Kapitel 11
Für eine lange Zeit bewege ich mich nicht. Ich kann nicht. Jedes Mal, wenn ich mich aufrecht hinsetzen möchte, meine ich die Rufe der Schimpansen zu hören. Aber als Madox beginnt, mir das Gesicht abzulecken, weiß ich, dass ich weitermachen muss. Dies ist ein Rennen, und ich kann nicht für immer hier unten bleiben.
Als ich mich aufrichte, spüre ich etwas Nasses im Rücken. Für einen flüchtigen Moment habe ich Angst, dass es Blut ist. Aber als ich genauer hinsehe, stelle ich fest, dass es nur Wasser ist. Madox kriecht unter mich und trinkt aus dem schmalen Bach. Ich merke plötzlich, dass ich einen schrecklichen Durst habe, und bevor ich mich fragen kann, welche entsetzlichen Dinge in diesem Bach wohnen, lasse ich mich auf Hände und Knie nieder und trinke. Das Wasser ist kalt und schmeckt anders als alles, was ich je getrunken habe. Ich hatte noch nie so reines, von Menschen unberührtes Wasser. Es ist fast zu viel, und ich schließe die Augen vor lauter Euphorie, weil ich ein so grundlegendes menschliches Bedürfnis befriedigen kann.
Es gibt Momente im Dschungel, in denen ich nicht anders kann, als darüber zu lachen, wie sehr sich mein Leben in diesen letzten vier Tagen verändert hat. Im Innern einer Höhle aus einem Bach zu trinken ist einer dieser Momente. Wenn dies gestern geschehen wäre, hätte ich mich Tagträumen über meine Pantoffeln mit Leopardenmuster und die Häkeldecke meiner Großmutter hingegeben, die ich seit einer Ewigkeit über dem Fußende meines Bettes liegen habe. Aber heute sehe ich nur Madox an, der neben mir trinkt (Gott sei Dank bachabwärts), und ich bin dankbar für seine Gegenwart. Ich hatte Angst, dass er mich nach dem Schlüpfen – falls er schlüpfte – verlassen würde. Aber bisher war Madox treu, und plötzlich verspüre ich eine Welle der Zuneigung für meinen kleinen Pandora.
Ich bade in dem Bach wie ein amerikanischer Pionier und spritze mir Wasser auf Haut und Haar. Dann reibe ich mir, so gut es geht, die Zähne mit einem Finger und etwas mehr Wasser sauber.
Als ich fertig bin, inspiziere ich die Höhle und suche nach weiteren verborgenen Geheimnissen, die mir helfen können, das Wettrennen zu gewinnen. Es ist dunkel hier unten, dunkler als der Dschungel selbst. Aber ich kann immer noch die Flechten am Grund der Höhle wachsen sehen, und jetzt, da ich darauf achte, kann ich das leise Gurgeln des Baches hören. Doch vor allem finde ich Schlamm und Felsen. Es scheint, als könnte dies ein guter Ort sein, um zu schlafen und sich vor größeren Tieren zu verstecken wie die, denen ich vor weniger als einer Stunde entkommen bin. Aber überraschenderweise bin ich ziemlich gut ausgeruht, und ich weiß, dass ich weitermuss, wenn ich das Basislager finden will.
Ich stecke mir Madox unters Shirt und klettere die Höhlenwand hinauf. Nach oben ist sehr viel schwerer als runter, aber nach mehreren gescheiterten Versuchen schaffe ich es. Bevor ich auf den Dschungelboden klettere, spähe ich über den Rand, um mich zu vergewissern, dass die Schimpansen fort sind. Als ich sie nicht entdecken kann, stoße ich einen zittrigen Atemzug aus. Dann ziehe ich mich hoch und stehe auf.
