14. Kapitel

Das Weibsbild war ja wohl das Letzte! Zuerst sprach sie auf derart respektlose Weise über Hexenrituale und dann hatte sie offensichtlich auch noch einen direkten Draht zur Drachenwelt. Gott, das Schicksal konnte so grausam sein! Ganz zum Schluss hatte sie dann auch noch die Unverfrorenheit besessen von einer Seelenrettung eines Pornostars zu sprechen! Ja, war die Welt denn vollkommen verrückt geworden? Wieso sollte ein Mr. Lover-Lover es wert sein gerettet zu werden? Und wieso, verflucht, konnte solch eine unerfahrene Niete, wie Siena, überhaupt etwas Derartiges bewerkstelligen? Ihren Schilderungen nach hatte sie ja offenbar wirklich etwas bewirkt. Oder aber sie war die volle Blenderin.

Luise biss sich vor Zorn ihre Unterlippe blutig. Seit Tagen schon war sie unruhig wie eine räudige Hündin, nur dass sie kein bisschen Saft für ihre Libido verspürte. Nein, die Ursache dafür lag ganz woanders und eindeutig bei dieser Siena, die ganz klar über Macht verfügte, damit aber so unbekümmert umging, dass es sie in den Fingern juckte, ihr eins auszuwischen. Ein Zuviel an Begabung ohne wahres Bewusstsein kotzte sie an. Und begabt war das Weib durchaus.

Was hatte ihre Freundin und große Hexenmeisterin vor ein paar Tagen noch schnell prophezeit? Ein Gott würde kommen und die EINE suchen, die auch Drachen reiten konnte. Eine Frau, die Gesetze unwichtig erscheinen ließ, Grenzen sprengte und Möglichkeiten erfand, die es bis zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal gegeben hatte. Solch eine Frau war natürlich ein mächtiges Wesen im Universum oder der Teufel schlechthin und Luise hatte bis zum heutigen Tag eigentlich nicht wirklich an die Existenz einer solchen Person geglaubt. Dafür hatte sie im Laufe der Jahre einfach mit zu vielen Dilettanten zu tun gehabt und nie eine mächtigere Hexe kennengelernt als ihre Meisterin. Und die war zwar beeindruckend, aber auch nicht allmächtig. Selbst sie hatte so ihre Probleme mit Drachen und Göttern.

Doch diese Siena! Erneut biss sie sich auf ihre volle Lippe und fühlte einen Neid in ihren Eingeweiden, der in seiner Dunkelheit und Bösartigkeit beinahe unerträglich war. So ein Miststück! Und ausgerechnet die sollte einen waschechten Gott abbekommen?!? Einen Gott in Menschengestalt? Im Gegensatz zu ihrer Meisterin hielt sie nämlich sehr viel von diesen Titanen des Universums. Ihre Schönheit als Menschen war legendär, ebenso ihre Macht und Leidenschaft. Warum also sollte dieser Siena das alles einfach so in den Schoß fallen und warum spielten eigentlich immer die anderen die Hauptrolle in dem Spiel, wo es interessant werden konnte? Diese Siena war weit über dreißig, leicht übergewichtig, geschieden und hatte noch nicht mal Kinder abbekommen. Gut, sie war schon ein wenig hübsch, aber vermutlich die volle Niete im Bett. Warum sonst hätte sie wohl ein Mann nach dem anderen verlassen?

Luise wusste wie fies das war, aber es tat gerade gut, böse Sachen über diese Frau zu denken. Zum Glück war sie selbst um Jahre jünger, denn Jugend war nun einmal ein gutes Aphrodisiakum und beflügelte zudem jede Zauberei. Luise war schön, mächtig und nicht gewillt einer Anfängerin einen echten Gott zu gönnen.

