Kapitel 2
Der Schnudel näherte sich und Jarvis ließ das Schwert sinken. «Ist das ihr ernst? Sie hetzt einen winzigen Hund auf uns?» Er streckte einen gestiefelten Fuß aus. «Los doch Cujo, versuch mal, mit deinen kleinen Zähnchen da durchzukommen.»
«Das ist kein Hund.» Blaine hatte bei der Vollendung dieser Schöpfung als Testobjekt für die Hexe herhalten müssen. Beim ersten Mal hatte der Schnudel ihm die Hälfte seiner Haut abgerissen.
Beim zweiten Mal hatte Blaine ihn in die Luft gejagt.
Dann hatte sie gleich vierzig Hündchen auf einmal auf ihn gehetzt. An diesem Tag war seine Tierliebe auf eine harte Probe gestellt worden.
«Das sieht nur wie ein Hund aus.» Blaine brachte das Feuer dazu, sich über seinen Körper auszubreiten. Es brannte genau wie das Gift, das die Giftspinnen letzte Woche auf ihn gesprüht hatten. Er hasste Arachniden.
Der Schnudel war gut 30 Meter entfernt. Er sprang hoch in die Luft und schoss direkt auf Jarvis zu.
Jarvis prustete belustigt. «Los geht’s, Killer.» Er setzte die Spitze seines Schwertes auf den Boden und stützte sich auf dem Griff ab. «Oh je, jetzt hab ich aber Angst.»
Blaine verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Wand. Er tauschte einen ironischen Blick mit Nigel. «Das musst du dir ansehen, das wird gut.»
«Man sollte doch meinen, dass auch Karate Kid inzwischen gelernt hat, dass man sie nicht unterschätzen darf.» Nigel hob seine Hände und aus seinen Fingerspitzen schoben sich schwarze, rauchende Klingen. Sie waren heiß wie Brenneisen und sie brannten die Wunden, die sie rissen, sofort aus. Bei Operationen war so etwas sehr praktisch, aber wenn einem jemand mit so einem Ding in den Gedärmen wühlt, ist das eher weniger spaßig. Und das wusste Blaine sogar ganz genau, denn die Hexe zwang sie oft dazu, sich gegenseitig zu foltern. Ihr vorrangiges Ziel war dabei, ihre offensiven und defensiven Talente zu testen, doch es ging ihr ebenfalls darum, dass sie sich gegenseitig hassten. Aber es gibt nichts, was Männer fester zusammenschweißt, als einem Freund einen Stich genau ins Herz zu versetzen. Frauen können das nicht verstehen.
Jarvis steckte sein Schwert weg. «Leute, das ist nur ein dämlicher Chihuahua. Ihr habt zu viele Gruselfilme gesehen –» Plötzlich dehnte sich der Kopf des Hündchens in die Länge, aus seinem Schwanz schossen Dornen, stachelbewehrte Flügel brachen aus seinem Rücken hervor, seine Augen wurden rot und aus den Spitzen seiner Krallen quoll Säure. Dann machte das krause Fell Schuppen Platz und die kleinen, perlweißen Hundezähnchen wurden zu glänzenden, speicheltriefenden Fangzähnen. Die Kreatur schnellte wie von der Tarantel gestochen vor und stürzte sich auf Jarvis Kehle. Er sprang zur Seite und wurde dabei von ihr um ein Haar geköpft. «Was zur Hölle ist das denn?»
«Gute Reaktionszeit. Ich wusste gar nicht, dass du so schnell bist.» Blaines Blick folgte der Killermaschine, die kreischend durch die Luft zischte. «Das ist ein Designermonster. Man kreuze einfach einen Schnudel mit einem Gestaltwandler-Drachen und einem Dämonenferkel und voilà – schon hat man die perfekte Waffe, mit der man sich zudem auch noch sehr gut auf den Partys der Reichen und Schönen einschleichen oder blaublütige Familien ausspionieren kann, die alle unbedingt einen wirklich einzigartigen Köter haben müssen.» Der Schnudämgon erhob sich hoch in die Luft und schwebte über den Köpfen der Männer. Zu nah für Blaines blaue Kugeln. Diesen Knall würde nicht mal er selbst überleben.
Der Flügelschlag des Dämons verursachte ein lautes Geräusch, wie ein herannahender Heuschreckenschwarm, und der Luftzug ließ Nigels Locken flattern. Seine Wallemähne reichte ihm fast bis an den Hintern. Wahrscheinlich hatte er sein breites Kreuz nur davon, dass er damit ständig herumwedelte und sie über seine Schultern warf. Aber den Frauen gefiel sie.
