine Zeit mit Rumstreiten vergeuden.«

Long Joseph Sulaweyo paßte es gar nicht, wie die Dinge sich entwickelten. Es war schlimm genug, für Gott weiß wie lange mit nur drei Flaschen in Reserve am Arsch der Welt in einer unterirdischen Militärbasis festzusitzen und von Mördern belagert zu werden, aber jetzt sah es auch noch so aus, als wollte Del Ray – ausgerechnet Del Ray, den er selbst hierhergebracht hatte! – gemeinsame Sache mit Jeremiah Dako machen und gegen ihn konspirieren.

Joseph hatte keine Erklärung dafür, es sei denn, daß Del Ray insgeheim auch ein Schwuli war und daß diese untergründige Polung stärker war als anderen Verbindungen. Vielleicht ist das ja der wahre Grund, weshalb er mit meiner Renie Schluß gemacht hat.

»Das heißt, ich soll auf Leben und Tod diesem Kak hier vertrauen?« nörgelte er.

»Mach mich nicht an, Joseph Sulaweyo«, sagte Jeremiah. »Nicht, nachdem du tagelang ohne Erklärung weg warst und ich hier alles allein machen mußte.«

»Ich hab meinen Sohn sehen müssen.« Aber er konnte nicht verhindern, daß ihn ein Hauch von Schuld anwehte. Ihm würde es gewiß nicht schmecken, allein in diesem Loch eingesperrt zu sein. Vielleicht war es auch Jeremiah gar nicht so leichtgefallen. »Na schön, also wer is dieser Sellars? Was hat er für’n Interesse dran, von sonstwo anzurufen und uns zu sagen, was wir tun sollen?«

»Das Interesse ist, uns das Leben zu retten«, knurrte Jeremiah. »Und wenn ihr vorhin nicht aufgetaucht wärt, hätte ganz allein er mich davor bewahrt, von den Männern da draußen ermordet zu werden.«

»Er und eine meterdicke Stahlplatte.« Del Ray gab sich Mühe, munter zu klingen, doch es wollte ihm nicht recht gelingen. »Wenn man schon belagert wird, dann gibt’s dafür sicher schlechtere Plätze als einen bombensicheren Militärbunker.«

»Nicht, wenn wir hier keine Ordnung in den Laden kriegen«, versetzte Jeremiah spitz. »Hört ihr jetzt vielleicht mal zu?«

Joseph hatte sein Mißtrauen noch nicht ganz überwunden. »Aber wenn der irgendwo in Amerika sitzt, wie du sagst, wie hat er dann den Platz hier gefunden? So mordsgeheim, wie der angeblich is.«

»Das ist mir auch nicht ganz klar. Er weiß eine Menge über Renie und !Xabbu und diese Französin, er kannte sogar den alten Mann, diesen Singh. Sellars sagt, er ist tot.«

»Wieso sagt er sowas?« Abergläubische Furcht erfaßte Joseph. Es war ziemlich unheimlich gewesen, den Hörer in der Hand zu halten und auf die Stimme aus dem Nichts zu warten – die Stimme, die dann doch nicht gekommen war. »Dieser Sellars hat dir echt erzählt, daß er tot is?«

Jeremiah starrte ihn an und schnaubte dann entnervt. »Singh ist tot, hat er gesagt. Singh. Der alte Mann, der Renie und den andern geholfen hat. Hältst du jetzt vielleicht endlich den Mund und hörst dir an, was ich mitgeschrieben habe? Schwerbewaffnete Männer wollen hier einbrechen. Ein Klappbett in der Fahrstuhltür ist auf die Dauer bestimmt keine Lösung.«

Joseph winkte ab. Das war eine der Sachen, die ihn an Homosexuellen störten – sie regten sich ständig über alles mögliche auf, wie Weiber. »Dann red halt. Ich hör schon zu.«

Jeremiah schnaubte noch einmal und warf einen Blick auf die Notizen, die er mit einem altmodischen Bleistift auf den Betonpfeiler gekritzelt hatte. »Sellars sagt, es reicht nicht aus, daß wir den Fahrstuhl blockieren, sie können auch durch den Schacht kommen. Wir müssen diese ganze Abteilung der Basis abriegeln. Er sagt, aus den Plänen ist zu ersehen, wie das gehen kann. Aber wir müssen uns außerdem auf eine lange Belagerung vorbereiten, und deshalb müssen wir alles, was wir brauchen, hier herunterschaffen. Joseph, das bedeutet, daß du soviel Verpflegung und Wasser, wie du kannst, aus der Küche holen mußt. Wir wissen nicht, wieviel Zeit wir haben, bis sie durch das Außentor kommen, und deshalb müssen wir hier so schnell wie möglich alles dichtmachen. Wenn das erledigt ist und wir dann noch Zeit haben, holen wir noch mehr Essen und Wasser.«

