Kapitel 25
Entgegen seiner Absicht, rasch zu handeln, hatte der Autobahnkontrolleur für Mittelengland Schwierigkeiten, überhaupt zu handeln. Während die verschiedenen für die Erhaltung von Guildstead Carbonell sowie für Recht und Ordnung verantwortlichen Institutionen auf der einen Seite sich mit denen für den Autobahnbau und die Zerstörung des Dorfes Verantwortlichen auf der anderen in den Haaren lagen, kam die Arbeit an der Autobahn praktisch zum Erliegen. Die Lage wurde durch eine Arbeitsniederlegung von Kipperfahrern noch verschlimmert, die behaupteten, durch das Lokalverbot im Royal George für die durch holzschuhtanzende Bulldozerfahrer am Billardtisch angerichteten Schäden ungerechtfertigt bestraft worden zu sein. Dazu kam ein Dienst nach Vorschrift der Abrißexperten, die erklärten, die Verhaftung Mr. Edwards’ stelle einen Verstoß gegen ihre Grundrechte als Gewerkschaftler dar. Um den Streit zu beenden, zahlte Dundridge aus seinem Etatposten für Sonderausgaben den Billardtisch und setzte sich bei der Polizei für die Freilassung Mr. Edwards’ auf Kaution ein, bis das psychiatrische Gutachten vorläge. Mitten im schönsten Durcheinander wurde er nach London beordert, um seine Aussagen zu erläutern, die er in einem vor den Ruinen des Bullett-Finch’schen Hauses geführten Fernsehinterview gemacht hatte.
»Ist Ihnen wirklich nichts Besseres eingefallen als›Vornehm geht die Welt zugrunde?«« wollte Mr. Rees wissen. »Und was in Gottes Namen meinten Sie mit›Zwischen Lipp’ und Kelchesrand schwebt der dunklen Mächte Hand‹?«
»Damit wollte ich lediglich sagen, daß Unfälle eben manchmal passieren«, erklärte Dundridge. »Ich wurde geradezu bombardiert mit –«
»Bombardiert? Was glauben Sie denn, was bei uns seitdem los war? Wieviele Briefe haben wir bekommen?«
Mr. Joynson sah in seiner Liste nach. »Bis jetzt dreitausendvierhundertundzweiundachtzig, ohne die Postkarten.«
»Und was ist mit ›Wir alle müssen Opfer bringen‹? Welchen Eindruck macht das Ihrer Meinung nach auf drei Millionen Zuschauer?« schrie Mr. Rees. »Ein Mann, der friedlich in einer ruhigen, ländlichen Ecke Englands lebt und sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmert, wird mitten in der Nacht von irgendeinem beschissenen Irren mit einer zwei Tonnen schweren Abrißbirne erschlagen, und Sie sprechen von Opfer bringen!«
»Übrigens hat er sich keineswegs um seine eigenen Angelegenheiten gekümmert«, protestierte Dundridge, »er rief laufend an, um –«
»Und das rechtfertigt wohl Ihrer Meinung nach ... Ich geb’s auf.«
»Ich glaube, wir müssen das vom Standpunkt des potentiellen Eigenheimkäufers aus betrachten«, sagte Mr. Joynson taktvoll. »Für einen normalen Lohnempfänger ist es heutzutage schon schwer genug, eine Hypothek zu bekommen. Wir wollen den Leuten doch nicht den Eindruck vermitteln, sie liefen Gefahr, daß ihre Häuser ohne die geringste Vorwarnung abgerissen werden.«
»Und das Haus war nicht einmal für den Abriß vorgesehen«, gab Mr. Rees zu bedenken.
