Kapitel 8
Zwei große Kerzen aus feinstem Bienenwachs und eine bronzene Öllampe, die an einer Kette von der Decke hing, beleuchteten die private Schlafkammer des verstorbenen Niall Keith. Caterine saß auf einem Hocker neben dem mit schweren Vorhängen versehenen Himmelbett, wagte kaum zu atmen und versuchte, das beängstigende ^Gefühl zu unterdrücken, dass irgendjemand, irgendetwas, sie aus der Dunkelheit beobachtete.
Tanzende blauschwarze Schatten erfüllten die Zimmerecken, in die der flackernde Kerzenschein und das schwache Licht der Öllampe nicht vordrangen.
Sie waren zweifelsohne düster und unheimlich, aber doch bestimmt nicht der Platz, an dem Gespenster sich ein Stelldichein gaben.
Der Gedanke beruhigte Caterine ein wenig, und sie atmete tief durch und entspannte ihre verkrampften Hände. Ihre innere Unruhe war genauso lächerlich wie Rhonas Aberglaube, Steine könnten weinen.
Der Raum enthielt nichts Beklemmenderes als Staub und abgestandene Luft.
Das Zimmer hatte ursprünglich als privater Wohnraum dienen sollen, aber ihr verstorbener Mann hatte es vorgezogen, innerhalb seiner mit Wandgemälden bedeckten Mauern zu nächtigen und es Caterine freigestellt, die Nächte in ihrem eigenen Schlafzimmer zu verbringen, einem sehr viel freundlicheren, wenn auch etwas kühleren Raum, dessen Fenster zur See hinausgingen.
Und obwohl sie sich jetzt nach dem Frieden ihres Schlafgemachs sehnte, widerstand sie dem Drang, dorthin zurückzukehren, und streckte eine Hand nach Leo aus, um ihn zu streicheln. Der kleine Hund lag zusammengerollt auf ihren Füßen, und sein Gewicht und seine Wärme spendeten ihr einen gewissen Trost in der beängstigenden Stille.
Eine bedrückende Stille, die nur vom Prasseln des an die Fenster schlagenden Regens und Sir Lachlans gelegentlichem Schnarchen unterbrochen wurde. Der verwundete Highlander ruhte friedlich in dem frisch bezogenen Bett, denn nach der Einnahme des schmerzstillenden Heilmittels, das Caterine eigens für ihn zubereitet hatte, war er in einen tiefen Schlaf gefallen.
Einmal hatte er schlaftrunken die Augen geöffnet, sie angelächelt und ein paar unverständliche Worte gemurmelt, umsogleich wieder in tiefe Träume zu sinken. Wenn die Heiligen ihr gnädig waren, würde er bald wieder daraus erwachen. Seine liebenswürdige Gesellschaft wäre eine willkommene Ablenkung von den unerfreulichen Erinnerungen, die sie quälten, seit sie die Schwelle dieses Zimmers überschritten hatte.
Sie streckte eine Hand aus und strich das Bettzeug des verletzten Ritters glatt. Da er absolut ruhig und gleichmäßig atmete und offensichtlich auch kein Fieber hatte, schien eine schnelle Genesung sichergestellt, und wenig anderes war von Bedeutung.
Am allerwenigsten Nialls Geist, der aus den dunklen Zimmerecken zu ihr hinüberspähte.
Und sie belächelte, weil es ihr gelungen war, ihn zu erregen.
Caterine runzelte die Stirn.
Niall war kein Ungeheuer gewesen. Nach dem ersten Jahr ihrer Ehe hatte er sich nicht einmal mehr darum bemüht, Liebesbeweise von ihr zu erhalten. Und er hatte sie nicht ein einziges Mal wegen ihrer Unfähigkeit, ihn zu erregen, gescholten.
Er hatte verstanden, dass ihr erster Kontakt mit der körperlichen Liebe ihr jegliche Bereitschaft genommen hatte, ihre Weiblichkeit weiter zu erforschen.
Selbst in jenen ersten zwölf Monaten hatte ihr verstorbener Mann Geduld bewiesen und ihr oft gestattet, sich in ihr eigenes Zimmer zurückzuziehen, mit der taktvollen Bemerkung, ihr nächster Besuch in seinem Bett werde sich sicher als erfolgreicher erweisen.
Aber dies war nie der Fall gewesen, und irgendwann hatte er aufgehört, sie rufen zu lassen.