»Was, ich soll diese Plastikdinger mit Wasser schleppen, wie wenn ich der letzte Kuli wär? Und wer kümmert sich um die Waffen – Del Ray etwa? Du hättst ihn mal mit der Pistole in der Hand sehen sollen. Der is damit ’ne größere Gefahr für uns als diese Ganoven.«

Jeremiah schloß die Augen. Del Ray murmelte eine bissige Bemerkung. »Kaum zu glauben, daß es tatsächlich Augenblicke gab, in denen ich deine Gesellschaft vermißt habe«, sagte Jeremiah. »Erstens gibt es hier keine Waffen, so wie es auch kein Büromaterial gibt. Fast alles, was transportabel war, ist mitgegangen, als dieser Stützpunkt stillgelegt wurde. Verpflegung und Wasser haben sie nur deswegen dagelassen, weil sie dachten, sie könnten ihn eines Tages vielleicht mal als Luftschutzbunker oder so benutzen. Zweitens, selbst wenn wir Waffen hätten, könnten wir diese Kerle nicht aufhalten. Du hast selbst gesagt, daß sie ausgerüstet sind wie eine Spezialeinheit. Sellars meint, am besten wir machen diesen Teil hier dicht und versuchen, länger durchzuhalten als sie.«

Long Joseph war ein wenig unschlüssig, ob er es bedauern sollte oder nicht, daß er sich keine Schießerei mit den burischen Killern liefern konnte. »Und was soll der machen?« fragte er und zeigte mit dem Daumen auf Del Ray.

»Kommt drauf an. Herr Chiume, verstehst du etwas von Computersystemen, Elektronik?«

Del Ray schüttelte den Kopf. »Ich habe Politikwissenschaft studiert. Ich weiß, wie man ein Pad benutzt, aber nicht viel mehr.«

Jeremiah seufzte. »Das habe ich befürchtet. Sellars meinte, es müßten eine Menge Umschaltungen vorgenommen werden, damit er uns besser helfen kann. Ich werde mich wohl selbst durchwursteln müssen, falls ich aus seinen Anweisungen schlau werde. Gott, ich hoffe, er ruft bald an.«

»Umschaltungen?«

»Das ist ein völlig überaltertes System hier, zwanzig, dreißig Jahre alt oder mehr. Ich weiß nicht genau, was er vorhat, aber er sagte, es wäre wichtig.« Er versuchte zu lächeln. Er sah sehr grau und abgespannt aus. »Na gut, Herr Chiume, ich denke mal, du wirst den Generatordienst übernehmen.«

»Sag bitte Del Ray zu mir. Was genau soll ich tun?«

»Wenn wir uns hier unten im Labor einigeln, brauchen wir den Generator, weil die Männer da oben mit Sicherheit versuchen werden, uns den Strom abzuschalten. Wir brauchen aber Strom, schon allein für die Be- und Entlüftung, vom Betrieb der Tanks ganz zu schweigen.« Er deutete auf die mächtigen Klötze auf der Etage unter ihnen, die mit ihrem Kabelsalat ringsherum aussahen wie von Kletterpflanzen überwucherte Steine. »Sellars meinte, wir hätten Glück, daß es hier unten eine Brennstoffzelle gibt und keinen Reaktor, weil das Militär bei einem Reaktor das Nuklearmaterial mitgenommen hätte und wir ganz und gar auf die normale Stromversorgung angewiesen wären.«

»Ich kapier’s immer noch nich«, grummelte Long Joseph, den die unerfreuliche Vorstellung quälte, daß er Dutzende von schweren Wasserbehältern und Essenskanistern aus dem oberen Teil nach unten transportieren sollte. »Was weiß der von meiner Renie? Woher soll sie einen aus Amerika kennen, und wieso hat der überhaupt was mit der Sache am Hut, mit uns?«

Del Ray hob hilflos die Hände und antwortete für Jeremiah. »Was machen wir alle hier in diesem bescheuerten Stützpunkt? Warum kommen gekaufte Killer zu mir an die Haustür und drohen, mich umzubringen, bloß weil meine Exfreundin mit einer französischen Rechercheurin geredet hat? Das ist alles absurd, und es wird immer absurder.«

»Das is die erste vernünftige Sache, die du den ganzen Tag gesagt hast«, erklärte Joseph.

