Kapitel 26
Der Rauch lichtete sich. Blaines Augen brannten. Er war mit Ketten aus Edelstahl an die Felswand gefesselt worden. Jarvis und Nigel steckten in derselben misslichen Lage. Das Metall verbrannte ihnen die Haut. Der Geruch ihres verkohlten Fleisches hing in der Luft. Er spürte, dass sein Körper schwächer wurde, und wusste, dass es den anderen genauso ging. Nicht gerade die beste Position für einen Gegenangriff.
«Mann, also jetzt werde ich aber ernsthaft sauer», verkündete Nigel gelassen.
«Was für eine mickrige Willkommensfeier», stimme Blaine ihm zu. Sein Blick wanderte suchend durch den Raum, als Angelica auch schon wieder hereingestürmt kam. Sie knallte eine metallene Blume in eine große, schwarze Kugel.
Hm. Mit diesem Kessel verband er keine sonderlich angenehmen Erinnerungen.
«Deine Freundin wird schon wieder frech», bemerkte Nigel.
Blaine sah nun auch, dass Trinity schon wieder mit dem Eiszapfen herumspielte. «Trin –»
Sie hob die Augen zum Himmel und Blaine erkannte ihre Zerrissenheit. Sie verabscheute die Kreatur, die sie geworden war. «Du kannst es schaffen. Ich weiß es.»
Sie schüttelte den Kopf. In ihren Augen glänzten Tränen.
«Trinity, verdammt noch mal! Ich weiß –»
Ein Dutzend Messer schwirrten durch die Luft. Nigel hatte sie mit seinen Klingen an die Decke genagelt. Sie hatten nur ihre Kleider durchbohrt und nicht ihre Haut, aber Blaine klatschte seinem Kumpel dafür trotzdem einen Feuerball vor die Nase. «Mach meiner Freundin keine Angst.»
«Lass sie in Ruhe. Begreifst du denn nicht, wie schwer es für sie ist, der Versuchung zu widerstehen, dir das Auge auszustechen?», erklärte ihm Nigel und schüttelte dabei die Funken aus seinem Haar. «Hat Angelica dir denn überhaupt nichts beigebracht? Ein Mann muss einfach merken, wenn seine Frau ein bisschen Hilfe braucht.»
Hatte er ihre Bedürfnisse denn so falsch eingeschätzt? Er sah sie an. Auf ihrem wunderschönen Gesicht zeichnete sich Erleichterung ab, aber sie war auch am Boden zerstört, denn sie verstand, dass sie dem Mann, den sie liebte, so gefährlich werden konnte, dass sie ruhiggestellt werden musste. «Hey, meine Liebe», sagte er beschwichtigend, «alles wird gut. Ich verspreche es –»
«Ich hoffe, deine Entscheidung war besser als meine.»
Blaine drehte sich nach Christian um. «Schön, dich zu sehen, Kumpel. Ich dachte, du wärest weggetreten?»
«Ich hab mich totgestellt.» Er zerrte an seinen Fesseln. «Mari. Mach uns los.»
Sie schüttelte den Kopf. «Ich glaube Angelica. Alles geschieht nur zu deinem Besten. Für uns –»
Christian schielte nach der Hexe. Sie hatte sich über ihren Kessel gebeugt und arbeitete konzentriert. Blaine wusste aus Erfahrung, dass sie bei ihren Experimenten immer in ihre ganz eigene Welt abtauchte und sie nicht hören würde, was sie miteinander besprachen. «Sie wird dich infizieren und du wirst mich töten. Das ist der Fluch der Schwarzen Witwe.»
Mari wurde blass. «Du lügst. Ich bin dir doch egal.»
«Ja, das stimmt, aber ich bin mir nicht egal. Und ich bin bereit, deine Liebe zu mir auszunutzen, um so mein Leben zu retten.»
«Genau deshalb brauche ich ihre Unterstützung: Um mit dir fertig werden zu können», gab Mari böse zurück.
Blaine zog eine Grimasse. «Gute Arbeit. Genau so macht man das.»
Angelica hatte ihre Experimente beendet. In ihrer Hand kroch wieder die Schlange. «Meine Süßen, es ist so weit.»
«Nigel, befrei Trinity. Wir brauchen sie», grollte Blaine.
«Ausgeschlossen.» Jarvis schwang sein Schwert. Die Luft vibrierte. «Wenn du Trinity freilässt, ist es aus. Sie hat dich schon einmal verraten. Vertrau ihr nicht.»
Die Frau, die er liebte, starrte Blaine mit mordlüsternen Augen an, und er begriff, dass er es ohne sie nicht schaffen würde. Wenn er Christian und die anderen befreien wollte, dann brauchte er Hilfe – und zwar ihre. «Ich traue ihr.»
«Wie beim letzten Mal? Wie Christian Mari vertraut hat?»
Mari hatte sich aus ihrem Sessel erhoben und ging zögerlich auf die Hexe zu. Sie hatte die Hand ausgestreckt und war bereit, gebissen zu werden. Bereit für die Infektion, die sie dazu bringen würde, Christian zu ermorden. Sie schien erschöpft und ein wenig nervös, aber sie tat es aus freien Stücken. Mist. Beging er gerade denselben Fehler wie Christian?