Und nun, so kurz vor ihrer unmittelbar bevorstehenden neuen Ehe, schienen Nialls früheres Schlafgemach so von seiner Gegenwart durchdrungen, als wäre er noch immer anwesend.
Unruhig bewegte Caterine sich auf dem mit Gobelinstickerei bezogenen Hocker. Sie hatte ihn aus ihrem eigenen Zimmer mitgebracht, weil sie nicht in den) reich verzierten, unbequemen Lehnstuhl aus geschnitzter Eiche sitzen mochte, in dem Niall bei ihren anfänglichen Versuchen dessen, was er als eheliche Freuden zu bezeichnen pflegte, immer gesessen und ihr beim Entkleiden zugesehen hatte.
Fest entschlossen, ihn aus ihrem Bewusstsein zu verbannen, nahm sie Leo auf den Schoß, drückte ihn zärtlich an sich und richtete den Blick auf die drei mit kunstvollen Bogen versehenen Fenster der gegenüber liegenden Wand.
Im Gegensatz zu ihrem eigenen Gemach verfügte dieser Raum über Glasfenster. Kleine, runde, bleigefasste Scheiben von einer kaum wahrnehmbaren, opaken Farbe. Obwohl sie fast vollkommen undurchsichtig waren, waren sie dennoch ein Luxus.
Wie die dicken Felle, die den kalten Steinboden bedeckten. Eine Extravaganz, die Niall sich gestattet hatte, und die das Zimmer sehr viel wärmer machte als das ihre.
Warum konnte sie dann nicht aufhören zu frösteln?
Denn selbst die anheimelnde Hitze des Torffeuers im Kamin vermochte sie nicht aufzuwärmen.
Caterine presste die Lippen zusammen, um nicht mit den Zähnen zu klappern, und blickte zu dem Highlander hinüber. Er hatte sich auf die Seite gedreht und einen seiner kräftigen Arm über das Gesicht gelegt. Aber er schlief noch immer.
Erleichtert richtete sie den Blick wieder auf die Fenster. Die Abenddämmerung nahte, und das schwache Licht des stürmischen Nachmittags hatte sich verändert und verlieh dem milchigen Fensterglas ein selten helles Leuchten.
Die Haut an ihrem Nacken prickelte, denn die Farbe der Fensterscheiben ähnelte plötzlich dem blassen Grau der Augen ihres verstorbenen Mannes.
Augen, die sie aus dem regennassen Glas anstarrten!
Hunderte von Nialls Augenpaaren.
Ihr Herz begann wie wild zu pochen, ein erstickter Schrei stieg in ihrer Kehle auf und blieb dort stecken, als sich das Bild veränderte. Aus den silbernen Rinnsalen des Regens wurden Tränen und die vielen sie anstarrenden Augen waren plötzlich ihre eigenen.
Das laute Krachen eines Donnerschlags erschütterte den Raum und ließ die zerbrechlichen Fensterscheiben klirren, woraufhin Leo von ihrem Schoß sprang und Zuflucht unter dem mächtigen Himmelbett suchte.
Das nachhallende Grollen des Donners vertrieb glücklicherweise auch die beängstigenden Bilder.
Die drei hohen Fenster sahen wieder aus wie immer, und nichts als eine feine Staubschicht und eine bedauernswerte Ansammlung von Schmutz waren auf ihren milchigen Glasscheiben zu erkennen.
Ein heftiges Erschauern durchlief Caterines Körper bis hinunter zu ihren Zehen. Erstaunlicherweise schlief der junge Highlander weiter, in seliger Ahnungslosigkeit des Unwetters, das draußen wütete, und zum Glück auch ohne etwas von dem Sturm zu wissen, der in Caterines Brust toste.
Nur Leo spürte ihre Beklemmung. Er spähte unter dem Bett hervor zu ihr hinüber, und der Ausdruck seiner runden Augen schien fragend und ein Mitgefühl ausdrückend, das sie nicht wollte. Nicht einmal von ihrem lieben kleinen Leo.
Sie allein rief ihre Albträume hervor, und sie allein würde sie besiegen.
Um es sich zu beweisen, wandte sie sich um und richtete den Blick auf Nialls eichenen Lehnstuhl. Sollte irgendetwas in dem Zimmer sie verspotten wollen, dann würde es dieses Ungetüm von Sessel sein.
Doch der leere Sessel blieb ganz still.
Still und harmlos.
