Kapitel 11
Sir Marmaduke erwachte lange vor Tagesanbnich.
Ein sanft trommelnder Regen, ein schmerzlich steifer Nacken und der warme Atem seiner Liebsten an seiner nackten Schulter begrüßten ihn.
Als er spürte, wie sie feuchte kleine Küsse auf seinen Oberarm hauchte, öffnete er lächelnd sein gesundes Auge ... und blickte geradewegs in zwei unbewegte, runde, braune Hundeaugen.
»Heilige Muttergottes!« Marmaduke sprang auf, von einer Sekunde auf die andere hellwach.
Leo jaulte erschrocken, und alle freundlichen Annäherungsversuche, die er vielleicht im Sinn gehabt haben mochte, waren prompt vergessen. Der kleine Hund flitzte aus dem Vorraum, bevor Marmaduke ihn auch nur mit einem ärgerlichen Blick bedenken konnte.
Und so blickte er stattdessen stirnrunzelnd ins Halbdunkel und streifte hastige seine leinene Unterhose, seine Bruche, über. Strumpfhose, Tunika und Stiefel legte er genauso eilig an, und auch seinen Schwertgurt schnallte er sich im Nu um die Hüften.
Und die ganze Zeit über tat er so, als bemerkte er den feindseligen, gekränkten Blick nicht, mit dem Leo ihn von Caterines Bett aus zu durchbohren schien. Der raffinierte kleine Kerl besaß sogar die Dreistigkeit, sich in höchst besitzergreifender Manier an ihren nackten Oberschenkel zu kuscheln.
Marmaduke fuhr sich mit den Händen durch das Haar und bemühte sich angestrengt, das üppige Dreieck lockigen goldenen Haars zu übersehen - eine geradezu unwiderstehliche Versuchung, die sich ihm durch eine Laune ihres hinabgerutschten Bettzeugs am Ansatz ihres schlanken Schenkels offenbarte.
Eine süße Verlockung, nahezu - aber eben doch nicht ganz - verborgen von der Dunkelheit.
Ein hinreißendes Bild, das ihn ganz und gar überrumpelte. Er stürzte aus dem Zimmer, um seinen Plan, Caterine sehr behutsam zu umwerben, nicht durch seine niedrigeren Instinkte in Gefahr zu bringen.
Dem Himmel sei Dank, dass sie die ganze Aufregung verschlafen hatte.
Denn wäre sie wach geworden und hätte ihn aus verschlafenen blauen Augen angesehen, ihre weichen Lippen voll und rosig, die üppige Fülle ihres seidenweichen Haars zwischen ihren Schenkeln derart unschuldig zur Schau gestellt, hätte er womöglich die Kontrolle über sich verloren, bevor er ihr auch nur einen guten Morgen hätte wünschen können.
Mit einem fast schmerzhaften Ziehen in seinen Lenden ging er über den Korridor zu der Treppe, die zum großen Saal hinunterführte. Und kaum war er unten angelangt, machte er sich unverzüglich auf den Weg zum Waschbecken, das sich in einer Wandnische in der Nähe des Eingangs zur Empfangshalle befand.
Gleich würde er sich besser fühlen.
Er trat an das steinerne Bassin, tauchte die Hände in das eiskalte Wasser und benetzte dann sein Gesicht.
Als er sich erfrischt genug fühlte, blickte er sich mit bemüht beherrschter Miene, falls irgendjemand ihn beobachtete, im großen Burgsaal um.
Alle schliefen noch.
Zu seiner Erleichterung bestätigte ihm der Chor schnarchender, schnaufender und anderer undefinierbarer Geräusche, der von den Männern, die noch immer auf ihren Strohmatratzen ruhten, aufstieg, die Tiefe ihres Schlummers.
Marmaduke gestattete sich ein gequältes Lächeln, hielt seine Strumpfhose mit einer Hand ein wenig von seinem Körper ab und bespritzte auch den Beweis seiner männlichen Erregung mit dem eisigen Wasser.
