Fick misch hädda

«Komm, wir gehen zu den Weibern rüber.»

Heiko macht einen entschlossenen Eindruck.

«Wie meinst du das? Zu welchen Weibern denn überhaupt?»

Hilfe, ich will nicht zu den Weibern! Ich will Doppelkopf spielen!

«Susanne.»

Da hilft wohl nichts. Unsere Clique pirscht geschlossen zum Mädchenbereich. Zielsicher steuert Heiko Susanne Bohnes Zelt an. Die erwarten uns schon, sagenhaft, Heiko muss heimlich was klargemacht haben.

Die Belegschaft besteht aus Susanne, Ina, Petra und Karin. Ina ist, Titten hin, Titten her, eigentlich ganz hübsch, Petra auch, nur Karin ist total verhunzt, und daran wird sich nach menschlichem Ermessen auch nichts mehr ändern: Sie ähnelt einer Maus, dünnes Haar, spitzes Kinn, niedrige Stirn, ihre winzigen Zähnchen wuchern aus einem wulstigen, rosaroten Zahnfleischbett. Außerdem hat sie überhaupt keine Figur. Man könnte sie auf den Kopf stellen und würde keinen Unterschied bemerken. Und als ob das alles noch nicht reichen würde, ist ihre Haut übersät von kleinen Leberflecken, eher Leberpickel, Leberwarzen, Leberpunkte, so was.

Petras auffälligstes Merkmal sind ihre riesigen Nasenlöcher, wirklich groß sind die, so was habe ich überhaupt noch nicht gesehen. Man möchte sie zuhalten, irgendwas reintun oder Flüssigkeit einfüllen, das sind zwanghafte Gedanken, gegen die man nichts machen kann. Die Nüstern sind riesig und dunkel und glatt, da drin können sich sicher keine Popel halten. Bildet sich ein Popel, fällt er sofort raus, so stelle ich mir das jedenfalls vor.

Es scheint bereits im Vorfeld ausgemacht worden zu sein, wer sich zu wem aufs Bett setzt: Heiko zu Susanne, Tiedemann zu Ina und Roland zu Petra, ist ja klar, wer übrig bleibt. Da kommt man wenigstens nicht auf dumme Gedanken, haha. Außer Karin rauchen alle. Zum Einstieg haben wir ein Spitzenthema: Wolfram Steiß, die Sau. Irgendwie scheinen alle Bescheid zu wissen, auch Susanne ist bestens informiert. Woher weiß die das denn? Ob doch schon was lief? Unerträgliche Vorstellung. Roland und Heiko geben die wortführenden Platzhirsche, Roland ist erwartungsgemäß der Beste im Reden, Heiko entpuppt sich mehr und mehr als Langweiler. Tiedemann und ich halten uns zurück. Tiedemann, weil er nicht will, ich, weil ich nicht kann. Ich versuche krampfhaft, dem Gespräch zu folgen, und suche nach einer Lücke, in die ich einen Witz oder so versenken kann. In Gedanken spiele ich unzählige Gags und originelle Bemerkungen durch, ich finde sie aber allesamt zu schwach, oder das Thema ist durch, und ich würde viel zu spät kommen. Dauernd bleibe ich auf meiner mühsam vorbereiteten Schlagfertigkeit sitzen. Wenn ich jetzt noch was bringen will, muss es echt gut sein, sonst blamiere ich mich bis auf die Knochen. Roland und Heiko drehen richtig auf, die Weiber tun interessiert, lachen und geben ihnen ein gutes Gefühl. Wieder mal werde ich von Zwangsvorstellungen geplagt: Roland macht sich an Petra zu schaffen und schlabbert ihre Nasenlöcher aus. Bis auf «Hey, Fans, ich bin Thorsten» habe ich noch keinen Mucks gesagt. Die müssen mich für einen totalen Idioten halten, bis auf Susanne, die weiß es besser, aber sie will es gar nicht besser wissen. Die Lage ist hoffnungslos, ich bin nur einer mehr, der das Zelt dichtquarzt. Das Sit-in endet damit, dass wir uns brav voneinander verabschieden und gegen eins in unsere Zelte zurückschleichen. Der Grundstein für Sauereien ist gelegt, fragt sich nur, wer randarf.