 

Joseph war verschwitzt und schlecht gelaunt, und vor allem war es ihm unangenehm, daß ihm in den leeren, hallenden Räumen des »Wespennestes« der Schweiß auf der Haut kalt wurde. Nach seinem Selbsturteil war er keiner, der vor Furcht zitterte – obwohl ihm das schon mehr als einmal im Leben passiert war –, aber genausowenig konnte er sich weismachen, daß sich alles schon irgendwie wieder einrenken würde.

Aus der Geschichte kannst du dich nich einfach rausquasseln, Mann, sagte er sich, als er den Rollwagen in den Fahrstuhl manövrierte. Bevor er den Abwärtsknopf drückte, lauschte er angestrengt. Ob sie es wohl mitbekamen, fragte er sich, wenn die Banditen irgendwann den Code für das wuchtige Außentor knackten, oder ob es einfach lautlos aufging, so daß die Killer hineinspazieren konnten wie Katzen bei Nacht durch ein offenes Fenster? Alles war jetzt still; er konnte nicht einmal mehr Jeremiah und Del Ray zwei Etagen unter sich hören. Sein eigenes schweres Atmen war das einzige, was in dem unterirdischen Raum auf Leben hindeutete, aus ihm mehr machte als ein großes Loch im Berg, unbewohnt wie eine leere Muschel.

Die Fahrstuhltür klackte auf. Leise ächzend ruckelte Joseph den Wagen in Position und schob ihn dann mit der Wasserladung den Gang am Geländer entlang. Er sah Jeremiahs Füße unter der Konsole vorlugen, umgeben von diversen Teilen und Kabeln, und er mußte kurz an die vermüllte Fabriketage des Elefanten denken, die so ganz seinem Klischee vom Labor eines verrückten Wissenschaftlers entsprochen hatte. »Der ist nicht mehr geheim«, hatte der dicke Mann über den Militärstützpunkt erklärt, und er hatte recht gehabt. Was nicht hieß, daß Joseph vorhatte, noch einmal bei ihm vorbeizuschauen und ihm zu seinem Scharfblick zu gratulieren.

»Das is alles, was an Wasser da is«, rief er zu Jeremiahs Füßen hinüber. »Als nächstes schaff ich die Essenssachen runter. Warum, weiß ich nich – is eh nix weiter als abgepackte Scheiße. Noch’n paar Wochen den Fraß, und wir bringen uns selber um.«

Jeremiah rutschte unter der Konsole hervor; an den Falten auf seiner Stirn hätte Joseph eine Bierflasche öffnen können, falls er das Glück gehabt hätte, eine zu besitzen. »Ja, es ist wirklich eine Schande. Deshalb hast du mir auch bestimmt ein paar Köstlichkeiten mitgebracht, als du da draußen durch Südafrika gejuckelt bist, während ich hier festsaß und deine hilflose Tochter bewachen mußte, nicht wahr? Ein paar leckere Schokoladenriegel vielleicht? Eine Tüte Koeksisters aus der Bäckerei? Irgendeine Entschädigung dafür, daß du mich hier hängengelassen hast mit diesem Fraß, den du so treffend als Scheiße bezeichnest?«

Durch reiche Erfahrungen mit seiner Tochter und anderen hatte Joseph ein feines Gefühl dafür entwickelt, wann er in einer Auseinandersetzung den kürzeren ziehen würde. Eilig schob er den Wagen weiter zu der Stelle, wo er angefangen hatte, eine Pyramide aus Wasserbehältern zu bauen. Bei seiner Rückkehr war Jeremiah schon wieder unter die Konsole gekrabbelt und Del Ray nirgends in Sicht, und so blieb er stehen und blickte auf das Untergeschoß des Labors hinab. Die stillen Formen der V-Tanks, verstaubte, tote Gegenstände aus dem Museum, trieben ihm plötzlich Tränen in die Augen. Verwundert wischte er sie weg.

Aber eins is sicher, sagte er im stillen zu dem nächsten Tank. Bevor sie dich kriegen, müssen sie erst mich fertigmachen. Irgendwie schaff ich’s, daß du wieder raus an die Sonne kommst. Er staunte, daß er sich selbst im Kopf eine solche Rede hielt, aber mehr noch darüber, daß es die Wahrheit war, was er da sagte. »Hörst du mich, Mädel?« flüsterte er. »Erst müssen sie mich fertigmachen.«

Er fürchtete, Del Ray oder Jeremiah könnten ihn sehen, und sowieso war der Ort steinern und trostlos wie eine Gruft. Er begab sich schleunigst zum Fahrstuhl zurück.