Die Erlösung ließ nicht lange auf sich warten; sie kam schnell und süß.
Zufrieden zog er seine Strumpfhose wieder zurecht und setzte seinen Weg fort, und sein Furcht erregender Gesichtsausdruck war eine deutliche Warnung an jeden, der dumm genug war, zuzugeben, ihn dabei beobachtet zu haben, wie er sich auf solch absurde Weise Erleichterung verschafft hatte.
Und falls James Keith auch nur eine Augenbraue angesichts des feuchten Flecks vorn auf der Vorderseite seiner Tunika hochziehen sollte, dann würde er sein Versprechen, dass sie mit stumpfen Schwertern kämpfen würden, zurücknehmen und darauf bestehen, den unglückseligen jungen Lord mit echten Klingen zu unterweisen.
Rasiermesserscharfen, die in der Lage waren, ein Haar zu spalten!
Ein finsterer Fluch und das Klirren über Stein scheppernden Stahls verriet ihm, dass James bereits im Keller war, als er den Fuß des feuchten Treppenhauses erreichte, das zu Dunlaidirs unterster Ebene hinunterführte.
Kalt und nur schwach erhellt von einigen kümmerlichen Pechfackeln und den trüben Lichtstrahlen, die durch eine Hand voll schmaler Schlitze in den Wänden fiel, stellte das Gewölbe einen sicheren Aufbewahrungsraum für die wertvollsten Vorräte der Festung dar, während seine halb unterirdische Lage und seine dicken Mauern James einen etwas ungestörteren Turnierplatz boten, um die edle Kunst des ritterlichen Schwertfechtens zu erlernen, als der offene Burghof, auf dem Marmaduke normalerweise sein tägliches Schwerttraining absolvierte.
Sorgfältig darauf bedacht, einein schwankenden Stapel aus Pfeilen und Armbrustbolzen nicht zu nahe zu kommen, blieb Marmaduke in dem nicht ganz so gefährlichen Schatten einer Wand voller übereinander gestapelter Weinfässer stehen. James, der ihn nicht eintreten gehört hatte, hob seine stumpfe Klinge vom Boden auf, machte einen Satz nach vorn und begann mit finsterer Miene eine gepökelte Rinderhälfte, die von der Decke hing, zu attackieren.
Sein erster Vorstoß war erbärmlich, aber nicht etwa aufgrund eines Mangels an Balance. Nein, seine kräftigen Arme wie auch seine Beine schienen sich in durchaus gutem Zustand zu befinden.
Es war die Wut in seinem verkniffenen Gesicht, die verdarb, was ansonsten eine perfekte Parade hätte werden können.
»Wenn Ihr tatsächlich hofft, vom Schwertkampf leben zu können, solltet Ihr lernen, Euch zu beherrschen, bevor Ihr Eure Klinge zieht«, bemerkte Marmaduke, als er zu ihm trat.
James hielt mitten in einem Ausfall inne und verlor beinahe das Gleichgewicht. »Ich war...«
»... auf dem besten Weg, einen Arm zu verlieren«, schloss Marmaduke für ihn, während er seinen eigenen Schwertgurt abnahm und ihn auf einen Korb voller zusammengerollter Ochsenhäute legte.
Dann streckte er die Arme über den Kopf und ließ seine Knöchel knacken, bevor auch er ein stumpfes Übungsschwert ergriff und sich damit an einen der dicken Pfeiler lehnte, die die Decke des Gewölbes trugen.
Ein paar Minuten blieb er ruhig dort stehen, um sich mit dem Gefühl der Klinge in seiner Hand vertraut zu machen.
