Kapitel 24

Im Wohnzimmer von Haus Handyman traf sich der Rest des Rettet-die-Schlucht-Komitees, betrauerte das Ableben von Mr. Bullett-Finch und überlegte, wie man sich sein Opfer zunutze machen könnte.

»Diese Geschichte ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit«, sagte Oberst Chapman. »Einen friedfertigeren Menschen als den armen alten Bertie konnte man sich gar nicht vorstellen. Nie kam ein böses Wort über seine Lippen.« Lady Maud konnte sich an mehrere böse Worte aus Mr. Bullett-Finchs Mund erinnern, als sie sich nämlich erlaubt hatte, seinen Rasen zu betreten, doch sie behielt ihre Gedanken für sich. Ganz gleich, welche Fehler er als Lebender aufwies, der tote Mr. Bullett-Finch war heiliggesprochen. General Burnett faßte ihre Gedanken in Worte.

»Schreckliche Art, sich zu verabschieden«, sagte er, »wenn man von einer elend großen Eisenkugel einfach so zerschmettert wird. Fast wie von einer riesigen Kanonenkugel.«

»Wahrscheinlich hat er nichts gespürt«, meinte Oberst Chapman. »Es war spätnachts, und er lag im Bett ...«

»Das stimmt übrigens nicht. Man fand ihn im Bademantel. Hat es wohl kommen hören.«

»Mitten in dem Leben sind wir ...«, fing Miss Percival an, wurde jedoch von Lady Maud unterbrochen. »Es hat keinen Zweck, in der Vergangenheit zu verweilen«, sagte sie. »Wir müssen unsere Überlegungen auf die Zukunft richten. Ich habe Ivy eingeladen, hier zu wohnen.«

»Ich bezweifle, daß sie dieses Angebot annimmt«, sagte Oberst Chapman und schaute unruhig aus dem Fenster. »Ihr Nervenkostüm war nie das allerbeste und ist durch diesen Schock auch nicht gerade solider geworden, und dann diese Löwen ...«

»Dummes Zeug«, widersprach Lady Maud energisch. »Völlig harmlose Tierchen, vorausgesetzt, man kann mit ihnen umgehen. Man muß ihnen zeigen, daß man keine Angst vor ihnen hat, das ist das Wichtigste. Sobald sie Angst wittern, werden sie gefährlich.«

»Für mich wäre das ganz sicher nicht das richtige«, gestand Miss Percival. General Burnett nickte.

»Ich kann mich an ein Erlebnis im Pandschab erinnern ...«, setzte er an.

»Wir sollten uns, glaube ich, auf die vorliegende Angelegenheit beschränken«, sagte Lady Maud. »So sehr ich bedaure, was dem armen Mr. Bullett-Finch und ganz Guildstead Carbonell widerfahren ist, ein Gutes hat es doch: Gegenüber dem Umweltministerium und dieser gräßlichen Autobahn sind wir dadurch in einer viel stärkeren Position. Sie, General, erwähnten doch wohl, die Polizei verhöre diesen Dundridge.« General Burnett schüttelte den Kopf. »Der Polizeipräsident hat mich auf dem laufenden gehalten«, sagte er. »In dieser Richtung wird leider nicht mehr ermittelt. Offenbar gab es gestern abend im Royal George so was wie eine wilde Fete. Anscheinend geht man von der Theorie aus, daß einige der Malocher ein paar Biere zuviel getrunken haben und ...«

»Bier?« sagte Lady Maud mit einem seltsamen Gesichtsausdruck. »Habe ich richtig verstanden, Sie sagten ›Bier‹?«

»Meine liebe Lady«, sagte der General begütigend, »ich sprach lediglich von Bier, weil das diese Kerls meines Wissens trinken. Ich wollte damit keineswegs unterstellen ...«

»Ich glaube sogar, daß es Wodka war«, meinte Oberst Chapman taktvoll. »Ich bin da ganz sicher. Man hat eine Flasche gefunden.« Doch es war schon zu spät. Lady Maud machte einen recht aufgewühlten Eindruck.