«Es muss auch noch mit einem Kolibri verwandt sein. Seht nur, wie schön das Mistvieh in der Luft steht.» Jarvis hielt sein Schwert bereit zum Angriff, doch er würde nicht den ersten Schritt tun. Er hatte genau wie die anderen zu viel erlebt, um vorschnell auf einen unbekannten Angreifer loszugehen, ohne vorher zu wissen, zu was dieser eigentlich alles fähig war. «Was macht es da?»
«Es überlegt, wen es zuerst fressen soll.» Der Köter wurde immer größer, seine Flügelspannweite betrug nun schon fast drei Meter. Blaine bekam kaum Luft, er hustete und versuchte, tief zu atmen. Dann begann sein Feuer zu flackern und mit einem Mal begriff er, was vor sich ging. «Es saugt den Sauerstoff aus der Luft.» Als er das letzte Mal das Vergnügen gehabt hatte, auf die Kreatur zu treffen, hatte sie diese Fähigkeit noch nicht gehabt. Das Monster war von seiner Herrin eindeutig mit dem Ziel optimiert worden, es mit Blaine aufnehmen zu können.
Sie war ein wirklich verdammt beeindruckendes, wahnsinniges Miststück.
Tweety ließ plötzlich einen Schrei ertönen und stieß herab, direkt auf Blaine zu.
Er grinste. Es wurde auch Zeit, dass er einmal richtig kämpfen konnte, ohne dass eine kontrollfanatische Tussi im Hintergrund die Fäden zog.
Er wartete ab. Und wartete weiter. Und weiter. In dem Moment, in dem der Angreifer in das Feld seiner Aura eindrang, ließ er die Flammen los. Augenblicklich kam es zu einer ohrenbetäubenden Explosion. Die Kreatur schrie auf und die Detonation katapultierte sie direkt auf die Wand zu. Als sie die Mauern berührte, zerbarst sie und verwandelte sich in einen Haufen schwarzen Matsch.
«Also, ich denke, wir können davon ausgehen, dass das kein Schnudel war.» Jarvis Waffe hatte die Energie der Explosion absorbiert und Feuer gefangen, Nigel und Jarvis selbst waren aber unverletzt geblieben. Blaines Team wusste, was zu tun war, um sich vor seinen Feuersbrünsten zu schützen. Darum hatten sie die Fähigkeit von Jarvis Schwert, Energiestöße zu absorbieren, genutzt und sich rechtzeitig dahinter in Sicherheit gebracht. «Guter Schuss.»
Das Scharren kleiner Füßchen, so unangenehm wie tausend Fingernägel auf einer Tafel, erfüllte den Raum.
Jarvis riss sein Schwert hoch. «Das hört sich nach vielen an. Meint ihr, es sind viele?»
«Ach was.» Blaines Griff um seine Feuerkugeln wurde fest. Eine von ihnen würde einen Großteil ihrer Gegner vernichten, doch er wagte es nicht, sie einzusetzen, ehe er nicht wusste, wo Christian war. Es machte ihn verrückt, so wehrlos zu sein – und sobald Christian hier auftauchte, würde er ihm eine seiner Kugeln in den Hals stecken. «Wahrscheinlich sind das nur ein paar Millionen. Damit werden wir schon fertig.» Sie begannen, sich im Gleichschritt auf den Ausgang zuzubewegen.
«Christian», sagte Nigel eher fordernd als fragend.
«Ich weiß.» Wenn sie erst einmal draußen wären und die Tür hinter sich versiegelt hätten, wäre Christian auf sich gestellt. Er allein würde die Wut der Hexe abbekommen und der Verlust von drei ihrer liebsten Spielzeuge würde sie mit Sicherheit ordentlich sauer machen. Christian war Blaines Nummer eins. Sie waren am selben Abend hier angekommen und hatten sich sofort zusammengeschlossen, um gemeinsam der Brutalität dieser Welt, in die sie verschleppt worden waren, zu trotzen. «Mach schon, Christian», flüsterte er, «komm her.»
«Für den Fall, dass er nicht auftaucht, hat er uns angewiesen, ohne ihn zu gehen.» Jarvis bewegte sich auf den steinernen Torbogen zu, Nigel folgte ihm auf dem Fuß.