Die drei Spastiker schlafen schon. Andreas hat seine Decke weggestrampelt und gibt den Blick auf seinen Riesenpimmel frei. Hat er jetzt einen Steifen oder nicht? Schwer zu sagen, ganz schwer zu sagen bei der Größe. Eine Sekunde überlege ich, es zu prüfen. Aber wenn er aufwacht, bin ich geliefert. Vielleicht auch nicht: Er wacht auf, ich halte ihm mit der einen Hand den Mund zu, und mit dem Wichsarm greife ich seinen Schwanz. Andreas verdreht die Augen und protestiert schwach: «Hülfe, Hülfe, nicht, was machst du da, es ist Schlafenszeit.» Aber sein Widerstand ist vorgetäuscht, er weiß es, und ich weiß es auch. Vom Gestöhne und Geschubber werden Detlef und der Namenlose wach.

Detlef schlaftrunken: «Was ist das denn, was ist denn hier los?! Ich will schlafen, seid bitte endlich still.»

Der Namenlose, hellwach: «Hey, seid ihr verrückt?»

Detlef: «Dabei kann ja kein Mensch schlafen!»

Doch Geilheit ist ansteckend. Dem Namenlosen schießt das Blut in die Lenden. Er legt sich auf Detlef und hält ihm den Mund zu: «Nun sei endlich still!»

Er nimmt die Hand weg und küsst ihn auf den Mund. Detlef öffnet seine Lippen, die beiden züngeln wild, dann zieht der Namenlose Detlef die Unterhose runter.

Detlef: «Nein, nein, nicht. Das geht zu weit, das kannst du nicht machen.»

Der Namenlose: «Ach, halt jetzt endlich mal die Schnauze. Natürlich kann ich das.»

Im Liebesrausch fallen sie vom Bett, wälzen sich ineinander verkrallt auf dem sandigen Boden umher, sie rollen unter Detlefs Bett, der Namenlose entdeckt das Einmachglas. Er schüttet die Fußnägel auf Detlefs nacktem Körper aus, rotzt drauf und schmiert ihn mit der zähen, schleimigen Spucke und den Nägeln richtig ein. Danach übernimmt Detlef die Initiative: Über und über mit Nägeln gespickt, öffnet er ein Salzfass, verteilt das weiße Gold auf Torstens Körper und leckt ihn genüsslich ab. Danach Partnertausch, ich bin an Detlef dran, Andreas lässt sich vom Namenlosen verwöhnen, alles geht. Gottachgottachgott, ist das geil.


Ich halte es nicht mehr aus, eine Entsaftung muss her, dringend, jetzt, sofort. Richtig geil soll es werden, ich möchte stöhnen und schreien und keuchen und gurgeln und irgendwelche Namen blöken. Im Zelt kann ich nur unendlich langsam schubbern, und zum Schluss läuft einem alles in Zeitlupe über die Hand, also muss ich die Angelegenheit am Strand erledigen. Wie ein Verbrecher schleiche ich auf der Suche nach einer günstigen Stelle um die Nougathöhle. Aus einem offenstehenden Fenster dringen Geräusche, eindeutige Geräusche. Ist das alles geil schon wieder. Alle sind überall mit allen am Rummachen. Auf der ganzen Welt ein einziges Gestöhne, Gegrapsche, Gefummel, Gelecke und Gehaue. Ich robbe mich immer näher an das Fenster. Das Zimmer des Ehepaars Wöllmann, es muss das Zimmer des Ehepaars Wöllmann sein! Während sie es miteinander treiben, stöhnen sie die ganze Zeit irgendwas in ihrer Mundart. Irgendwann Frau Wöllmann, auf dem Höhepunkt der Lust:

«Fick misch hädda.»

Gleich nochmal, weil’s so schön war:

«Fick misch hädda.»

Das turnt mich irgendwie ab. Mundartliches hat im Sexuellen ebenso wenig zu suchen wie Jodeln in der Philosophie, fällt mir ein. Genial, was für ein genialer Satz. Ich spreche ihn ein paarmal vor mich hin. Der hätte mir mal vorhin einfallen sollen, King wäre ich gewesen und nicht die beiden Schießbudenfiguren Heiko und Roland. Jetzt ist es zu spät. Egal, Wöllmanns sind fertig, ich lege mich in den Sand und ziehe die Hose bis in die Kniekehlen.

«Susanne, oh, Susanne, bitte, bitte, ja, ja, Susanne.»