«Trio.»
Blaine sah Christian fragend an. «Ja?»
«Trinity hat mir die ganze Geschichte erzählt.» Er zog an seinen Fesseln. Seine Ratte huschte schnell vom Tisch und versteckte sich unter einem der Schränke. Sie ahnte immer, wenn es in Kürze unangenehm wurde. «In Anbetracht dessen, dass es keinen anderen Ausweg zu geben scheint, bin ich versucht, ihr zu glauben. Sie ist das Beste, was wir haben.»
Mehr musste Blaine nicht hören. «Nigel. Jetzt.»
Fluchend rief Nigel seine Messer zurück.
Kreischend kam Trinity mit dem Eiszapfen im Anschlag auf ihn zugeschossen, als wolle sie ihn in seinem Kopf versenken. Er hoffte inständig, dass sie es nicht tun würde, und bewegte sich keinen Zentimeter. «Trinity. Wir müssen die Hexe erledigen. Jetzt.»
Sie zischte auf ihn zu, zielte mit dem Zapfen auf sein Herz und keifte dabei wie eine Wahnsinnige. Blaine begann langsam, ihr Gekreische niedlich zu finden. Durch was konnte sich ein Mann geliebter fühlen als durch einen markerschütternden Schrei.
«Ich hasse es, wenn du dich irrst», sagte Jarvis und richtete seine Klinge auf Trinity.
«Ich traue ihr. Lass sie.»
Eine Stimme in ihrem Kopf schrie sie an, sie solle aufhören, aber Trinity konnte nichts tun und sah sich hilflos dabei zu, wie sie mit dem Eiszapfen auf Blaines Herz zuflog. Sie war weniger als fünf Meter von ihm entfernt und –
«Ich glaube an dich.»
Sie riss den Kopf hoch und sah in Blaines Augen, dass er es aufrichtig meinte. Er wehrte sich nicht. Bewegte keinen Muskel. Er beobachtete sie mit vollkommenem Zutrauen, als wäre sie ein Krieger, dem er sein Leben anvertraute. «Nicht», flüsterte sie. «Ich kann nicht –» Ihr Geist rebellierte gegen ihre Worte.
Sie hatte es so satt, zu verlieren! Sie hatte es satt, sich selbst zu hassen! Sie wollte sich selbst durch Blaines Augen sehen. Sie versuchte, langsamer zu werden, den Eiszapfen abzuwenden, aber sie flog immer weiter, konnte nichts tun –
«Ich glaube an dich», wiederholte er.
Seine Worte drangen durch den schrecklichen Schrei, der sie vorantrieb. Dieser eine Satz, so voller Aufrichtigkeit ausgesprochen, obwohl Jack The Ripper persönlich es auf ihn abgesehen hatte. Blaine sah das Gute in ihr. Etwas, das trotz allem liebenswert an ihr war.
Ein Mann, der nichts und niemandem vertraute, glaubte an sie.
Ich will diese Frau sein.
Sie ergriff den Zapfen mit ihrer anderen Hand und schob ihn zur Seite. Er stieß ohne Schaden anzurichten gegen die Wand neben Blaines Schulter und zerbrach. Blaine fing sie auf und strahlte von einer Wange zur anderen. «Ich wusste, dass du es schaffst.»
«Nein!» Sie wagte es nicht, in seinen Jubel einzustimmen, und entfernte sich ein Stück von ihm. «Ich bin noch nicht fertig.» Sie fühlte das Feuer in sich, den Drang zu töten. Es war noch nicht vorbei. Ihr Blick fiel auf Angelica. Die Frau, die dem Mann, den sie liebte, so viel angetan hatte. «Du bist dran.»
Sie öffnete ihr Herz für die Liebe, die Wut und den Ekel, den sie empfand, weil sie zum Spielball in dieser abscheulichen Posse geworden war, und kanalisierte all diese Emotionen in die Vision der Frau, die vor ihr stand. Ein riesiges Hologramm entstand über dem Kopf der Hexe. Es erleuchtete den ganzen Raum.
Angelica sah auf. Über ihr erschien ein gigantischer, holografischer Krieger. Er hielt einen goldenen Reifen, der wie ein Heiligenschein aussah. Er setzte ihn ihr gewaltsam wie eine Krone auf den Kopf. Das Angelica-Hologramm quiekte und begann zu schmelzen.
Augenblicklich flammte in Blaines Hand ein brennender Ring auf. Er schleuderte ihn durch den Raum wie ein Frisbee. Die Hexe kreischte, rannte zur Tür, zog den Riegel auf und öffnete sie. Da landete der Heiligenschein lautlos auf ihrem Kopf.
Hinter der Tür stand Napoleon. Angelicas Beine begannen zu schmelzen. Sie sank in seine Arme und stöhnte seinen Namen. Die Ketten fielen von den Männern ab. Mari rannte zu Christian und flehte um Gnade.
In Trinitys Hand formte sich ein neuer Eiszapfen. Über Blaines Kopf erschien wieder ein Prisma. Trinity taumelte zurück. «Du musst mich töten», beschwor sie ihn mit leiser Stimme. «Ich bin die Auserwählte und ich bin verflucht. Versprich mir nur, dass du Schmuddy suchen und meinen Dad befreien wirst.»