Sicher nicht! Wer brauchte schon eine dämliche Drachenreiterin, die sich über alle möglichen Gesetzmäßigkeiten erhob? Drachen waren ja vielleicht interessant, aber auch im Prinzip längst ausgestorben, bis auf der spirituellen Ebene halt und wenn es nach ihr ginge, bräuchten die Menschen sowieso keinen Draht mehr zu diesen Biestern. Ihre Kraft war natürlich ein Hammer, aber offenbar nicht mehr zeitgemäß. Viel zu oft hatte sie auch schon versucht die Rituale genau nach Vorgabe abzuhalten und letztendlich doch IMMER versagt, den blanken Horror erlebt oder schlicht nichts erreicht. Luise brummte eine satanische Melodie und überlegte, wie sie die Karten dieses Spiels neu und zu ihren Gunsten mischen konnte. Und das war nicht einfach nur so dahingesagt, denn sie legte gut und gerne dreißig Mal am Tag Karten. Für sich, für andere, für alles Mögliche.

Schon in der nächsten Minute mischte sie ihre Tarotkarten und hoffte mit all ihrer Macht das Schicksal bezwingen zu können. Dass dies bereits die Grenze der weißen Magie überschritt war ihr dabei egal. Sie wollte nicht ewig eine kleine Nummer bleiben, sondern als starke und sehr mächtige Hexe respektiert werden. Doch wie sollte das passieren, wenn die wirklich wahren Ereignisse an ihr vorbei gingen oder sich eben andere Menschen so unverschämt in den Vordergrund spielten?

Die Karten zischten eigentümlich, als sie immer schneller mischte und dann abrupt innehielt. Mit fliegenden Bewegungen legte sie das keltische Kreuz für ihr Thema und gierte mit starrem Blick nach dem Ergebnis. Die erste Karte drehte sie um, dann noch eine und schon bald begann sie zu lächeln. Sie hatte die Karte der Liebe aufgedeckt.

So, so ... murmelte sie leise und begann zu grinsen. Es handelte sich also um keinen geringeren als den keltischen Gott Thor. Zufrieden sah sie auf die Karte, denn sie liebte nordische Mythologie und die Legenden um die Kraft der Druiden. Dann drehte sie auch die anderen Karten um und begann schallend zu lachen. Diese unwürdige Kuh soll also der Untergang eines Gottes sein! Ja, wer hätte gedacht, dass ein solch strahlender Stern derart viel Finsternis hervorbringen konnte? Oh du armer Odin! Denn so wie sie Thor aus Erzählungen einschätzte, konnte er töricht genug sein, für die Menschen sogar seine Existenz zu riskieren. Schon immer war es seine Aufgabe gewesen Midgard, die Welt der Menschen, zu schützen. Und schon immer war er ein Krieger, der zu allem bereit schien, selbst wenn es ihm das Leben kosten würde.

Ob du deinen schönen Sohn wohl jemals wieder siehst, alter Mann? Sie lachte derb und blickte voller Hohn an die Decke ihrer Wohnung. Odin war ein sehr mächtiger Gott, doch er hatte sich vor langer Zeit von der Erde abgewandt und das machte sie ziemlich sicher, dass er sie jetzt gerade nicht hören konnte. Sonst hätte sie vermutlich nicht solche Worte riskiert. Mit einem verächtlichen Lächeln auf den Lippen, zerstörte sie das Legemuster und wischte die Vision mit ganzer Kraft aus ihrem Kopf.

Sie wusste jetzt also welcher Gott auf die Erde gekommen war und wen er hier suchte. Wobei sie sich nicht im Klaren war, warum. Götter hatten schon immer menschliche Frauen begehrt und benutzt, aber Thor war hier eine Ausnahme und lange nicht so umtriebig wie der alte Hallodri Zeus. Dass also ausgerechnet ein Gott des Krieges und des Donners der Liebe wegen hier auftauchte, war ungewöhnlich. Also steckte vielleicht doch auch etwas anderes hinter seinem Erscheinen. Etwas viel Machtvolleres, als der Wunsch nach kurzem, göttlichem Austausch mit einer Erdenfrau, die noch dazu seinen Untergang bedeuten konnte.

„Nein, mein schöner Gott. Diese Suppe werde ich dir und ihr versalzen und wenn es das Letzte ist, was ich tue!“

HIER ENDET TEIL 1

Der zweite Teil erscheint Sommer/Herbst 2013