Heute muss ich eine Fahne finden. Meinen ersten Tag im Dschungel habe ich damit verbracht, Panik zu schieben. Danach habe ich zwei Tage und eine Nacht damit verbracht, Mister Special Forces zu folgen. Jetzt gibt es nur noch mich und Madox. Der vierte Tag. Das bedeutet, mir bleiben noch zehn Tage, um das Basislager zu erreichen. Ich bin mir nicht sicher, ob es eine bestimmte Uhrzeit gibt, zu der wir ankommen müssen, daher mache ich sicherheitshalber neun Tage draus. Die Flaggen werden schwer zu finden sein. Das weiß ich, weil ich noch keine gesehen habe. Aber andererseits bin ich mir nicht sicher, ob ich bis jetzt überhaupt gründlich gesucht habe.
»Möchtest du eine Fahne finden, Madox?«
Mein Pandora bellt zur Antwort, und ich frage mich, ob er mich nicht vielleicht doch verstehen kann.
Ich verenge die Augen und knie mich hin. »Madox, roll dich auf den Rücken.« Er sieht mich an. Ich versuche es mit etwas anderem. »KD-8, roll dich auf den Rücken.« Er hockt sich hin und schaut weg, als langweile ihn der Blödsinn, der aus meinem Mund kommt.
»Na gut, ich schätze, du sprichst kein Menschisch«, sage ich. »Wir müssen trotzdem Fahnen finden.« Ich frage mich kurz, warum der Löwe des verrückten Kerls unsere Sprache zu verstehen scheint und Madox nicht. Ich schätze, es zählt einfach nicht zu seinen Fähigkeiten. Macht nichts.
Während Madox und ich uns durch den Dschungel schlagen und mir der Magen knurrt, mache ich ein Spiel aus der Unfähigkeit meines Pandoras, mich zu verstehen. »Madox, kletter auf einen Baum«, sage ich. »Madox, besorg uns was zum Mittagessen.« »Madox, gib mir eine Hot-Stone-Massage und servier mir grünen Tee. Geeist, nicht heiß.«
Bei jeder Bitte bellt mein Pandora, als nehme er an dem Gespräch teil. In Wirklichkeit ist das wahrscheinlich seine höfliche Art, mir zu sagen, ich solle die Klappe halten. Als die Sonne bereits untergeht – und ich immer noch keine blaue Fahne entdeckt habe –, verlässt mich der Mut. Ich war sicher, eine Flagge zu finden, wenn ich mich auf mein Bauchgefühl verlasse und mich darauf konzentriere, wo ich hingehe. Jetzt muss ich entscheiden, ob ich morgen bei Sonnenaufgang weitersuchen will oder den Plan mit dem Dschungelsaum wieder aufgreife, und hoffe, das Basislager ohne die Fahnen zu finden.
Ich schaue hoch und frage mich, ob ich mir wie der Typ ein Bett in den Bäumen machen kann. Vermutlich nicht, aber ich muss es versuchen. Ich drehe mich im Kreis, mustere die Bäume und überlege, mit welchem ich am besten anfange. Doch während ich mich drehe, springt mir etwas ins Auge.
In der Ferne sehe ich ein sanftes Glühen, das zu tanzen scheint. Ich erkenne sofort, was es ist – ein Feuer. Und ich weiß, welchem Irren der Pandora gehört, der es wahrscheinlich erzeugt hat. Nachdem ich dafür gesorgt habe, dass Madox in meiner Nähe bleibt, krieche ich auf die Lichtquelle zu. Als ich nur noch Dutzende Meter entfernt bin, höre ich Stimmen. Nicht solche, die einem Psychologen Sorgen bereiten würden, in meinem Kopf, sondern richtige. Stimmen, die mir sagen, dass es nicht einfach nur Mister Special Forces und sein Löwe sind, sondern Leute. Ich frage mich kurz, ob ich den Mann sehen werde, den ich am ersten Nachmittag im Dschungel entdeckt habe, dessen Gesicht bemalt zu sein schien. Andererseits bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich mir das nicht nur eingebildet habe.
