Kapitel 19
In Worford machte Dundridge sich Mut. Wenn er es recht bedachte, war der Besuch bei Mr. Ganglion eine gute Idee gewesen. Die Reaktion des alten Herrn war zwar heftig, aber immerhin ehrlich ausgefallen und ließ den Schluß zu, daß der Anwalt viel zu anständig sei, um an dem Erpressungsversuch einer seiner Klientinnen beteiligt zu sein, ganz gleich, wie einflußreich sie auch sein mochte. Mr. Ganglion blieben nun zwei Möglichkeiten: Entweder ließ er Lady Maud wissen, daß Dundridge bei ihm gewesen war und sie der Erpressung bezichtigt hatte, oder – was wahrscheinlicher war – er hielt den Mund, da es gegen sein Berufsethos verstieß, die Angelegenheiten eines Klienten mit einem anderen zu besprechen. In beiden Fällen befand sich Dundridge in einer relativ starken Position. Sprach Ganglion mit Lady Maud, würde sie nicht wagen, ihre Drohung zu wiederholen. Falls er schwieg ... Dundridge zog die wahrscheinlichste Konsequenz in Betracht: Sie würde sich wieder bei ihm melden. Er verließ das Haus und kaufte sich einen Kassettenrecorder. Für seinen nächsten Besuch bei Mr. Ganglion wollte er Beweismaterial, handfestes Beweismaterial aufnehmen, daß Lady Maud mit der Sache zu tun hatte. Genauso würde er vorgehen. Nachdem er sich zu dem Entschluß durchgerungen hatte, ging es ihm besser. Er hatte dieser Kanaille einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Operation Fernverkehr konnte beginnen. Er ging ins Regionale Planungsamt und ließ Hoskins kommen.
»Wir fangen an«, informierte er ihn.
»Natürlich tun wir das«, sagte Hoskins. »In Bunnington ist die Arbeit schon im Gange.«
»Vergessen Sie das«, sagte Dundridge, »ich will, daß eine Spezialeinheit sofort anfängt, in der Schlucht zu arbeiten.«
Hoskins schlug in seinen Planungsunterlagen nach. »Da kommen wir nicht vor Oktober hin.«
»Ich weiß, ich weiß, trotzdem will ich, daß mit der Arbeit dort sofort begonnen wird. Nur mit einer symbolischen Einsatztruppe, Sie verstehen schon.«
»Auf dem Handymanschen Anwesen? Eine symbolische Einsatztruppe?«
»Nicht auf dem Anwesen. In der eigentlichen Schlucht«, sagte Dundridge.
»Aber wir haben den Lynchwoods noch nicht einmal einen Zwangsenteignungsbescheid zugestellt«, wandte Hoskins ein. »Wenn dem so ist, wird es langsam Zeit. Ich will, daß an Miss Percival, General Burnett und die Lynchwoods umgehend Bescheide abgeschickt werden. Wir müssen sie so schnell wie möglich unter Druck setzen. Haben Sie das verstanden?«
»Verstanden habe ich es zwar«, sagte Hoskins, dem Dundridges autoritäres Verhalten langsam auf die Nerven ging, »aber ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, was diese plötzliche Eilesoll.«
»Das glaube ich gern«, sagte Dundridge, »aber da ich es anordne, wird es eben gemacht. Für den Eingang zur Schlucht brauchen wir ohnehin keinen Zwangsenteignungsbescheid; das Gelände ist Staatsbesitz. Bringen Sie morgen die Männer dorthin.«
»Und was zum Teufel sollen die Ihrer Meinung nach tun? Das verfluchte Herrenhaus im Schutz der Dunkelheit stürmen?«
»Hoskins«, erwiderte Dundridge, »ich bin Ihren Sarkasmus langsam leid. Sie vergessen anscheinend, daß ich der Autobahnkontrolleur für Mittelengland bin und mein Wort gilt.«
»Meinetwegen«, sagte Hoskins. »Vergessen Sie nur nicht, daß Sie die Suppe auslöffeln müssen, falls irgendwas schiefläuft. Was soll die Spezialeinheit unternehmen?«
Dundridge warf einen Blick auf die Baupläne. »Hier steht, die Felsen müssen weggeräumt und die Schlucht muß verbreitert werden. Damit können sie anfangen.«
»Das bedeutet Sprengungen mit Dynamit«, präzisierte Hoskins.