 

 

> Calliope Skouros schnitt eine Grimasse und stellte den Kaffee wieder hin. Weniger deshalb, weil er schlecht schmeckte – das kam noch dazu, denn die dampfende Brühe stammte aus einem dieser Blitzkochpäckchen –, sondern weil sie am Abend davor literweise Kaffee in sich hineingeschüttet hatte. Noch nach fünf Stunden unruhigem Schlaf tobte das Koffein in ihr herum wie eine dieser furchtbaren, immer fröhlichen Frauen, die nur dafür leben, Nachbarschaftsfeste zu organisieren.

Trotzdem war Calliope in ziemlich guter Stimmung. An der Kellnerinnenfront war zwar nicht gerade ein glorioser Sieg zu verzeichnen, aber immerhin ein deutlicher Fortschritt. Elisabetta (die extravagant tätowierte Serviererin dieses ganzen Kaffees) hatte ihren Namen preisgegeben und kam inzwischen auch dann zum Plaudern an Calliopes Tisch, wenn diese sich aus Versehen in das Revier einer anderen Bedienung gesetzt hatte. Zu ihrer Überraschung und Befriedigung hatte die Polizistin festgestellt, daß die junge Frau noch mehr vorzuweisen hatte als bloß ihr verwegenes, attraktives Äußeres. Sie studierte Kunst – natürlich –, aber schien einiges auf dem Kasten zu haben und ließ sich sogar über kurze Strecken zum Zuhören bewegen, wenn es gelang, sie von dem ewigen Kellnerinnenlamento über miese Bosse, wehe Füße, hohe Mieten und schlechte Busverbindungen abzubringen.

Interessanterweise war auch nach mehreren Abenden angeregter Kurzgespräche der zweite große Themenkomplex, der die Kellnerinnen der Welt wehklagen ließ, nicht zur Sprache gekommen, das heißt, es war noch kein Wort über faule, dumme oder gewalttätige Liebhaber gefallen. Es war überhaupt kein Wort über Liebhaber (oder Liebhaberinnen) gefallen, einerlei welcher Art.

Hoffentlich wird aus der Sache bald mal was, sagte sich Calliope in Anbetracht der Aussicht, monatelang in der schrillen Strandpartyatmosphäre von Bondi Baby herumzuhängen. Sonst wird allein schon das Koffein mich ins Grab bringen.

»Ich geb einen Penny für deine Gedanken, Partnerherz …« Stan Chan schlüpfte in den engen Raum mit Wandbildschirm, der bei sämtlichen Polizisten »das grüne Zimmer« hieß, und warf seine Jacke über eine Stuhllehne. Wie üblich herrschten in dem winzigen Kabuff praktisch Saunatemperaturen. »Aber ich bin sicher, sie sind viel mehr wert. Du siehst heute aus wie der verkörperte Tiefsinn. Was willst du dafür? Schweizer Kredite? Immobilien?« Er blickte auf den Bildschirm, auf dem ein dunkelhäutiger, dünner, von Narben verunstalteter Mann zu sehen war. Der Raum, in dem der Gefangene saß, war leer bis auf einen alten Tisch und mehrere Stühle, die Wände mit grauenhaft heiteren orange Fibramicfliesen gekachelt, von denen Graffiti leicht abzuwischen waren und auch, wie es hieß, Blut. »Apropos mehr wert, ist das unser Freund 3Big?«

Stan war morgens manchmal schwer zu verkraften, auch wenn Calliopes Kopf gerade einmal nicht so surrte, als ob sie sich ein paar superdröhnige Elektrohits reingepfiffen hätte. »Kannst du ein bißchen leiser reden? Ja, das ist er. Hat die Nacht in der Zelle verbracht, und jetzt werden wir ein Schwätzchen mit ihm halten.«

»Reizend.« Ihr Partner war tatsächlich beängstigend gut gelaunt. Sie fragte sich, ob er vielleicht eine neue Bekanntschaft gemacht hatte. »Darf ich fies sein? Meine Nummer fahren?«

»Deine Nummer.«

»Du bist ein Schatz.« Dann beäugte er sie stirnrunzelnd und piekste ihr in die Rippen. »Du hast deine Balli nicht an, Skouros.«

»Im Revier?« Die gelgefüllte ballistische Weste, in Kollegenkreisen auch als »kugelsicheres Leibchen« bezeichnet, war ihr zuwider.

