Trennung oder Date?
Am nächsten Tag fuhr ich spontan aber fest entschlossen mit Christiane zu ihm. Ich wollte meine restlichen Sachen holen, die ich bis jetzt absichtlich bei ihm gelassen hatte, denn ich brauchte ja einen Vorwand, um mich bei ihm blicken zu lassen. Und es hat mich tatsächlich bei ihm gehalten. Seine Mutter war zu Hause, er nicht. Ich unterhielt mich kurz mit ihr: »Mark hat Schluss gemacht.« Sie war eher sprachlos. Ich redete weiter: »Er weinte, hat gesagt, er liebt mich noch. Wieso macht er dann Schluss?«
Es schien, als hätte sie keine Antwort darauf, und sie brauchte auch nicht weiter nach einer zu suchen, denn in diesem Moment platzte Mark herein. Schock, damit hatte ich nicht gerechnet.
Die Unterhaltung ging weiter, allerdings mit Mark allein in seinem Zimmer. Mein Bild hing noch neben seinem Bett, auf Kopfhöhe, unverändert. Mein großes Portrait, das ich ihm zu Weihnachten geschenkt hatte, stand ebenfalls da, wo es immer gestanden hatte. Er machte sich offensichtlich nicht so viel aus Fotos, oder vielleicht konnte er sich nicht so schnell entwöhnen. Die Bilder seiner Ex-Freundin hielten sich ja auch eine ganze Weile auf ihren Plätzen. Ich hingegen räumte alles, was mich an ihn erinnerte in einen Schuhkarton.
»Meine Bilder sind ja immer noch da«, bemerkte ich.
»Ich mag dich ja auch immer noch«, gab er zur Antwort.
»Warum sind wir dann nicht mehr zusammen? Wir können doch über alles reden!«, versuchte ich ihn umzustimmen. Dann kam einer der schlimmsten Sätze, die man in so einem Moment nur hören kann: »Wir können ja Freunde bleiben!«, sagte er grinsend.
Um Himmelswillen! Auch das noch. Das ist echt das Schlimmste, denn wenn man Liebeskummer hat, kann man nicht einfach so tun, als wäre man befreundet. Es ist anders, ein anderes Verhältnis, mehr als nur Freundschaft.
»Wir können doch morgen etwas unternehmen?«, schlug er vor. Auf keinen Fall wollte ich darauf eingehen. Ich kann nicht mit dem Mann befreundet sein, den ich immer noch liebe. ›Nein, ich gehe nicht mit ihm aus‹, dachte ich. »Okay«, hörte ich mich da sagen. »Wo wollen wir hingehen und wann?« Zu spät schaltete sich mein Hirn wieder ein. Die Verabredung stand.
Der nächste Tag war ein Tag, der vor dem Spiegel und dem Kleiderschrank begann. Topgestylt fuhr ich zu ihm. Dann stiegen wir in seinen Wagen und fuhren nach Alzey in ein Lokal, um dort zu essen. Ich hatte überhaupt keinen Hunger. Liebeskummer schlägt mir immer voll auf den Magen, doch über die Pfunde, die dann purzeln, konnte ich mich nie freuen, denn Freude ist in solchen Zeiten ein Fremdwort für mich. Ich bestellte mir eine kleine Portion Kartoffelspalten. Dann drehten wir uns im Kreis. Es ging nur um das eine Thema: Warum sind wir getrennt, wenn wir uns noch lieben? Plötzlich bediente sich Mark an meinem Teller und nahm sich eine Kartoffelspalte.