»Ganz recht«, sagte Mr. Joynson. »Ich will darauf hinaus, daß sich. Dundridge hier etwas feinfühligerer Methoden befleißigen muß. Er sollte versuchen, die Leute zu überreden.« Doch da platzte Dundridge der Kragen. »Überreden?« knurrte er. »Anscheinend begreifen Sie nicht, womit ich konfrontiert werde. Anscheinend glauben Sie, ich müsse bloß einen Zwangsenteignungsbescheid zustellen, und schon ziehen die Leute aus, und alles ist paletti. So einfach ist das nicht, das können Sie mir glauben. Ich bin angeblich verantwortlich für die Konstruktion einer Autobahn durch Haus und Park einer Frau, die unter Überredung versteht, mit einer Flinte vom Kaliber zwölf nach mir zu schießen.«
»Und offensichtlich daneben«, seufzte Mr. Rees. »Warum haben Sie nicht die Polizei verständigt?« fragte Mr. Joynson, um Sachlichkeit bemüht.
»Die Polizei? Sie ist die Polizei«, sagte Dundridge. »Die Polizisten fressen ihr aus der Hand.«
»Wie die Löwen, nehme ich an«, sagte Mr. Rees. »Und warum hat sie Ihrer Meinung nach diesen Großwildpark angelegt?« fragte Dundridge.
»Jetzt wollen Sie uns bestimmt einreden, damit sie auf diese Weise ihren Mann loswerden konnte«, meinte Mr. Rees. »Um die Autobahn aufzuhalten. Sie wollte die Öffentlichkeit mobilisieren, um Sympathie werben und ganz allgemein so viel Verwirrung wie nur möglich stiften.«
»Das hätte sie meines Erachtens in aller Ruhe Ihnen überlassen können«, sagte Mr. Rees.
Dundridge warf ihm einen haßerfüllten Blick zu. Das Vertrauen seiner Vorgesetzten besaß er offensichtlich nicht. »Wenn Sie diese Meinung vertreten, kann ich nur von meiner Stellung als Autobahnkontrolleur für Mittelengland zurücktreten und nach London zurückkehren«, sagte er. Mr. Rees sah Mr. Joynson an. Dieses Ultimatum hatten sie befürchtet. Mr. Joynson schüttelte den Kopf.
»Mein lieber Dundridge, dazu besteht überhaupt kein Grund«, sagte Mr. Rees gequält leutselig. »Wir bitten Sie nur, jede weitere negative Publicity tunlichst zu vermeiden.«
»In dem Fall verlasse ich mich auf Ihre volle Rückendeckung«, sagte Dundridge. »Man kann unmöglich von mir verlangen, daß ich derart massive Widerstände überwinde, wenn das Ministerium nicht bereit ist, mich rückhaltlos zu unterstützen.«
»Wir werden Ihnen jede nur mögliche Unterstützung gewähren«, versprach Mr. Rees.
Dundridge verließ das Büro besänftigt und mit dem Gefühl, seine Autorität sei sogar noch gestärkt worden. »Gib dem Kerl die lange Leine und ich möchte wetten, daß er sich selbst den Strick dreht«, sagte Mr. Rees, als Dundridge fort war. »Und ehrlich gesagt, ich wünsche Lady Maud alles erdenkliche Glück.«
»Muß furchtbar sein, auf diese Weise einen Ehemann zu verlieren«, sagte Mr. Joynson. »Kein Wunder, daß die arme Frau außer Fassung geraten ist.«
*
Aber Lady Maud geriet weniger durch den Verlust ihres Gatten außer Fassung als durch die Rechnungen, die ihr aus diversen Geschäften in Worford auf den Tisch flatterten. »Einhundertfünfzig Büchsen Frankfurter Würstchen? Tausend Kerzen? Sechzig Tonnen Zement? Zweihundert Meter Stacheldraht? Fünfzehn Meter Armiereisenstäbe?« murmelte sie bei Durchsicht der Rechnungen. »Was um alles in der Welt heckt Klex da schon wieder aus?« Doch sie zahlte die Rechnungen, ohne zu fragen, und kümmerte sich nicht weiter drum. Was auch immer Klex vorhatte, sie wollte so wenig wie möglich darüber erfahren. »Unwissenheit ist Stärke«, dachte sie, womit sie ein mangelndes Rechtsverständnis an den Tag legte, das ihr als Laienrichterin nicht sehr zur Ehre gereichte. *