Ich krieche noch näher heran und hoffe, einen Blick auf sie werfen zu können, während ich selbst verborgen bleibe. Madox scheint zu spüren, dass wir uns anschleichen, daher ahmt er mich nach, bleibt dicht am Boden und macht vorsichtige Schritte. Als ich mich hinter einen großen Baumstamm setze, werden die Stimmen lauter. Ich hole tief Luft, spähe hinter dem Baum hervor und betrachte das Bild, das sich mir bietet.
Drei Menschen hocken um ein kleines Feuer. Die Flammen geben nicht viel Licht, aber in dem dunklen Dschungel ist es mehr als genug. Sie alle tragen braune Kittel mit einer Brusttasche, die mit einer Schlange verziert ist. Einige der Taschen sind ausgebeult, und ich kann nur vermuten, dass sie dort, genau wie ich, ihre Geräte aufbewahren.
Die erste Person, die mir auffällt, ist eine Frau von vielleicht Mitte dreißig. Sie hat vorspringende Wangenknochen und langes, schwarzes Haar. Um ihren Mund sind kleine Lachfältchen, und die Art, wie sie immer wieder die Hände faltet, verrät mir, dass sie sich in diesem Dschungel nicht wohler fühlt als ich.
Neben der Frau sitzt ein kleiner Junge. Er hat dichte Locken, und ich mag ihn sofort. Ich weiß, wie es ist, jeden Tag mit diesem Albtraum aufzuwachen. Er lächelt unbefangen über etwas, das die Frau sagt, und ich bemerke, dass er mit einem langen Stock etwas in die Erde zeichnet. Ich kann das Alter von Kindern nur schwer einschätzen, aber ich würde ihn für ungefähr acht halten.
Das Mädchen, das ich zuletzt sehe, will ich am liebsten sofort erwürgen. Wie die Frau hat sie langes Haar. Aber es ist nicht dunkel, sondern blond – nein, honigblond – und glänzt wie das eines Broadway-Starlets. Ich kann ihre Augen von hier aus nicht sehen, aber ich bin mir sicher, dass sie atemberaubend blau sind. Ihre Haut ist cremefarben ihr Körper würde in ein Magazin passen – eines für Männer, nicht für Mädchen. Ich hasse sie wie die Pest, während sie ihr perfektes Lachen lacht, ihr perfektes Haar über die Schulter wirft und ihre zum Sterben schönen Beine übereinanderschlägt. Das Mädchen scheint etwa in meinem Alter zu sein oder nur wenige Jahre älter. Wir könnten Freunde sein, wird mir klar, wenn ich nicht von dem Drang beherrscht würde, sie umzubringen.
Meine Beine schmerzen von der gebückten Haltung, und als ich aufstehe, um mir Linderung zu verschaffen, schaut Goldlöckchen herüber. Ich erstarre, als sie sich erhebt und auf mich und Madox zukommt. Die Frau macht ebenfalls Anstalten aufzustehen, aber die Blondine streckt eine Hand aus, um sie aufzuhalten. Ihre Augen werden schmal, während sie die Umgebung absucht. Dann sieht sie mich direkt an.
Grüne Augen, keine blauen.
Das Mädchen bedeutet mir hervorzukommen. »Ich kann dich sehen, Kandidatin. Nenn deinen Namen, oder ich hetze dir meinen Pandora auf den Hals.«
Als ich mir ihren Lagerplatz anschaue, kann ich ihren Pandora nicht sehen. Oder überhaupt einen Pandora. Ich überlege, hinter dem Baum hervorzukommen, wie sie es verlangt hat. Soweit ich erkennen kann, hat keiner von ihnen Waffen, und ich bin mir sicher, dass ich fliehen könnte, falls es nötig wird.
Also hebe ich Madox hoch und schlendere hinter dem Baumstamm hervor. »Hi«, ist alles, was mir einfällt.