»Eine Leidenschaftlichkeit wie die, die in Euren Augen lodert, solltet Ihr lieber in den Armen einer schönen Maid an den Tag legen als auf dem Schlachtfeld.« Sich halb zur Seite wendend, gab er vor, den ein Stück entfernt liegenden Brunnen zu betrachten. »Denn dort, in der Hitze ernsten Schlachtgetümmels, werdet Ihr Eure Gliedmaßen nur dann behalten, wenn Ihr nicht den Kopf verliert.«
Die Worte waren kaum über seine Lippen, da fuhr er auch schon zu James herum, und seine Klinge durchschnitt die Luft mit einer Schnelligkeit, die jeden Zuschauer hätte schwindeln lassen. Im Nu landete James' Schwert scheppernd auf dem Boden, und das stumpfe Ende von Marmadukes Klinge presste sich gegen den Hals des jüngeren Mannes.
»Das war Eure erste Lektion, mein Freund. Entweder Ihr bewahrt einen kühlen Kopf... oder Ihr verliert den selbigen. Die Entscheidung liegt bei Euch.«
James reagierte ungehalten. »Gott und die Heiligen sind meine Zeugen - wäre ich nicht bereit zu lernen, wäre ich nicht hier!«
»Das freut mich zu hören.« Marmaduke senkte seine Klinge und deutete mit ihrer Spitze auf das am Boden liegende Schwert. »Können wir dann beginnen?«
»Ich dachte, das hätten wir bereits.« James hob beleidigt seine Waffe auf.
»Das war nur ein kleiner Austausch von Nettigkeiten, damit Ihr Euren Zorn loswerden konntet. Nun achtet auf meinen Gesichtsausdruck und versucht, ihn nachzuahmen.«
»Da ist kein Ausdruck auf Eurem Gesicht«, brummte James. »Es ist völlig ausdruckslos.«
»Genau.« Marmaduke trat ein paar Schritte zurück und nahm eine Angriffsstellung ein. »Und Ihr solltet heute besser lernen, eine ähnlich desinteressierte Miene aufzusetzen, weil Ihr morgen nämlich Publikum haben werdet ... eine schöne dunkelhaarige Maid, deren holde Gegenwart Euch helfen wird zu lernen, Ablenkungen zu ignorieren.«
James wurde blass. »Das würdet Ihr nicht tun!«
Marmaduke zog eine Augenbraue hoch. »Und ich hege auch nicht den geringsten Zweifel, dass sie uns bestimmt sehr gern diesen Gefallen tun wird.«
*
James presste die Lippen zusammen und starrte an die Decke.
»Das Einzige, was zwischen Euch und der Verbesserung Eurer Fechtkunst steht, ist die richtige Motivation«, erklärte Marmaduke. »Der Wunsch, Lady Rhonas Anerkennung zu erringen, wird Euch als Ansporn dienen, Eure Fertigkeiten zu verbessern.«
»Ihr wisst, dass ich ihr herzlich zugetan bin«, erklärte James mit einem anklagenden Blick auf Marmaduke. Er lehnte sich auf sein Übungsschwert, und seine Brust hob und senkte sich, als hätten sie bereits einige sehr anstrengende Runden ausgetragen. »Ich will nicht, dass sie hierher kommt, um mich ...«
»Regt Euch ab, denn sonst hole ich sie auf der Stelle.«
»Ich möchte nicht, dass sie sieht, wie ungeschickt ich bin.«
»Sie wird sehen, wie gut Ihr seid«, berichtigte ihn Marmaduke. »Wenn Ihr es wollt.«
James atmete tief aus. Dann, zu Marmadukes immenser Freude, erschien ein undurchdringlicher Ausdruck auf dem gut aussehenden Gesicht des jüngeren Mannes, und er hob sein Schwert. Ein leichtes Zucken des Muskels unter seinem linken Auge war das einzige sichtbare Anzeichen seiner inneren Erregung.
Marmaduke, der spürte, dass James bereit war, den Kampf zu beginnen, machte eine aufmunternde Handbewegung.