Eine klobige Masse dunklen Holzes in der fernsten Ecke, gut verborgen in den Schatten.
Kein Bild eines alternden Ehemannes, der mit besorgtem, hoffnungsvollem Blick in diesem Sessel saß, erschien vor ihr, um sie zu quälen.
Ihr Puls beruhigte sich ein wenig, und sie wollte sich gerade abwenden, als das flackernde Licht der Öllampe ganz plötzlich aufloderte. Wie gebannt beobachtete Caterine, wie sich der sanfte Schein der Lampe bis in die dunkle Ecke ausdehnte, um sich mit dem Echo längst vergangener Tage und Nächte zu vermischen und in dem massiven Eichensessel urplötzlich zum Leben zu erwachen.
Aber es war nicht Nialls Gestalt, die ihre Fantasie heraufbeschworen hatte.
Es war seine.
Die ihres Beschützers.
Und er trug seinen pelzbesäumten Umhang - aber nichts darunter!
Ein muskulöses Bein hatte er über die Sessellehne gelegt, und mit der rechten Hand hob er einen mit prachtvollen Edelsteinen besetzten Kelch an seine Lippen. Der Umhang stand vorne ein wenig offen, seine schweren Falten teilten sich gerade weit genug, um ihr einen verführerischen Blick auf seinen durchtrainierten Körper in seiner ganzen männlichen Pracht und Schönheit zu gestatten.
Denn es war der stolzeste Teil von ihm, den der offen stehende Umhang ihr enthüllte.
Wirklich sehr bemerkenswerte männliche Attribute, in höchster sinnlicher Erregung.
Und so imponierend, wie seine Männer bereits scherzhaft angedeutet hatten.
Caterine schluckte, ihr Herz schlug schneller.
Wirklichkeitsgetreuer, lebendiger, vollständiger als ein Traumbild sein dürfte, trank der Engländer langsam einen Schluck Wein und prostete dann mit dem Kelch stumm jemandem zu, den Caterine nicht sehen konnte. Sein Gesichtsausdruck offenbarte eine tief empfundene Emotion, die sie allerdings nicht näher definieren konnte, weil sie einen solchen Ausdruck noch nie auf dem Gesicht eines Mannes gesehen hatte.
Und doch war es ein Ausdruck, den ihr Herz erkannte, auch wenn ihr Verstand sich weigerte, ihn zu benennen.
Ein Ausdruck grenzenloser Verehrung.
Ein Ausdruck der Liebe, hell und rein und wahr.
Etwas, an dessen Existenz sie gezweifelt hatte, und von dem sie zu glauben versucht sein könnte, es sei möglich ... wenn sie einen Mann aus Fleisch und Blut vor sich hätte und nicht in die finstersten Winkel ihrer eigenen Seele blicken würde.
Dort, wo ihre geheimsten Wünsche verborgen waren.
Eine ungestüme Leidenschaft erfasste sie, ein Verlangen, das so intensiv war, dass es beinahe körperlich schmerzte. Ihre Kehle wurde unangenehm eng, selbst als der Rest von ihr ganz weich und warm zu werden schien.
Doch ein weiterer mächtiger Donnerschlag und ein silberner Blitz, der über den schwarzen Himmel zuckte, zerstörten auch dieses Bild, und dann, als wollten die tobenden Elemente sie verhöhnen, schien das Unwetter den Atem anzuhalten, und es wurde so still, dass sie das heftige Pochen ihres eigenen Herzens hören konnte.
Das und ein leises Grollen, das zu nahe war, um es dem nachhallenden Donner zuzuschreiben.
Nein, kein Grollen ... ein Knurren.
Und als ihr endlich die Erkenntnis dämmerte, war Leos Knurren schon zu dem für den kleinen Hund typischen hellen Kläffen angeschwollen. Mit gesträubten Nackenhaaren sauste das Tier unter dem Bett hervor, um sich auf die Tür zu stürzen, und erreichte sie im selben Augenblick, als sie sich öffnete und den Blick auf ihn freigab.
Mit wild gefletschten Zähnen stürzte Leo sich auf Marmadukes Knöchel. Sein schrilles Bellen erreichte ein ohrenbetäubendes Niveau, nur um dann jählings zu verstummen, als der hoch gewachsene englische Ritter sich umwandte, um einen strengen Blick auf ihn zu richten.