«Du hast mir bewiesen, dass du dich dem Fluch widersetzen kannst.» Er warf eine Feuerkugel auf den Eiszapfen und brachte ihn zum Schmelzen. «Es muss noch einen anderen Ausweg geben, bei dem du nicht sterben musst.»
Angelicas gepeinigter Todesschrei erklang und die Tulpe an ihrem Schlüsselbein glühte auf. Sie schmerzte nicht mehr, sondern erstrahlte im makellosen Licht des Lebens und der Wiedergeburt.»
Blaine bedeckte das Zeichen mit seiner Hand. Sie sahen sich in die Augen und wussten, dass es keinen anderen Weg gab. Was für eine gigantische Pleite. «Ich hätte nie gedacht, dass es wirklich so weit kommt», sagte sie zu Blaine.
«Ich auch nicht», erwiderte er mit verzerrtem Gesicht.
«Angelica! Meine Liebe!», brüllte Napoleon voller Schmerz.
Dann mischte sich zu dem Gestank von Rauch, verbranntem Fleisch und versengten Haaren der Geruch von verfaulten Bananen.
In Trinitys Hand formte sich ein neuer Eiszapfen und in ihrem Kopf eine Idee. Sie wechselte einen Blick mit Blaine und an der Art, wie er ihre leuchtende Tulpe anstarrte, erkannte sie, dass er denselben Einfall gehabt hatte. «Könnte das funktionieren?»
Er ließ ihren Zapfen schmelzen und drehte sich nach Napoleon und der schnell zerschmelzenden Hexe um. «Könnte sein.»
«Aber wenn nicht –»
Er berührte ihre Tulpe und beiden wurde klar, dass der Wettlauf mit Angelica um Trinitys Körper begonnen hatte. «Es wird funktionieren.»
Doch sie erkannte die Angst in seinen Augen. Er war sich nicht sicher.
Augustus preschte in die Zelle. Er hielt einen rosaroten Stern in der Hand. «Jetzt stirbst du», brüllte er und warf den Stern. «Du ruinierst meinen Ruf –»
Trinity blieb vollkommen unbeeindruckt. Blaine lenkte den Stern mit einem pinkfarbenen Feuerpfeil ab. «Ich habe dir ein Angebot zu machen. Einen besseren Handel», sagte sie.
Er schleuderte einen weiteren Stern. Blaine machte ihn unschädlich. Dann noch einen und noch einen.
Blaine fluchte und Trinity stellte fest, dass sein Feuer mit jedem Treffer schwächer und schwächer wurde. Sie sah, wie Feuchtigkeit auf seine Stirn trat. Ihre Kehle wurde eng und Angst erfüllte ihr Herz. «Stirbst du wirklich?»
«Mir geht es gut», gab er zurück. «Unterbreite ihm dein Angebot. Sofort!»
Sie stellte sich Augustus und ignorierte die umherfliegenden Sterne. «Hast du schon einmal von Napoleon gehört? Dem weltbesten Auftragskiller?» Sie fühlte, wie sich die Tulpe auf ihrer Brust bewegte. Angelicas Seele begann, in ihren Körper zu kriechen.
«Mir allein gebührt der Titel weltbester Auftragskiller.»
Wieder flog ein Stern. Er glühte hell, doch Blaine konnte ihn noch einmal neutralisieren.
Sie wusste, dass ihnen die Zeit davonlief. «Was würdest du dazu sagen, wenn du Napoleon aus dem Geschäft verdrängen könntest?»
Augustus hielt mitten in der Wurfbewegung inne. «Ich höre.»
«Er steht genau hinter dir.»
Augustus sah über die Schulter. Hinter ihm kniete Napoleon mit der schmelzenden Angelica in den Armen. Er versuchte ohne Erfolg, ihr den Heiligenschein vom Kopf zu ziehen. Sie beschimpfte ihn als Bastard und er versicherte ihr seine Liebe. «Das ist der berühmt-berüchtigte Mann?»
Trinity hustete und ihre Beine wurden taub. Ein urplötzliches Schwindelgefühl ließ sie taumeln. Blaine fing sie auf. Er war ganz feucht und verlor Wasser. «Alles okay, ich halte dich.»
Sie versuchte, sich zu konzentrieren. Zwang ihre Gedanken dazu, sich zu ordnen. «Angelica ist Napoleons einzige große Liebe. Wenn sie sterben sollte, dann wird er schrecklich wütend werden und einen Amoklauf veranstalten. Diese Anzahl von Leichen wirst du nie im Leben wieder aufholen können. Aber wenn du sie in Staub verwandelst und sie in deinem Reich versteckst, wird er den Rest seiner Tage damit zubringen, sie zu suchen. Er hätte keine Zeit mehr für Auftragsmorde. Deine Konkurrenz wäre ausgeschaltet.»
Augustus richtete sich auf. «Ausgezeichnete Idee. Bleibt nur noch das Problem, dass sie im Sterben liegt. Diesen Prozess können meine Sterne nicht umkehren.»