*

In der Schonung versuchte Sir Giles verzweifelt, eine Entscheidung zu fällen. Von seinem Baum aus hatte er das Eintreffen von General Burnett, Oberst Chapman und Miss Percival beobachtet. Sie waren alle in einem Auto gekommen – Miss Percival hatte ihren Wagen vor dem Haupttor stehenlassen und war beim General eingestiegen –, und mit ihrer Anwesenheit schien sich für Sir Giles eine Fluchtmöglichkeit zu eröffnen, falls er bis zum Haus kam. Maud würde ihn kaum vor den Augen ihrer Nachbarn kaltblütig niederschießen. Vielleicht würde es zu einer unangenehmen Szene kommen. Vielleicht würde sie ihn der Brandstiftung, der Erpressung und Bestechung bezichtigen. Vielleicht würde sie ihn der Lächerlichkeit preisgeben, aber er war bereit, diese Risiken einzugehen, um den Park lebend zu verlassen. Andererseits hatte er seine Zweifel, ob er in der Verfassung sei, einen Spießrutenlauf durch die Löwen anzutreten, die von ihrem letzten Mahl fortgeschlendert waren und auf dem Rasen vor der Terrasse herumlagen. Hinzu kam, daß er inzwischen extrem hungrig war, im Gegensatz zu den Löwen. Die hatten sich gerade an Giraffe satt gefressen.

Wenigstens hoffte Sir Giles das. Dieses Risiko mußte er eben eingehen. Blieb er im Baum, würde er Hunger leiden und früher oder später ohnehin runterkommen müssen. Besser früher, dachte er, als später. Sir Giles kletterte vom Baum und stieg über das Geländer. Wenn er selbstbewußt auftrat, vielleicht ... Sir Giles war alles andere als selbstbewußt zumute. Er zögerte, ehe er vorsichtig weiterstapfte. Wenn er nur die Terrasse erreichen könnte! Als er den Rasen überquerte, wurde ihm klar, daß er die Entfernung zwischen sich und den schützenden Bäumen vergrößerte, während die zwischen ihm und den Löwen abnahm. Er hatte den Punkt erreicht, von dem aus es kein Zurück mehr gab.

*

Im Wohnzimmer beschwerte sich General Burnett über Sir Giles’ Abwesenheit. »Ich habe versucht, ihn in seiner Londoner Wohnung und in seinem Büro anzurufen, aber anscheinend wußte keiner, wo er steckt«, sagte er. »Ich bin überzeugt, daß wir den Minister dazu bewegen könnten, die Autobahnbauarbeiten einzustellen, wenn wir Sir Giles erreichten. Ich bin wirklich der letzte, der sich beschwert, aber in einer Zeit wie dieser braucht ein Wahlkreis seinen Abgeordneten.«

»Leider neigt mein Mann dazu, sich in seinen parlamentarischen Pflichten von seinen Geschäftsinteressen stören zu lassen«, stimmte ihm Lady Maud zu. »Natürlich, natürlich«, sagte Oberst Chapman. »Er muß eben jede Menge Eisen im Feuer haben. Hätte es nicht so weit gebracht, wenn das anders wäre.«

»Ich glaube ...«, sagte Miss Percival nervös und starrte aus dem Fenster. »Ich meine damit lediglich, es ist an der Zeit, daß er sich bemerkbar macht«, sagte der General. »Ich finde, Sie sollten wirklich ...«, fing Miss Percival an. »In einer Zeit wie dieser sollte er seine Stimme erheben ... Gott im Himmel! Was zum Teufel war das denn?« Aus dem Garten kam ein gräßlicher Schrei. »Das war, glaube ich, Sir Giles, der seine Stimme erhob«, sagte Miss Percival und fiel in Ohnmacht. Der General und Oberst Chapman drehten sich um und sahen entsetzt aus dem Fenster. Einen Moment lang konnte man Sir Giles sehen, dann verschwand er unter einem Löwen. Lady Maud schnappte sich einen Schürhaken und öffnete die Terrassentür. »Wollt ihr wohl aufhören?« schrie sie und stürmte über die Terrasse. »Kusch, kusch.«

Doch es war zu spät. Der General und Oberst Chapman eilten ihr nach und zerrten sie ins Haus zurück, die immer noch den Schürhaken schwang und »kusch« rief.