»Greift mich an«, ermutigte er ihn und hob sein Schwert. »Stellt Euch einfach vor, Ihr würdet an einem bedeutenden Turnier teilnehmen ... Eure Dame würde Euch aus den Logen beobachten und hätte Euch soeben eins ihrer Haarbänder zugeworfen ... Stellt Euch vor, ihre Augen würden angesichts der Verheißung späterer Vergnügen funkeln.«
»Ihr seid grausam.«
»Man hat mich schon schlimmerer Eigenschaften bezichtigt.« Marmaduke dachte an die vielen wenig schmeichelhaften Bezeichnungen, mit denen sein Lehnsherr ihn im Laufe der Jahre überhäuft hatte. Sie waren natürlich niemals ernst gemeint gewesen, aber auf jeden Fall sehr viel unerfreulicher als grausam.
»Konzentriert Euch auf diese Vergnügen«, fügte er hinzu, da er der Meinung war, dass sein junger Freund noch etwas mehr Ansporn gebrauchen konnte. »Auf die erotischen Vergnügen, meine ich.«
Die Taktik funktionierte.
Der schwer errungene Ausdruck der Indifferenz auf James' Gesicht verschwand fast augenblicklich. Ohne das Geringste Zögern trat er vor und parierte Marmadukes unentwegte Schwerthiebe mit verblüffender Geschicklichkeit.
Bis leises Gezänk im Treppenhaus seine Aufmerksamkeit erregte und Marmaduke ihn mit dem Rücken gegen das Brunnenhäuschen trieb.
»Ihr wäret jetzt tot, wenn ich ein echter Gegner wäre.« Marmaduke warf das stumpfe Übungsschwert beiseite und fuhr sich mit dem Handrücken über seine schweißnasse Stirn.
James stand keuchend da und ignorierte ihn; seine ganze Aufmerksamkeit galt dem dunklen Eingang zum Treppenhaus.
Die streitenden Stimmen kamen näher. Eine war das tiefe Brummen eines Mannes, die andere eine Frauenstimme.
Die das Wortgefecht ganz offensichtlich zu gewinnen schien.
»Das gepökelte Rindfleisch ist voller Würmer«, protestierte der Mann, und sein Ärger hallte förmlich von den dicken Mauern des Gewölbes wider.
»Es muss doch irgendetwas da sein«, beharrte Lady Rhonas unverwechselbare Stimme. »Wir können doch nicht eine Hochzeit ohne Hochzeitsbankett feiern.«
Dann traten beide ins Licht, und ein Ausdruck lebhaften Interesses erschien auf Rhonas reizendem Gesicht. »Ich dachte schon, ich hätte hier unten Schwerter aufeinander klirren gehört, aber als das Gefecht so abrupt verstummte, schrieb ich den Radau den Burggespenstern zu.«
»Gespenster«, brummte Eoghann. »Die einzigen Gespenster hier - falls es überhaupt welche gibt - wären vor lauter Hunger viel zu geschwächt, um sich Scnwertkämpfe zu liefern.«
»Dann werden wir eben dafür sorgen müssen, dass beim Hochzeitsmahl die Tische unter dem Gewicht der Speisen ächzen und diese üppig genug sind, um die Mägen sämtlicher Bewohner Dunlaidirs zu füllen.« Sie strahlte den Seneschall an. »Vergangener und gegenwärtiger.«
Ihr Lächeln ließ James ärgerlich die Stirn runzeln.
Bis Marmaduke ihm auf den Fuß trat und flüsterte: »Ein Ausdruck gelangweilter Unbeteiligtheit würde sich jetzt sehr viel besser machen.«
»Die gleiche Unbeteiligtheit, mit der Ihr meine Stiefmutter anseht, wenn Ihr Euch unbeobachtet glaubt?«, murmelte James, den Blick noch immer unverwandt auf das Objekt seiner Zuneigung gerichtet.