»Ausgezeichnet«, sagte Dundridge, »das dürfte der alten Schachtel als Warnung dienen, daß wir es ernst meinen.«
»Dafür reicht es garantiert«, meinte Hoskins. »Die wird wie ein geölter Blitz bei uns auf der Matte stehen.«
»Und ich werde sie mit dem größten Vergnügen empfangen«, sagte Dundridge. Der verwirrte Hoskins ging in sein Büro zurück. Je öfter er den Autobahnkontrolleur für Mittelengland erlebte, desto sonderbarer kam er ihm vor. »Ich hätte nie gedacht, daß er sich gegenüber Lady Maud so auf die Hinterbeine stellen würde«, murmelte er. »Tja, besser er als ich.«
In seinem Büro lächelte Dundridge still vor sich hin. Dynamit. Genau das richtige, um Lady Maud in die von ihm ausgelegte Falle zu locken. Er nahm den Kassettenrecorder aus seiner Aktentasche und probierte ihn aus. Das Ding funktionierte einwandfrei.
*
In Sir Giles’ Wohnung in Victoria saßen Lady Maud und Klex an dem Schreibtisch. Vor ihr lagen die Einzelheiten über Sir Giles’ Aktienbesitz. Vor Klex befanden sich das Telefon und das Skript für seine Rolle.
»Fertig?« fragte Lady Maud.
»Fertig«, antwortete Klex und wählte.
»Schaeffer, Blodger und Vaizey«, meldete sich die Telefonistin im Büro der Börsenmaklerfirma. »Mr. Blodger bitte«, sagte Klex.
»Sir Giles Lynchwood für Sie, Mr. Blodger«, hörte Klex das Mädchen sagen.
»Ah, Lynchwood«, sagte Blodger, »guten Morgen.«
»Guten Morgen Blodger«, sagte Klex. »Also, ich möchte, daß Sie folgende Werte so gut wie möglich verkaufen: viertausend President Rand, tausendfünfhundert ICM, zehntausend Rio Pinto, meine gesamten Zink und Kupfer ...« Am anderen Ende der Leitung erklang ein ersticktes Geräusch. Offenbar hatte Mr. Blodger gewisse Schwierigkeiten, mit Sir Giles’ Anweisungen einig zu werden. »Lieber Himmel, Lynchwood«, nuschelte er, »fühlen Sie sich auch wohl?«
»Ob ich mich wohl fühle? Was zum Teufel soll das heißen? Natürlich fühle ich mich wohl«, knurrte Klex. »Es geht bloß darum, daß ... nun ja ... die Börsenkurse sind zur Zeit im Keller. Sollte man nicht besser warten ...«
»Hören Sie, Blodger«, unterbrach ihn Klex. »Ich weiß, was ich tue, und wenn ich sage verkaufen, dann wird verkauft. Und wenn Sie auf meinen Rat hören, dann steigen Sie ebenfalls aus.«
»Glauben Sie wirklich ...«, begann Mr. Blodger. »Glauben?« sagte Klex. »Ich weiß es. Also, sehen Sie zu, was Sie kriegen können, und rufen Sie mich zurück. Ich bin die nächsten zwanzig Minuten hier in der Wohnung.«
»Tja, wenn Sie’s so wollen«, sagte Mr. Blodger. Klex legte auf.
»Brillant, Klex, ausgesprochen brillant. Sogar ich dachte einen Moment lang, ich hörte Giles sprechen«, sagte Lady Maud. »Na, daran dürften die erst mal eine Weile zu knacken haben. Oder sie glauben, die Börse wackelt. Wenn er zurückruft, geben sie ihm die zweite Liste durch.«
*
In den Büroräumen von Schaeffer, Blodger und Vaizey war man konsterniert. Blodger zog Schaeffer zu Rate, und gemeinsam ließen sie Vaizey kommen.
»Entweder ist er durchgedreht, oder er weiß etwas«, rief Blodger. »Allein bei President Rand verliert er achtzigtausend.«
»Was ist mit Rio Pinto?« schrie Schaeffer. »Da ist er bei fünfundzwanzig eingestiegen und verkauft bei zehn.«
»Normalerweise hat er recht«, stellte Vaizey fest. »In all den Jahren, die wir sein Konto führen, hat er sich nicht ein Mal vergriffen.«
»Vergriffen! So wie er sich jetzt vergreift, brauchte er eigentlich zehn Hände, wenn Sie mich fragen.«
»Es sei denn, er weiß etwas«, sagte Vaizey. Sie sahen sich an. »Er muß etwas wissen«, sagte Schaeffer. »Wollen Sie ihn sprechen?« fragte Blodger. Schaeffer schüttelte den Kopf. »Das würde ich nervlich nicht durchstehen«, murmelte er.
