In diesem Alter feiert man noch Halbjähriges

 

Am 27. Februar hatten Mark und ich unser Halbjähriges. Damals war ich in einem Alter, da hat man so etwas noch gefeiert. Ich wollte ihm einen Kuchen backen und irgendwas Schönes draufschreiben. Zum Beispiel: »Ein halbes Jahr Mark und Klementine.« Ich war so sehr verliebt, dass ich mir schon lange vorher alles ausgemalt hatte.

Doch vor unserem halbjährigen Jubiläum kam ja noch der Amor mit seinem Pfeil, obwohl er schon längst mein Herz getroffen hatte. Es war Valentinstag. Und mir fiel auch schnell ein, was ich ihm schenken konnte. Ich finde ja, dass der Valentinstag die totale Geschäftemacherei ist, bei dem man Geld beinahe unnötig aus dem Fenster wirft. Deshalb entschied ich mich für etwas Kleines, Liebenswertes: Einen Mainzelmännchen-Schlüsselanhän-ger mit dem Schlüssel zu meinem Herzen. Ich habe mich für Det entschieden, denn den mochte er besonders und der trägt ja auch eine Brille, wie Mark – die steht ihm übrigens wirklich gut. Na ja, wenn man verliebt ist, findet man ja auch alles gut an ihm, sogar seine kurzen Beine, obwohl ich seit eh und je auf lange, schlanke Männerbeine stehe. Aber an Mark hat mir eben alles gefallen.

Über sein Geschenk hat er sich jedenfalls gefreut. Für mich hatte er ein sehr außergewöhnliches Präsent gewählt. Er machte es spannend: »Mach mal deine Augen zu, du musst es ertasten. Aber Vorsicht!« Auch das noch. Hoffentlich war es nichts Ekelerregendes.

Plötzlich sagte er: »Du kannst die Augen öffnen.« Vorsichtig tat ich es. »Darf ich vorstellen, das ist Einstein«, sagte er. Ich war sprachlos. Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. Einstein. Nett. Ich sah auf das kleine Schild mit der Aufschrift ›Einstein‹, das in der Blumenerde einer Kaktee steckte. Ja, ganz recht! Einen Kaktus hat er mir geschenkt. Seine Mutter war empört: »Aber Mark. Man schenkt doch einer Frau keinen Kaktus. So etwas schenkt man doch dem Volksmund nach nur der unliebsamen Schwiegermutter.« Das störte ihn nicht. Er kannte den Brauch nicht, und außerdem fand er dieses Geschenk ganz praktisch, schließlich braucht eine Kaktee nicht viel Wasser. Und damit lag er schon ganz richtig, denn Pflanzen haben bei mir null Überlebenschance.

 

Erde an Klementine. Nein, besser gesagt: Großer Wagen an Klementine. Der ist umhüllt von Glück, und noch nie war alles so klar. Übrigens zum Thema ›sich ändern‹: Heute weiß ich, dass Männer es tatsächlich schaffen, sich punktuell zu ändern. Ob das dann von Dauer ist, bleibt zu bezweifeln. Meine Freude jedenfalls ist grenzenlos.

 

Ich habe mich noch nie so wohl gefühlt. Heute denke ich, wenn man mit seinem Partner nicht zusammenwohnt, sollte man vielleicht den einen oder anderen Tag freihalten für eigene Hobbies, die jedem Partner zustehen. Damals haben wir uns nicht daran gehalten, uns einfach jeden Tag gesehen. Das war für Mark eine Umstellung. Seine Ex-Freundin sah er nie so oft. Doch in der Phase des Verliebtseins ist das ja auch wunderschön und man kann es kaum erwarten, seine Liebste oder seinen Liebsten wieder zu sehen. Es kam auch mitten am Tag einfach mal eine SMS: »Hallo, mein Glück. Ich freue mich, dich heute Abend wieder zu sehen.« Da schlug mein Herz immer höher und nichts auf der Welt hätte mir da noch den Tag verderben können. Leider musste er in der Firma seines Vaters immer sehr viel arbeiten, oft hatte er erst gegen 22 Uhr Feierabend, und auf Dauer konnte das stressig werden, dann noch die Freundin zu besuchen.

Er hatte gerade mal wieder eine stressige Woche hinter sich. Es war Montag und ich merkte, dass er total angespannt war. Wir sahen uns wie immer jeden Tag, und ich hatte das Gefühl, dass er inzwischen doch genervt war. Sein Auto musste zur Reparatur, er hatte Arbeit ohne Ende, er war einfach total gestresst. Manchmal war er schon komisch. Seine Mutter sagte mal zu mir: »Tja, Klementinchen. Der Mark ist schon ein komischer Vogel.« Was soll ich denn davon halten, wenn sogar seine Mutter das zu mir sagt? Ich nahm es nicht wirklich ernst. Schließlich ist sie eine sehr nette Frau und eigentlich hat sie nicht wirklich Unrecht, immerhin hatte er mir zum Valentinstag einen Kaktus geschenkt.