Jaulend flitzte Leo unter das passive Bett zurück. Noch immer ganz durcheinander, hätte auch Caterine am liebsten aufheulend die Flucht ergriffen, aber ihre Glieder waren schwer wie Blei und weigerten sich, ihr zu gehorchen, und ihre Kehle fühlte sich an, als wäre sie mit Wolle vollgestopft.
Lachlan stöhnte leise auf und warf sich auf dem Bett herum, und die Ablenkung verschaffte ihr die nötige Zeit, um sich zu sammeln. Sie räusperte sich. »W-was tut Ihr hier?«, fragte sie ihren Beschützer.
»In dieser Kammer oder unter Eurem Dach?«
Mit selbstbewussten Schritten trat er vor und schien mit seiner breitschultrigen Präsenz förmlich das ganze Zimmer auszufüllen.
Caterine schluckte, und ihr Herz begann wie wild zu pochen.
Das Kerzenlicht spiegelte sich in der dichten Mähne seines dunklen Haars und fiel auch auf die breite Fläche seiner muskulösen Brust, doch da der flackernde Lichtschein sein Gesicht nicht erreichte und seine Züge somit halb im Dunkeln lagen, wurde es für Caterine geradezu beklemmend deutlich, was für ein gut aussehender Mann er einst gewesen war.
Sie erhob sich von ihrem Hocker und wunderte sich, dass ihre Beine sie noch trugen. Lieber Himmel, ihre Knie zitterten! Nein, sie klapperten. »Ich ...« Errötend brach sie ab.
»Ich weiß, was Ihr gemeint habt.« Er legte seine Hände auf ihre Schultern und warf einen Blick zu der dunklen Öffnung zwischen den schweren Bettvorhängen. »Ich kam, um zu sehen, ob mit Lachlan alles in Ordnung ist. Man sagte mir, es gehe ihm gut und er schliefe, aber ich wollte mich lieber persönlich davon überzeugen.«
»Oh.« Caterine blinzelte.
Noch nie in ihrem Leben war sie sich dümmer vorgekommen.
Er war natürlich hergekommen, um nach seinem Mann zu sehen!
Dann sah sie das humorvolle Zwinkern in seinem gesunden Auge.
Er nahm ihre Hand und zog sie an seine Lippen. »Ich bin aber auch gekommen, um Euch zu sehen«, sagte er, als er sie wieder freigab.
Eine wahre Flut angenehmer Gefühle durchströmte sie.
Um ihre Unsicherheit zu überspielen, deutete sie mit der Hand auf ein Tablett mit gebuttertem Brot und geröstetem Seetang, aus dessen wohl schmeckenden Stängeln sich eine pikante Speise zubereiten ließ. »Mein Stiefsohn brachte mir vorhin eine Kleinigkeit«, sagte sie und zuckte innerlich zusammen, als er mit skeptisch erhobener Augenbraue das eher magere Angebot betrachtete.
»Eine bescheidene, aber sättigende Kost«, stellte sie hoch erhobenen Kopfes fest. »James sagt, Ihr würdet ohnehin nur kurze Zeit bei uns bleiben«, fügte sie dann hinzu, plötzlich von dem unkontrollierbaren Drang erfasst, einer Sorge Ausdruck zu verleihen, die ihr keine Ruhe ließ, seit James ihr berichtet hatte, was er den Gesprächen der MacKenzie-Männer entnommen hatte.
Sir Marmaduke runzelte die Stirn. »Mir scheint, der junge James braucht mindestens ebenso dringend Unterricht im Wiedergeben von Worten, wie er seine Fechtkunst üben muss.«
»Es stimmt also nicht, was er sagt?« Das Ausmaß ihrer Erleichterung überraschte sie. »Ihr habt gar nicht vor, Dunlaidir zu verlassen?«
Er blickte an ihr vorbei zu dem Mann im Bett. Lachlan schlief noch immer. »Ich werde Euch nicht belügen«, sagte er nach einer Weile und verschränkte seine Arme vor der Brust. »Es stimmt, was Euer Stiefsohn sagte, aber ich vermute, er hat es etwas ungeschickt ausgedrückt.«
Caterines Erleichterung verflog, sie war so kurzlebig gewesen wie die Funken, die dann und wann vom Torffeuer aufsprühten. Ihre eigenen Pläne, die Sicherheit Dunlaidirs - alles wirbelte um sie herum und fiel ihr krachend vor die Füße, um in tausend Scherben zu zerbrechen.