Marmaduke verkniff sich ein Lächeln und gab ihm einen Klaps auf den Arm. »Wenn dies ein Schwerthieb gewesen wäre, hättet Ihr mein Herz durchbohrt«, raunte er so leise, dass nur James ihn hören konnte. »Erinnert Euch an diese Präzision, wenn wir das nächste Mal trainieren, dann werdet Ihr Euch schon bald Eure goldenen Sporen verdienen.«
Lady Rhona und der Seneschall kamen zu ihnen hinüber. Sie lächelte James an. »Es ist schon eine Weile her, seit wir Euch ein Schwert schwingen sahen.«
»Vielleicht habe ich ja beschlossen, dieses Versäumnis schnell zu nachzuholen«, erwiderte er und stieß sich von der Brunnenmauer ab. In seiner Hast stolperte er, und das Schwert, mit dem er übte, fiel ihm aus der Hand.
Er erstarrte, und sein Blick glitt zu der abgerundeten Spitze seiner Klinge.
Es war ein Übungsgerät für einen Knappen, nicht für einen erwachsenen Mann.
Marmadukes Herz verkrampfte sich angesichts der Ungeschicklichkeit des jüngeren Mannes. Mit Hilfe seines Fußes brachte er das Schwert in Sekundenschnelle in seine Hand. Es würde den armen James nur noch mehr beschämen, wenn Rhona sah, wie harmlos diese stumpfe Übungswaffe war.
Genauso schnell, wie er es ergriffen hatte, schleuderte Marmaduke das Schwert mit der abgerundeten Spitze in eine dunkle Ecke, wo es mit einem metallischen Klirren auf einem Stapel Armbrüste landete.
Dann räusperte er sich. »Ich brauchte einen Fechtpartner, und als Herr von Dunlaidir war James so gastfreundlich, mir seine Dienste anzubieten«, log er.
»Verehrteste«, wandte er sich an Rhona, »ich weiß Eure Überlegungen hinsichtlich eines verschwenderischen Hochzeitsmahls durchaus zu schätzen, und ich würde ein solches auch sicherlich mit Freuden genießen. Doch in Anbetracht Eurer Vorräte, denke ich, ist ein solcher Aufwand schlicht nicht möglich.«
Eoghann warf sich in die Brust. »Das habe ich ihr auch gesagt. Keine Vorräte, kein Festessen.« Er schnaubte verächtlich. »Es sei denn, wir setzten den Gästen etwas von dem Nebel vor, der hier ständig von der See hereinströmt. Davon haben wir genug.«
Bei diesen Worten beschlich eine ganz neue Art von Kribbeln Marmaduke, eine Art von Kribbeln, das er liebte ... die Geburt einer Idee.
Die Formierung eines Plans.
Drei gepökelte Rinderhälften hingen von der Decke. Sie sahen ziemlich alt aus und schienen doch die einzige Fleischquelle im gesamten unterirdischen Gewölbe der Festung zu sein.
Bis auf ein paar dürre tote Seevögel, die in einer Ecke herumlagen und noch gerupft und zubereitet werden mussten.
»Ich hörte, Ihr hattet einst eine beeindruckende Rinderherde.« Marmaduke warf James einen Seitenblick zu. »Mein Lehnsherr schwärmte von ihr noch tagelang nach seinem letzten Besuch auf Dunlaidir. Er schwor, er hätte nie in seinem Leben besseres Rind gegessen.«
»Aye, das beste Rind, das binnen eines Dreitagesritts zu haben war, so hieß es damals immer«, stimmte James ihm zu. »Doch nun, da unser Vieh auf den Feldern grast, die de la Hogue Sir John entwendet hat, haben wir kaum noch genügend Vorräte, um auch nur den hungrigen Magen eines einzigen Bettelmönchs zu füllen.«
Der junge Burgherr schien um Jahre gealtert, als er sich nun mit der Hüfte an den Rand des Brunnens lehnte. »Zu Lebzeiten meines Vaters war unsere Burg eine bedeutende Festung in diesem Teil von Schottland«, fuhr er mit düsterer Stimme fort.
