19. Kapitel
Ronan stemmte sich gegen ein weiteres Fass, bis auch dieses sich in Bewegung setzte. Er runzelte die Stirn, als es von ihm wegrollte, und dachte einmal mehr, dass jedes neue Fass, das er seit den frühen Morgenstunden von seinem Platz geschoben hatte, auf rätselhafte Weise größer, voller und schwerer war als das vorige.
Und nun, weit nach Tagesanbruch, war er zudem davon überzeugt, dass die verflixten Fässer sich hinter seinem Rücken auf wundersame Weise vermehrten.
Ein Seitenblick auf Hugh MacHugh, Dragon und die anderen Männer zeigte ihm, dass sie das Gleiche dachten.
Sie alle strengten sich an und gaben ihr Bestes, während seine Frau, Anice und der junge Hector in einer Ecke standen und das Geschehen neugierig beobachteten. Mit gebeugtem Rücken und krumm wie eine Schar gichtgeplagter alter Männer arbeiteten Ronan und seine Helfer sich Fass um Fass langsam durch den Weinkeller. Nur Valdar und Torcaill standen untätig dabei, weil ihr Alter und ihr Rang sie von einer Beteiligung befreiten. Sie standen am Fuß der Treppe, und während Valdar unaufhörlich schnaubte und vor sich hin grummelte, sah der Druide schweigend zu, und sein sanft glühender slachdan druidheachd war die beste Ermutigung für die arbeitenden Männer.
»Na also!« Valdar klatschte sich plötzlich auf den Schenkel und zeigte auf eine große, halbmondförmige Einritzung auf einer der großen Steinplatten des Fußbodens. »Da habt ihr eure Grabmarkierung! Ein Kratzer von einem der Fässer, wie ich schon sagte!«
Ronan richtete sich auf und sah sich um. Ein gutes Dutzend oder mehr Hängelampen warfen einen hilfreichen Lichtschein auf den Boden, aber der Dunst, den das rauchende Öl verbreitete, brannte in den Augen und ließ sie tränen. Und mit jeder Stunde, die verging, wurde es schwieriger, die natürlichen Sprünge und Abschürfungen auf den abgewetzten alten Steinen zu erkennen.
Und was sein Großvater als Kratzer bezeichnete, war in der Tat nicht mehr als das.
Ronan runzelte die Stirn. »Das ist wirklich nur ein Kratzer.«
»Das habe ich doch immer schon gesagt.« Valdar verschränkte die Arme vor der Brust und sah sehr zufrieden mit sich aus.
»Wir haben noch mindestens zehn Fässer zu bewegen.« Ronan ignorierte die Besserwisserei seines Großvaters und beugte sich vor, um die Hände auf die Knie zu stützen. Völlig erschöpft machte er ein einige tiefe Atemzüge.
Egal, wie stickig und abgestanden die Luft hier auch war.
Die beiden in Stein gehauenen, Rücken an Rücken stehenden Mondsicheln, an die er sich aus seiner Kindheit erinnerte, waren irgendwo hier unten.
Und er würde sie finden oder alt und grau werden bei der Suche.
Deshalb richtete er sich wieder auf und spreizte und krümmte seine Finger, bevor er das nächste Weinfass in Angriff nahm. Doch noch bevor er seine Hände darauf legte, spürte er eine Veränderung in der Luft, die ihm die Nackenhaare sträubte. Das Fass ließ sich viel leichter bewegen als die anderen, und als es ins Rollen kam, begann Ronans Herz wie wild zu klopfen.
Im selben Moment schoss ein silbrig-blauer Strahl aus der Spitze von Torcaills Stab, und das helle Licht beleuchtete das uralte piktische Symbol, das in den Steinfußboden eingeritzt war.
Zwei mit den Rücken zueinander stehende Halbmonde, genau so, wie Ronan sie in Erinnerung hatte.