»Hey, was soll das? Du bist nicht mehr mit mir zusammen. Also darfst du auch nicht von meinem Teller essen!«, sagte ich empört. Irgendwo sind Grenzen. Er war sichtlich überrascht auf Grund meiner leicht explosiven Bemerkung. Ich glaube, es hatte ihn getroffen. Sonst redete er sich immer auf eine ironische Art raus. Er selbst nannte sich scherzhaft ›Iron Man‹. Er ist auch der ironischste Typ, den ich kenne. Und seine Ironie kann sehr verletzend sein. Beispielsweise sagte er mal eines Morgens zu mir: »Ach, ich dachte, ich wache heute neben der dunkelhaarigen Freundin auf.« So etwas kostet echt Nerven, vor allem ist man dann blitzschnell wach. Da ist ja das Piepen eines Weckers angenehmer. Einmal lud sein Vater uns zum Griechen ein. Die ganze Familie. Wir entschieden uns für eine Platte für sechs Personen, von der sich jeder bedienen konnte. Am Ende bedankte ich mich für die Einladung.
Und was sagte Mark, ironisch, wie er ist: »Deinen Teil musst du natürlich selbst bezahlen.« Na vielen Dank für die Bloßstellung vor deiner Familie, dachte ich. Ich bin einfach nicht auf ihn eingegangen und tat so, als hätte ich es nicht gehört. Seine Eltern hatten mein ›Dankeschön‹ ja schon längst angenommen und freuten sich.
Manchmal war seine Ironie auch echt süß. Ich muss da an sein Nikolaus-Geschenk denken. Er schenkte mir Rosen und versteckte einen Schokoladen-Nikolaus auf seinem Autodach, als wir noch mal in die Stadt fahren wollten. Daran war ein kleines Briefchen befestigt:
Hallo Klementine, da ich dich nicht persönlich angetroffen habe, will ich dir ein paar Worte hinterlassen.
Zuerst möchte ich mich für die Verspätung entschuldigen, aber wie du sicher weißt, es gibt nur einen Nikolaus und sehr, sehr viele Kinder. So, aber nun kommen wir zu dir, Klementine aus Uelversheim. Da ich aus sicherer Quelle erfahren habe, dass du einen netten, ganz, ganz lieben Freund hast, bin ich mir sicher, dass du ein ganz umgänglicher Typ bist, auch wenn dich dein Freund öfter mal im Haushalt antreiben muss, du immer zu schnell fährst und manchmal zu spät zur Arbeit kommst. Ansonsten bin ich mit dir soweit ganz zufrieden. Obwohl ich gerne mit dir persönlich gesprochen hätte. Vielleicht klappt es nächstes Jahr!
Ach so, ich habe dir ein Schoko-Modell von mir da gelassen. Ich dachte mir, wenn dein Freund so wenig Zeit für dich hat, bekommst du was von dem Nikolaus. Von wem die Rosen waren? Keine Ahnung. Vielleicht ein heimlicher Verehrer?
Also dann. In Liebe
Der Nikolaus
JA, ein ganz süßer Brief, mit viel Ironie, wie ich jetzt im Nachhinein bemerke. Die Anspielung auf den Haushalt, und dass er zu wenig Zeit für mich hat, die Entschuldigung, dass der »Nikolaus« zu spät kam, das alles sind ironische Anspielungen, die alle einen Funken Wahrheit beinhalten. Ironie und Wahrheit liegen eben dicht, sehr dicht beieinander. Aber gerade deshalb hab ich andere Bemerkungen eben auch ernster genommen, als sie wahrscheinlich gemeint waren.
Das mit der Dunkelhaarigen zum Beispiel. Ist da nicht auch ein Funke Wahrheit zu erkennen?
Ach, ich bin schon wieder ganz woanders mit meinen Gedanken. Zurück zum Date. Also, von meinem Tellerchen darf er nicht mehr essen. Da ziehe ich klare Grenzen. Wir holten uns im McDrive noch ein Eis und führten unser Gespräch im Auto weiter. Wieder diese Bemerkung: »Es ist wie am Anfang. Wir sitzen immer im Auto und erzählen ewig.« Seltsam, dass ihm das immer auffällt.
Am nächsten Tag machte meine Mutter Tiefkühlgemüse. Ich habe noch nie wegen Tiefkühlgemüse geweint. »Das habe ich auch immer mit Mark gegessen«, jaulte ich aber jetzt. Ich habe keinen Bissen runtergekriegt.