«Wir warten.» Blaine blickte den Korridor hinab, ohne darauf zu achten, ob sein Team ihm gehorchte. Wenn sie ihn hängen ließen, dann war es eben so. Er war bereit, es allein durchzuziehen. Das war er immer. Er vertraute ihnen schon ein Stück weit, aber wenn es erst einmal hart auf hart kam, bedeuteten Versprechen nicht mehr sonderlich viel. Christian war der Einzige, auf den er sich wirklich verlassen konnte, und ausgerechnet jetzt jagte dieser Softie einem Rockzipfel nach – weil es eben nicht seine Art war, jemanden zurückzulassen. Und verdammt noch mal, dafür würde Blaine ihn nicht draufgehen lassen.
Das Kratzen der kleinen Zehen verwandelte sich in das Schlagen Hunderter Flügel. Schatten tanzten über die Wände und Blaine fluchte leise. «Das hört sich nach einer größeren Veranstaltung an. Meint ihr, wir sind eingeladen?»
«Ich wollte schon immer Mal mit den Schnudeln eine ordentliche Party feiern.» Blaine ließ seine Flammen erneut auflodern. Diesmal war sein ganzer Körper davon bedeckt.
Nigel war direkt hinter ihm «Ich gebe dir Rückendeckung.»
«Ich bin dabei», sagte Jarvis.
Blaine kam nicht umhin, sie verwundert zu mustern. «Ernsthaft?»
Nigel verdrehte die Augen. «Lass gut sein, Trio. Du musst mal über diesen «Alle lassen mich im Stich»-Mist hinwegkommen und akzeptieren, dass wir anders sind als deine Mama.»
Blaine schoss einen Feuerball auf Jarvis Gesicht. «Ich dachte, du hättest zu viel Angst davor, dich den bösen Jungs zu stellen.»
«Ha», schnaubte Jarvis und schnippte die Feuerkugel mit seinem Schwert weg, als wäre sie bloß ein Feuerwerkskörper. «Ich hatte gerade einen vierfachen Espresso. Gegen irgendetwas muss ich kämpfen – da kommt mir die Ausgeburt der Hölle, die uns die letzten paar Jahrhunderte gefoltert hat, gerade recht.»
Blaine schmunzelte. «Du solltest an deiner Koffeinsucht arbeiten. Die ist schlecht für den Teint.»
Jarvis rubbelte mit seiner Hand über seine ledrige Wange. «Wie ein Babypopo. Die Mädels fliegen drauf.»
«Na dann, nichts wie raus hier und dann suchen wir dir eine, die dich ein bisschen tätschelt.» Blaine ließ die Flammen auflodern, bis sie zu den Wänden, dem Boden und der Decke reichten und so eine undurchdringliche Wand aus weißglühender Hitze bildeten. «Ich hoffe sehr, dass ihr Jungs eure Kampffähigkeiten gut trainiert habt.»
Bevor einer von ihnen etwas erwidern konnte, explodierten aus der Finsternis vor ihnen Tausende der kleinen Monster. Blaine verstärkte das Schild, und schon krachte das erste der geflügelten Reißzahnviecher hinein, kreischte und verbrannte zu Staub. Ein weiteres folgte ihm, dann noch zwei.
«Na so was», meinte Nigel und schüttelte die Schnudämgon-Asche aus seinem Haar, «du bist wie eine dieser Mückenfallen. Du solltest dich für Gartenpartys vermieten.»
«Ich werde es mir überlegen. Die Idee, als Gartendekoration zu arbeiten, gefällt mir.» Blaines Muskeln fingen an zu zittern und er begriff, dass die Schnudämgons wieder den Sauerstoff aus der Luft sogen. Er reagierte auf den Sauerstoffentzug empfindlicher als die anderen Menschmutanten, denn er bestand zu fünfzig Prozent aus Feuer. Nie zuvor hatte er sich schwach gefühlt. Interessant zu wissen, dass ihm das nicht besonders gefiel. «Ich glaube, dass Angelica diese Kreaturen speziell dafür gezüchtet hat, um uns zu attackieren.»
«Sie hat sich gedacht, dass wir fliehen würden.» Nigel benutzte Blaine als Schutzschild und band sich sein Haar mit einem Tuch zurück. Das machte er immer dann, wenn es bei ihm gleich ernst wurde. «In letzter Zeit warst du ein wenig launisch und unkonzentriert, gar nicht so mopsfidel, wie man dich sonst kennt. Wenn du mich fragst, hat uns das verraten.»
Blaine fiel auf, dass Nigel eine äußerst künstlerische Version vom Tod der Hexe auf sein Tüchlein gemalt hatte, und lächelte amüsiert. «Ein hübsches Accessoire hast du da.»
Nigel strich die Enden des Tuchs aus seinem Gesicht. «Es inspiriert mich. Ich weiß auch nicht, weshalb.»
«Vielleicht liegt es an dem rosigen Rot, das du für ihr Blut verwendet hast. Das ist so eine fröhliche Farbe.»