*

»Verdammt schneidiges kleines Frauchen«, sagte der General auf der Heimfahrt. Oberst Chapman schwieg. Er versuchte, den Anblick dieser Gummistiefel aus seinem Gedächtnis zu verbannen, und außerdem fand er selbst unter diesen bedrückenden Umständen Lady Mauds Kurzbeschreibung durch den General ein wenig unpassend. Von dem Schlag, den sie ihm versetzt hatte, als er meinte, sie solle sich wegen dieses Ereignisses keine Vorwürfe machen, war sein linkes Ohr immer noch halb taub.

»Damit ist der Großwildpark übrigens gestorben«, fuhr der General fort. »Wirklich schade.«

»Durch ihn ist ja auch Sir Giles gestorben«, ergänzte Oberst Chapman, der fand, daß General Burnett die ganze Angelegenheit zu gelassen aufnahm.

»Was durchaus für den Park spricht«, sagte der General. »Der Bursche war noch nie nach meinem Geschmack.« Auf dem Rücksitz wurde Miss Percival zum sechsten Mal ohnmächtig.

*

Im Haus Handyman erklärte der Polizeipräsident Lady Maud so taktvoll wie möglich, daß es eine Untersuchung dieses unnatürlichen Todesfalls geben werde.

»Eine Untersuchung? Aber was passiert ist, liegt doch völlig klar auf der Hand. General Burnett und Oberst Chapman waren hier.«

»Eine reine Formalität, seien Sie versichert«, sagte der Polizeichef. »Und jetzt muß ich mich auf den Weg machen.« Mit den Gummistiefeln in der Hand ging er zu seinem Wagen und fuhr weg. Im Park leckten die Löwen sich die Pranken und putzten ihre Schnurrhaare. Lady Maud schaute ihnen vom Fenster aus zu. Sie mußten natürlich verschwinden. Sir Giles war vielleicht kein angenehmer Mensch gewesen, aber Lady Mauds Anstandsgefühl ließ nicht zu, Tiere zu halten, bei denen man sich nicht darauf verlassen konnte, daß sie keine Leute verspeisten. Und dann war da noch Klex, Klex und die Ereignisse gestern abend in Guildstead Carbonell. Wofür er Spezial-Sonderabfüllung gebraucht hatte, lag klar auf der Hand, und sie war schuld daran. Und dann hatte sie auch noch Ivy Bullett-Finch eingeladen, bei ihr zu wohnen. Jetzt hatte sie wenigstens eine gute Entschuldigung, Ivy wieder auszuladen. Sie ging in die Küche und wollte gerade nach draußen, als ihr einfiel, daß die Löwen Menschenfleisch gekostet hatten und vor ihrer Furchtlosigkeit möglicherweise nicht mehr so leicht das Feld räumen würden. Sie bewaffnete sich also besser mit irgendwas. Nach kurzem Zögern ging Lady Maud dann trotzdem hinaus. Ein gewisses Risiko einzugehen, war sie ihrem Gewissen schuldig. Sie begab sich über den Fußweg in den Küchengarten.

»Klex«, sagte sie, »ich möchte mit Ihnen reden. Ist Ihnen klar, was Sie angerichtet haben?«

Klex zuckte die Achseln. »Das hat er sich selbst zuzuschreiben«, sagte er.

»Ihn meine ich gar nicht«, sagte Lady Maud. »Ich spreche von Mr. Bullett-Finch.«

»Was ist mit ihm?«

»Er ist tot. Er wurde letzte Nacht getötet, als man sein Haus abriß.«

Klex nahm seinen Hut ab und kratzte sich am Kopf. »Wirklich schade«, meinte er nachdenklich. »Schade? Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen?« fragte Lady Maud streng.

»Ich wüßte nicht, was ich sonst sagen sollte. Ich wußte genausowenig, daß er in dem Haus war, wie Sie wußten, daß ihn die Löwen fressen würden.« Er las eine Raupe von einem Kohlkopf und zerquetschte sie gedankenverloren.

»Ich muß schon sagen, hätte ich gewußt, was Sie vorhatten, hätte ich Ihnen nie den Tag frei gegeben«, sagte Lady Maud und ging zurück ins Haus.