Blodger nahm den Hörer ab. »Verbinden Sie mich mit Sir Giles Lynchwood«, befahl er dem Mädchen in der Telefonzentrale. »Nein, wenn ich’s recht bedenke, lassen Sie es bleiben. Ich nehme die Außenverbindung.« Er wählte Sir Giles’ Nummer.
Zehn Minuten später kam er bleich wie der Tod in Schaeffers Büro gewankt.
»Er macht Ausverkauf«, sagte er und plumpste in einen Sessel.
»Ausverkauf?«
»Stößt alles ab. Die ganze verfluchte Ladung, und zwar heute. Er weiß wirklich was.«
*
»So«, sagte Lady Maud, »das wäre erledigt. Wir sollten besser noch ein bis zwei Stunden hierbleiben, falls sie noch mal anrufen. Jammerschade, daß wir nicht das gleiche mit einigen seiner Grundstücke machen können. Na ja, man soll es auch nicht übertreiben.«
Um zwei Uhr nachmittags rief Blodger noch einmal an und meldete, Sir Giles’ Instruktionen seien ausgeführt worden. »Gut«, sagte Klex. »Überweisen Sie das Geld morgen. Ich fahre heute abend nach Paris. Noch etwas, ich will, daß das Geld auf mein neues Konto bei der Westlands Bank in Worford überwiesen wird.«
*
Am folgenden Nachmittag kehrte Sir Giles gutgelaunt mit dem Auto aus Plymouth zurück. Die Konferenz war erfolgreich verlaufen, und er freute sich auf den Abend mit dem peitschenden Kindermädchen. Er fuhr in seine Wohnung, nahm ein Bad, speiste in einem Restaurant zu Abend, und als er in der Elm Road ankam, war Mrs. Forthby bereits für ihre Rolle eingekleidet.
»Nun denn, du Lümmel«, sagte sie und legte genau die Spur drohendes Wohlwollen in ihre Stimme, die er so schätzte, »raus aus den Klamotten.«
»Nein, nein«, sagte Sir Giles.
»Doch, doch«, sagte die peitschende Kinderschwester. »Nein, nein.«
»Doch, doch.«
Sir Giles erlag der Verlockung ihrer Schürze. Sie roch nach Kindheit. Der Atem des peitschenden Kindermädchens hingegen deutete auf etwas Reiferes hin, aber von ihrem beharrlichen Wunsch, er solle sich gefälligst benehmen, während sie seine Windel befestige, war Giles zu berauscht, um davon Notiz zu nehmen. Erst als er endgültig zusammengeschnürt war und sie ihm das Babyhäubchen zurechtrückte, fing seine Nase einen Dufthauch ein. Es war Brandy.
»Du hast getrunken«, ließ er sie wissen. »Doch, doch«, gab Mrs. Forthby zu und stopfte ihm einen Schnuller in den Mund. Sir Giles starrte ungläubig zu ihr hoch.
Mrs. Forthby trank nie; die Frau war Abstinenzlerin. Das war einer der Züge, den er an ihr mochte. Sie war preiswert im Unterhalt. Sie mochte zwar vergeßlich sein, aber sie war ... Mein Gott, wenn sie schon nüchtern vergeßlich war, was sollte dann im betrunkenen Zustand aus ihr werden? Sir Giles wand sich auf dem Bett und bemerkte, daß er weit fester geknebelt war, als er erwartet hatte. Das peitschende Kindermädchen hatte sich selbst übertroffen. Er konnte sich kaum bewegen.
»Ich geh’ mal kurz runter, ’n paar Fischstäbchen holen«, sagte sie. »Dauert bloß eine Minute.«
Während sie ihre Haube abnahm und einen Mantel über das Kostüm zog, glotzte Sir Giles sie wütend an. Was in Gottes Namen wollte das vermaledeite Weib um diese Nachtzeit mit Fischstäbchen? Eine Minute? Sir Giles kannte ihre Minuten. Wahrscheinlich würde er gefesselt, in Babyklamotten und mit einem Schnuller im Mund bis zum Morgengrauen liegenbleiben, während sie sich auf irgendeinem beschissenen Konzert vergnügte. Sir Giles nagte hektisch am Knebel, doch das verflixte Ding war viel zu fest gezurrt. »Und sei ein braver Junge, solange ich weg bin«, befahl das peitschende Kindermädchen. »Mach nichts, was ich nicht auch machen würde. Tschühüs.«
Sie ging und machte die Tür hinter sich zu. Sir Giles fügte sich in sein Schicksal. Es war sinnlos, jetzt schon nervös zu werden. Solange es ging, konnte er genausogut seine Hilflosigkeit genießen. Er würde wahrscheinlich später noch genug Gelegenheit haben, sich echte Sorgen zu machen. Mit dem zwangsläufig stillen Gebet, daß sie keine Karten für den Ring der Nibelungen bekommen hatte, fand er sich damit ab, den unartigen Knaben zu mimen, und ging gerade so richtig in seiner Rolle auf, als es an der Wohnungstür klingelte. Sir Giles Starre nahm noch extremere Formen an. Sekunden später war er wie gelähmt vor Schreck.