Goldlöckchen nickt mir zu. »Wer bist du?«
»Ich bin Tella Holloway«, antworte ich. Sie scheint auf etwas anderes zu warten, daher füge ich hinzu: »Ich bin eine Kandidatin.«
Sie nickt, als habe sie das vermutet, sei aber erleichtert, es von mir zu hören. Dann deutet sie auf die Feder auf meiner Schulter und sagt: »Schöner Haarschmuck.« Ich lächele vorsichtig, als sie auf das Feuer weist. »Willst du dich uns anschließen?«
Ich kann nichts gegen die plötzliche Aufregung in meiner Brust tun. Vier Tage lang hatte ich niemanden zum Reden außer einem stummen Fuchs. Und jetzt bietet mir dieses Mädchen – das ich schon weniger hasse – ihre Gesellschaft an. »Ja«, sage ich, setze Madox ab und gehe auf das Feuer zu. »Danke.«
Das Mädchen nimmt auf einem Baumstamm Platz, der am Boden liegt, und mustert mich. »Hast du Fahnen gefunden?« Sie zieht fragend die Brauen hoch.
Ich schüttele den Kopf. »Nein. Ihr?«
Sie antwortet nicht, aber die herabgesunkenen Schultern sagen mir, dass sie auch keine gefunden hat. »Ich heiße Harper. Das ist Caroline.« Sie deutet mit dem Finger auf die Frau. »Und das ist Dink«, fügt sie hinzu und meint damit den kleinen Jungen.
»Hi.« Ich setze mich auf den Boden und versuche, mich so entspannt wie möglich zu benehmen. »Freut mich, euch alle kennenzulernen.«
»Möchtest du etwas zu essen?«, fragt Harper.
Beim Gedanken an Essen knurrt mir der Magen. Ich will allein zurechtkommen, will diesen Leuten zeigen, dass ich mich allein durchschlagen kann. Aber ich nicke trotzdem und sehe mit großen Augen zu, wie Harper in eine Tasche greift und ein Stück verkohltes Fleisch herausholt, das in ein Palmblatt gewickelt ist. »Nicht das Blatt essen, nur das Fleisch.«
Obwohl ich weiß, dass ich gekränkt sein sollte, weil sie denkt, ich würde das Blatt essen, bin ich froh, dass sie es gesagt hat. Ich frage nicht, was ich esse. Ich will es gar nicht wissen. Das Fleisch schmeckt nach nichts, aber Kauen ist ein so gutes Gefühl, dass ich mich kaum beherrschen kann. Während ich esse, frage ich mich, warum dieses Mädchen so nett ist. Es kann nur einen Sieger geben, warum also hilft es mir?
Ich glaube, ich habe die Antwort, als ich bemerke, wie sie meinen Pandora beäugt, der gerade auf dem Rücken liegt und die Beine in den Himmel streckt. Sie will wissen, welche Fähigkeiten er hat, was mir sofort Angst macht. Mein Fuchs hat noch keine seiner Fähigkeiten gezeigt. Ihr Pandora vielleicht auch nicht. »Das ist Madox.« Ich stupse meinen Pandora mit dem Stiefel an, und er schnappt danach.
»Du hast ihm einen Namen gegeben?«, fragt Harper.
»Äh, ja.« So viel dazu, mich entspannt zu fühlen. »Sein ursprünglicher Name war KD-8.«
»Das solltest du nicht tun«, sagt Harper.
»Warum nicht?« Carolines Stimme überrascht mich. Sie ist leise und sanft, und ich habe das Gefühl, dass sie sie niemals erhebt. »Warum darf sie ihrem Pandora keinen Namen geben?«
Harper reagiert gereizt. »Es ist nicht richtig. Sie sind hier, um uns beim Überleben zu helfen. Nicht um unsere Haustiere zu sein.«
Caroline presst die Lippen aufeinander. Es scheint, dass sie anderer Meinung ist, das Thema aber nicht weiter verfolgen möchte.
»Was ist mit seinen Augen?«, fragt Harper plötzlich. »Sie sehen seltsam aus.«
Ich betrachte die elektrisch grünen Augen von Madox. Ich hatte angenommen, dass alle Pandoras eine unnatürliche Augenfarbe hätten.