«Ich weiß, wie wir sie retten können», japste Trinity. Ihre Beine gaben nach. Blaine hielt sie, drückte sie an sich und presste seine Lippen an ihre Schläfe. Sie lehnte sich an ihn und genoss seine Umarmung, ein Geschenk, von dem sie schon geglaubt hatte, sie hätte es mit ihrem Verrat an ihm verwirkt. «Wenn du meinen Vater auf der Stelle freigibst, dann verrate ich dir, wie du Angelica retten kannst. In ungefähr dreißig Sekunden wird sie tot sein, also entscheide dich schnell.» Trinity hustete wieder und ihr Geist vernebelte sich. Er verschwand langsam. Sie suchte an Blaines Oberkörper Halt.
Er flüsterte: «Durchhalten, Schatz. Wir haben es beinahe geschafft. Bleib bei mir.»
«Ich versuche es», nuschelte sie. Es wurde schwer. Die Wärme der Tulpe war so angenehm. Sie rief sie.
«Abgemacht.» Augustus holte ein Tütchen aus seiner Tasche. «Nein, das ist die Falsche.» Er nahm eine andere zur Hand. «Nein, das ist die Falsche.»
Der Raum fing an, sich um Trinity zu drehen. Sie kämpfte gegen die Schwärze an, die sich ihres Verstandes bemächtigte, gegen den Strudel, der ihre Seele anzog.
Blaine hielt sie fester. «Ich lasse dich nicht gehen.»
Sie biss sich auf die Lippen und schloss seine Worte in ihrem Herzen ein. Sie wollte diesen Mann nicht verlassen. «Schnell», flüsterte sie.
«Ah ja.» Augustus öffnete eine Tüte und schüttete ihren Inhalt auf den Boden. Dann warf er eine kleine rote Scheibe in den Haufen. Es machte «puff», eine Explosion folgte und dann lag Elijah auf dem steinernen Fußboden. Seine Augen waren geschlossen, doch er war nicht mehr Rosa und seine Brust hob uns senkte sich. Er lebte.
«Dad!» Trinity wurde schwarz vor Augen und sie war sich undeutlich bewusst, dass sie fiel.
«Der Heiligenschein tötet sie», sagte Blaine schnell. «Ich nehme ihn ihr ab und sie gehört dir. Abgemacht?»
Trinity schlug noch einmal die Augen auf, lange genug um mitzuerleben, wie der Heiligenschein von Angelicas Kopf verschwand. Dann verlor sie das Bewusstsein und begriff, dass es zu spät war.
Ihre Seele war soeben rausgeschmissen worden.
Als Trinity in seinen Armen zusammenbrach, stürzte für Blaine die ganze Welt ein. «Trinity.» Seine Hände waren zu nass, er konnte sie nicht mehr halten und sie glitt zu Boden. «Wag es nicht, mich zu verlassen!»
Christian sprang ihm zu Hilfe und gemeinsam legten sie Trinity hin. «Ich stehe hinter dir, Trio.»
Mari hockte neben ihm und ignorierte seinen vernichtenden Blick. «Blaine, sag ihr, dass du sie liebst.»
«Das weiß sie.» Seine Beine gaben nach und er kippte um. Er kämpfte, wollte sie festhalten, doch er war zu schwach, zu nass. Sein Brustkorb schmerzte und er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er fühlte, wie ihn sein eigenes Gewicht erdrückte. Der kalte Boden war plötzlich unangenehm und drückte in seine Knie. Der Wasserhahn in der Ecke tropfte viel zu laut. Der Lavendelduft wurde schwächer und schwächer. Seine Frau verließ ihn. «Trinity, verdammt. Wag es ja nicht.»
«Himmel, hast du hier denn gar nichts gelernt?», schrie ihn Mari an. «Sei kein Dummkopf! Sag ihr, dass du sie liebst und immer für sie da sein wirst. Eine Frau will geliebt werden, sonst nichts. Sag es ihr.»
Trinity leuchtete heller. Das Schillern breitete sich über ihren Hals aus und kroch auf ihren Kopf zu.
Napoleon heulte auf und Augustus knurrte. «Sie stirbt immer noch.»
«Mari hat recht», sagte Christian. «Sie will auch nur hören, dass ich sie liebe. Mehr verlangt sie nicht.»
«Und er sagt es niemals. Nur deshalb habe ich mich auf Angelicas Plan eingelassen, bis ich dann gesehen habe, wie Trinity beinahe Blaine umgebracht hat. Da begriff ich, wie furchtbar ihre Zukunftsvisionen eigentlich waren.» Mari beugte sich über Trinity. «Sag es ihr oder Angelica kommt zurück.»
Blaine betrachtete die Frau in seinen Armen, erinnerte sich daran, wie sie den Eiszapfen abgelenkt hatte, wie sie ihn verlassen hatte, um sein Leben zu retten. Er legte die Hand auf seine Tasche und fühlte die Schnudelklaue, die sie benutzt hatte, um ihn zu töten, und er wusste, dass er ihr vertrauen konnte. «Trinity.» Er versuchte, sie hochzuheben. Christian half ihm dabei. «Ich liebe dich», flüsterte er heiser. «Bei allem Reinen und Guten, ich liebe dich.»