»Ist jemand da?« rief eine Stimme. Sir Giles kannte diese Stimme, die Stimme der Hölle in Person. Es war Lady Maud. »Tja, der Schlüssel steckt«, hörte er sie sagen, »da können wir genausogut reingehen und warten.«
Sir Giles lag mit rasendem Herzklopfen auf dem Bett. Die Vorstellung, in dieser gräßlichen Lage von Lady Maud entdeckt zu werden, war schlimm genug, aber die Tatsache, daß sie in Begleitung gekommen war, jagte ihm eine Heidenangst ein. Er hörte, wie sie im Nachbarzimmer umhergingen. Hoffentlich blieben sie dort. Was zum Teufel hatte Lady Maud hier überhaupt zu suchen? Wie um alles in der Welt hatte sie das mit Mrs. Forthby herausgefunden? Genau in diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und im Rahmen stand Lady Maud. »Da steckst du also«, sagte sie vergnügt. »Ich habe mir fast gedacht, daß wir dich hier finden. Wie ungemein praktisch.« Unter seinem rüschenbesetzten Häubchen linste Sir Giles gehässig zu ihr hoch; sein Gesicht hatte die Farbe des Lakens, auf dem er lag, und seine Beine zuckten krampfhaft in der Luft herum. Praktisch! Praktisch! Das verfluchte Weib war total übergeschnappt. Gleich darauf wurde seine Vermutung zur Gewißheit.
»Sie können reinkommen, Klex«, sagte sie, »Giles hat sicher nichts dagegen.« Klex betrat das Zimmer. Er trug eine Kamera mit Blitzlicht.
»Und jetzt laß uns ein wenig plaudern«, sagte Lady Maud. »Was ist mit den Fotos?« fragte Klex. »Sollten wir die nicht zuerst aufnehmen?«
»Meinen Sie, er sähe es lieber, wenn erst fotografiert wird?« fragte sie. Klex nickte energisch, Sir Giles hingegen schüttelte den Kopf. Die nächsten fünf Minuten wanderte Klex im Zimmer herum und nahm aus jedem nur vorstellbaren Winkel Fotos auf.
Dann legte er einen neuen Film ein und machte ein paar Großaufnahmen. »Das reicht fürs erste«, verkündete er schließlich. »Wir haben wohl genug.«
»Das will ich meinen«, sagte Lady Maud und zog einen Stuhl neben das Bett. »Dann wollen wir mal unseren kleinen Plausch über deine Zukunft halten, mein Lieber.« Sie beugte sich vor und nahm ihm den Schnuller raus.
»Faß mich nicht an«, kreischte Sir Giles. »Ich habe überhaupt nicht vor, dich anzufassen«, sagte Lady Maud mit sichtlichem Widerwillen. »Daß ich es nicht muß, ist eine der wenigen Entschädigungen für unsere durch und durch unbefriedigende Ehe. Ich bin lediglich hier, um die Bedingungen festzulegen.«
»Bedingungen? Welche Bedingungen?« krächzte Sir Giles. Lady Maud kramte in ihrer Handtasche.
»Die Bedingungen für unsere Scheidung«, sagte sie und zog ein Schriftstück aus der Tasche. »Du brauchst bloß hier zu unterschreiben.«
Sir Giles musterte das Blatt verständnislos. »Ich brauche meine Lesebrille«, murmelte er.
Lady Maud setzte sie ihm auf die Nase. Sir Giles las das Dokument. »Du erwartest, daß ich das unterschreibe?« brüllte er. »Glaubst du etwa wirklich, ich werde dieses –« Lady Maud stopfte ihm den Schnuller wieder in den Mund. »Du unsägliche Kreatur«, zischte sie, »du unterzeichnest dieses Schriftstück, und wenn es die letzte Tat deines Lebens ist. Und das hier auch.« Sie wedelte mit einem anderen Blatt Papier vor seiner Nase herum. »Und das.« Noch eins. »Und das.« Auf dem Bett kämpfte Sir Giles verzweifelt mit seinen Fesseln. Nichts auf Gottes weitem Erdboden würde ihn dazu bewegen, ein Dokument zu unterschreiben, in dem er offen zugab, seine rechtmäßige Ehefrau gewohnheitsmäßig betrogen und ihr die ehelichen Rechte verweigert, bei zahllosen Gelegenheiten Ehebruch begangen sowie sie sechs Jahr lang psychisch wie physisch gequält zu haben. Lady Maud las seine Gedanken.