Nur dass sie jetzt das gleiche bläuliche Licht ausstrahlten wie der Stab des Druiden.
Hinter ihm zog Gelis scharf den Atem ein. »Das Grab!«, rief sie und lief zu Ronan. »Ich wusste, dass du es finden würdest!«
Valdar schnaubte. »Es zu finden heißt noch lange nicht, dass der alte Maldred sich darin befindet«, höhnte er, trat aber vor, um sich das Symbol genauer anzusehen. »Ich bezweifle, dass wir den Stein lockern können, um nachzusehen.«
»Der Stein wird nachgeben.« Torcaill kam zu ihnen, und das silbrig-blaue Licht seines Stabs flimmerte jetzt noch heller. »Die Zeit ist gekommen. Die Gruft würde sich jetzt sogar von selber öffnen, wenn wir sie nicht entdeckt hätten. Wir hätten es irgendwie gemerkt.«
Ronan warf ihm einen Blick zu. »Und das sagst du jetzt?!«, fuhr er seinen Freund an, bevor er es verhindern konnte.
Aber der Druide zog nur eine Augenbraue hoch. »Trotz allem war es deine Aufgabe, das Grab aufzuspüren, mein Freund. Die Suche war gut für dich.«
»Dann lasst sie uns noch besser machen, indem wir sie beenden.« Ronan ließ sich auf ein Knie nieder und sah Hugh MacHugh und Dragon an.
»Kommt, Jungs, lasst uns sehen, ob wir den Stein bewegen können. Und du, Hector«, rief er dem Jungen zu, »läufst in die Küche und holst uns eine Kohlenschaufel.«
Mit großen Augen fuhr der Junge herum und stürmte die Treppe hinauf, um kurz darauf mit der gewünschten Schaufel zurückzukommen. Doch Ronan schüttelte den Kopf, als der Junge sie ihm reichte.
»Nein, Hector, die brauchst du«, sagte er und begann schon, mit seinem Dolch die Erde um die Ränder des Steins zu lockern. »Sobald wir den Stein anheben, schiebst du die Schaufel in die Spalte, ja?«
Hector nickte.
Doch kaum hatten Ronan, Hugh MacHugh und Dragon ihre Finger in die freigelegten Rillen an den Rändern gelegt, als sich die massive Steinplatte wie von selbst bewegte und mit dem unangenehmen Knirschen von Stein auf Stein aus dem Boden und zur Seite glitt.
Ohne dass es die Hebelwirkung einer Schaufel brauchte.
Was aber nichts daran änderte, dass die Platte schwer war.
»Jetzt, Jungs!« Ronans Muskeln spannten sich an unter dem Gewicht des Steins. »Hochheben!«
Und endlich löste sie sich ganz und offenbarte eine eisig kalte, schwarze Leere unter sich.
»Ha, ha!« Valdar war der Erste, der in das Loch hinunterspähte. »Da unten ist nichts als - Himmelherrgott!«, fluchte er und sprang zurück, als Dragon eine Fackel über die Öffnung hielt. »Da unten ist etwas!«
»Der Stein des Raben.« Torcaill hielt seinen Stab in die Öffnung, doch dessen flimmerndes Licht wirkte schwach und trüb gegen das pulsierende Blau dort unten in der Finsternis. »Ein solches Licht kann von nichts anderem stammen.«
»Und Maldred?« Gelis drängte sich durch die kleine Gruppe Männer vor. »Er ist doch auch dort, oder nicht?«
Ronan nickte und griff nach ihrer Hand, um sie näher an den Rand heranzuziehen. »Siehst du, er ist da und ... du lieber Himmel, seht euch das an!«
Er traute seinen Augen nicht, als das Licht von Torcaills Stab sich mit dem des blau schimmernden Steins vereinte und offenbarte, was Ronan schon seit Tagen vermutet hatte.