Klex jätete weiter. Frauen sind seltsame Wesen, dachte er. Man tat, was sie wollten, und zum Dank lasen sie einem die Leviten. Die Leviten lesen. Wenn er es recht bedachte, war das auch ein seltsamer Ausdruck. Doch die ganze Welt steckte voller Rätsel.

In London erwachte Mrs. Forthby mit dem unbestimmten Gefühl, daß irgend etwas fehlte. Sie rollte sich im Bett auf die andere Seite, knipste die Lampe an und schaute auf den Wecker. Der zeigte elf Uhr achtundvierzig, und da es dunkel war, mußte es kurz vor Mitternacht sein. Andererseits war ihr nicht nach Mitternacht zumute. Sie fühlte sich, als hätte sie viel länger als vier Stunden geschlafen, und wo steckte überhaupt Giles? Sie stand auf und suchte in der Küche und im Bad, aber er war nicht in der Wohnung. Auch gut, dann war er wohl weggegangen. Sie ging zurück in die Küche und machte sich einen Tee. Außerdem war sie sehr hungrig; merkwürdig, schließlich hatte sie ein großes Abendessen vertilgt. Sie toastete etwas Weißbrot und kochte sich ein Ei. Und die ganze Zeit über wurde sie dieses dumpfe Gefühl nicht los, daß irgend etwas nicht stimmte. Um acht Uhr abends war sie zu Bett gegangen, und jetzt, um Mitternacht, war sie hellwach und am Verhungern. Um sich die Zeit zu vertreiben, griff sie nach einem Buch, doch ihr war nicht nach Lesen. Sie stellte das Radio an und bekam den Nachrichtenüberblick mit: »... Lynchwood, Unterhausabgeordneter für South Worfordshire, der auf seinem Anwesen in der Nähe von Worford von einem Löwen getötet wurde. In Arizona zerstörte ein wildgewordener Wirbelsturm ...« Mrs. Forthby machte das Radio aus und goß sich noch eine Tasse Tee nach, ehe ihr aufging, was der Sprecher gerade gesagt hatte. »Oje«, sagte sie, »heute nachmittag? Aber ...« Sie ging ins Wohnzimmer und warf einen Blick auf die Datumsanzeige der Uhr. Dort stand Freitag, der 20. Dabei war gestern Mittwoch gewesen. Das hatte Giles gesagt. Sie hatte gesagt, es sei Dienstag, und er hatte gesagt, es sei Mittwoch. Und jetzt war es auf einmal Freitagmorgen, und Giles war von einem Löwen getötet worden. Was hatte ein Löwe auf dem Handymanschen Anwesen zu suchen? Und was hatte Sir Giles eigentlich dort zu suchen? Sie wollten doch am Wochenende gemeinsam nach Brighton fahren. Das war alles viel zu verwirrend und entsetzlich. Es konnte nicht wahr sein. Mrs. Forthby rief die nette Dame an, die einem die Uhrzeit sagt. »Beim nächsten Ton ist es null Uhr, zehn Minuten und zwanzig Sekunden.«

»Aber welches Datum? Welcher Tag ist heute?« fragte Mrs. Forthby.

»Beim nächsten Ton ist es null Uhr, zehn Minuten und dreißig Sekunden.«

»Du liebe Güte, Sie sind wirklich keine große Hilfe«, sagte Mrs. Forthby und fing an zu weinen. Ein besonders liebenswürdiger Mensch war Giles nicht gewesen, aber sie hatte ihn gemocht, und sie war an allem schuld. »Wäre ich nicht so vergeßlich und hätte dran gedacht, aufzuwachen, dann wäre er jetzt noch am Leben«, murmelte sie. *

Am nächsten Morgen begrüßte Dundridge in seinem mobilen Hauptquartier die Neuigkeit mit Schadenfreude. »Geschieht der blöden Vettel recht, was baut sie auch so einen Scheiß Großwildpark«, meinte er zu Hoskins. »Wie können Sie nur so etwas sagen«, widersprach Hoskins. »Dadurch ist lediglich wieder ein Sitz im Unterhaus freigeworden. Es gibt wieder eine Nachwahl, und Sie wissen ja, was beim letzten Mal passierte.«