»Dann fuhr Sir Hughs eiserne Faust auf uns hernieder, und auch wenn er uns nicht unsere Mauern nahm, verwüstete er doch unser Land und stahl uns unser Vieh.«
»Und versetzte auch die Kätner in Angst und Schrecken«, setzte Eoghann hinzu, und ein Ausdruck des Hasses ließ die Linien in seinem runzligen Gesicht noch tiefer wirken.
»Einen schändlicheren Mistkerl hat es nie gegeben«, stimmte James ihm zu.
Nur Marmaduke enthielt sich eines Kommentars und starrte versonnen auf den Korb mit Rinderhäuten.
Endlich wusste er, was zu tun war.
»Ihr würdet also gern ein festliches Bankett zu unserer Hochzeit geben«, wandte er sich an Rhona. »Dem stimme ich ergebenst zu. Aber«, fügte er dann mit einem Blick auf Eoghann hinzu, »wir werden nicht ein, sondern gleich zwei Hochzeitsfeste geben.«
Hinter ihm gab James einen erstickten Laut von sich. »Zwei ?«
»Das eine gleich im Anschluss an die Trauung, und an diesem Abend wird es zu essen geben, was auch immer gerade verfügbar ist«, erklärte er. »Das zweite findet ein paar Nächte später statt, und dann werden wir das feinste Rind auftischen, das innerhalb eines Dreitageritts aufzutreiben ist.«
»Ihr seid vollkommen verrückt.« Ein Ausdruck ungläubigen Erstaunens erschien auf James' Gesicht.
»Nein, aber ich hoffe, dass meine Hochzeitsnacht eine finstere und mondlose sein wird«, berichtigte ihn Marmaduke. »Das erste Hochzeitsfest wird gewissermaßen so etwas wie unsere Nebelwand sein.«
»Nebelwand?« Das kam von Eoghann.
Marmaduke nickte. »Eine List, die es einigen von uns erlauben wird, sich auf Sir Johns einstige Ländereien zu schleichen und unser Vieh zurückzuholen.«
»Ich verstehe es immer noch nicht«, murmelte James.
»Ich schon«, erklärte Eoghann. »Und ich kann es fast nicht glauben, dass ich nicht schon selbst auf die Idee gekommen bin.«
James machte ein verdutztes Gesicht.
»Versteht Ihr es denn nicht?« Die Augen des Seneschalls begannen zu funkeln. »Wer würde schon auf die Idee kommen, dass sich ein Mann in seiner Hochzeitsnacht auf Viehdiebstahl begibt?«
»Oh.« James' Gesicht verriet, dass er allmählich zu begreifen schien. »Und was wird in der Nacht des zweiten Hochzeitsfests geschehen?«
»Das, mein Freund, bleibt abzuwarten«, log Marmaduke zum zweiten Mal an diesem Abend.
Denn er wusste natürlich ganz genau, was in dieser Nacht geschehen würde.
***
Schalentiere und Seetang.
Armeleuteessen.
Und bald auch das Hauptgericht auf einem Hochzeitsfest, über das Caterine eben erst informiert worden war.
Der Plan, eine weitere, zweite Feier abzuhalten, erschien ihr ganz absurd. Ihre Beunruhigung über ihre Hochzeit nahm stetig zu.
Während ihr die widersprüchlichsten Gedanken durch den Kopf gingen, warf Caterine eine weitere Hand voll triefend nassen Seetangs in einen der vielen Fischkörbe, die verstreut an der schmalen Uferlinie herumstanden, an der die Klippen von Dunlaidir sich mit der See vereinten.
Sie atmete die salzhaltige Luft tief ein, drückte ihre von der Kälte tauben Finger in ihr schmerzendes Kreuz und wünschte, sie wäre irgendwo, nur nicht hier... auf diesem winzigen Streifen schmalen Strandes, zu dem die Bewohner der Burg Zugang hatten.