Jarvis beäugte das Gemälde. «Vielleicht sind es auch die Blutspritzer, die wie Smileys aussehen. Das erzeugt eine freundliche Stimmung.»
Nigel strich mit seiner qualmenden Hand über das Stirnband und ließ kleine Funken darauf zurück. «Ich glaube, es liegt am Stoff. Ich mochte schon immer das Gefühl von Seide auf meiner Haut.»
Drei weitere Kreaturen trafen das Schild. Für den Bruchteil einer Sekunde flackerte es. Blaine biss die Zähne zusammen. «Ihr macht euch besser bereit, Jungs. Ich bin nicht sicher, wie lange ich noch –»
Er spürte unvermittelt Christians Gegenwart. Der leichte metallische Geschmack in seinem Mund verriet ihm, dass er in Schwierigkeiten steckte. «Christian!» Er schirmte seine Augen gegen den Ansturm der Widersacher ab und suchte in dem Getümmel nach dem Mann, den er nicht zurücklassen konnte.
Und dann entdeckte er Christian. Er lag zusammengekrümmt am Boden, als hätte man ihn ausgeweidet.
«Verdammt noch mal», grunzte Jarvis neben Blaine, «das ist nicht gut.»
«Christian!», schrie Blaine. «Los doch!»
«Ihr seid immer noch hier? Ich dachte, ihr würdet inzwischen schon irgendwo am Strand liegen.» Christian kam taumelnd auf die Füße. Seine Stimme klang gepresst. «Ihr lasst euch ja ganz schön viel Zeit», brüllte er über das Tosen der vielen Flügel und das Geräusch der verbrennenden Viecher hinweg.
Blaine war erleichtert und seine Flammen wurden wieder stärker. «Wird verdammt noch mal Zeit!», schrie er zurück. «Beweg deinen Hintern hierher!»
Um sich vor den Angreifern zu schützen, hatte Christian seine menschliche Haut bereits in Millionen kleiner Metallplättchen verwandelt, die eine schützende Kettenrüstung bildeten, in etwa wie die Anzüge von Hai-Tauchern. Seine leuchtend blauen Augen waren der einzige Teil seines Körpers, der nicht aus Metall bestand. Diese Rüstung war hochgiftig und brachte jedem, der sie berührte, den Tod. Nur mit Nylon konnte man sich schützen. Blaine war wirklich verdammt neugierig, welche unbekannten, gottlosen Eigenschaften Nylon wohl sonst noch hatte. Wenn er hier erst einmal rauskam, würde er ein paar Experimente machen.
Die Schnudämgons griffen Christian an. Alle, die seine Rüstung berührten, zerstoben kreischend und wurden zu einem widerwärtigen roten Gas. Die Luft über Christian war dick und scharlachrot. Er kniete sich hin und hob etwas vom Boden auf. Blaine erkannte, dass das große Bündel in eine Nylondecke gewickelt war, um es vor seinem Panzer zu schützen.
Toll. «Er hat seine Freundin dabei.» Respekt.
Eine Rotte Schnudämgons stürzte sich auf Christian. Er konnte sich in seiner Rüstung nicht gegen ihre ungebremste, erdrückende Kraft wehren. Sie nutzten diese Schwäche gnadenlos aus und setzten alles daran, ihn mit sich zu Boden zu reißen. Die vordersten Dämonen verpufften zwar durch das Gift, aber ihnen folgte schon der nächste Ansturm, der die Sache bald zu Ende bringen würde.
«Das ist aber nicht fair, dass sie unseren Süßen drangsalieren.» Mit einer Bewegung seines Handgelenks schossen ein Dutzend brennende Klingen aus Nigels Hand und erledigten die Dämonenmasse nur Millisekunden, bevor sie Christian in einen Pfannkuchen verwandeln konnten. «Leg mal einen Zahn zu», rief Nigel Christian zu, «wir haben nicht auch noch Zeit, dir den Hintern zu retten.»
Christian zeigte ihm den Mittelfinger und bahnte sich mit eingezogenen Schultern einen Weg durch die schlagenden Flügel. Der Wind, den sie verursachten, war unglaublich stark und Blaine musste sich weit vorbeugen, um nicht umgeweht zu werden.
Wie die Lemminge stürzten sie sich zu Hunderten auf ihn und verbrannten in seinem Kraftfeld. Hallo? Was für eine selbstmörderische Strategie verfolgten sie damit, bitteschön? Er bekam beinahe schon Mitleid mit den stacheligen Dummköpfen.