Anstatt auf eine Antwort zu warten, stellt Harper eine weitere Frage. »Wann ist er geschlüpft?«
»Gestern Nacht«, sage ich. Dann, um zu betonen, dass ich frei und selbstständig bin, füge ich hinzu: »Madox ist gestern Nacht geschlüpft.«
Harper wirkt verwirrt. »Ist aber nicht viel gewachsen, oder?«
Ich sehe den Babyfuchs an. War er überhaupt gewachsen? Ich denke nicht. Kopfschüttelnd frage ich: »Ist deiner gewachsen?«
Sie lacht kurz laut auf. »Von der Sekunde an, als sie geschlüpft war, wollte sie gar nicht mehr aufhören zu wachsen. Aber ich denke, sie ist jetzt fertig.« Sie sieht Madox an. Mir ist klar, dass sie meinen Pandora für einen Versager hält. Es ist anständig, dass sie den Gedanken nicht ausspricht, aber mich beschleicht trotzdem ein ungutes Gefühl.
Stimmt etwas nicht mit Madox?
»Da wir gerade davon sprechen, wo ist mein Pandora überhaupt?«, bemerkt Harper und unterbricht damit meine aufsteigende Hysterie. »Sie sollte schon zurück sein.« Sie steht auf und steckt beide Zeigefinger in den Mund. Der kleine Junge – Dink – hält sich die Ohren zu. Sekunden später erfahre ich, warum.
Ein scharfer Pfiff ertönt. Madox zuckt erschrocken zusammen. Ich nehme ihn auf den Arm und warte darauf, dass das, was immer Harper gerufen hat, auftaucht. Es verstreichen einige Sekunden der Stille, in denen mir die Ohren klingeln. Dann höre ich ein Rauschen. Etwas schießt blitzartig an mir vorbei, und Momente später landet ein riesiger Vogel auf Harpers ausgestrecktem Arm.
Sein Schnabel ist leuchtend gelb, und sein Kopf ist von weißen Federn bedeckt. Der Rest seines Körpers ist dunkelbraun. »Das ist ein Weißkopfseeadler«, sage ich, stolz auf mich, dass ich so etwas weiß.
»Allerdings.« Harper senkt den Arm, und der Adler hüpft auf den Boden. Er hält etwas in seinem rechten Fuß. Bei näherer Betrachtung erkenne ich, dass es ein großer Fisch ist. Harper zeigt auf den Fang. »Mach ihn sauber, damit wir ihn über dem Feuer garen können.«
Der Adler lässt den Fisch fallen und schlitzt ihn mit einer rasiermesserscharfen Klaue auf. Dann macht er sich daran, rosige, fleischige Eingeweide mit dem Schnabel herauszureißen. Ich wäre angewidert, wenn ich nicht so froh darüber gewesen wäre, dass Harpers Pandora weiß, wie man etwas Essbares erlegt. Kein Wunder, dass die anderen mit ihr reisen.
»Wie heißt sie?«, frage ich.
»RX-13.« Sie klopft ihm einmal auf den Kopf. »Ist keine Stunde nach Beginn des Rennens geschlüpft.« Harper streckt die Hand nach Dink aus, und er gibt ihr den Stock, mit dem er gezeichnet hat. Sie spießt den gesäuberten Fisch auf und hält ihn lächelnd übers Feuer. »Du solltest sehen, was sie alles kann.«
So viel zu meiner Theorie, dass ihr Pandora keine Fähigkeiten gezeigt hat. Ich möchte sie fragen, welche Fähigkeiten RX-13 genau hat, aber ich würde lieber nicht zugeben, dass Madox selbst bisher noch keine bewiesen hat.