Klex war beschäftigt. Die durch Dundridges Schwierigkeiten verursachte Ruhepause hatte er mit der Vorbereitung seiner Verteidigung genutzt. Lady Maud hatte ausdrücklich betont, er dürfe keine Gewalt anwenden, und was ihn betraf, würde das auch gar nicht nötig sein. Das Pförtnerhaus war praktisch uneinnehmbar, außer durch einen konzertierten Panzer- und Artillerieangriff. Sämtliche Räume auf beiden Seiten des Torbogens hatte er mit alten Eisenteilen und Zement vollgestopft und die Treppe mit Beton abgedichtet. Das Dach hatte er mit in Beton gebetteten angespitzten Eisenstäben bedeckt und mit Stacheldraht garniert. Um die eigene Wasserzufuhr zu sichern, hatte er einen Plastikschlauch zum Fluß verlegt, bevor der Zement in die unteren Zimmer gegossen wurde, und um sicherzugehen, daß er eine längere Belagerung überstünde, hatte er für zwei Jahre Lebensmittel gehortet. Für den Fall, daß man die Stromzufuhr sperrte, gab es tausend Kerzen und mehrere Dutzend Gasflaschen, und schließlich hatte er noch eine alte Armeegasmaske aus seinem Lager im Wald ausgegraben, um jedem Versuch zu trotzen, ihn mittels Tränengas auszuräuchern. Nur für den Fall, daß die Maske nicht vor den modernsten Gasen schützte, hatte er aus seiner Bibliothek einen hermetisch verschlossenen Rückzugsraum gemacht. Alles in allem hatte er den sehr großen dekorativen Torbogen, der das Pförtnerhaus vorher gewesen war, in eine Festung verwandelt. Der einzige Eingang bestand aus einer Dachluke unter dem Stacheldraht und den Eisenspitzen, und damit er gehen konnte, wann er wollte, hatte Klex sich eine Strickleiter gebaut, die er vom Dach herunterlassen konnte. Schließlich und nur für den Fall, daß etwas schiefgehen sollte – hatte er ein Gewehr, ein leichtes Maschinengewehr, einen Zwei- Zoll-Granatwerfer, mehrere Schachteln Munition und Handgranaten zusammengetragen, um Eindringlinge zurückzuschlagen. »Ich werde selbstverständlich nur über ihre Köpfe schießen«, sagte er sich. Aber das würde gar nicht nötig sein. Klex kannte die Briten zu gut, als daß er annahm, sie würden Menschenleben gefährden. Und doch gab es keine Möglichkeit, die Autobahn durch den Park und Haus Handyman zu bauen, ohne Menschenleben, und ganz besonders Klex’
Leben, zu gefährden. Die Festung Klex – vormals Pförtnerhaus – stand mitten auf der Strecke der Autobahn. Zu beiden Seiten stiegen die Felsen steil empor. Ehe irgend etwas unternommen werden konnte, mußte das Pförtnerhaus abgerissen werden, und da Klex in ihm drinsteckte, bedeutete der Abriß des Torbogens gleichzeitig, ihn abzureißen. Sie konnten nicht einmal Dynamit verwenden, um die Felsen auf beiden Seiten zu sprengen, ohne daß sie sein Leben ernstlich in Gefahr brachten und mit dem Einsturz des Torbogens rechnen mußten. Um zu guter Letzt sicherzustellen, daß niemand auch nur durch den Torbogen fahren konnte, stellte er in der Durchfahrt eine Anzahl Betonklötze auf. Die zwangen Lady Maud schließlich, die Frage zu stellen, was zum Teufel er da eigentlich mache. »Wie soll ich Ihrer Meinung nach einkaufen, wenn ich nicht rein- und rausfahren kann?« wollte sie wissen. Klex zeigte auf den Bentley und den Landrover, die auf der anderen Seite der Hängebrücke zwischen den beiden Bulldozern parkten.