Er hatte vor, sie zu verlassen.
Ihr seinen Namen zu geben und sie dann zu verlassen.
Ein Name allein würde Hugh de la Hogue jedoch nicht abschrecken, nicht ohne den diesen Namen tragenden Mann und sein Schwert.
»Ihr hattet Euch bereit erklärt, mich zu beschützen und uns mit Euren kriegerischen Fähigkeiten zu unterstützen«, sagte sie schließlich, mit einer Stimme, in die sie so viel Stolz wie möglich zu legen versuchte.
»Ja, das habe ich versprochen«, stimmte er ihr zu. »Unsere kriegerischen Fähigkeiten dieser Burg zu leihen.«
Eine beklemmender Verdacht beschlich sie, dessen Gewicht auf ihre Schultern drückte wie ein viel zu schwerer Umhang. »Ich verstehe«, sagte sie und wandte den Blick ab, um das Fenster anzustarren. Es wurde draußen langsam dunkel, und die flackernden Kerzen spiegelten sich in den Fensterscheiben wider. »Eure Fähigkeiten und die Eurer Männer sind also gewissermaßen nur... eine Leihgabe.«
Marmaduke unterdrückte einen Fluch, der finster war wie die anbrechende Nacht draußen vor dem schmalen Fenstern. »Das ist eine etwas schmucklose Art, es auszudrücken, Mylady«, sagte er und unterdrückte das in ihm aufkeimende Bedürfnis, ihren Stiefsohn zu erwürgen.
Sie richtete den Blick auf ihn, und ihre dunkelblauen Augen schimmerten im weichen Licht. »Als was würdet Ihr es dann bezeichnen?«
Während er sich nach der Tür umschaute, die er bewusst einen Spalt breit offen gelassen hatte, suchte Marmaduke nach Worten, da er ausnahmsweise einmal auf Anhieb keine fand. Seine vielgerühmte Zungenfertigkeit hatte ihn im Stich gelassen. Ein einziger Blick auf den Ansatz der Brüste seiner neuen Herzensdame, der ob ihres tief ausgeschnittenen Kleides deutlich zu erkennen war, hatte seine übliche Beredsamkeit verstummen lassen.
Das Plaid, das sie über ihren Schultern trug, war verrutscht und offenbarte gerade genug zarte, cremefarbene Haut, um Bedürfnisse in ihm zu wecken, die er lieber unter Kontrolle hielt... oder für den Augenblick zumindest jedenfalls.
Sehr viel unaufmerksamer, als ihm lieb war, nahm er ihr Kinn sanft zwischen Daumen und Zeigefinger. »Euch unsere Kraft nur zu leihen, bedeutet nicht, dass wir schon Morgen gehen werden«, sagte er ruhig. »Ich bin weit geritten, um Euch zu beschützen, und weiß die Gemeinheit Eurer Feinde sehr gut einzuschätzen, genau wie meine Männer. Wir werden nicht eher fortgehen, bis diese Festung wieder gegen jede Art von Angriffen gesichert ist. Das schwöre ich Euch.«
Sie senkte den Blick und scharrte mit der Fußspitze über eins der Felle auf dem Boden. Die Geste erinnerte ihn an ihre Schwester, die an dem Morgen, als sie ihm ihre absurde Bitte vorgetragen hatte, in der Kapelle von Eilean Creag auf ähnliche Weise mit dem Fuß über den Boden gescharrt hatte. ,
Eine kurze, aber angenehme Wärme durchflutete Marmaduke. Mit dem Fuß zu scharren war etwas, was auch Linnet MakKenzie tat, wann immer irgendetwas sie wahrhaftig quälte.
Etwas Wichtiges.
Es war eine Angewohnheit, die Marmaduke immer sehr rührend fand.
Und so nahm er die Hand von Caterines Kinn, verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und bemühte sich, eine ernste
Miene zu bewahren. »Was ist es, was Euch beunruhigt, Gnädigste ?«
Das Scharren endete abrupt.