Die sterblichen Überreste Maldreds des Schrecklichen lehnten an einer mächtigen, mit eingravierten Runen versehenen Steinplatte, und er war, den kostbaren Stein an die Brust gedrückt, zu der Öffnung hinaufschauend gestorben.
Ronan lief es kalt über den Rücken, und er schüttelte sich, weil der unerwartete Stich, den der Anblick ihm versetzte, alles änderte, was er je über den verrufenen Vorfahr seines Clans gewusst hatte.
Gelis drückte ihm die Hand und hielt ihn fest, als die ganze Welt sich um ihn zu drehen begann. Ich habe dir doch gesagt, dass er nicht das Scheusal war, als das er hingestellt wurde, glaubte er sie wispern zu hören.
Aber sicher konnte er nicht sein. Dazu war das Rauschen seines Bluts in seinen Ohren viel zu stark.
»Ich wusste es«, sagte er, und ihm entging nicht Torcaills grimmiges Nicken. »Er hatte sich selbst mit dem Stein begraben. Hat ihn lebendig in ein Versteck gebracht, um ...«
»Buße zu tun«, beendete der Druide den Satz für ihn. »Ich hatte es schon lange vermutet. Er konnte sich nicht dazu überwinden, den Stein zu zerstören, aber er wusste, dass dessen Macht das Ende seines Clans sein würde. Deshalb tat er das Einzige, was er tun konnte, und opferte sich zum Besten aller.«
»Ich will das Ding nicht innerhalb dieser Mauern haben!« Valdar stemmte die Hände in die Hüften. »Den Stein, meine ich«, ergänzte er und bekreuzigte sich schnell. »Maldred kann bleiben, wo er ist. Requiescat in pace und so weiter! Aber der Stein wird aus dem Grab herausge ...«
»Ich bitte um Verzeihung, Sir, aber ich finde nicht, dass das ein Grab ist. Kein richtiges jedenfalls«, warf Hector ein und errötete über seinen Wagemut.
»Eh?« Valdars Augenbrauen schossen in die Höhe. »Was soll das denn, Junge? Seit wann ist ein Loch mit Knochen drin kein Grab?«
»Ich habe gute Augen, Sir«, erwiderte er. »Jeder sagt das, und ...«
»Sprich weiter, Junge.« Ronan legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte sie beruhigend. »Warum denkst du, dass das kein Grab ist?«
»Weil ...« Der Junge schluckte. »Das hier ist ein rundes Loch, und die Steine an den Wänden sehen wie Maldreds alter Wappenstein über dem Burgtor aus. Sie haben ungefähr die gleiche Höhe, auch wenn der Stein in seinem Rücken ein bisschen größer aussieht als die anderen.«
Er biss sich auf die Lippen und blickte sich um, als erwartete er Widerspruch.
»Ich habe die seannachies gehört«, sprach er weiter, als keiner kam. »Diesen alten Geschichten zufolge wurde Maldreds Wappenstein aus einem uralten Steinkreis herausgenommen, und wenn Ihr genau hinseht, werdet Ihr feststellen, dass dort unten ein Stein fehlt. Und ...«
»... unserer Familiengeschichte zufolge wurde die Burg auf diesem Kreis erbaut«, schloss Ronan für ihn.
Der Junge nickte.