Er hätte es durchaus auch poetischer ausdrücken können. Schließlich hatte man ihm unter der Folter Millionen Gedichte und Liebeslieder eingebläut. Er wusste, wie man um eine Frau warb. Kannte die Tonarten der Liebe. Aber nichts davon kam ihm angemessen vor. Nur diese drei Worte klangen richtig. «Ich liebe dich.»
Trinity regte sich in seinen Armen. Und das Leuchten verblasste.
Napoleon jauchzte erfreut und Augustus kicherte voller Vergnügen.
Trinity schlug die Augen auf und legte ihre Hände an seine Wangen. Er sah die Liebe in ihren grünen Augen strahlen und wusste, dass Trinity in diesen Körper zurückgekehrt war. Ohne die Schwarze Witwe. Ihre Haare waren wieder weich und seidig (ein wenig verstrubbelt und höllisch sexy) und ihre Augen hatten denselben bezaubernden Grünton, dem er schon bei ihrem ersten Zusammentreffen verfallen war.
«Wir haben es geschafft», flüsterte sie.
Blaine fiel keine Erwiderung ein. Er umarmte sie wortlos. Dann übermannte ihn das Wasser und sie rutschte aus seinen Armen.
Er ging zu Boden. Trinity setzte sich ruckartig auf. «Blaine!»
Jarvis kam mit einem glimmenden Barbecuegrill angerannt. «Den habe ich im Zentrum für Männliche Grundkenntnisse entdeckt. Achtung!»
Blaine schob Trinity beiseite und Jarvis kippte die glühenden Kohlen über ihm aus. Seine Haut zischte, sein Tattoo rauchte und Blaine zündete seinen Körper an. Er atmete erleichtert auf und rappelte sich hoch.
«Und Zündung.» Jarvis warf den Grill weg. «Willkommen zurück, Trio,»
Trinity starrte ihn entsetzt an. «Ich habe dich tatsächlich umgebracht.»
«Nein.» Blaine packte ihre Hand und hielt sie fest. «Schluss mit der Selbstzerfleischung. Wir müssen einfach immer nur eine Schachtel Streichhölzer griffbereit halten. Es geht mir gut.»
Trinity weinte beinahe. «Du gibst mir nicht die Schuld?»
«Himmel, nein.» Er nahm ihr Gesicht in seine Hände. «Es hat mir nur gezeigt, wie sehr du mich liebst. Nur dadurch, dass du den Fluch gegen mich gerichtet hast, konntest du mir beweisen, dass du mich aufrichtig liebst. Jedes Mal, wenn ich zerlaufe, werde ich mich daran erinnern, dass ich dir vertrauen kann.»
Ein Eiszapfen erschien in ihrer Hand und er vernichtete ihn sofort. «Ich finde diese unbewussten Reaktionen, wenn ich etwas sage, das dich zum Dahinschmelzen bringt, richtig toll.»
«Aber ich bin verflucht. Ich kann mich nicht vor die Tür wagen, ohne Angst haben zu müssen, dass ich einen Menschen umbringe –»
«Das ist vorbei.» Er lachte leise und küsste ihre Tränen fort. «Der Fluch wird dich nicht mehr heimsuchen. Du liebst mich und außer mir wirst du niemanden lieben. Die Männer dieser Welt sind sicher vor dir –» Er zog die Brauen hoch. «Außer natürlich, du bist eine von denen, die mehrere Männer gleichzeitig lieben.»
Sie schüttelte den Kopf und eine zarte Hoffnung keimte in ihr auf. «Nein, selbstverständlich nicht –»
«Perfekt.» Blaine zog sie auf seinen Schoß. «Ich bin ein emotional vorgeschädigter Mann, dem es Probleme bereitet, einer Frau zu vertauen. Jedes Mal, wenn ich schmelze, wird es mich treffen wie ein Vorschlaghammer: Ich kann nicht leugnen, dass du mich liebst. Und jedes Mal, wenn du mit einem Eiszapfen auf mich losgehst, ist das meine Bestätigung dafür, dass du mich immer noch liebst.»
«Willst du damit sagen, dass du mich genau so willst, wie ich bin?», fragte sie mit Tränen in den Augen.
Er küsste sie sanft. «Begreifst du es denn immer noch nicht? Einzig und allein so kann es funktionieren. Ich bin viel zu verkorkst für eine x-beliebige Frau. Baby, ich brauche den Fluch der Schwarzen Witwe und ich brauche dich.»
«Aber was ist, wenn ich dich im Schlaf ermorde?»
Er wies auf die Überreste des Eiszapfens, den sie in die Wand gejagt hatte und nicht in sein Auge. «Du hättest mich schon längst töten können. Und, hast du es getan?»
Sie sah einen nach dem anderen an und er konnte erkennen, dass sie begriff, was sie getan hatte. Zögerlich begann sie zu lächeln und Freude blitzte in ihren Augen auf. «Ich habe dir nichts getan. Ich habe mich gebremst.»
Er lachte über ihre Verwunderung. «Siehst du? Du bist doch gar nicht so schlimm, oder, Trinity Harpswell?»