»Vorschrift. Schließlich könnte sich unser Freund da in der Zelle aus Seife und Teppichflusen ’ne Pistole gebastelt haben.«

»Ja, genau. Kein Wunder, daß du deine gern anziehst, du siehst damit richtig aus, als ob du Muskeln hättest. Mich macht sie bloß dick.«

»Für mich bist du einfach der mollige Engel der Gerechtigkeit.« Sein Gesicht wurde einen Moment lang ernst. »Du mußt das Ding wirklich tragen, Skouros.«

»Okay, mach ich. Und jetzt an die Arbeit, du großer Fiesling.«

Mit einem Fingerschnalzen machte Stan die grüne Zimmerbeleuchtung aus, so daß hinter ihnen in der Tür nur Dunkel zu sehen war, als sie in den grellen Nebenraum mit den orangefarbenen Fliesen traten. Der Häftling blickte auf, doch außer einem geringschätzigen Herunterziehen der Unterlippe blieb sein Gesicht ausdruckslos. Calliope war das nur recht – sie fand es unterhaltsamer, wenn einer den harten Mann markierte.

»Guten Morgen, Edward«, grüßte sie freundlich, als sie und Stan sich auf den Stühlen gegenüber von dem Häftling niederließen. »Ich bin Detective Skouros, das ist Detective Chan.«

Der dunkle Mann erwiderte nichts, aber fuhr mit einem Finger die langen Narben auf seiner Backe nach.

Calliope spielte die Verwirrte. »Ja bist du etwa nicht Edward Pike? Ich bin sicher, daß dies das richtige Vernehmungszimmer ist.« Sie wandte sich Stan zu. »Tja, dann muß der Mann wohl in die Zelle zurück, und wir prüfen nach, was da falsch gelaufen ist.«

»Kein Schwein nennt mich Edward, nur meine Mutter, und die ist seit zwei Jahren tot«, sagte er mürrisch. »3Big ist mein Täg. 3Big.«

»Ja, das ist er, keine Bange«, bemerkte Stan. »Mieser kleiner Straßenpenner, frisch aufgegriffen mit sechs Dutzend Kassetten Jak-Knocker in ’nem umfunktionierten Patronengürtel, indonesisches Charge, offensichtlich zum Weiterverkauf bestimmt. Dafür kriegst du zehn Jahre, 3Boy, und nicht in einem von den lockeren Läden.«

»Es war zum persönlichen Gebrauch, tick?« Der Widerspruch war pro forma – alle wußten, daß vor dem Eintreffen des Pflichtverteidigers alles nur Schattenboxen war. »Brauch ich zum Runterkommen. Hab’n schweren Hänger, äi.«

Stan machte ein Speigeräusch. »Ich wein gleich. Die Richterin guckt dich einmal an, liest nach, daß du keinen halben Kilometer von ’ner Schule weg warst, und dann dürfen wir dich auf einen der Müllkähne verladen und im Ozean versenken.«

Calliope sah ein paar Minuten lang schweigend zu, wie ihr Partner nach allen Regeln der Kunst den Aggressiven mimte. Edward »3Big« Pike war ein Gewohnheitstäter und kannte deshalb das Spiel genausogut wie Stan. Er war keiner von ihren ganz üblen Kunden – viele Vorstrafen wegen unerlaubtem Besitz und einmal längere Zeit in Silverwater wegen Dealen, aber soweit sie wußte, hatte er noch nie jemanden umgebracht, der vorher nicht ihn hatte umbringen wollen, was ihn für Darlinghurst-Road-Verhältnisse praktisch zum Robin Hood machte. Er stand im Ruf, ein bißchen gewitzter zu sein als der Durchschnittsganove in King’s Cross, und die Tatsache, daß er nur einmal wegen Dealen gesessen hatte, bestätigte das. Calliope überlegte, ob er sich darauf vielleicht ein bißchen was einbildete und sie ihn an dem Punkt zu fassen bekommen konnte.

Stan hatte den Mann so weit, daß er sich fauchend zur Wehr setzte, es war also Zeit für ihren Einsatz. »Detective Chan?« Sie legte eine gewisse Härte in ihre Stimme. »Ich glaube nicht, daß dies unter den Umständen die richtige Vorgehensweise ist. Wie wär’s, wenn du ein Glas Wasser trinken gingst?«

»Pff, kann ich drauf verzichten.« Stan warf dem Häftling einen Blick abgrundtiefer Verachtung zu. »Aber wenn du meinst, du hast bei diesem Stück Gossendreck mehr Erfolg, bitte sehr.«

»Hör zu, Herr Pike«, begann Calliope, »rein formal fällst du unter Straßenkriminalität, das heißt, wir sind strenggenommen für dich nicht zuständig. Aber wenn du uns mit ein paar Informationen behilflich bist, und wenn die Informationen etwas taugen, dann könnten wir es eventuell so hindrehen, daß die Anklage nur auf unerlaubten Besitz lautet. Sitzen wirst du mit deinen Vorstrafen trotzdem, aber es wird nicht allzu happig werden.«