»Um so mehr spricht dafür, daß wir so schnell wie möglich weiterarbeiten.«

»Was? Wo Maud Lynchwood trauert? Die arme Frau hat gerade unter tragischen Umständen ihren Ehemann verloren, und Sie –«

»Verschonen Sie mich mit diesem Quark«, sagte Dundridge. »Ich würde meinen, daß sie wahrscheinlich hocherfreut ist. Würde mich nicht wundern, wenn sie die ganze Geschichte bloß inszeniert hat, um uns aufzuhalten.«

»Das ist eine schlimme Verleumdung, jawoll«, sagte Hoskins. »Sie mag zwar ein ziemlich übler Besen sein, aber ...«

»Hören Sie zu«, sagte Dundridge, »ihr Mann war ihr scheißegal, das weiß ich.«

»Das wissen Sie?«

»Ja, das weiß ich allerdings. Ich verrate Ihnen mal was. Diese alte Kuh hat eines Nachts versucht, mich zu verführen, und als ich nicht mitmachen wollte, hat sie mit ’ner Flinte vom Kaliber zwölf nach mir geschossen. Also verschonen Sie mich mit diesem Stuß, von wegen trauernde Witwe. Wir bauen weiter, und zwar schnell.«

»Also, ich kann nur sagen, daß Sie damit der öffentlichen Meinung ins Gesicht spucken«, sagte Hoskins, der sich Dundridges Geschichte von der versuchten Verführung einigermaßen fassungslos angehört hatte. »Erst stirbt Bullett- Finch, und jetzt Sir Giles. Es wird eine öffentliche Welle der Empörung geben. Ich würde meinen, gerade jetzt sollte man sich bedeckt halten.«

»Gerade jetzt werden wir den Brückenkopf direkt im Park errichten«, sagte Dundridge. »Ich werde zwei Bulldozer und ein Basislager an ihrem Torbogen aufbauen. Soll sie doch meckern, wenn sie unbedingt will.«

*

Aber Lady Maud meckerte nicht. Sir Giles’ Tod hatte sie schwerer getroffen, als sie erwartet hatte, und für das, was Mr.

Bullett-Finch zugestoßen war, fühlte sie sich persönlich verantwortlich. Sie ging ihren Pflichten automatisch, aber irgendwie geistesabwesend nach, verstrickt in die moralische Zwangslage, in der sie sich nun befand. Ihr stand die Zerstörung von allem, was ihr lieb und wert war, bevor – das Herrenhaus, die Schlucht, die wilde Landschaft, der Garten, die Welt, für die ihre Vorfahren gekämpft und die sie geschaffen hatten. All dies sollte verschwinden und durch eine Autobahn ersetzt werden, die in fünfzig Jahren, nach dem Verbrauch der fossilen Brennstoffe, nur noch ein unnützer, veralteter Schandfleck wäre. Ausgeheckt hatte das Ganze Giles, der auf ein armseliges Geldsümmchen aus gewesen war, eine gemeine und grausame Geste, um ihr weh zu tun. Nun ja, Giles hatte seine wohlverdiente Strafe bekommen, doch sein Vermächtnis, die Autobahn, blieb, und die Methoden, derer sie sich hatte bedienen müssen, hatten sie korrumpiert. Sie hatte Öl ins Feuer gegossen, und andere waren verbrannt, nämlich Bertie Bullett- Finch und – im wahrsten Sinne des Wortes – der arme Mensch, der die Paraffinlampe vor Mr. Dugdales Garage plaziert hatte. Derart selbstanklägerisch gestimmt nahm sie an der gerichtsmedizinischen Anhörung teil, bei der auf Unfalltod von Sir Giles Lynchwood erkannt wurde; man lobte seine Witwe wegen ihrer Tapferkeit, wies aber gleichzeitig auf die unvorhergesehenen Gefahren hin, die das Halten von wilden Tieren auf Privatgrundstücken mit sich brächte. In derselben Stimmung überwachte sie den Abtransport der Löwen, der letzten Giraffe und der Strauße, ehe sie in der Abtei von Worford am Trauergottesdienst teilnahm. Die ganze Zeit über ging sie Klex aus dem Weg, der sich im Küchengarten herumdrückte und grollte. Erst als sie aus der Abtei zurückkehrte und gegenüber vom Pförtnerhaus die neben der eisernen Hängebrücke abgestellten Bulldozer sah, empfand sie Gewissensbisse wegen der Vorhaltungen, die sie ihm gemacht hatte. Sie fand den schmollenden Klex zwischen den schwarzen Johannisbeeren.