Sie warf die Arme um seinen Hals und umarmte ihn wild. «Danke. Danke, dass du an mich geglaubt hast. Und, dass du mir den Glauben an mich selbst zurückgegeben hast. Danke, dass du mich liebst.»
«Ach was.» Er erwiderte ihre Umarmung. Es fühlte sich gut an, die Frau, die er liebte, so im Arm zu halten. Unglaublich gut. «Ich habe nichts dazu beigetragen. Du hast es allein geschafft, einfach nur dadurch, dass du du selbst bist.»
Sie nahm den Kopf zurück und strahlte. «Blaine Underhill, ich liebe dich.»
«Und ich liebe dich so, wie du bist.» Er wollte ihr gerade demonstrieren, was für ein grandioser Küsser er war, als er Mari seufzen hörte.
«Siehst du, so macht man das», sagte sie wehmütig. «Was für eine Rede. Blaine könnte den anderen Männern einiges beibringen. Christian, du solltest auch Stunden nehmen.»
«Vergiss es», erwiderte er. «Wir verschwinden von hier und dieser Ort ist Geschichte.»
«Nein», konterte Mari bestimmt. «Dieser Ort wird gerade wiedergeboren und dieses Mal wird es wirklich nur um Liebe gehen. Wir werden die Menschen glücklich machen.»
«Mari, lass es gut sein. Es wird Zeit, nach vorne zu sehen», sagte Christian ruhig.
Blaine wusste, dass er recht hatte. Aber dieses Mal würde er, um die Freiheit zu finden, nicht wie von der Tarantel gestochen davonlaufen. Er würde auf jemanden zulaufen, und er konnte es kaum erwarten.
Blaine brachte das Bike vor dem großen, weißen Haus mit dem makellosen Rasen zum Stehen.
Der Vorgarten stand voller Tonskulpturen und neben den Rhododendronbüschen war ein Buffet aufgebaut worden. Dutzende Menschen schlenderten umher und bewunderten die Kunstwerke. Reina stand neben einer lebensgroßen Statue von Augustus und diskutierte mit Nigel und Jarvis. Sie gestikulierte wild, Nigel lachte und Jarvis schwang sein Schwert etwas zu eifrig.
Christian stand mit einem Teller, den er am Buffettisch beladen hatte, bei ihnen und schaufelte sich Essen in den Mund. Seit er die Höhle verlassen hatte, hatte er nicht mehr aufgehört zu essen und beinahe schon wieder sein Kampfgewicht erreicht. Aber er war nervös und das gefiel Blaine nicht. Etwas war geschehen, als Christian alleine in der Hexehöhle ausgeharrt hatte, doch Christian sprach nicht davon.
Trinity verspannte sich hinter ihm und er drückte ihr Bein. «Meine Liebe, du musst doch keine Angst mehr vor Menschenansammlungen haben.»
«Ich weiß. Die Macht der Gewohnheit.» Sie küsste ihn auf den Nacken. «Bereit?»
«Jawohl.» Blaine würgte den Motor ab, trat gegen den Motorradständer und schwang sich vom Sattel. «Hast du deinen Vater schon entdeckt?» Auf dem Rückweg von der Hexenhöhle hatten sie sich etwas besser kennengelernt und Blaine gefiel der Mistkerl. Wie konnte er ihn auch nicht mögen? Der Mann war bereit gewesen, sein Leben für seine Tochter zu opfern, und das rechnete Blaine ihm hoch an.
Gut, ein bisschen misstrauisch war er schon, denn schließlich hatte er Trinity der Hexe überlassen aber –
«Blaine! Trinity!» Olivia eilte zu ihnen. Sie trug ein wunderschönes, weißes Kleid und sah um Jahre jünger aus als bei ihrem ersten Treffen. «Ich bin so froh, dass ihr beide zu Elijahs erster Vernissage kommen konntet.»
Blaine erwiderte Olivias Umarmung steif und sie musterte ihn nachdenklich.
«Tut mir leid», murmelte er.
«Ich bin gleich zurück», verkündete Olivia. «Ich habe etwas für dich.» Sie eilte davon und huschte über die ausladende Vordertreppe ins Haus.
Trinity drückte seine Hand. «Ist schon gut, Blaine. Wir können es alle verstehen.»
«Ich weiß.» Trotzdem kam es ihm idiotisch vor, dass er die Liebe ihrer Mutter nicht annehmen konnte. Er konnte nach wie vor nicht akzeptieren, dass sie nicht wie seine eigene Mutter war. Konnte ihr nicht trauen. «Wenigstens versuchst du mit schöner Regelmäßigkeit, mich umzubringen.»
Sie lächelte ihn an. «Ich kann nicht fassen, dass du mich liebst. Ich bin eine einzige Katastrophe.»
Er grinste und genoss das warme Gefühl in seiner Brust. «Du bist perfekt. Ich bin stolz, mit dir hier sein zu können – selbst, wenn du später die Party platzen lässt und mir an die Gurgel gehst.»