Nur über einen gefährlichen, schon vor Jahrhunderten in den Fels des Festlandes geschlagenen Pfad erreichbar, boten seine von der weiten Kurve einer versteckten Bucht geschützten Tidebecken und Flachwasser reichen Erntegrund für verschiedene Seetangarten und andere Geschenke des Meeres.
Kostbare Nahrung, die sie und die zuverlässigsten und vertrauenswürdigsten Mitglieder des Haushalts schon seit Stunden sammelten.
Und bald würde es Abend werden, und sie hatten einen ganzen Tag mit mühevoller, anstrengender Arbeit zugebracht.
Und mit dem Austüfteln geheimer Pläne.
Caterine schloss die Augen und hielt ihr Gesicht in den kalten, stürmischen Wind, während sie über die Urteilskraft erwachsener Männer sinnierte, die als Ochsen verkleidet durch die Gegend schlichen.
Für sie eine lächerliche Vorstellung, aber offenbar eine brillante Strategie für diejenigen, die sie durchzuführen gedachten.
Besonders ihr Beschützer, der die anderen mit dem Einfall überrumpelt hatte und nun behauptete, der verstorbene König Robert Bruce habe einst die gleiche List benutzt - auch er habe sich eine Ochsenhaut über den gebückten Körper geworfen und dann den Schutz der Dunkelheit genutzt, um mit einer Rinderherde zu verschmelzen und sich auf diese Weise unauffällig einer Wachmannschaft zu nähern.
Caterine fand schon die Vorstellung aberwitzig. Sie hatte noch nie davon gehört, dass Schottlands heroischer König sich jemals irgendwohin geschlichen haben sollte.
Und sollte er es doch getan haben, dann ganz sicher nicht... als Kuh verkleidet!
»Sie haben auch ganz entschiedene Vorteile, diese unfeinen Aufgaben des heutigen Tages«, flüsterte ihr eine vertraute Stimme ins Ohr.
Caterine riss die Augen auf.
Ein ganzes Orchester gleichzeitig erschallender Trompeten hätten sie nicht mehr erschrecken können.
Sie blickte ihre Freundin prüfend an. »Ich kenne diesen Blick von Euch«, sagte sie. »Ihr habt Napfschnecken in dem Felstümpel auf der anderen Seite des Strands gesucht. Welche Vorteile trieben Euch also hierher, um mich zu Tode zu erschrecken?«
»Ihr kränkt mich.« Rhona nahm einen prall gefüllten Sack von ihrem Rücken. »Dies ist schon der sechste, den ich gefüllt habe. Und was die Vorteile betrifft...«
Sie warf einen viel sagenden Blick auf die angespannten Muskeln an Sir Alecs nacktem Rücken, als er einen schweren Korb mit glitzerndem Fisch für den Aufstieg über den Klippenpfad auf seine Schulter hievte.
»Habt Ihr je so viel erstklassiges Männerfleisch an einem Ort gesehen, Mylady?«
Caterine blickte zum Wasser hinüber, wo die MacKenzie-Männer und einige von Dunlaidirs besten Bewaffneten durch das flache Wasser wateten und ihre mit Seetang gefüllten Netze hinter sich herzogen.
Sie alle hatten ihre Tuniken abgelegt. Einige hatten sogar ihre Strumpfhosen ausgezogen und sich dafür entschieden, dem kalten Wasser mit nichts anderem als ihren Brüchen bekleidet zu trotzen.
Sie hätten ebenso gut auch nackt sein können.
Jeder einzelne von ihnen, ihn mit eingeschlossen.
»Aye, ich habe es registriert,« Caterine sah keinen Grund, die Schüchterne zu spielen.
Genauso wie sie registriert hatte, welchen Mannes nasse Unterhose vorn die größte Ausbuchtung aufwies.
Und dieser Anblick löste ein seltsam warmes Kribbeln zwischen ihren Schenkeln aus.