»Du lieber Gott«, sagte Lady Maud, »wollen Sie damit andeuten, Sie hätten sie ohne meine Erlaubnis weggefahren?«
»Sie sagten, Sie wollten überhaupt nicht wissen, was ich tue, also hab’ ich Ihnen nichts gesagt«, teilte Klex ihr mit. Lady Maud konnte sich der Logik dieser Antwort nicht entziehen. »Das wird aber äußerst lästig werden«, sagte sie. Sie schaute zum Pförtnerhaus auf. Von den Eisenspitzen und dem Stacheldraht auf dem Dach abgesehen, sah es aus wie immer. »Hoffentlich wissen Sie auch, was Sie tun«, sagte sie und ging durch die Betonsperren und über die Brücke zu ihrem Auto. Sie fuhr nach Worford, um wegen Sir Giles’ Testament mit Mr. Ganglion zu sprechen. Soweit sie feststellen konnte, war sie nun eine sehr vermögende Witwe, und Lady Maud beabsichtigte, dieses Vermögen nutzbringend zu verwenden.
*
»Ein Vermögen, meine liebe Lady«, sagte Mr. Ganglion, »ein beträchtliches Vermögen, selbst nach heutigen Maßstäben. Wenn Sie es richtig anlegen, dürften Sie recht königlich davon leben können.« Er betrachtete sie anerkennend. Wenn er es recht bedachte, stand ihr durchaus zu, ein königliches Leben zu führen. Schließlich war da die Sache mit Eduard dem Siebten. »Und da ich selbst Witwer bin ...« Er betrachtete sie noch anerkennender. Vielleicht war sie nicht nach jedermanns Geschmack, aber andererseits machte er auch nicht viel her und wurde nicht gerade jünger. Und Grundstücke im Wert von zehn Millionen Pfund stellten einen Anreiz dar. Das gleiche galt für Mr. Dundridges Fotos.
»Ich habe vor, so schnell wie möglich wieder zu heiraten«, sagte Lady Maud. »Auch wenn Sir Giles mir genug Geld hinterlassen hat, seinen ehelichen Pflichten ist er nie nachgekommen.«
»Verstehe. Verstehe«, sagte Mr. Ganglion, dem Dundridges Erpressungsvorwurf im Kopf herumging. Vielleicht lohnte es sich, wenn er selbst rasch einen kleinen Erpressungsversuch unternahm. Er wandte sich zu seinem Tresor um und drehte am Kombinationsschloß.
»Außerdem ist es wirklich nicht gut für Sie, ganz allein in diesem großen Haus zu wohnen«, fuhr er fort. »Sie brauchen Gesellschaft, jemanden, der sich um Sie kümmert.«
»Dafür habe ich schon gesorgt«, sagte Lady Maud. »Ich habe Mrs. Forthby eingeladen, sich bei mir häuslich niederzulassen.«
»Mrs. Forthby? Mrs. Forthby? Kenne ich sie?«
»Nein«, sagte Lady Maud, »das nehme ich nicht an. Sie war Giles’ ... äh ... Erzieherin in London.«
»Tatsächlich?« sagte Mr. Ganglion und schaute sie über den Rand seiner Brille hinweg an. »Wo Sie es erwähnen, fällt mir ein, daß ich gerüchteweise hörte ...«
»Vergessen Sie es«, sagte Lady Maud, »das ist doch inzwischen Schnee von gestern. Nach allem, was ich vom Testament gesehen habe, hat er der armen Frau nichts hinterlassen, und darum geht es. Ich habe vor, diesem Versäumnis abzuhelfen.«
»Sehr großzügig von Ihnen. Edelmütig«, sagte Mr. Ganglion und nahm einen Umschlag aus dem Tresor. »Und wo wir schon mal beim Thema menschliche Schwächen sind, möchte ich doch vorschlagen, daß Sie einen Blick auf diese Fotografien werfen und mir verraten, ob Sie die schon einmal gesehen haben.« Er öffnete den Umschlag und breitete die Fotos vor ihr aus. Lady Maud betrachtete sie mit konzentrierter Aufmerksamkeit. Ohne Zweifel hatte sie die schon mal gesehen. »Wo haben Sie die her?« rief sie.