»Als Gegenleistung für deine Unterschrift werde ich keine Abzüge der Fotos, die wir gerade aufgenommen haben, an den Premierminister, deinen Fraktionsvorsitzenden, an die Parteimitglieder deines Wahlkreises oder die Presse schicken. Du unterschreibst dieses Dokument, Giles, und du wirst dafür sorgen, daß die Autobahn innerhalb eines Monats gestoppt wird. Innerhalb von einem Monat, hast du mich verstanden? So lauten meine Bedingungen. Was sagst du dazu?« Sie entfernte den Knebel.
»Du widerliches Scheusal.«
»Ganz recht«, sagte Lady Maud, »du unterschreibst also?«
»Den Teufel werd’ ich tun«, schrie Sir Giles und wurde umgehend zum Schweigen gebracht.
»Ich weiß zwar nicht, ob du deinen Shakespeare kennst«, sagte sie, »aber in Eduard der Zweite ...« Seinen Marlowe kannte Sir Giles zwar auch nicht, aber über Eduard den Zweiten wußte er Bescheid.
»Klex«, sagte Lady Maud, »schauen Sie mal eben in der Küche nach, ob Sie einen –«
Doch Sir Giles nickte schon. Zur Zeit würde er alles unterschreiben.
Während Klex seine rechte Hand losband, kramte Lady Maud einen Füllfederhalter aus ihrer Handtasche. »Hier«, befahl sie und deutete auf eine gepunktete Linie. Sir Giles unterschrieb. »Hier« und »Hier.« Sir Giles unterschrieb und unterschrieb. Als er fertig war, beglaubigte Klex die Unterschriften. Dann wurde er wieder festgebunden.
»Gut«, sagte Lady Maud, »ich werde das Scheidungsverfahren umgehend einleiten, und du stoppst die Autobahn oder trägst die Konsequenzen. Und unterstehe dich, deinen Fuß je wieder auf meinen Grund und Boden zu setzen. Deine Sachen werden dir geschickt.« Sie nahm den Schnuller raus. »Hast du noch was zu sagen?«
»Garantierst du mir, daß ich die Fotos und Negative bekomme, wenn ich es schaffe, den Autobahnbau zu stoppen?«
»Selbstverständlich«, sagte Lady Maud, »wir Handymans mögen unsere Fehler haben, aber Wortbrüchigkeit gehört nicht dazu.« Sie stopfte ihm den Schnuller wieder in den Mund und schnürte ihn hinter seinem Kopf fest. Dann nahm sie ihm die Brille ab, rückte sein Häubchen zurecht und ging aus dem Zimmer.
Im Treppenhaus begegnete ihnen die aufgeregte Mrs. Forthby. »Sie haben ihm doch hoffentlich nichts getan?« fragte sie. »Natürlich nicht«, versicherte ihr Lady Maud, »wir haben ihn bloß veranlaßt, ein Schriftstück zu unterzeichnen, mit dem er in eine Scheidung einwilligt.«
»Oje, hoffentlich ist er nicht zu ungehalten. Manchmal bekommt er ganz furchtbare Wutanfälle.«
»Na hören Sie mal, Sie peitschendes Kindermädchen, Sie müssen eben zeigen, was in Ihnen steckt«, sagte Lady Maud. »Seien Sie streng.«
»Ja, sie haben recht«, sagte Mrs. Forthby. »Aber es fällt mir so schwer. Unfreundlich zu sein, ist meinem Wesen völlig fremd.«
»Bevor ich’s vergesse, hier ist ein kleines Honorar für Ihre Hilfe.« Lady Maud zog einen Scheck aus ihrer Handtasche, aber Mrs. Forthby schüttelte den Kopf.
»Vielleicht bin ich keine sehr kluge Frau und nicht ohne Fehler, aber ich habe meine Prinzipien«, sagte sie. »Außerdem würde ich wahrscheinlich vergessen, ihn einzulösen.« Ein wenig nachdenklich ging sie die Treppe hoch.
*
»Diese Frau«, stellte Lady Maud fest, als sie zum Bahnhof Paddington fuhren, um den Zug nach Worford zu nehmen, »ist viel zu gut für Giles. Sie hat etwas Besseres verdient.« Unterwegs hielten sie an, um an die Herren Schaeffer, Blodger und Vaizey die Aktienabtretung in den Briefkasten zu werfen.