»Es ist richtig, was er sagt«, bestätigte Torcaill, der am Rand der Öffnung kniete. »Der alte Wappenstein würde genau in die Lücke in dem Kreis hineinpassen. Und«, er stützte sich auf seinen Stab, um sich aufzurichten, »Maldred sitzt an den liegenden Stein des Kreises gelehnt. Sogar die beiden Stützsteine sind noch da und bewachen den liegenden.«
Er strich mit einer Hand seine Gewänder glatt. »Der Junge vermutet das Richtige. Maldred hat in der Tat den Kreis als seine Gruft erwählt.«
»Und da kann er auch gern bleiben - wie ich bereits sagte!« Valdar setzte seine sturste Miene auf. »Du kannst mit seinem Stein tun, was du willst«, sagte er, an Ronan gewandt. »Aber sieh zu, dass er von hier verschwindet.«
»Mach dir keine Sorgen.« Ronan legte einen Arm um seine Frau und zog sie an sich. »Ich weiß, was getan werden muss ...«
»Gnädige Herren!« Einer der Küchenjungen kam die Treppe hinuntergestürmt und blieb schwer atmend vor ihnen stehen. »Die Wachen vom Torhaus schicken mich. Ein großer Trupp Reiter nähert sich sehr schnell von Westen her.«
Ronan zog eine Augenbraue hoch. »Haben die Wachen gesagt, wer die Reiter sein könnten?«
Aber er wusste es bereits.
»MacKenzies.« Die Antwort des Jungen bestätigte das Schlimmste.
Gelis schnappte nach Luft. Ronan warf ihr einen Blick zu und war nicht erstaunt zu sehen, dass alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen war. Anscheinend wusste auch sie, dass die Reiter nicht ihre Verwandten waren.
»Sir.« Der Küchenjunge zupfte an Ronans Ärmel. »Was soll ich den Torwachen sagen?«
Ronan bemühte sich um einen ruhigen Ton, um den Jungen nicht zu erschrecken. »Sag ihnen, dass ich selbst hinausreiten werde, um die Reiter zu empfangen«, trug er dem Jungen auf, während es ihm kalt über den Rücken lief.
Als der Junge sich abwandte und die Treppe hinauflief, runzelte Ronan die Stirn.
Dungal Tarnach hatte Wort gehalten.
Er war gekommen, um seinen Stein zu holen.
Und er hatte keine Zeit verschwendet.
»Du kannst nicht ernsthaft vorhaben, diesen Männern allein entgegenzureiten.«
Ronan wand sich innerlich unter dem Blick seiner Frau, deren Augen Feuer sprühten. Mein Gott, sie wusste, wie man einen Mann ansah! Und dieser Blick gehörte nicht zu jenen, die er schätzte.
Stirnrunzelnd legte er eine Hand auf ihren Arm und führte sie von Dares offenem Tor und aus der Hörweite seiner neugierigen Männer fort.
»Ich muss allein hinreiten.« Er legte seine Hände fest um ihre Schultern und wünschte mit aller Macht, sie möge ihn verstehen. Als er die richtigen Worte nicht fand, beschloss er, einfach die Wahrheit zu sagen. »Ich muss mich darauf verlassen, dass sie sich wie Ehrenmänner verhalten.«
»Männer, die sich als Verwandte von mir ausgeben?« Ihre Augen spiegelten ihren ganzen Ärger wider, als sie sich von ihm losriss und wutentbrannt den Kopf zurückwarf. »Sie werden dich töten, bevor ...«
»Hast du so wenig Vertrauen in meine Fechtkünste?«
»Ich habe vollstes Vertrauen zu deinen Fähigkeiten im Schwertkampf.« Sie fuhr sich mit einer Hand über die Wange und funkelte ihn an. »Aber du hast es hier nicht mit gewöhnlichen Männern zu tun. Du hast selbst gesagt, dass sie ...«
»Aber Liebes, sie waren einmal ganz normale Männer.«
Er behielt für sich, wie sehr er sich auf diese Tatsache verließ.
Für einen Moment wandte er den Kopf ab und blickte zu dem dichten Kiefernwald hinüber, wo sie ihn, wie er vermutete, erwarteten. Trotz des bitterkalten Tages hellte sich der Himmel langsam auf, und einige Sonnenstrahlen fielen bereits durch die Wolken, vergoldeten die Baumkronen und die breite Hügelkette dahinter.
Einige wenige Wolken warfen ihren Schatten auf die höher gelegene Heide und färbten sie tinten- und lavendelblau.