Mein Pandora windet sich aus meinen Armen. Ich bin mir nicht sicher, ob er vor dem Adlerweibchen weglaufen oder sich ihm neugierig nähern will. Ich beschließe, das Risiko einzugehen, und setze ihn auf den Boden. Irgendwann muss ich es tun, denke ich. Sobald er unten ist, rennt er zu dem großen Vogel und bellt. Ich kann nicht umhin, mich zu fragen, warum sowohl M-4 als auch RX-13 ihre Kandidaten verstehen, Madox mich aber nicht versteht. Ich weigere mich zu glauben, dass mit meinem Pandora irgendetwas nicht in Ordnung ist. Und selbst wenn, wäre es mir egal. Er gehört mir, und ich werde es nie bereuen, dass ich diejenige bin, die ihn bekommen hat.
Ich beobachte, wie mein Pandora versucht, sich mit dem Vogel anzufreunden. Er bellt und duckt sich, fordert ihn zum Spielen auf. Als Reaktion darauf wischt RX-13 ihn mit einer Flügelbewegung über den Lagerplatz. Er kreischt und kommt zu mir gerannt. Der Vogel jagt ihm nach – halb fliegend, halb springend – und schnappt nach seinem Schwanz. Als ich Madox auf den Arm nehme, überkommt mich ein überwältigender Drang, meinen Pandora zu beschützen, und ich funkele den Vogel an. Harper scheint nicht mitzukriegen, was passiert ist. Sie ist zu sehr damit beschäftigt, den Fisch zu braten.
Madox legt mir den Kopf an die Schulter, und ich halte ein Auge auf RX-13, die aussieht, als würde sie nichts lieber tun, als auch ihn auszunehmen. Als ich bemerke, dass Dink Madox beobachtet, frage ich: »Möchtest du ihn mal halten?«
Der Junge sieht Caroline an, und als sie nickt, nickt auch er. Ich gehe um das Feuer herum und frage mich, wie sie es bei diesem ganzen feuchten Holz überhaupt in Gang bekommen haben, dann lege ich Dink Madox in die Arme. Der schwarze Fuchs reckt den Kopf, um dem Jungen das Kinn zu lecken, und der Junge kichert.
Da ich denke, irgendetwas zu Caroline sagen zu müssen, frage ich: »Ist er Ihr Sohn?«
Ein seltsamer Ausdruck verdüstert ihr Gesicht, aber er verschwindet schnell wieder. Sie schenkt mir ein warmes Lächeln. »Nein, wir reisen nur zusammen.«
Ich mache einen Schritt zurück und rieche den Duft von gebratenem Fisch. »Jagt Ihr Pandora auch?«, frage ich, um das Gespräch in Gang zu halten.
Caroline sieht Dink an, dann schüttelt sie den Kopf. »Wir haben unsere Pandoras früh verloren. Meiner ist nach einem Tag gestorben, und seiner ist nie geschlüpft. Stimmt doch, oder, Dink?«
Der Junge nickt und spielt weiter mit Madox. Ich frage mich, ob er wirklich Dink heißt. Vielleicht hat er sich zu Beginn des Rennens eine neue Identität gegeben. Das würde zu einem Achtjährigen passen. Die Frau auf dem Gerät hat nie erwähnt, dass unsere Pandoras noch am Leben sein müssen, wenn wir die Ziellinie überschreiten, daher ist es vermutlich nicht so. Aber ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dies ohne Madox zu tun.
»Also seid ihr alle zusammen unterwegs?«
Caroline zuckt mit den Schultern. »Bis wir uns dem Ende nähern.«
Ich lächle. »Daran habe ich auch gedacht. Andere zu finden, mit denen ich mich für die Reise zusammentun kann.«
»Und das hast du«, sagt Harper hinter mir. Ihre Stimme ist neckisch, und sie grinst, als ich sie ansehe. Dann richtet sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Fisch. Sie zieht ihn aus den Flammen, legt ihn auf einen flachen Stein und weist RX-13 an, ihn in sechs Stücke zu teilen. Ich frage mich gerade, warum wir sechs brauchen, als zwei weitere Leute aus dem Busch auftauchen.