Er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, aber der scharfe Blick, der durch die erstaunlich langen Wimpern aus den schwerlidrigen Augen stach, verriet, daß er interessiert war. »Was wollt ihr? Hinhängen tu ich keinen. Eher aus’m Knast raus is’n Scheißdreck wert, wenn sie mich exen, sobald ich ’nen Fuß in die Darling setze.«

»Wir wollen nur ein paar Auskünfte. Über einen alten Bekannten von dir, mit dem du seinerzeit im Minda Juvenile Justice Centre gesessen hast. Johnny Wulgaru …?«

Sein Gesicht blieb leer. »Nie gehört.«

»Auch Johnny Dark genannt – Johnny Dread?«

Jetzt regte sich etwas unter der steinernen Maske, flink wie Quecksilber in einem Tiegel. »Ach der – John More Dread? Dread meinste?« Mehrere gegensätzliche Gefühle rangen in ihm, wobei am Ende ein Blick nervösen Mißtrauens herauskam. »Was wollt ihr denn mit dem? Der ist doch hinüber, oder? Tot?«

»Angeblich. Hast du was anderes gehört?« Sie fixierte ihn, doch die Straßenmaske war schon wieder undurchdringlich. »Wir sind dabei, einen alten Mordfall aufzuklären. An einem Mädchen namens Polly Merapanui.«

Jetzt war er auf sicherem Pflaster. »Kenn ich nicht. Nie was von gehört.« Er kniff die Augen zusammen und dachte noch einmal nach. »War das die mit den rausgeschnittenen Augen?«

Calliope beugte sich vor, aber wahrte einen lockeren Ton. »Du weißt was darüber?«

Er zuckte mit den Achseln. »Hab’s im Netz gesehen.«

»Wir wollen bloß wissen, ob du je was über Johnny Dread in Verbindung mit diesem Verbrechen gehört hast. Irgendwas.«

»Ich tu niemand hinhängen.«

Stan beugte sich über ihn. »Wie kannst du jemand hinhängen, wenn er tot ist, du kleine Ratte? Red keinen Blödsinn!«

3Big warf Calliope einen Blick verletzter Ehre zu. »Ist das dein Hund, der da? Weil, wenn er nicht aufhört, mir in die Eier zu zwicken, könnt ihr mich gleich wieder ins Schließfach bringen.«

Calliope winkte Stan auf seinen Stuhl zurück. »Erzähl mir einfach, was du von John Dread weißt.«

Der Häftling feixte. »Nichts. Alles vergessen. Und falls ich nach heute je was über ihn höre, vergeß ich das auch. Ein seyi-lo Bluthund war er. Nicht für viel Geld hätt ich den anschmieren mögen.«

Calliope stellte weiter Fragen, und Stan half mit Bemerkungen über 3Bigs Abkunft und Sozialleben nach, die gelegentlich recht surreal waren. Es war ein Schlagabtausch, doch der Gefangene spielte nicht auf Sieg, sondern rein auf Verteidigung. Diese unbefriedigende Übung zog sich hin, bis auch die letzte Koffeinenergie verpufft und Calliope nur noch müde und sauer war.

»Das heißt, er ist tot, und du hast ihn ohnehin seit Jahren nicht mehr gesehen. Ist das richtig?«

Er nickte. »Hundertpro.«

»Warum habe ich dann das ungute Gefühl, daß du mit irgendwas hinterm Berg hältst? Dir winkt ’ne verdammt lange Zeit im Bau, Herr Pike. Eddie. Kniefick oder wie du dich sonst schimpfst. Wenn ich du wäre, würde ich keine Sekunde zögern, über diesen Tisch zu steigen und hingebungsvoll meinen dicken griechischen Arsch zu lecken, denn auf absehbare Zeit wird dir kaum noch jemand irgendwas anbieten. Höchstens ein Stück Schokolade dafür, daß du dich in der Dusche in Silverwater bückst und die Beine breit machst.« Er war sichtlich ein wenig überrascht, wie abrupt sie aufhörte, die Hilfsbereite zu spielen, behielt aber sein Feixen bei. »Also, warum willst du nicht reden?«

»Ich red doch.«

»Aber nur Wischiwaschi, Mensch. Wir könnten deine Strafe um drei bis fünf Jahre drücken, wenn du uns was Brauchbares über John Dread erzählen würdest.«

Er sah sie eine ungewöhnlich lange Zeit an. Stan Chan setzte an, etwas zu sagen, aber Calliope tippte unterm Tisch sein Knie an zum Zeichen, daß er sich noch gedulden sollte. 3Big fingerte wieder an seinen Narben herum, seufzte, dann legte er beide Hände auf den Tisch.