Beide Farben hatte Ronan seit Jahren nicht gesehen, und ihr Anblick gab ihm Hoffnung.
Wenn auch nicht genug, um seinen Plan zu ändern.
»Das gefällt mir nicht, Ronan«, sagte Gelis mit trotzig vorgeschobenem Kinn. »Es ist zu riskant.«
»Nein, es ist der einzige Weg.« Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und zwang sie, ihn anzusehen. »Und du wirst mir dieses Mal gehorchen. Ich will dich und alle anderen in Sicherheit wissen, bis ich zurückkehre.«
Nach diesen Worten zog er sie noch einmal an sich, aber sie legte ihre Hände an seine Brust, schob ihn zurück und blickte mit feucht glänzenden Augen zu ihm auf.
»Bitte.« Sie blinzelte, und ihre sonst so feste Stimme zitterte. »Wirst du mir wenigstens sagen, wo du dich mit ihnen treffen wirst?«
»Erst, wenn alles getan ist, aber keine Minute vorher«, beschied er sie und beugte sich zu ihr. Er zog sie an sich und presste seinen Mund auf ihre Lippen, nahm ihre Lippen und ihre Zunge in Besitz und gab ihr durch seine Leidenschaft und Liebe zu verstehen, dass er nicht die Absicht hatte, sie je wieder gehen zu lassen.
Oder das aufs Spiel zu setzen, was sie zusammen hatten.
»Kehr in die Burg zurück und zeig meinen Leuten ein lächelndes Gesicht.« Ronan strich ihr das Haar zurück und bedeckte ihr Gesicht, ihren Hals und ihre Schultern mit unendlich sanften Küssen. »Zeig ihnen, was für eine tapfere Frau du bist«, bat er sie und küsste die zarte Haut unter ihrem Ohr, bevor er seine Lippen wieder über ihren Nacken gleiten ließ. »Tu es für mich, für uns.«
»Ich würde aber lieber mit dir reiten«, erwiderte sie aufsässig.
Doch Ronan schüttelte den Kopf und gab nicht nach.
Dann trat er zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Geh jetzt. Ab in die Burg mit dir«, sagte er mit seinem strengsten Blick, »oder ich trage dich hinein und kette dich an einer der Säulen in der Halle an.«
Gelis reagierte äußerst ungehalten. »Ich werde nicht brav dasitzen und warten«, schwor sie, wandte sich aber um und ging zurück durchs Tor. »Vergiss nicht, dass ich eine MacKenzie bin«, rief sie noch, bevor sie im Torhausbogen verschwand.
»Passt auf, dass sie die Burg nicht verlässt!«, befahl Ronan den Wachen, bevor er sein Pferd bestieg. Er ritt auf den Wald zu und hielt erst wieder an, als ihm das Prickeln in seinem Nacken verriet, dass seine Feinde ihn umringt hatten.
Kaum hatte er sein Pferd gezügelt, traten sie aus den Schatten, eine Gruppe hagerer, hohläugiger alter Männer mit ernsten Gesichtern, deren lange dunkle Gewänder im leichten Wind des Morgens flatterten.
Sie sahen ganz und gar nicht wie MacKenzies aus, und Hoffnung keimte in Ronan auf, weil sie nicht versuchten, ihn mit einer solchen List hinters Licht zu führen.
»So begegnen wir uns also wieder, Rabe. Ich grüße Euch.« Dungal Tarnach trat vor und ließ die anderen, die stumm in einem Halbkreis standen, hinter sich zurück. »Habt Ihr unseren Stein mitgebracht, oder müssen wir ihn uns holen?«, fragte er, während er seinen Stab hob, der orangefarben zu glühen begann.