Aber nur beinahe. Die Tatsache, dass sie damit das Ziel verfolgten, ihn und sein Team auf dem schnellsten Weg zu erledigen, hielt seine Anteilnahme in Grenzen. Sie waren unermüdlich sowie ihr Nachschub unbegrenzt, und er wusste, dass sie sich so lange auf ihn stürzen würden, bis er zusammenbrach. Nigel behauptete sich gegen die Kreaturen, die versuchten, Christian zu zerquetschen, und Jarvis benutzte derweil sein Schwert, um Blaines Energie zu absorbieren und sich und die anderen so davor zu schützen, zu Asche zu verbrennen – aber dieser schöne Moment würde nicht ewig dauern. «Wie wäre es, wenn du dich mal ein wenig ins Zeug legen würdest, Romeo?»
Christian war weniger als dreißig Meter von ihnen entfernt und arbeitete sich schnell voran. Da erreichte das rote Gas, das von den toten Schnudämgons übriggeblieben war, Blaine. Seine Lungen begannen zu brennen. Dann breitete sich ein überwältigender Schmerz in seinen Muskeln aus.
«Was um Himmels willen ist das?» Nigel ging hinter ihm in Deckung. Seine verkrampften Muskeln zeichneten sich überdeutlich unter seiner Haut ab. «Ja ja, und gerade dachte ich, dass es ein bisschen langweilig wird. Aber –» Ein erneuter Muskelkrampf schüttelte seinen Körper und schnitt ihm das Wort ab.
Jarvis hielt sich noch aufrecht. «Sprich mit mir, Trio.» Sie alle hatten ganz unterschiedliche Schwächen und Fähigkeiten und jeden Tag entdeckten sie etwas Neues an sich. Keiner von ihnen konnte sich mehr sicher sein, was er tatsächlich aushalten konnte oder wo er verletzlich geworden war. Dieses Mal kam Jarvis offensichtlich ungeschoren davon. Wie schön für ihn.
«Giftgas, das das Muskelgewebe angreift.» Blaine leitete sein Feuer um und ließ es durch seine Zellen rasen. Das Feuer versengte seinen Körper und er knirschte vor Schmerzen mit den Zähnen. Die Flammen verbrannten das Gift in seinem Organismus – bis es durch einen Atemzug wieder erneuert wurde. Er schickte eine weitere reinigende Woge durch seinen Leib. «Schaff Nigel hier raus.»
«Bin schon dabei.» Jarvis warf sich den zuckenden Krieger über die Schulter und spurtete zur Tür.
Christian war bis auf zwanzig Meter herangekommen. Die angreifenden Kreaturen versuchten weiter, ihn zu Boden zu werfen, und da ihm Jarvis’ Unterstützung nun fehlte, begann er bereits zu taumeln. Zwischen den Platten seines Panzers quoll purpurrotes Blut hervor. «Ich glaube, ich bin doch eher ein Katzenmensch.»
«Katzen sind so unmännlich.» Wegen der Anstrengung, das Schild aufrecht zu halten und gleichzeitig einen Teil seines Feuers zur Reinigung seines Körpers zu verwenden, zitterte Blaine.
«Blumenstecken ist auch unmännlich, aber ich finde es trotzdem beruhigend.» Endlich stand Christian vor Blaine. «Wie lautet das Zauberwort?»
Blaine antwortete ihm grinsend: «Freiheit.» Sie waren nur noch wenige Zentimeter davon entfernt. Wenn sie erst einmal durch diese Tür hindurch waren, hatten sie es geschafft.
Christians Augen leuchteten hoffnungsvoll. «Freiheit», wiederholte er beinahe andächtig.
«Los geht’s.» Blaine hob einen Arm und öffnete ein schmales Fenster in der Flammenwand.
Christian schlüpfte hindurch und Blaine schloss die Lücke wieder.
Doch einer der Schnudämgons nutzte diesen Augenblick der Unachtsamkeit und krachte mit voller Wucht gegen das schwächer werdende Schild. Bevor er sich in verbrannten Toast verwandelte, schrammte eine seiner Klauen über Blaines Brust. Der tiefe Riss brannte und fühlte sich kalt an. Blaine blickte an sich herab. Die Wundränder hatten sich blau verfärbt und Wasser tropfte aus dem Schnitt. Was sagt man dazu. Ihre Klauen gaben keine Säure ab – sondern Wasser.
Feuer und Selters vertragen sich nicht besonders gut – und genau so ging es Blaine. Eine Eiswasserinfusion, das war einfach brillant. Diese verfluchte Schlampe war einfach ein genialer Killer.
Sein Feuerschild flackerte und verlosch.