«Ich hoffe, es kommt nicht so weit. Dad zuliebe.» Trinity hakte sich unter und schmiegte sich an ihn. «Ich bin so froh, dass Dad endlich eine Ausstellung machen kann. Mir ist nie aufgefallen, dass er sich immer bedeckt gehalten hat, um nicht zu bekannt zu werden, und so notfalls ohne großes Aufsehen mit seiner mordlüsternen Tochter umsiedeln kann.» Trinitys Kopf ruhte an Blaines Schulter. «Ich hätte nie zu hoffen gewagt, eines Tages glücklich zu sein. Es ist zu unfassbar wundervoll, diese Freude zulassen zu dürfen.»
Ihre Augen glänzten und er liebte die Freiheit, die in ihrer Stimme mitschwang.
Sie hatte sogar angefangen, sich aufreizender zu kleiden – und das hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie hatten sein Appartment eine Woche lang nicht verlassen. Wegen der schmelzenden Eiszapfen hatten sie sich einen großen Vorrat an wasserabweisenden Matratzen zugelegt und im Schlafzimmer einen Ofen installiert, der vierundzwanzig Stunden brannte. Alles war gut.
Trinitys Mutter kam zurück. Sie hatte eine kleine Holzkiste und eine Papierrolle bei sich. Sie übergab Blaine die Rolle. «Das ist für dich. Ich dachte mir, du möchtest es dir vielleicht ansehen.»
Blaine faltete das Papier auf und sah eine handgeschriebene, hingekritzelte Notiz auf dem vergilbten Papier. «Was ist das?»
«Als ich über sechs lange Monate nach Trinity gesucht habe, habe ich alle Informationen gehortet, die im Zusammenhang mit Angelica standen. Da ich nun keine Angst mehr vor ihr haben muss, habe ich gestern Nacht meine Unterlagen durchgesehen und alles verbrannt. Dabei bin ich auf diese Papiere gestoßen.»
Blaine betrachtete die Seite genauer. Trinity spähte über seine Schulter. «Das ist ein Flugzettel», stellte sie fest. «Ein Steckbrief.» Sie berührte die gelben Kanten. «Er muss über hundert Jahre alt sein.» Schweigend lasen sie gemeinsam den Text.
Vermisst: vierjähriger Junge. Braune Haare, braune Augen. Offene Wunde am rechten Arm. Er heißt Alexander Blaine Underhill III. Hört nur auf den Namen Blaine. Für Informationen über seinen Aufenthaltsort ist eine hohe Belohnung ausgesetzt. Bitte kontaktieren Sie Marissa Underhill oder den Orden der Roten Schwerter.
Blaines Kehle schnürte sich zu. Trinity legte ihren Arm um ihn. Er schluckte, zerknüllte das Papier und warf es fort. «Nett von ihr, leider etwas zu spät.»
«Der Orden der Roten Schwerter war eine gefährliche Untergrundorganisation. Ihr Zweck war es, verfolgten Wesen der Anderswelt dabei zu helfen, sich zu verstecken. Manche behaupten, dass sie immer noch existiert», berichtete Olivia. «Sie waren berüchtigt dafür, draufgängerisch und kostspielig zu sein. Ihre Hilfe muss deine Mutter eine exorbitante Summe gekostet haben.»
«Wir hatten kein Geld.»
Trinitys Mutter klappte die Kiste auf und wühlte in den Papieren. «Der Gründer der Organisation war ein junger Mann. Seine Mutter wäre bei dem Versuch, ihn vor seinem Vater zu beschützen, beinahe gestorben. Später hat sie, um ihren Jungen zu retten, den Mann getötet. Diese Untergrundkämpfer hatten ein Herz für Witwen, die Leid erdulden mussten, weil sie ihre Kinder vor ihren Ehemännern beschützt hatten.»
Blaine versteifte sich. «Meine Mutter war keine Witwe und sie hat auch nichts unternommen, um mich vor meinem Vater zu schützen –»
Olivia gab ihn ein weiteres Dokument. «Das hier ist zwei Jahre später verfasst worden.»
Mit zitternder Hand las Blaine die Worte.
Vermisst: sechsjähriger Junge. Braune Haare, braune Augen. Vermutlich hat er am rechten Arm eine große Narbe. Er heißt Alexander Blaine Underhill III. Hört nur auf den Namen Blaine. Für Informationen über seinen Aufenthaltsort ist eine hohe Belohnung ausgesetzt. Bitte kontaktieren Sie Marissa Underhill oder den Orden der Roten Schwerter.
«Und noch einer.» Sie legte ihm eine zerknitterte Seite in die Hand.
Vermisst: siebenjähriger Junge. Braune Haare, braune Augen. Vermutlich hat er am rechten Arm eine große Narbe. Er heißt Alexander Blaine Underhill III. Hört nur auf den Namen Blaine. Für Informationen über seinen Aufenthaltsort ist eine hohe Belohnung ausgesetzt. Bitte kontaktieren Sie Marissa Underhill oder den Orden der Roten Schwerter.
«Das sind nur einige von den Hunderten von Suchanzeigen, die ich gefunden habe.» Sie drückte ihm einen Stapel Papiere in die Hand. «Sie hat sie jedes Jahr veröffentlicht, sogar jeden Tag. Auf dem neusten, den ich entdeckt habe, bist du fünfundsechzig Jahre alt. Aus demselben Jahr stammt auch die Todesanzeige von Marissa Underhill.» Sie reichte ihm auch dieses Dokument.