Ronan ignorierte die Drohung. »Ich werde Euch den Stein bringen und ...«
»Das freut mich zu hören.« Der Bewahrer des Steins lächelte, sein Stab begann zu funkeln. Er ließ ihn auf der Stelle sinken und setzte eine fast wohlwollende Miene auf. »Es ist viel zu lange her, seit jemand von Eurer Rasse ...«
»Und«, fuhr Ronan fort, als hätte Tarnach nichts gesagt, »Ihr könnt versuchen, Euch den Stein zu nehmen, aber in einem fairen Kampf durch Kraft und Willen. Und nicht hier ...«
»Ach! Ihr wollt uns zum Kampf herausfordern?« Dungals Lächeln verschwand, und er hob die Stimme. »Zum Kampf um etwas, das von Rechts wegen uns gehört?«
Auch Ronan erhob die Stimme und legte die Hand an den Schwertgriff. »Ich würde um der Ehre willen kämpfen, falls diese Euch etwas bedeutet.« Er maß die ganze Gesellschaft mit einem langen Blick. »Und für die Sicherheit dieses Tals und seiner Bewohner.«
Dann zog er sein Schwert und hielt es dem Bewahrer des Steins mit dem Griff voran hin.
»Meine Klinge im Tausch gegen die Eure«, sagte er, Torcaills Rat befolgend, das Schwert des anderen zu erlangen, bevor sein eigenes verzaubert werden konnte. »Wir treffen uns zu einem Duell am Tobar Ghorm, bevor es Abend wird - es sei denn, Ihr fürchtet einen ehrenhaften Kampf.«
Dungal Tarnach machte ein finsteres Gesicht, nahm das Schwert aber und händigte Ronan widerwillig das seine aus.
Für einen winzigen Moment sahen seine blassen blauen Augen alt und müde aus, aber er fasste sich schnell wieder. »Der Tobar Ghorm ist ein ungewöhnlicher Ort für ...«
»Der Blaue Brunnen ist der einzige Ort für ehrenhafte Männer, um eine Angelegenheit von solcher Wichtigkeit zu regeln.« Ronan fixierte Tarnach mit einem scharfen Blick und fühlte sich ermutigt, als der ältere Mann zuerst wegsah.
»Ich kenne bessere Orte ...« Dungal zupfte an seinem Bart.
»Ihr wisst, dass es der Blaue Brunnen sein muss«, brach Ronan das Schweigen, als der andere Mann verstummte. »Wir haben schon beim letzten Mal, als wir uns dort sahen, davon gesprochen.«
Dungal Tarnach legte seine Stirn in Falten.
Ronan wartete und schloss seine Hand fest um den Griff des fremden Schwerts, weil die tiefen Falten in Dungals Gesicht und dessen gebeugte Schultern ihn mehr beschäftigten, als sie es tun sollten.
Schlimmer noch - er spürte, wie sich auf seiner Zunge ein Zugeständnis formte.
»Solltet Ihr Euch außerstande fühlen, selbst meine Herausforderung anzunehmen«, hörte er sich sagen, »werde ich mit Eurem besten Fechter kämpfen.«
Der Bewahrer des Steins zögerte, aber sein Blick glitt zu einem jüngeren Mann, der in der Nähe stand. Stämmig, wildäugig und rotgesichtig trat der Mann jetzt vor und nahm Ronans Schwert aus Tarnachs Händen.
»Ich werde die Klinge mit Euch kreuzen«, verkündete er mit lauter Stimme.
»Dann ist es also abgemacht.« Ronan nickte. »Sollte ich der Sieger sein«, wandte er sich an Tarnach, »sagt Ihr mir, wie sich der Stein zerstören lässt, und dann verlasst Ihr unser Gebiet unverzüglich und für immer. Sollte ich den Kampf verlieren, nehmt Ihr Euren Stein und verschwindet auch für immer aus diesen Bergen.«
»Einverstanden.« Dungal Tarnach erwiderte das Nicken.
Die anderen Bewahrer sahen schweigend zu, aber schließlich neigten auch sie den Kopf.
Das genügte.
Und es war mehr, als Ronan zu hoffen gewagt hatte.