Mit ernster Miene schaute sie zu ihm auf. »Es hat nichts mit mir zu tun, dass ich ...« Sie brach ab, um sich zu räuspern. »Als Ihr herkamt, wart Ihr Euch unserer Zwangslage bewusst, und dennoch glaubt Ihr, Eure Rolle zu erfüllen, wenn Ihr mir Euren Namen gebt und uns dann wieder verlasst, damit wir schließlich genauso schutzlos dastehen wie zuvor?«
»Habt Ihr nicht mein Versprechen gehört, dass diese Burg stark genug sein wird, um jeder Bedrohung standzuhalten, bevor wir sie verlassen?« Er suchte ihren Blick und ließ ihn nicht mehr los. »Ich breche mein Wort nicht.«
Sie schien darüber nachzudenken, doch die kleine Furche zwischen ihren Brauen ließ sie alles andere als überzeugt erscheinen. »James ist nicht stark genug, um auf sich selbst gestellt zu sein, und die in unserer Garnison verbliebenen Männer sind von zu kleiner Zahl, um auch nur erwähnenswert zu sein. Unsere Pächter und Leibeigenen, die bisher noch nicht geflohen sind, sind demoralisiert. Sie sind es leid, sich mehr schlecht als recht und ohne unsere Unterstützung ihren Lebensunterhalt verdienen zu müssen.«
Sie wandte sich ab und zog ihr Wollplaid wieder etwas höher über ihre Schultern. »Wir haben nicht einmal genügend Vorräte, um die Bewohner dieser Burg anständig zu ernähren, und schon gar nicht, um auch noch die Dorfbewohner zu unterstützen, die in der Vergangenheit immer auf unsere Hilfe angewiesen waren.«
Marmaduke verzog einen seiner Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln, löste seine verschränkten Hände und entkrampfte seine Finger. Solche Probleme ließen sich mühelos beheben. Er war in all den Jahren schon mit größeren Herausforderungen konfrontiert worden und hatte jede einzelne gemeistert.
Die meisten, berichtigten ihn seine Dämonen.
Marmaduke ignorierte sie und drehte Caterine sanft zu sich herum, um sie ansehen zu können.
»Das sind Probleme, die wir lösen können und lösen werden«, versicherte er ihr und legte seine Hände sacht auf ihre Schultern. »Jedes einzelne von ihnen. So wie ich geschworen habe, Euch den Schutz meines Namens zu geben, so gebe ich Euch auch meinen heiligen Eid darauf...«
»Falls Ihr tatsächlich solche Leistungen vollbringen könnt, was ich fast nicht glauben kann«, unterbrach sie ihn zweifelnd, »erscheint das bloße Tragen Eures Namens mir doch ziemlich unerheblich.«
Sie hielt inne und bückte sich, um ihren Hund zu streicheln. Der Kleine war aus seinem Versteck herausgekrochen und drückte sich an ihre Beine. »Nein, Sir, Euer Name allein wird mir nicht helfen«, sagte sie, als sie sich wieder aufrichtete. »Und schon gar nicht, wenn Ihr erst mit Euren Männern abgezogen seid.«
»Mit Eurer Einschätzung meiner Person liegt ihr falsch. Ich würde mich niemals so verhalten, wie Ihr es annehmt«, sagte Marmaduke und war sich dabei des unverwandten Blicks des kleinen Hundes voll bewusst.
»Nein?«
Marmaduke schüttelte den Kopf. »Mögen die Heiligen mich auf der Stelle niederstrecken, wenn es so wäre, wie Ihr glaubt.«
»Aber Ihr gebt zu, dass Ihr die Absicht habt, Dunlaidir schon in Kürze wieder zu verlassen. James erwähnte etwas von Yuletide .. .« Marmaduke brachte Caterine zum Schweigen, indem er sanft mit zwei Fingerspitzen über ihre verführerischen weichen Lippen fuhr.
»Meine Absicht war und bleibt das genaue Gegenteil von dem, was Ihr vermutet«, sagte er und schenkte ihr sein ganz spezielles Lächeln.
Ein Lächeln, das er in den letzten Jahren sehr sorgfältig geübt hatte.
Ein Lächeln, von dem er wusste, dass es seine Grübchen offenbarte.
»James hat richtig gehört«, bestätigte er dann und berührte ihre Wange. »Nichts wäre mir lieber, als zu Weihnachten daheim zu sein ... mit Euch an meiner Seite. Und nicht nur als die Frau, die meinen Namen trägt, sondern als meine wahre Braut.«
»Eure wahre Braut?«
»Auf jeden Fall«, sagte er, und ihr Herz begann wie wild zu pochen. »Und in jeder Hinsicht.«
***
»... ihn mit allen Mitteln aus dem Weg räumen«, ereiferte sich einer der Dunlaidirschen Ritter zur selben Zeit im großen Burgsaal. »Dieser gemeine Schuft verdient es nicht zu leben«, fügte er hinzu, während er mit dem stumpfen Ende seines Messers auf dem Tisch herumhämmerte, um jedem seiner wütend hervorgestoßenen Worte Nachdruck zu verleihen.