Blaine wies es benommen zurück. «Nein –»
«Ich werde es vorlesen», sagte Trinity und nahm es. «Marissa Joan Underhill, gestorben am 7. Oktober 1909 in der Höhle bei den Wasserfällen, in einem Tunnel, der der Legende nach der Zugang zum Reich der Großmutter des Todes ist.» Trinity nahm Blaines Hand und er hielt sich voller Verzweiflung an ihr fest und lauschte auf ihre leise Stimme.
«Marissa Joan hinterlässt ihren Sohn Wesley Maxwell, der im Alter von zwanzig Jahren auf der Suche nach seinem Bruder Alexander Blaine Underhill III, verschollen ist. Nach dem rätselhaften Tod ihres Ehemannes Alexander Blaine Underhill Junior im Jahre 1851 widmeten Marissa und ihr Sohn ihr ganzes Leben der Suche nach dem Vermissten. Es wird behauptet, dass Marissa damals ihren Mann aus Rache für ein Leid, das er ihrem kleinen Sohn Blaine zugefügt hatte, ermordet hatte, jedoch wurde sie nie angeklagt.» Trinity faltete den Brief zusammen. «Periodisch aufkommende Gerüchte darüber, dass Wesley noch am Leben ist, konnten nicht bestätigt werden», schloss sie.
Blaine hatte einen Kloß im Hals. Ausdruckslos starrte er in den Garten. Er bekam kaum Luft. Seine Haut war zu heiß. Seine Kleider kratzten unangenehm. Seine Narbe brannte höllisch.
Trinity schlang die Arme um seine Taille und legte den Kopf an seinen Oberkörper. Er klammerte sich an sie wie ein Ertrinkender, grub sein Gesicht in ihre Haare und nahm ihren Lavendelduft in sich auf. Seine Mutter hatte nach ihm gesucht. Wes war ihm nachgejagt. Ihr ganzes Leben lang hatten sie versucht, ihn zu finden. Genau, wie er es sich erträumt hatte. «Sie hat ihn umgebracht», raunte er mit belegter Stimme. «Ich weiß es, sie hat meinen Vater ermordet. Er war ein Bastard.» Jäh kamen die Erinnerungen an die lautstarken Streitigkeiten zwischen seinen Eltern in den Wochen vor Angelicas Erscheinen zurück. Seine Mutter hatte ihn immer in ihrer Nähe haben wollen und ihn keine Minute aus den Augen gelassen. Und er erinnerte sich an die Tränen in ihren Augen, als sie eines Abends zu ihm gesagt hatte, dass sie ihn liebe und er das niemals vergessen dürfe, egal, was sein Vater auch tun mochte.
Das hatte er nicht. Er hatte sich nur nicht erinnert. Bis jetzt. Trinity sah zu ihm auf. «Du hast inzwischen gelernt, wie man jemandem vertraut. Lass deine Liebe für sie zu. Es ist gut. Du bist jetzt in Sicherheit.»
Er schüttelte den Kopf und schob seine Finger in ihre Haare. Sein Herz war so schwer, seine Kehle verschnürt und seine Muskeln schmerzten. «Ich kann nicht –»
Trinitys Mutter legte ihre Hand auf seine Schulter. «Mein lieber Junge, du hast jetzt eine Familie. Es wird Zeit, die alten Wunden zu schließen und uns einzulassen. Wir können dir zwar nicht unsere Liebe beweisen, indem wir regelmäßig dein Leben bedrohen, aber irgendwann solltest du auf diesen Vertauensbeweis sowieso verzichten.»
Blaine umklammerte die Papiere und kämpfte gegen den Mahlstrom aus Gefühlen an. Gegen eine Ewigkeit voller Einsamkeit, Isolation und Verrat. Er drückte Trinity fester. Er musste ihren Körper an seinem spüren und ihre Liebe, auf die er blind zählen konnte.
Elijah fing seinen Blick auf und winkte. Er machte ihm das «Daumen hoch»-Zeichen, hob triumphierend seine Faust und breite dann seine Arme aus und umfasste mit dieser Geste seine Skulpturen und alle anwesenden Gäste. Zum Schluss deutete er direkt auf Trinity und ihre Mutter. «Danke!», rief er.
Blaine sah den Stolz und die Freude im Antlitz des älteren Mannes, seine intensive Leidenschaft für das Leben und die Kunst und seine Familie. Er sah einen Mann, der all das aufgegeben hätte, um einen Fehler an seiner Tochter wiedergutzumachen.
«Danke Mum, dass du das mit Blaine geteilt hast.» Trinity ließ Blaine los und umarmte stattdessen Olivia. Diese beiden liebten sich vorbehaltlos. Alle Fehler der Vergangenheit waren vergessen. Sie liebten sich im Hier und Jetzt. Trinity hatte vergeben. Und sie liebte.
Die beiden Frauen in seinem Leben öffneten die Arme und luden ihn wortlos ein, an ihrer Umarmung teilzuhaben.
Ja, es wurde Zeit.
Blaine schob die Papiere in seine Tasche, ging auf die beiden zu und nahm ihre Einladung an.
Er war zu Hause.