Sie warf einen Blick den Strand hinunter, wo ein gleichermaßen spärlich bekleideter James sich soeben den Felstümpel vornahm. »Glaubt Ihr, James würde es gutheißen, wenn Ihr die Männer so angafft?«
Rhona zuckte mit den Schultern. »Hinsehen schadet nichts. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass James Keith das Interesse an mir verlieren würde, wenn er glaubte, ich könnte keinen Gefallen an den Lustwerkzeugen eines Mannes finden. Besonders, wenn sie so eindeutig zur Schau gestellt...«
»Lustwerkzeuge ?« Um ein Haar wäre Caterine an diesem Ausdruck erstickt:
»So nenne ich sie bei mir, aber es gibt auch andere Bezeichnungen dafür.«
»Wie könnt Ihr Euch mit solchen Albereien befassen, wenn Ihr doch sehr wohl wisst, warum wir hier sind?« Caterine blickte wieder zu den Männern mit den Netzen hinüber.
Sie war allerdings keinen Deut besser als ihre Freundin, denn auch ihr Blick suchte und fand, was er nicht hätte suchen sollen.
Es war etwas ungemein Erregendes an der Art, wie der dünne Stoff der Bruche diesen Körperteil von ihnen umhüllte. Das feuchte Leinen schmiegte sich so vollkommen darum, dass sich nicht nur die Länge ihres Schafts und die Rundung ihrer Hoden, sondern auch die Üppigkeit des dichten Haars bestimmen ließ, das ihre Männlichkeit umgab.
Eine süße Schwere breitete sich in Caterines Gliedern aus, die noch angenehmer wurde, als ihr Blick zu den solchermaßen zur Schau gestellten männlichen Attributen ihres Beschützers glitt, der allen anderen in dieser Hinsicht deutlich überlegen war.
»Er würde Euch glücklich machen, Mylady«, bemerkte ihre Freundin leise.
»Ich will nicht glücklich gemacht werden«, entgegnete Caterine und war selbst entsetzt darüber, wie lahm ihre Behauptung klang.
Wie unehrlich.
Denn ihr ganzer Körper sehnte sich danach, beglückt zu werden.
Rhona warf ihren Sack mit Napfschnecken auf einen wachsenden Stapel bereits gefüllter Säcke. »Ich nehme mir mein Vergnügen, wo und wann immer ich es finden kann«, erklärte sie, bevor sie sich abwandte und den Strand entlang zu James schlenderte.
Selbst damals war sie schon beherrscht von ihren Leidenschaften ...
Sir Marmadukes Beschreibung seiner ersten Frau drängte sich ungebeten in Caterines Bewusstsein.
Und schien sie zu verhöhnen.
Caterines Brust wurde ganz eng, so verunsichert war sie plötzlich. So wie Arabella schien auch ihre Freundin eine ausgesprochen leidenschaftliche Frau zu sein, vermutete sie.
Sie war es jedenfalls nicht.
Nicht, dass sie nicht wusste, was Leidenschaft war... das tat sie schon.
Insbesondere seit seiner Ankunft.
Sie hatte sich nur nie bemüht, sie zu erringen.
Aber vielleicht sollte sie genau das tun.
Kaum hatte sie den Entschluss gefasst, hob sie eine weitere Hand voll triefend nassen Seetangs auf und warf ihn in den bereit stehenden Korb. Sie hatte schon zwei Ehemänner zu Grabe getragen - der erste war durch ein englisches Schwert gestorben, als er nur wenige Jahre älter gewesen war als James Keith heute. Der zweite starb an Altersschwäche - und auch sie selbst wurde nicht jünger.
Niemand würde es ihr verübeln, wenn sie sich die Anziehungskraft, die dieser Engländer auf sie ausübte, zu Nütze machte ... und sich von ihm zeigen ließ, was es bedeutete, eine von ihren Leidenschaften beseelte Frau zu sein.
Solange sie ihr Herz aus solch intimen Eskapaden heraushielt, brauchte auch sie selbst sich keine Vorwürfe zu machen.