»Okay, Frau«, sagte er langsam. »Ich erzähl dir was. Ich weiß gar nix über Dread. Aber selbst wenn ich was wüßte, würd ich keinen Ton sagen. Nicht für gute Führung, nicht für fünf Jahre weniger, nicht für gar nix.«

»Aber wenn er tot ist…«

Er schüttelte den Kopf. Seine Augen waren jetzt hinter den langen Wimpern verborgen wie ein Puma im Schilf. »Scheißegal. Du kennst Dread nicht, hast ihn nie erlebt. Wenn du den verpfeifst, steht er aus dem Grab auf und murkst dich dreifach ab. Wenn einer’n Mopaditi ist und kommt wieder und ext dich im Dunkeln, dann Dread.«

»Mopaditi. Was bedeutet das?«

Er war inzwischen vollkommen auf Distanz gegangen und betrachtete die beiden Polizisten wie aus den Tiefen einer Höhle. »Geist. Wenn einer tot ist, aber er geht nicht weg. Ich will jetzt in die Zelle zurück.«

 

»Tja, das war wohl nichts.« Stan Chan wartete geduldig.

»Moment noch.« Calliope zog ihren Ohrenstöpsel heraus und steckte ihn in den gefütterten Schlitz in ihrem Pad. Sie fragte sich wieder einmal, ob sie sich nicht doch langsam eine Can leisten sollte. Es war umständlich, ständig das Pad mitzuschleppen, selbst das neue, waffeldünne Krittapong, das sie sich selbst zum Geburtstag geschenkt hatte. »Doktor Jigalong ist nicht zu erreichen. Ich hab ihr in der Arbeit und zuhause auf den Automat gesprochen.«

»Wegen ›Mopaditi‹?«

»Klar. Das ist mir im Straßenslang bis jetzt noch nicht untergekommen. Dir?«

»Nein.« Er legte seine Füße auf den Tisch. »Das wären jetzt – wieviel? Acht, neun Leute, die wir durch die Mangel gedreht haben. Viel rausgekommen ist dabei nicht.«

»Ein bißchen was hat’s gebracht.«

Stan zog die gewohnte Braue hoch. »Du meinst, weil er ein Abowort benutzt hat? Für den Fall, daß du’s nicht gemerkt hast, Skouros, der Typ stammt tatsächlich von Aborigines ab. Sagst du nicht auch ab und zu Sachen wie ›Hopa!‹ oder ›Retsina‹ oder sogar ›Akropolis‹? Selbst mir unterläuft gelegentlich mal ein Sinoausdruck – ich glaube, erst neulich hab ich ›Rundauge‹ zu dir gesagt…«

»Er ist zusammengezuckt, als die Rede auf Johnny Dread kam. Er war überrascht.« Und da war noch etwas anderes gewesen, irgendeine Kleinigkeit, aber sie kam nicht darauf, auch wenn sie ihr Gehirn noch so sehr zermarterte.

»Na ja, der Kerl ist offiziell tot. Kann einen doch überraschen, nach jemandem befragt zu werden, von dem du dachtest, er ist hinüber.«

»Kann sein. Aber etwas an seiner Reaktion war komisch. Vielleicht ist ihm auf der Straße was zu Ohren gekommen.«

»›Vielleicht‹ bringt uns nicht weiter, Skouros. Was jetzt? So entzückend es irgendwo ist, aber unser Vorrat an Pack, das wir noch pestern können, geht zur Neige.«

Ratlos und niedergeschlagen ließ Calliope den Kopf hängen. Jetzt, wo das Koffein endlich abgebaut und nichts anderes an seine Stelle getreten war, fühlte sie sich nur noch zum Kotzen.

 

Übernächtigt saß sie zuhause auf der Couch und holte sich das Verhör aus dem Polizeisystem auf ihren Wandbildschirm. Sie hatte beschlossen, sich zu ihrem eigenen Besten von Bondi Baby fernzuhalten, gar nicht einmal so sehr, weil es sie quälte, daß ihr Interesse an der Kellnerin Elisabetta fast schon zur Obsession geworden war, als aus der beschämenden Erkenntnis heraus, daß sie dabei war, eine Schwäche für den klebrig süßen Nachtisch in dem Lokal zu entwickeln.

