Champagner für alle

 

Eines Nachmittags saß meine komplette Familie im Wohnzimmer: meine Eltern, meine Schwester und ich. Das Telefon klingelte ganz unverhofft. Meine Schwester ging dran. Wir waren alle ganz ruhig und sie sagte nur: »Nein, die ist nicht da. Sie hat sich mit einer Lerngruppe getroffen.« Dann legte sie auf. »Ratet mal, wer das war?«, fragte sie dann.

Es war natürlich Verona. Mein Vater warnte mich gleich vor: »Mach dir keine Hoffnungen. Sie will deine Freundschaft zurück, ist aber mit ihm vielleicht noch zusammen.«

Ja, die Enttäuschung wäre zu groß, wenn sie immer noch ein Paar wären.

 

Doch zwei Wochen später: Der Triumph! Meine Mutter kam angestürmt. Ich dachte schon, es sei jemand gestorben.

»Verona ist da! Sie steht vor dem Hoftor! Er hat sich von ihr getrennt. Sie heult bitterlich und möchte dich als Freundin zurück«

Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, ging zu ihr, und wie von selbst entfuhr mir ein ganzer Monolog. Ich schlug verbal zurück: »Na, jetzt hast du nicht nur deinen Freund verloren, sondern auch deine beste Freundin. Wie konntest du das nur zulassen? Es ist eine Dreistigkeit, mir auf meine SMS-Anfrage, ob wir ins Kino gehen, eine Absage zu erteilen: ›Ich habe schon eine Verabredung‹, während du mit der großen Liebe deiner besten Freundin ausgehst. Weißt du, wie echte Freundinnen da handeln? Sie rufen sofort die beste Freundin an und erzählen ihr: ›Hör mal zu. Der will mit mir ausgehen.‹ Aber du behältst es lieber für dich und spannst ihn deiner besten Freundin aus. Jetzt stehen alle auf meiner Seite. Die hassen dich alle so sehr, wie ich dich hasse. Aber ich kann nichts daran ändern. ES GIBT EBEN DINGE IM LEBEN, DIE KANN MAN NICHT STEUERN! Dieser Satz müsste dir bekannt vorkommen! Für mich gibt es keine Verona Liebmich mehr!« Ich drehte mich rum und ließ sie stehen.

Mir ging es nach sechs Wochen wieder besser. Sechs Wochen Hölle lagen hinter mir. Mein Vater mit seiner Menschenkenntnis hatte mal wieder Recht. Ich fühlte mich befreit. Am nächsten Tag trommelte ich ein paar Freunde zusammen. Mein Vater kaufte Champagner und wir stießen alle darauf an. Auf meinen Triumph. Dann folgte mein bisher längstes Gedicht:

 

Hier nur die Kurzfassung:

 

Rache ist sooo süß!

Jetzt stehst du heulend vor mir. Du flehst mich an, willst mich als deine Freundin zurück, weil du allein bist. Du glaubst gar nicht, wie oft ich mir das gewünscht habe. Ich kann kaum glauben, dass mein Wusch in Erfüllung gegangen ist.

 

Weißt du, wie das ist, wenn man von seiner ›besten‹ Freundin so hintergangen wird? Weißt du, wie das ist, wenn man die große Liebe vor den Augen weggeschnappt bekommt? Du Heuchlerin hast alles gewusst. Du kanntest meine Geheimnisse, meine Träume und meine Pläne, die du mit mir geschmiedet hast. Du wusstest, was mir das alles bedeutet hat. Du hast alles zerstört. Dafür hasse ich dich! Weißt du, wie es ist, wenn man wütend ist und ganz machtlos gar nichts dagegen machen kann?

 

Du stehst vor mir und sagst: »Ich kann nichts dafür! Ich wollte das alles nicht!« Kannst du mir sagen, wieso es dann soweit kam? Natürlich wolltest du das! Das ist so offensichtlich, sonst hättest du das nie zugelassen. Egoistisches Miststück! Denkst nur an dich. Auf so was kann ich verzichten!

»ES GIBT DINGE IM LEBEN, DIE KANN MAN NICHT STEUERN!« Es sind seine Worte, die du mir vorträgst! Ich finde, du machst es dir verdammt leicht.

»Ich bin doch keine Maschine. Ich kann doch meine Gefühle nicht einfach so abschalten!« Und was ist mit meinen Gefühlen? Weißt du denn nicht, dass ich auch Gefühle habe, die du mit bestem Wissen und Gewissen verletzt? Es wäre nie passiert, wenn du nicht heimlich mit ihm ausgegangen wärst. Du hast dich darauf eingelassen. Du hast es schon längst beabsichtigt. Verräterin! Du hast noch nie was anbrennen lassen!

 

Du schreibst mir in einem Brief: »Lass dir doch von mir helfen! Wir können das doch gemeinsam verarbeiten!« Wie naiv bist du eigentlich? Was erwartest du von mir? Dass ich vor dir auf die Knie falle und dir womöglich noch gratuliere für das, was du mir antust? Du bist das Allerletzte! So dumm kannst nur du sein! Du machst dich lächerlich! Dieser Brief bestätigt mir deine Unreife!

 

Ich muss gegen meinen Schmerz ankämpfen, obwohl ich keine Kraft mehr habe. Es tut so weh, zu sehen, wie du ihn küsst. Aber er hat dich ohne Zweifel ausgenutzt! Läppische sechs Wochen. Das ist doch ein Witz! Das hast du jetzt davon! Du hast mir schon immer alles nachgemacht: dieselben Schuhe gekauft, dieselben Hosen, sogar dasselbe Regal und jetzt auch noch meine Liebe!

 

Weißt du, wie schlimm die Vorstellungen sind, die ich nicht aus meinem Kopf bekomme? Die Vorstellung, was ihr wohl gerade im Moment zusammen macht? Weißt du, wie diese unerträglichen Schmerzen sind? Die lauten Schreie, die leider nicht helfen, die endlosen Tränen, die das Kissen Nacht für Nacht durchnässen? Weißt du, wie es sich anfühlt zu glauben, dass man innerlich verblutet oder verbrennt? Du hast keine Ahnung! Aber du siehst, wie ich mich an dir räche! Na? Tut´s schön weh? Sieht so aus, wie du heulst! Ich wünsche dir viele schlechte Nächte und viele Alpträume! Weißt du, wie das ist, jeden Morgen aufzuwachen und einen Alptraum zu verdauen? Weißt du, wie es ist, ohne Gewissheit auf seinen Triumph zu warten?

 

Jetzt ist er da! Mein Triumph! Heute knallen die Champagnerkorken. Für mich und meine Freunde. Sie halten alle zu mir. Ich habe noch Freunde im Gegensatz zu dir. Dir bleiben nur die Leute, über die du früher gelästert hast. Na ja, wenn sie jetzt gut genug für dich sind. Hoffentlich kommen sie nicht dahinter. Ich dachte nie, dass ich mich über das Unglück eines anderen Menschen so freuen könnte, aber deine Tränen sind für die sechs Wochen Hölle, durch die ich gegangen bin, für diese Schmerzen, die du mir zugefügt hast. Ich weiß, dass die Welt ungerecht ist, aber am Schluss geht die Rechnung fast immer auf, und Rache kann sooo süß sein!!!

 

Das ist es. Meine Seele widergespiegelt auf einem Blatt Papier. An verbalen Gewaltausdrücken wollte ich nicht sparen.