»Äh«, sagte Mr. Ganglion, »das darf ich leider nicht verraten.«
»Ich bestehe aber drauf«, fauchte Lady Maud. »Nun«, sagte Mr. Ganglion und steckte die Fotos wieder in den Umschlag, »eine gewisse Person, sagen wir mal, ein potentieller Klient, bat mich um Rat ...« »Dundridge. Ich wußte es, Dundridge«, sagte Lady Maud. »Da kann ich auch nur raten, meine liebe Lady Maud«, behauptete Mr. Ganglion. »Also, besagter Klient unterstellte, daß Sie diese ... ähem ... diese recht freizügigen Fotos benutzten, um ... äh ... ihn zu erpressen.«
»Gott im Himmel«, rief Lady Maud, »das dreckige kleine Aas!«
»Selbstverständlich gab ich mir große Mühe, ihn zu überzeugen, daß etwas Derartiges außer Frage stehe. Doch er ließ sich nicht überzeugen ...« Aber Lady Maud hatte genug gehört. Sie stand auf und schnappte sich den Umschlag. »Falls Sie wollen, daß wir wegen Verleumdung gerichtlich gegen ihn vorgehen ...«, sagte Mr. Ganglion.
»Er hat mich der Erpressung beschuldigt? Ich werde bei Gott dafür sorgen, daß er den Tag bereut, an dem er geboren wurde«, knurrte Lady Maud und stapfte mitsamt den Fotos aus dem Zimmer.
*
Dundridge befand sich in seinem mobilen Hauptquartier, wo er gerade Pläne für seine nächste Aktion gegen Haus Handyman ausarbeitete, als Lady Maud vorfuhr. Nun, wo er sicher sein konnte, daß ihn das Ministerium rückhaltlos unterstützte, betrachtete er die Zukunft mit neuem Selbstvertrauen. Er hatte mit dem Polizeipräsidenten gesprochen und volle Unterstützung durch die Polizei verlangt, falls Lady Maud sich weigern sollte, der Aufforderung zum Auszug aus Haus Handyman nachzukommen, und der Polizeichef hatte sich widerstrebend dazu bereit erklärt. Gerade erteilte er Hoskins die Anweisung, in den Park vorzurücken, als Lady Maud in den Wohnwagen stürmte.
»Du dreckiges kleines Schwein«, schrie sie und schmiß die Fotos auf seinen Schreibtisch. »Schau sie dir ruhig genau an.« Das tat Dundridge; Hoskins ebenfalls.
»Na?« fuhr Lady Maud fort, »und was hast du nun zu sagen?« Dundridge stierte zu ihr hoch und suchte krampfhaft nach Worten, die seinen Gefühlen entsprachen. Es gab keine. »Wenn du glaubst, daß du ungestraft davonkommst, dann täuschst du dich«, brüllte Lady Maud.
Dundridge umklammerte das Telefon. Das dreckige Miststück war wieder aufgetaucht, um ihn mit diesen entsetzlichen Fotos zu quälen, und diesmal bestand kein Zweifel, wer bei diesen obszönen Verrenkungen die Hauptrolle spielte, und diesmal war auch noch Hoskins anwesend. Hoskins entsetzter Gesichtsausdruck gab den Ausschlag. Ein Skandal war unvermeidlich. Dundridge wählte die Nummer der Polizei.
»Glaub bloß nicht, du kannst dich rauswinden, indem du einen Anwalt anrufst«, brüllte Lady Maud. »Das tu ich nicht«, sagte Dundridge, der endlich seine Stimme wiederfand, »ich rufe die Polizei an.«
»Die Polizei?« sagte Lady Maud.
»Die Polizei?« flüsterte Hoskins.
»Ich werde Sie wegen versuchter Erpressung vor Gericht bringen«, sagte Dundridge.