»Klex, es tut mir leid«, sagte sie. »Ich muß mich wohl bei Ihnen entschuldigen. Wir alle machen dann und wann Fehler, und ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, wie sehr ich Ihnen für all die Opfer danke, die Sie mir gebracht haben.« Klex errötete unter seinem sonnengebräunten Teint. »Nicht der Rede wert«, nuschelte er.

»Das stimmt einfach nicht«, widersprach Lady Maud huldvoll, »ich weiß wirklich nicht, wie ich ohne Sie zu Rande gekommen wäre.«

»Sie brauchen mir nicht zu danken«, sagte Klex. »Sie sollten einfach wissen, wie dankbar ich Ihnen bin«, sagte Lady Maud. »Als ich kam, sind mir übrigens die Bulldozer in der Nähe des Pförtnerhauses aufgefallen ...«

»Sie möchten wohl, daß sie aufgehalten werden?«

»Tja, wo Sie es gerade erwähnen ...«, fing Lady Maud an. »Überlassen Sie das mir«, sagte Klex, »ich werde sie aufhalten.«

Lady Maud zögerte. Der Zeitpunkt war gekommen, einen Entschluß zu fassen. Sie wählte ihre Worte vorsichtig. »Ich würde nur ungern vermuten müssen, daß Sie irgend etwas Gewalttätiges unternehmen.«

»Gewalttätig? Ich?« fragte Klex, dessen gekränkter Tonfall angesichts dieser Anspielung beinahe glaubwürdig klang. »Ja, Sie«, sagte Lady Maud. »Also, ich habe nichts dagegen, nötigenfalls Geld auszugeben. Sie können haben, soviel Sie wollen, aber ich dulde nicht, daß irgendwer verletzt wird. Von solchen Geschichten hatten wir schon mehr als genug.«

»Ihre Vorfahren haben gekämpft, um ...«

»Was die Taten, meiner Ahnen betrifft, bin ich wohl etwas sachkundiger als Sie«, sagte Lady Maud. »Auf Belehrungen kann ich verzichten. Das war etwas ganz anderes. Erstens vertraten sie die Krone und hielten sich an den gesetzlichen Rahmen, und zweitens ging es bloß gegen die Waliser, und die waren Barbaren. Außerdem bin ich Friedensrichterin und darf nichts Illegales dulden. Was Sie auch unternehmen, es muß rechtmäßig sein.«

»Aber ...«, begann Klex.

Lady Maud unterbrach ihn. »Ich will nichts mehr hören. Was Sie unternehmen, ist Ihre Sache. Ich will nichts davon wissen.« Sie stolzierte davon, und Klex blieb zurück, um über ihre Worte nachzudenken.

»Keine Gewalt«, murmelte er. Dadurch wurde die Sache etwas schwierig, aber ihm würde schon etwas einfallen. Frauen, auch die herausragenden Exemplare, waren– unlogische Wesen. Er verließ den Garten und ging zum Pförtnerhaus hinunter. Auf der anderen Seite der Hängebrücke standen zwei Bulldozer unter den Bäumen und symbolisierten die Präsenz von Dundridges Spezialeinheit. Es wäre so leicht, sie mit einem APIG außer Gefecht zu setzen oder auch nur Zucker in ihre Tanks zu schütten, aber wenn Maud darauf bestand, daß er sich an den gesetzlichen Rahmen hielte ... sich an den gesetzlichen Rahmen halten? Noch so eine merkwürdige Formulierung. Als sei das Gesetz eine Burg mit Fenster- und Türrahmen. Klex schaute hoch zu dem großen Torbogen, der über ihm aufragte. Ihm war gerade eine Idee gekommen.