Auf die Art wirst du nie abnehmen, Skouros, sagte sie sich. Bleib lieber brav daheim. Sie war seit Tagen nicht mehr einkaufen gewesen, so daß es außer Knäckebrot wenig gab, was ihre Entschlossenheit hätte ins Wanken bringen können. Sie sah sich das Verhör von vorne bis hinten an und sprang dann zu der Stelle zurück, wo der Name ihres Verdächtigen zum erstenmal gefallen war.

»Ach der – John More Dread?« sagte 3Big. Calliope stellte zurück und ließ es ihn noch einmal sagen. »…Dread meinste?«

Das ist es! dachte sie. John More Dread. Die Variante kannte ich noch nicht. Aber warum war ein Alias mehr, zumal bei einem Mann, der notorisch viele hatte, so bei ihr hängengeblieben und plagte sie wie ein Splitter, der sich immer weiter unter die Haut bohrte? More Dread. More Dread. Wo hab ich das schon mal gehört?

Die Aufnahme aus dem Feverbrook Hospital fiel ihr ein, die verschwommene dunkle Gestalt, das formlose, rauchige Gesicht.

Ein Geist, hat 3Big Pike gemeint. Wenn es einen gibt, der als Geist wiederkommen kann…

Sie schloß die Augen, öffnete sie, aber die vertraute Umgebung ihrer Wohnung konnte das Gefühl nicht verdrängen, beobachtet zu werden. Verfolgt.

 

 

> Sie stand wieder auf dem Balkon. Der Turm zog sie an, als wäre sie ein Nachtfalter und das ungeheure schwarze Gebilde eine Art negatives Licht. Selbst jetzt, wo die Stimmen fort waren und sie in gewisser Weise weiter davon entfernt war als in Juniper Bay, kam sie nicht davon los.

Ein Ring roter Signallichter umgab die Spitze wie ein Kranz aus glühenden Kohlen, und in den oberen Etagen brannte in ein paar Fenstern Licht, einzeln und in kleinen Zeilen. Ansonsten stach er nur deshalb vom nächtlichen Himmel ab, weil die Suchscheinwerfer, die über den leeren Parkplatz und die Reihen markierter Buchten glitten, auch die unregelmäßig geformte, spiegelnde Außenfläche bestrichen.

Die Stimmen waren fort. Die Kinder waren fort. Waren sie ein und dasselbe? Olga Pirofsky war schon so lange in der traumhaften Unwirklichkeit ihrer Reise nach Süden versunken, daß sie sich nicht mehr genau erinnern konnte. Außerdem war sie erschöpft. Die Nächte, in denen die Kinder ihr im Traum Fetzen aus ihrem Leben ins Ohr geflüstert, sie gezogen und gedrängt hatten, waren seltsamerweise viel erholsamer gewesen als die nachtschwarzen Stunden nach ihrem Verstummen. Jetzt fühlte sie sich jeden Morgen beim Aufwachen stumpf und hohl, ein wenig wie ein Heliumballon, der den letzten Auftrieb verloren hatte und nur noch schlaff und nutzlos auf dem Teppich herumrollte.

Und was jetzt? fragte sie sich. Sie konnte die Augen nicht von dem Turm abwenden – der Mittelpunkt seines eigenen dunklen Reiches. Nach Hause fahren? Mich umbringen?

Aber sie hatte kein Zuhause mehr. Mischa war fort, und Juniper Bay schien auf einem anderen Planeten zu liegen – genau wie der Zirkus, wie die schönen, süßen, gemordeten Tage, als sie noch mit Aleksander zusammengewesen war. Und die Menschen, die ihr vielleicht hätten helfen können, hatte sie von sich gestoßen, Roland McDaniel und die wenigen anderen befreundeten Arbeitskollegen, Herrn Ramsey, diesen netten Anwalt. Sie hatte nur noch das Schweigen.

Die Stimmen hatten sie praktisch bis zum Fuß dieses unheimlichen schwarzen Berges geführt und sie dann im Stich gelassen. Irgendwie war das alles verflochten – die Kinder, der Turm und die grinsende, leichenweiße Grimasse von Onkel Jingle, die Maske, die sie selbst so lange getragen hatte, daß sie sich fragte, ob ihr Gesicht darunter nicht vielleicht davon verformt worden war.

Sie klappte das Pad auf und setzte sich an den winzigen Preßspanschreibtisch ihres Motelzimmers. Mehrmals wanderte ihr Blick zum Fenster, und schließlich ließ sie mit einem Händeklatschen die Vorhänge zugehen, weil sie mit diesem finster drohenden Finger vor Augen nicht denken konnte.

Müde, aber froh, eine Entscheidung getroffen zu haben, begann Olga ohne vorheriges Überlegen, ihren Abschiedsbrief an die Nachwelt zu schreiben.

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts
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