Lady Maud stürzte sich quer über den Schreibtisch auf ihn. »Du versautes kleines Arschloch«, schrie sie. Dundridge taumelte von seinem Stuhl und lief zur Tür. Lady Maud machte eine Kehrtwendung und rannte hinter ihm her. Hinter ihnen legte Hoskins den Hörer auf und griff sich die Fotos. Er ging auf die Toilette und schloß die Tür hinter sich. Als er wieder herauskam, kauerte Dundridge hinter einem Bulldozer. Sechs Bulldozerfahrer hielten Lady Maud zurück, und die Fotos waren zu Asche verbrannt und ins Klo gespült worden. Hoskins setzte sich und wischte sich mit einem nassen Taschentuch die Stirn. Das war knapp gewesen.
»Glaub ja nicht, daß du damit durchkommst«, rief Lady Maud, als man sie zu ihrem Wagen brachte. »Ich werde dich wegen Verleumdung verklagen. Den letzten Penny werde ich dir abknöpfen.« Sie fuhr ab, und Dundridge wankte in den Wohnwagen zurück.
»Sie haben sie gehört«, sagte er zu Hoskins und sackte auf seinen Stuhl. »Sie haben gehört, wie sie mich erpressen wollte.« Er sah sich um und suchte die Fotos.
»Ich hab’ sie verbrannt«, sagte Hoskins. »Ich dachte mir, es wäre Ihnen sicher nicht recht, wenn die hier rumlägen.« Dundridge sah ihn dankbar an. Er wollte keineswegs, daß sie herumlagen. Andererseits waren damit die Beweise für dieses versuchte Verbrechen vernichtet. Jetzt die Polizei anzurufen, war sinnlos.
»Na, wenn sie mich verklagt, waren Sie wenigstens Zeuge«, meinte er schließlich.
»Auf jeden Fall«, sagte Hoskins. »Aber das wird sie nie wagen.«
»Diesem Miststück traue ich alles zu«, sagte Dundridge, der nun, da sowohl Lady Maud als auch die Fotos aus dem Weg geräumt waren, wieder Zuversicht faßte. »Aber eins sag’ ich Ihnen. Wir rücken jetzt sofort zum Haus Handyman vor. Ich werde sie lehren, mir zu drohen.«
*
»Ohne die Fotos haben Sie leider keine Beweise, sagte Mr. Ganglion, als Lady Maud wieder in sein Büro kam. »Aber er hat Ihnen doch erzählt, daß ich ihn erpresse. Das haben Sie mir selbst gesagt«, wandte Lady Maud ein. Mr. Ganglion schüttelte bekümmert den Kopf. »Was er mir erzählte, liebe Lady Maud, geschah im Rahmen einer vertraulichen Unterredung. Schließlich konsultierte er mich als Anwalt, und da ich Sie sowieso vertrete, würde meine Aussage vor Gericht nie und nimmer zugelassen. Wenn wir allerdings Hoskins dazu brächten, auszusagen, er habe gehört, wie Dundridge Sie der Erpressung beschuldigte ...« Er rief im Regionalen Planungsamt an und wurde zu Hoskins im mobilen Hauptquartier durchgestellt.
»Keineswegs. Davon ist mir nie etwas zu Ohren gekommen«, sagte Hoskins. »Fotos? Keine Ahnung, wovon Sie überhaupt reden.« Vor Gericht als Zeuge über diese verfluchten Fotos vernommen zu werden, war so ungefähr das letzte, was er wollte.
»Eigenartig«, meinte Mr. Ganglion. »Höchst eigenartig, aber so sieht’s nun mal aus. Hoskins wird nicht aussagen.«
»Das beweist doch nur, daß man heutzutage keinem trauen kann«, sagte Lady Maud.
Ausgesprochen mies gelaunt fuhr sie nach Hause, und ihre Laune besserte sich nicht dadurch, daß sie den Bentley vor dem Pförtnerhaus abstellen und die Auffahrt bis zum Haus laufen mußte.