»Wir sollten ihn aufknüpfen und baumeln lassen, bis der Wind durch seine Knochen pfeift!«, warf ein anderer Mann, dessen Zorn in der verrauchten Luft des Saals fast greifbar war, von einem der anderen Tische ein.
Am Ende des Tischs, der dem bogenförmigen Eingang zur Wendeltreppe am nächsten stand, saß mit gelassener Miene ein bejahrter, schwarz gekleideter Priester, Pater Thomas, der sehr viel interessierter daran schien, Seetangbrei auf eine gebutterte Brotscheibe zu streichen, als auf das immer lauter werdende Murren und Fluchen der Männer zu achten.
Als er seine Bemühungen erfolgreich zu Ende gebracht hatte, wandte er sich dem Mann zu seiner Rechten zu, dem Highlander Sir Gowan. »Gott dem Herrn sei gedankt dafür, dass Ihr hier seid«, sagte er. »Mit Eurer Hilfe werden die Leiden, die Sir Hugh den Menschen hier in dieser Gegend zugefügt hat, vielleicht bald nichts anderes mehr sein als eine böse Erinnerung.«
»Ha!« Etwas weiter unten am Tisch stieß Sir John ein Schnauben aus, das beredter war als Worte, und schwenkte warnend einen Finger. »So leicht wird dieser Schuft nicht auszuschalten sein. Er hat sich schließlich nicht umsonst einen so schlechten Ruf erworben. Er ergötzt sich daran, Menschen zu vernichten, und er hat genug bewaffnete Handlanger, um uns allesamt ins Grab zu bringen.«
»Umso mehr Grund für uns, froh zu sein, dass wir die MacKenzies auf unserer Seite haben«, entgegnete Pater Thomas und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinen Broten zu.
Ein unbehagliches Schweigen entstand im Saal und breitete sich aus, bis Sir Ross sich halb von seiner Bank erhob und seinen Bierkrug in die Höhe hielt. »Einen Toast!«, rief er mit dröhnender Stimme aus. »Lasst uns einen Toast darauf ausbringen, dieses Land von Sir Hugh und seinesgleichen zu befreien, und trinken wir auf Strongbow und seine neue Herzensdame!«
Begeisterte Beifallskundgebungen wurden laut, Stimmen erhoben sich, um Trinksprüche auszubringen, und der Radau wurde durch das Trommeln der Fäuste auf die langen Tische und das laute Poltern wild stampfender Füße ohrenbetäubend.
»Möge Gott ihm gnädig und diese Verbindung glücklicher als seine letzte sein!«, schrie Sir Gowan und schwenkte seinen Bierkrug durch die Luft.
»Ehrwürden!«, erhob sich eine andere Stimme über das Geschrei. »Wann wird das Paar getraut?«
Das Stimmengewirr verebbte, als alle Blicke sich fragend auf den alten Priester richteten. »In einer Woche«, antwortete Pater Thomas mit vollem Mund. »In sieben Tagen.«
Das Getöse und Gejohle erklang erneut, die Männer überboten sich gegenseitig mit gut gemeinten Beifallsrufen und auch einigen anzüglichen Scherzen.
Dann schlug die Stimmung allerdings wieder um, und die Männer wurden wieder zornig.
»... gehörig mit ihm abrechnen!«
»... Henker mit einer scharfen Axt!«
»... ihn an allen vieren in Ketten legen!«
Und als das Geschrei schließlich seinen Höhepunkt erreichte und der Zorn der Männer keine Grenzen mehr zu kennen schien, erhob sich ein Mann und verließ den Saal.
An der Tür zu der Außentreppe wandte er sich noch einmal zu dem Tumult um,-den er hinter sich zurückgelassen hatte ... und lächelte.
Diese herumzeternden Angsthasen und ihr albernes Geschwafel hatten ihm endlich brauchbare Neuigkeiten geliefert, die er weitergeben konnte.
Brauchbare, wertvolle Neuigkeiten.
Sehr zufrieden mit sich, warf er sich seinen Umhang um die Schultern und trat in die feuchte, kalte Nacht hinaus.